Spezialität mit Sparfaktor

KURZWAFFEN
CZ 75 Kadet FS in .22 Long Rif le
Spezialität mit Sparfaktor
Das Kleinkaliberwechselsystem "Kadet" für die allseits beliebte Ganzstahldienstpistole Brünner CZ 75/85 Pistole in 9 mm Luger kam vor
nunmehr 16 Jahren auf den Markt (siehe caliber 5/95) und wird heute auch als Komplettpistole angeboten. Daß man Gutes auch immer
noch etwas besser machen kann, zeigt die uns vorliegende Variante, die einige technische Änderungen im Frankonia Tuning Center erfuhr.
caliber schaute sich die CZ 75 Kadet FS einmal genauer an.
D
Historische Randnotizen
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Kadetten in .22 Long Rifle unter
sich (von oben): Eine standardmäßige CZ 75 Kadet mit Spannabzug und gekrümmter Abzugszunge im Vergleich zur
speziellen CZ 75 Kadet FS mit
überarbeitetem Single-ActionAbzugssystem, Alugriffschale
und Manipulationsplatten im
Vorderbereich des Verschlusses.
Schon vor 80 Jahren brachte Colt das 1911A1 "Ace Model" mit kraftschlüssigem FederMasse-Verschluß auf den Markt, das sich aber
als recht störanfällig erweisen sollte. Auch das
europäische Militär interessierte sich schon
früh, wenn auch nicht in besonders engagier-
tem Maße, für eine kostengünstige Ausbildung
der Rekruten, so daß die dänische Armee bereits 1951 den Auftrag an die Firma SIG in
Neuhausen gab, für die bereits vier Jahre zuvor eingeführte Dienstpistole in Gestalt einer
modifizierten SIG 210 mit der internen Bezeichnung SP47/8 eine entsprechende Kleinkaliberversion zu entwickeln, die dann
schlußendlich ab 1958 als SIG 210-7 zur Verfügung stand. Selbst bei der deutschen Polizei
beschäftigte man sich mit Ausbildungskonzepten rund um das sparsamere Training mit
Kleinkaliberwaffen, die den originalen Dienstpistolen in Gewicht, Form und Handhabung
nahe standen. Aus jener Zeit stammen dann
auch solche exotischen "Dienstpistolen" wie
zum Beispiel die Heckler & Koch P7 K3, die es
neben .22 l.r. auch noch in 7,65 Browning
und 9 mm kurz gab und 1984 auf der EXPOL
(Exposition Police) in Luxemburg erstmals
dem Fachpublikum präsentiert wurden. Während viele Hersteller darauf fixiert waren und
immer noch sind, die kleinkalibrigen Ableger
durch Feinguß- und MIM (Metal Injektion
Molding) Technik recht günstig in der Ferti-
Die spezielle IPSC Randfeuerwaffe offenbart in der rechten Seitenansicht die
konventionelle, voluminöse Gummigriffschale und ist nur mit einer einseitigen
Drehhebelsicherung am Rahmen ausgestattet.
gung zu halten, stellt die besagte P7K3 eine
echte Ausnahmeerscheinung dar. Denn hier
gab es neben einem aus Stahl gefrästem Griffstück und Verschluß noch solche technischen
Leckerbissen wie einen für dieses Kaliber
recht unüblichen, gehämmerten Polygonlauf
sowie ein schwimmendes Patronenlager und
einen hydraulischen Rückstoßpuffer.
Teamwerkzeug im Detail
Ausgangsbasis für das hier vorgestellte Sondermodell ist natürlich die serienmäßige CZ
75 Kadet Kleinkaliberpistole, die für 799 Euro
den Besitzer wechselt. Das Kadet Wechselsystem für eine bereits vorhandene CZ 75/85, CZ
75 Compact oder CZ 75 SP-01 in 9 mm Luger
kostet aktuell 429 Euro und Reservemagazine
gibt es für 59 Euro. Die Kadet in .22 Long Rifle
besitzt die hervorragende Handlage des großkalibrigen Originals, weist aber anstatt des
formschlüssig verriegelnden, modifizierten
Browning-Systems mit abkippendem Lauf mit
geschlossener Steuerkurve und zwei Riegelwarzen das kraftschlüssige
Feder-Masse-System auf. Eigens für die seit zwei Jahren
fest in der Sportordnung des
BDS verankerte IPSC Kleinkaliberklasse hat man sich eine
spezialisierte Überarbeitung
einfallen lassen, die durchaus
praxisnah ist. Der geistige Vater dieses Modells sitzt nur den sprichwörtlichen Steinwurf von unserer Redaktion entfernt, denn der in der Frankonia Filiale Köln
arbeitende und für das IPSC Top Shot Werksteam startende Friedrich Schmickler hat
sich in erster Linie die vorgestellten
Modifikationen einfallen lassen.
Deshalb bezeichnen wir das Modell auch keck als "FS" (für
Fritz Schmickler) Version. Das Oberteil der
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er Wunsch nach einem unterhaltsgünstigen Training (sowie Wettkämpfen
mit erhöhtem Spaßfaktor) ist beileibe
nicht neu. Doch in jüngster Vergangenheit
hat er sich aufgrund knapper werdender
Haushaltskassen und steigender Rohstoffund Munitionspreise noch stärker ausgeprägt. Daher offerieren immer mehr Hersteller Kurz- und Langwaffen im Randfeuerkaliber .22 Long Rifle. Letztendlich profitiert
davon auch der Verbraucher, weil das Angebot für verschiedenste Schießsportdisziplinen immer vielfältiger und auch die Qualität
der kleinkalibrigen Spaßmacher unserer
Meinung nach immer besser wird.
Kadet ist zweiteilig aufgebaut und besteht aus
der Laufeinheit mit integraler, durchgehender
Visierschiene sowie dem eigentlichen Schlitten
mit einer auf einer halblangen Führungsstange
positionierten Schließfeder. Der dünne, knapp
124 mm lange, aus dem Vollen gefräste Kleinkaliberlauf wird mündungsseitig eingesteckt
und im rückwärtigen Lagerblock durch einen
Spannstift oben mit der Visierschiene verbunden, während unten der Laufhalter (Schlittenfanghebelachse) für die Verbindung mit dem
Griffstück sorgt. Nur durch diesen zweiteiligen
Aufbau des Oberteils läßt sich überhaupt eine
zuverlässige Funktion mit den impulsschwachen Kleinkaliberpatronen erreichen. Andere
Hersteller, die Vollverschlüsse verwenden,
müssen auf leichte Materialien wie Aluminium- oder Zinkdruckguß setzen. Im Gegensatz
dazu besteht die CZ 75 Kadet seit eh und je aus
Stahlfeinguß, der partiell an den funktionsrelevanten Stellen nachgearbeitet wird. Eine der
im Frankonia Tuning Center entstandenen Detailverbesserungen setzt exakt hier an, denn
das schmale Verschlußstück sitzt zwischen
Rahmen und integraler Visierschiene und läßt
sich trotz vorhandener Riffelungen im hinte-
CZ 75 Kadet FS in .22 Long Rif le
ren Bereich aufgrund der beengten Zugriffsfläche nicht gerade optimal greifen. Hier offerieren die beidseitig an den Fronten der Verschlußseitenflächen angebrachten, griffigen
Aluminiumplatten deutlich verbesserte Handhabungseigenschaften. Im dynamischen IPSC
Sport, wo es auf jede hundertstel Sekunde ankommt, verschaffen sie definitiv einen gewissen Zeitvorteil und erleichtern zudem das
Greifen des Schlittens bei etwaigen Waffenmanipulationen, wie sie bei einer Störungsbehebung notwendig sind. Weil im IPSC-Kleinkaliber-Sektor nicht nur beim Kaliber
Minimalismus Trumpf ist, hat man sich seitens
des BDS, der seit 1990 die Vertretungsrechte
des Weltdachverbandes International Practical
Shooting Confederation (IPSC) inne hat, dazu
entschieden, vorerst nur die beiden Waffenkategorien Standard und Open einzuführen. Im
Großkaliberbereich gibt es darüber hinaus bei
den Faustfeuerwaffen auch noch die Production, Modified und Revolver Klasse. Aus diesem
Grunde wurde der originale Spannabzug der
CZ 75 Kadet FS (der in einer KK Production
Klasse wieder Sinn machen würde) zugunsten
eines Single-Action-Abzuges unter Verwen-
dung der bekannten "Mamba" Schloßteile
ausgewechselt. Das neue System, das bei einem durchschnittlichen Abzugsgewicht von
1.320 Gramm sauber und trocken auslöste,
erkennt man rein äußerlich schon an der geradlinigeren Abzugszunge und dem eckigen
Hammer. Durch den jetzt nur noch leicht gekrümmten Abzug vermindert sich auch der
Abstand zwischen Griffrücken und Abzugszunge, was sicher nicht die dümmste Idee ist,
denn schließlich soll mit dieser neu geschaffenen Disziplin auch der Nachwuchs gefördert
werden und so läßt sich die Kadet auch mit
kleineren Händen besser bedienen. Auch im
Innenleben wurde nachgebessert, denn während viele Kleinkaliberpistolen nur mit vergleichsweise teureren und impulsstärkeren
HV (High Velocity) Munitionssorten zuverlässig laufen, hat man bei der CZ 75 Kadet FS im
Inneren die für die Funktion relevanten Stellen poliert, um die sichere Funktionsweise zu
unterstützen. Der .22er Magazinkörper wurde
in dem originalen 9 mm Luger Magazin für 15
Patronen untergebracht und nimmt zehn KKPatronen auf (beim Start der Kadet gab es
noch KK-Magazine mit einer Kapazität für 15
Technische Daten der CZ 75 Kadet FS in .22 Long Rifle
Die Schußleistung der CZ Kadet FS kann sich
durchaus sehen lassen. Das Spitzenergebnis betrug gerade mal 19 mm (CCI Pistol Match) und
somit braucht sich diese Waffe kaum hinter einer
"olympischen" Wettkampfpistole zu verstecken.
Patronen). Die zehn Randfeuerpatronen im
Tank reichen aber vollkommen aus, weil nach
Regelwerk das Laden von mehr als 10 Patronen ohnehin untersagt ist. Eine Korrektur der
Treffpunktlage ist mit dem verstellbaren LPA
TPU Mikrometervisier jederzeit machbar, wobei die weißen Dämmerungsmarken in Kimme und Korn eher überflüssiger Luxus bei einer Sportwaffe sind. Auf der anderen Seite
kann man die Markierungen in den Visierelementen mit einem schwarzen Filzstift abdekken, wenn beispielsweise die Visierkontur
durch Sonnenlicht überstrahlt wird. Bei unserer Testwaffe wurde eine links auf dem Rahmen montierte, flache Alugriffschale mit griffiger Skateboardtape-Einlage, wie sie als
Nachrüstteile von Frankonia angeboten werden, mit einer voluminöseren, konvexen Gummigriffschale auf der rechten Seite kombiniert.
Dies sorgt für eine saubere Handlage und vor
allem viel Kontrolle im Schuß. Einer weiteren
Feinabstimmung steht aber nichts im Wege, so
könnte die Kadet auch mit beidseitigen Alugriffschalen oder einem Magazintrichter – diese Teile gibt es nicht nur in Schwarz sondern
auch in Silber, Blau oder Rot – bestückt werden.
Magazinkapazität:
Griffstück:
Verschluß:
Lauflänge,Laufprofil:
Drall Länge:
Kimme:
Korn:
Visierlänge:
Sicherung:
Abzugssystem, Widerstand*:
Gesamtgewicht:(incl. Magazin)
Maße (LxBxH):
Preis:
10 Patronen
Stahl, Feinguß, schwarz pulverbeschichtet
Stahl,Feinguß, schwarz pulverbeschichtet
123,5 mm, Feld-Zug Profil, Rechtsdrall
1-16“ (406 mm)
5,2 mm, vollverstellbare LPA Kimme mit zwei Dämmerungspunkten
6,05 mm, Rampenkorn
172 mm
einseitige Drehhebelsicherung am Griffstück
Single Action, 1.310-1.448 Gramm, Durchschnitt: 1.320 Gramm
1.056 Gramm
caliber-Kontakt
203x142x31
1.189 Euro
Frankonia Handels GmbH & Co. KG
* Mittel aus 5 Messungen mit der Lyman Digital Trigger Gauge
Auf dem Schießstand
Im Testverlauf wurden etwa 200 Patronen
unterschiedlicher Hersteller verfeuert, wobei
es keinerlei Funktionsstörungen zu beklagen
gab. Nur mit der flotten 33 Grains Remington
Yellow Jacket gab es einen einzigen Zündversager. Prinzipiell empfiehlt es sich, Kleinkaliberwaffen häufiger oder in kürzeren Zeitintervallen zu reinigen als die großkalibrigen
Zentralfeuerkollegen, weil die meist mit
Wachs überzogenen Geschosse mehr Verbrennungsrückstände verursachen, die dann
bei den geringen Schließfederkräften schnell
das Aus für die Funktion bedeuten können.
Eingespannt in die Ransom Rest-Schießmaschine zeigte die kleine Kadet bei zehn Schuß
auf 25 Metern, was in ihr steckt.
Weil der Lauf über den Verschlußfanghebel
fest mit dem Rahmen verbunden ist, fallen die
vergleichsweise großzügigen Toleranzen zwischen den Hauptbestandteilen beim Erstellen
der Streukreise mittels Schießmaschine nicht
so ins Gewicht. Das bestätigte sich dann auch
in der Praxis, denn mit der CCI Pistol Match
erreicht die genügsame Tschechin einen
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Schußleistung der CZ 75 Kadet FS in .22 Long Rifle
Der zurückgezogene Verschluß verdeutlicht den zweiteiligen Aufbau des Kadet Oberteils mit obenliegender, integraler Visierschiene. Die Manipulationsplatten aus Leichtmetall im Frontbereich des
Schlittens verbessern die Handhabungseigenschaften erheblich.
Munition
OAL
v2
341,4
v2-Diff
in m/s
28,9
Präzision
in m/s
55
Bemerkungen
in mm
schnelle Überschallpatrone
33 grs. Remington Yellow Jacket
23,9
40 grs. Geco Pistol
24,9
279,3
19,4
51
günstige Trainingspatrone
40 grs. RWS Pistol Match
24,5
285,3
28,8
28
hohe v2 Schwankungen
40 grs. Lapua Pistol OSP
24,8
286,0
14,2
21
Top
40 grs. CCI Pistol Match
25,1
285,6
11,7
19
beste Präzision im Test
40 grs CCI Standard Velocity
25,2
284,4
29,1
31,0
Standardpatrone
Durchschnitt aller Laborierungen
34
Abkürzungen in caliber: Alle Geschoß- und Pulvergewichte in Grains (zum Umrechnen in Gramm bitte mit 0,0648 multiplizieren). v2 = Geschoßgeschwindigkeit in Meter pro Sekunde, 2 Meter vor der Mündung gemessen. OAL = Overall
Length = Patronengesamtlänge.
Schießhausstraße 10, 97228 Rottendorf, Telefon:
+49-(0)180-5372690, Fax: +49-(0)180-5327691
www.frankonia.de, [email protected]
Streukreis von 19 Millimeter und braucht sich
damit nicht hinter einer reinrassigen Sportpistole zu verstecken. Die Lapua Pistol OSP lag
mit 21 Millimeter nur geringfügig dahinter.
Der Durchschnitt aller sechs Laborierung betrug sehr ansehnliche 34 Millimeter. Alle Ballistikdaten können der übersichtlichen Tabelle entnommen werden. Neben den bereits
etablierten, statischen Schießsportdisziplinen
hat sich auch in der dynamischen Szene so einiges getan. Wie bereits in den USA gibt es
auch bei der European Steel Challenge in Winterswijk (Niederlande), die dieses Jahr vom 3.
bis 5. Juni stattfinden wird, eine eigene "Rimfire" Wertung. Auch bei den deutschen Steel
Challenge Veranstaltungen wird es eine eigene
Wertungsklasse für die kleinkalibrigen Wettkampfwaffen geben. Der BDMP hat auch
nachgezogen und bietet beispielsweise beim
Bianchi Cup eigene KK Wertungsklassen mit
mechanischer und optischer Visierung an.
Der Andrang in der vor zwei Jahren eigens ins
Leben gerufen IPSC Kleinkaliber Klasse hält
sich zumindest bis heute im überschaubaren
Rahmen und wird meist von den "Cracks" der
Großkaliberfraktion bestritten. Aber was nicht
ist, kann ja noch werden. Denn selbst die heute so erfolgreiche Production Klasse brauchte
ein paar Jahre, um aus ihrem Schattendasein
herauszuwachsen. Darüber hinaus läßt sich
die Kadet aber auch in anderen Disziplinen
mit erhöhtem Spaßfaktor, wie beispielsweise
dem BDS Fallplattenschießen, bestens einsetzen. Die hier vorgestellte CZ 75 Kadet FS würde 1.189 Euro kosten, was im Vergleich zu einer standardmäßigen Kadet von der Stange
einen Mehrpreis von 390 Euro bedeutet. Unserer Meinung nach, ein faires Angebot.
Text: Stefan Perey/Tino Schmidt
Fotos: Uli Grohs
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