Die Wildnis Mitgliederzeitschrift des Internationalen Wildnisführer Verbandes e.V. Ausgabe 35 – 2/2015 Editorial Vom Glück… Glück bedeutet wohl für jeden Menschen etwas anderes: Die Erfüllung der eigenen Träume, Liebe, Gesundheit oder auch kleine Dinge, wie das Lächeln des Gegenübers, der morgendliche Sonnenaufgang, das leuchtende Herbstlaub, der Duft einer guten Tasse Kaffee, das Knistern des Lagerfeuers. Glück kann nur ein kleiner Moment sein, ein Hauch dieses warmen Gefühls oder ein Zustand, der im Hintergrund beständig und stabil um uns ist. Aber wann sind wir glücklich? Wann können wir dieses uralte Zauberwort tatsächlich für uns beanspruchen? «Das Glück ist nicht mehr, als die Abwesenheit der Langeweile.» sagt Arthur Schopenhauer, Philosoph. Aber stimmt das? Leben wir zu oft zu langweilig? Kleine Kinder wagen jeden Tag einen ersten Schritt, ein erstes Wort. Die Welt ist ein Ort, an dem Kinder ständig etwas zum ersten Mal tun. Irgendwann wird es mit den ersten Malen weniger. Wir führen ein Leben als Erwachsene. Arbeiten. Gründen eine Familie. Das Leben wird gleichförmiger. Ruhiger. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns in einem Bereich befinden, den die Fachleute «Komfortzone» nennen, ist hoch. Es geht uns gut darin. Aber wir erleben immer weniger, was unser Herz und unsere Seele als Bereicherung und Anregung empfinden. Was wirkliches Glück bedeutet. Im anstrengenden Alltag und der sich immer schneller drehenden Welt vergessen wir manchmal, das Leben einfach zu leben. Es zu genießen mit all seinen kleinen Glücksmomenten. Noch seltener stellt sich der echte Hochgenuss ein; ein ganzheitlicher, überwältigender, berauschender Glücksmoment des totalen Einsseins mit sich und der Welt: die perfekte Welle. Ein solches Erlebnis kann man nicht planen. Es passiert – wenn man es wagt. Wenn man dafür bereit ist. Inhalt Die Natur USA – Klettern & Biken 4 Skitour Elbrus 8 Das Lavu am See 12 Der Elch 14 Urlaubstipp für Familien 18 Die Ausbildung Unbekannte Missweisung einzeichnen: Winkeltausch 20 Alles Pulka, oder was? 22 Die IWV-Infos Anschlagbrett 30 Impressum / Mitwirkende 31 Unsere Welt ist so reich an Schönheit und Wunderbarem. Und wir brauchen nur den Antrieb, den Mut, uns hinauszuwagen in diese, unsere Welt. Und die Freude wirklich aktiv zu leben und öfter mal etwas zum ersten Mal zu tun! Es gilt so viel Neues zu entdecken! Womöglich könnte es aber auch nur eine Frage der Wahrnehmung sein. So wie es der Dichter Christian Morgenstern formuliert hat: «Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht.» Das Fazit kann eigentlich nur lauten, ab und an beherzt etwas Neues zu wagen, sich im Augenblick zu verlieren und zu leben! Sonja Rieth Die Natur USA – Klettern & Biken, ein «wüster» Roadtrip Alex Dressen – Text und Fotos Das Thermometer in unserem Campervan zeigt 119,7 Grad Fahrenheit Außentemperatur. Das entspricht 48,7 Grad Celsius! Die Luft über dem Asphalt flirrt, weit und breit keine Menschenseele. Wir stehen mit unserem Fahrzeug in Kalifornien, genauer gesagt in der Mojave Wüste / Kalifornien unweit der legendären Route 66. Als wir austeigen, um uns die Hitze mal genauer «anzusehen», haben wir sofort das Gefühl, dass uns die Sonne verbrennt. Unfassbar…, sowas haben wir noch nie erlebt. Wir, das sind Elsi, Aran, Marco und ich, unterwegs auf einem Roadtrip durch fünf Staaten im Westen der USA! So war der Entschluss ein Leichtes und wir machten uns auf nach Südkalifornien, erster Wüstenstop «Joshua Tree». Dort angekommen, zeigte das Thermometer gleich mal 40° C, so muss das sein, dachten wir! Kurze Hose, Achselshirt und FlipFlops, das war schon eher nach unserem Geschmack! Als dann am ersten Abend, wir waren gerade schön am Grillen, ein Hagelschauer über uns hinweg zog, dachten wir ernsthaft wir seien im falschen Film! Eis in der Wüste?!? Respekt! Aber am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter dann wieder von seiner besten Seite. Hmm, die erste Euphorie verflog dann aber doch recht schnell, als wir feststellten, dass es uns gewaltig aus den Felsen rausbrannte! Und Felsen gibt es hier in einer unglaublichen Anzahl, feinster Granit in allen Größen und Formen, soweit das Auge reicht. Ein Paradies für Kletterer! Wenn nur die Hitze nicht wäre…, so bleibt uns nur früh aufzustehen, um in den kühleren Morgenstunden zu klettern.Dann lange Siesta zu halten, um abends wieder Hand an den Fels zu legen. Mit dieser Taktik fahren wir recht gut und uns gelingen ein paar schöne Klassiker. Rückblick Die letzten zwei Wochen haben wir im Norden Utahs, Idaho und den kalifornischen Rockies verbracht, immer auf der Flucht vor schlechtem Wetter. In Salt Lake City hat’s geregnet, in der City of Rocks / Idaho hat es geschneit, am Lake Tahoe / Kalifornien war’s zu kalt und schlussendlich hat uns ein Unwetter im Yosemite aus der berühmten «Nose» am El Cap gespühlt. Wir hatten die Schnauze voll…! 4 Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur Da wir aber schon mal in Las Vegas waren, ließen wir es uns natürlich nicht nehmen den Red Rocks einen Besuch abzustatten. Dieses Kletterrevier liegt direkt vor den Toren der Stadt, und bietet feinste Kletterei an Weltklasse Sandstein. Vom kleinen Boulder bis hin zu 700m hohen Wänden ist hier alles geboten. Die Hitze ist diesmal erträglich und so toben wir uns ein paar Tage hier aus. Es gelingen uns Sportkletterrouten bis in den Grad 5.11d, ein paar schöne Boulder bis V7 und ein paar wirklich eindrückliche Mehrseillängenrouten. Die außergewöhnlichste (wenn auch nicht die Schwerste) der langen Routen welche wir kletterten, war sicherlich die «Tunnel Vision 5.7+». Hier klettert man in der 5. Seillänge komplett in einem vertikalen Tunnel im Innern des Berges nach oben, bis man nach ca. 40 m Dunkelheit durch ein kleines Loch auf der Das unser Schotte Aran, beim Versuch die Route «Lower Right Ski Track 5.10+» zu klettern, sich in eine prekäre Situation manövriert hatte und aus akuter Bergnot mittels einer über zwei Stunden dauernden Bergungsaktion von uns gerettet werden musste, sei hier nur am Rande erwähnt… (Briten vertragen eben nicht so viel Sonne und werden ziemlich nervös, wenn Ihnen die Sicherungsmöglichkeiten ausgehen… und gelobt seien betonierte Parkbänke, welche mitten in der Wüste stehen und an denen man das Seil seines Vorsteigers fixieren kann!). Nach all dem schweißtreibenden Felsengeturne stand uns der Sinn dann erst mal nach etwas Erholung, Pool und Klimaanlage. Was also lag näher, als nach Las Vegas zu fahren?! Dort angekommen quartierten wir uns in die Penthouse Suite vom Bellagio ein und ließen es zwei Tage lang so richtig krachen! «But hey! What happens in Vegas, stays in Vegas!» Die Wildnis 2 / 2015 5 Die Natur anderen Seite der Wand wieder an das Tageslicht kommt. Einzigartig…! Leider ist unsere Zeit hier viel zu kurz und wir müssen schon wieder weiter. Über den Zion National Park (hier waren wir nur für einen Tag schauen und wandern), fuhren wir zu guter Letzt nach Moab, dem Outdoorparadies und der Mountainbike Welthauptstadt in Utah. Klettern waren wir hier nur wenig. Es war, wie immer, zu heiß, die Haut an unseren Händen war durch und nach vier Wochen fast ausschließlich am Fels, war die Motivation Mountainbiken zu gehen dann doch irgendwie deutlich größer. Aber wer kann es uns verübeln? Warten hier doch mit dem SlickRockTrail und dem Porcupine Rim «The whole Enchilada» zwei MTB Leckerbissen von Weltruf auf uns. Was man hier unter die 29er Bereifung bekommt ist tatsächlich und schlichtweg einzigartig und wir freuen uns wie kleine Kinder an Weihnachten. Der SlickRock wartet mit technischen Passagen auf steilen Felsplatten am Fließband auf. Durch den rauen Sandstein haben die Reifen aber unwahrscheinlich guten Grip, und man kann dadurch noch unmögliche Steilheiten fahren. Doch das unbestrittene Highlight hier ist der «Gan- 6 ze Enchilada» des Porcupine Rim, bietet dieser Trail doch nichts anderes als einen sagenhaften Downhill über 50 km und 2.500 Höhenmeter. Das alles in technisch moderatem Gelände und in einer Kulisse wie frisch aus der Marlboro Werbung. Es geht nur bergab, es gibt Sprünge, lange delikate Traversen entlang an Felskanten hoch über dem Tal und unfassbar viele flowige Trailpassagen auf denen wir dahinjagen wie ein Jagdfliegergeschwader. Nach einem dreiviertel Tag rollen wir mit einem fetten Grinsen im Gesicht am Colorado River entlang zurück nach Moab. Ziemlich erschöpft biegen wir beim ersten FastFood Laden ein der uns begegnet Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur und jeder von uns zieht sich einen 2-Litereimer voll mit Gatorade und Eiswürfel rein. Der Begriff vom «Brainfreeze» wird geboren… Damit hätten wir auch schon über einen Monat rumgebracht und so langsam war es Zeit nach Hause zu gehen. Aber wenn ich eins gelernt habe, dann Folgendes: die Wüste lebt! Die Wildnis 2 / 2015 Zwei Tipps am Rande, noch zum Abschluss sozusagen. Zum einen, wer in den USA in der Wüste klettert, sollte zwingend den Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln (Friends, Keile, Schlingen, etc…) sicher beherrschen, Bohrhaken sind hier nämlich meistens Mangelware. Also, gute Nerven und ein ruhiges Händchen sind hier unabdingbar. Und zum anderen, lasst Euch nicht von den vielen Klapperschlangen stressen. Sind ganz liebe Viecher…, echt jetzt! 7 Die Natur Skitour Elbrus Kay Filbrich – Text und Fotos Zum Lehrteamtreffen im November 2014 erzählte mir Wildnisführer und Lehrteammitglied Alex Dressen von einer geplanten Skitour mit Freunden zum Elbrus. Termin sollte vom 26.04. bis 04.05.2015 sein. Der Elbrus ist mit 5 642 m Höhe Europas höchster Berg und befindet sich im Kaukasusgebirge. Dieses ist zugleich die Grenze zwischen Europa und Asien bzw. zwischen Russland und Georgien. Ich selbst hatte schon lange die Absicht, wieder mal einen höheren Berg in Angriff zu nehmen. Die letzte ernst zu nehmende Bergtour lag nun doch schon einige Zeit zurück. Ich erfuhr, dass es sich dabei um eine organisierte Tour mit dem österreichischen Anbieter «Ruefa-Reisen» handelte und noch freie Plätze verfügbar seien. Spontan meldete ich mich an. Immerhin war noch genügend Zeit zur Vorbereitung und Feinplanung. Mein Freund Emanuel Brückner war auch gleich Feuer und Flamme und so war die Reisegruppe aus zwei Wildnisführern und einem Anwärter komplett. Zur Vorbereitung kam ich, widererwarten und mangels der Zeit dann doch kaum. Zumindest schaffte ich es mit Emanuel ein paar Tage Skitouren im Ötztal zu gehen. So bestiegen wir unter anderem Österreichs zweithöchsten Berg, die Wildspitze mit 3 768 m. Da wir uns dabei vier Tage über 2 500 m aufhielten, hofften wir zugleich ein wenig vorakklimatisiert zu sein. Einige Tage später starteten wir dann von München aus Richtung Russland! Am Flughafen trafen wir auch auf Alex und seine Bergfreunde. Der erste Stopp war in Istanbul geplant, wo wir einige Stunden 8 Aufenthalt hatten. Wir nutzten die Zeit für einen kleinen Abstecher in die Stadt, um wenigstens die «Blaue Moschee» zu sehen und gemütlich eine Shisha zu genießen. Weiter ging’s gegen Mitternacht nach Stavropol in Russland. Hier durften wir uns dann erstmals mit der Willkür der russischen Zollbeamten vertraut machen. Stundenlanges Warten, ohne jegliche Information sowie unfreundliche Befragungen auf Russisch und totale Ignoranz seitens des Servicepersonals. Doch all das nahm uns trotzdem nicht die Vorfreude auf unser Bergabenteuer. Mit einem großen Sprinter-Bus starteten wir gegen 5 Uhr morgens unsere fünfstündige finale Etappe gen Kaukasus, genauer gesagt nach Azau direkt am Fuße des Elbrus und dem Ende des wilden Baksan-Tales. Hier bezogen wir Quartier in einem modernen Hotel mit großzügigen Zimmern, die Höhe beträgt hier bereits gute 2 000 m über NN. Die Reisegruppe bestand insgesamt aus 13 Teilnehmern, bunt zusammen gemischt aus Österreichern und Deutschen. Unseren Bergführer Wladimir lernten wir Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur auch gleich kennen und schon am Nachmittag starteten wir zur ersten kleinen Akkli-Tour die Skipiste hinauf, die nur paar 100 m hinterm Hotel endete. Das Wetter war durchwachsen – leichter Schneefall, aber mild. Wir hatten im Vorfeld von extremer Kälte am Gipfel, von bis zu – 50 Grad erfahren und dass vorherige Gruppen deswegen umkehren mussten. Dementsprechend besorgten wir uns in den Wochen zuvor noch zusätzliche Ausrüstung, um der Kälte standzuhalten und hofften zugleich auf mehr Glück, als es unsere Vorgänger hatten. Nach zwei weiteren Akkli-Touren zogen wir dann am vierten Tag ins Hochlager auf 3 600 m um. Dies besteht aus einfachen Metallcontainern zum Übernachten von bis zu acht Bergsteigern. Zusätzlich steht, leicht schief, ein großer Aufenthaltscontainer, der zum Einnehmen der Mahlzeiten und als allgemeiner Treffpunkt dient, bereit. Ein kleines Holzhäuschen am Rande der Felsgruppe sollte als «Donnerbalken» fungieren. Die Lage und Aussicht war einmalig. Leider war es dann doch nicht möglich dieses zu benutzen. Die Überreste unserer Vorgänger waren bis zum Rand eingefroren. Also hieß es sich irgendwo zwischen den Felsen ein windgeschütztes Eckchen zu suchen und sich zu beeilen. Vom Hochlager aus starteten wir dann noch zweimal mit den Ski, um uns auf den Gipfeltag vorzubereiten. Die maximale Höhe erreichten wir dabei am Tag vor dem Gipfelsturm mit 4 800 m. Die Wetterprognosen waren nicht zu schlecht und so sollte es nun direkt am nächsten Tag bis zum Gipfel gehen. Wir hatten den Doppelgipfel des Elbrus schon einige Male sehen können und vom Hochlager aus sah Die Wildnis 2 / 2015 es auch nicht sehr spektakulär bzw. steil aus. Dummerweise war durch die Kälte und den heftigen Wind die Schneequalität schlecht bzw. der Gletscher an vielen Stellen frei geblasen so dass wir einen Großteil der Strecke mit Steigeisen und nicht wie geplant mit Ski zurücklegen müssen. So entschieden sich alle Teilnehmer am Gipfeltag die ersten Höhenmeter bis zum Gipfel per Pistenraupe zu überwinden, bis zu dem Punkt den wir am Vortage schon erreicht hatten. Somit stieg die Chance auf den Gipfel enorm, da nur noch knappe 1 000 Höhenmeter zu bezwingen waren. Wir starteten gegen 4 Uhr morgens bei Schneefall und dichten Wolken. Auf 4 700 m angekommen, errichteten wir 9 Die Natur das Skidepot, zogen unsere Steigeisen an und dann ging es für uns immer bergauf. Wir waren mittlerweile über den Wolken und konnten einem traumhaften Sonnenaufgang erleben, den Schatten des Bergmassives in der Atmosphäre. Ab 5 000m spürte ich deutlich die Höhe und auch andere aus der Gruppe zeigten Symptome. Wir erreichten den Sattel zwischen Ostund Westgipfel auf ca. 5 300 m, Pause! Trotz der Höhenprobleme entschieden sich fast alle Teilnehmer weiter zu gehen, das Wetter war stabil und es war erst 9.00 Uhr morgens. Der Wind nahm allerdings immer stärker zu, speziell als wir die Gipfelflanke erreichten. Was mich sehr nachdenklich stimmte, waren die zahllosen unerfahrenen Gruppen die sich mit uns am Berg bewegten, ich beobachtete zum Teil haarsträubende Aktionen die auch für Unbeteiligte hätten gefährlich werden können. Auch unser «Bergführer» Wladimir zeigte während der gesamten Reise sehr geringe Führungskompetenz, so- 10 wohl auf technischer, wie auch auf sozialer Ebene. Hier waren wir alle froh, genug eigene Erfahrung und Wissen mitgebracht zu haben, dementsprechend folgten wir nur bedingt seinen Anweisungen. Schon am Sattel hatte mich Alex überholt, seine Erfahrung und Einschätzung des richtigen Tempos zahlten sich hier aus. Er hatte in den letzten Jahren schon zahlreiche hohe Berge bestiegen und fast nie Höhenprobleme gehabt… beneidenswert! Emanuel und ich standen gegen 11.30 Uhr auf dem Gipfel, der Wind war zu einem Sturm geworden, aber die Sicht war traumhaft. Der höchste Punkt Europas auf 5 642 m und einer der Seven Summits (mein Erster!) war erreicht. Drei IWV-ler an einem Tag auf dem Dach Europas – gab´s das schon mal??? Wir trauten uns kaum für das Gipfelfoto die dicken Daunenhandschuhe auszuziehen, der Windchill war extrem. Ich hatte eine Stelle im Gesicht nicht richtig abgedeckt und war erschrocken, als mich einer Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur meiner Bergkameraden (danke Thomas!) darauf hinwies, dass meine Haut schon weiß war… Erfrierungsgefahr! Kurzzeitig überwältigten mich die Eindrücke. Es sind doch immer wieder ganz besondere Momente die wir in unserer Natur erleben dürfen! Ich persönlich empfinde dann immer Demut und Dankbarkeit gegenüber den gewaltigen Elementen, die wir nicht beherrschen oder bezwingen können, sondern die uns erlauben ihre Größe und Einzigartigkeit zu bewundern. Auf dem Rückweg spürte ich, dass ich mich sehr konzentrieren musste keine Fehler zu machen. Die Kraft war fast aufgebraucht, der Akku leer. Auch Emanuel ging es nicht so gut. Er beschloss schneller abzusteigen um sich im Camp erholen zu können. Als ich später im Hochlager ankam ging es uns aber schon wieder viel besser und wir konnten gemeinsam mit den anderen ein nachträgliches Gipfelbier genießen ;-). Dazu wurden wir von der Küchenfee mit nationalen Köstlichkeiten verwöhnt. Die Verpflegung war wirklich hervorragend. Schon am nächsten Tag ging es wieder Richtung Tal. Die Skiabfahrten machten nochmal richtig Laune und Lust auf mehr! In Azau angekommen checkten wir nochmal im Hotel ein und organisierten unser Reisegepäck. Am Abend war dann die offizielle Abschlusszeremonie mit leckerem Essen und der Übergabe von Zertifikaten geplant. Dafür wurden wir extra in einen anderen Ort gefahren, sicher gab es hier einen Deal mit dem Veranstalter. Ich bestellte zum x-ten Mal Schaschlik, diese Fleischspieße waren hier einfach nur Spitze. An jeder Straßenecke stand irgendein altes Mütterchen an einem selbstgebauten Schaschlik-Grill und drehte den Spieß. Man aß diese einfach mit Die Wildnis 2 / 2015 Brot und frischen Zwiebeln. Das Fleisch war zumeist vom Lamm oder Rind und einfach nur lecker. Am Tag darauf, dem 9. Tag insgesamt, traten wir schon wieder die Heimreise an und mussten uns von der spektakulären Landschaft verabschieden. Alles in allem eine lohnenswerte Tour in einer noch relativ ursprünglichen Gegend. Ich würde mir jedoch beim nächsten Mal ein paar Tage mehr Zeit wünschen, um noch einige andere Besteigungen in dieser Region anzugehen. Außerdem sollte es mit ausreichend Erfahrung und gründlicher Vorbereitung möglich sein diese Tour auch selbstorganisiert durchzuführen. 11 Die Natur Das Lavu am See Bettina Nostitz, Adrian Wachendorf, Kevin Görsch und Mario Worm – Text und Fotos 100 km vom Polarkreis, Ende Januar, 45 cm Neuschnee, Temperatur unter – 20°C: In einer 2 Tages Expedition zu einem 15 km entfernten Lavu wollten wir (vier Wildnisführer, Lehrgang 2015) üben und anwenden. Ausgestattet mit Karten, Sprechfunk, GPS, Schneeschuhen und Tee ging’s los. Der Trekk: Ein Schlittenhund-Trail, sah einfach aus. Der Plan: Trail folgen und abbiegen. Die Realität: Nach erfolgreibei einer Auffanglinie 90° nach Westen cher Überquerung zugeschneiter Seen und Wälder endete der Weg plötzlich im Nirgendwo. Wir waren zu weit nach Osten geraten – und bis zum Einsetzen der Dunkelheit war nicht mehr viel Zeit. Die Rettung: Das Licht eines Schneemobils in der Dämmerung. Da war der Weg zum Lavu! Es war ziemlich anstrengend, aber schließlich erreichten wir – erschöpft aber glücklich – und kurz vor Dunkelheit auch das weiße Zelt mit Ofen am See. Feuer und leckeres Essen ließen uns wieder zu Kräften kommen, aber dieser Tag zeigte uns allen, wie schnell Planungsfehler in so einem Terrain gefährlich werden können. Mit einer Erfahrung mehr im Rucksack sind wir jetzt gut gerüstet für die Abschlussprüfung. 12 Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur Die Wildnis 2 / 2015 13 Die Natur Der Elch Peter Jäkel – Text und Fotos Der Elch (lat. Alces alces) ist die größte Art von allen lebenden Hirschen. Er ist die einzige Art der Unterfamilie der Elchhirsche (lat. Alcinae). Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Norden Europas über Asien bis nach Nord Amerika. Er erreicht eine Kopfrumpflänge von mehr als 3 m, und eine Körperhöhe von über 2 m. Damit ist er größer als ein Pferd. Sein Gewicht beträgt ca. 300–800 kg und somit ist er so charakteristisch dass er mit keinem anderen Tier verwechselt werden kann. Der Elch hat einen sehr langen, breitmäuligen Kopf mit großen Ohren und einem ausgeprägten Kinnbart. Das breite Schaufelgeweih beim männlichen Elch ist im Tierreich einzigartig. Das Geweih der skandinavischen Elche kann bis zu 1,30 m breit werden und wiegt dann bis zu 20 kg. Auf jeder Seite können sich bis zu 15 Enden herausbilden. Das Geweih der Elchbullen wird in seinen ersten 10 Lebensjahren jährlich größer und behält danach seine Größe. Obwohl die Elchbullen ihr Geweih zu jedem Winter abstoßen, werden nur selten Schaufeln gefunden. Der Grund dafür ist, das Mäuse, Eichhörnchen und andere Nagetiere die Geweihe wegen der in ihnen enthaltenen Mineralstoffe auffressen. 14 Die langen, sehnigen Beine mit den breiten Hufen eigenen sich sehr gut um sich in den unwegsamen Wäldern fortzubewegen. Der Elch ist ein Bewohner der Sumpfwälder. Seine Hufe lassen sich auseinander spreizen, was durch die größere Auftrittsfläche, auch Wanderungen in sumpfigen Gebieten ermöglicht. Im Winter verlassen die Elche die Niederungen und wandern in die trockneren Waldgebiete. Dabei legen sie manchmal bis zu 700 km zurück. Im Sommer besteht seine Äsung aus Zweigen, Blätter und Triebe von Weichhölzern. Die langen Lippen dieser Tiere sind zum Abstreifen des Laubes eingerichtet. Pro Tag frisst ein Elch ca. 15–25 kg Laub, Knospen, Holz und Rinde. Zu seiner Lieblingsspeise gehören Birken, Weiden, Pappeln und Erlen. Im Winter frisst er die grünen Triebe der Nadelbäume. Auch Sumpf- oder Wasserpflanzen, die er im Wasser stehend aufnimmt gehören zu seiner Nahrung. Ein Elch kann nicht so ohne weiteres wie ein Hirsch Gras und Kräuter am Boden abweiden, dazu ist sein Hals zu kurz. Er reicht nur hinunter wenn er dazu die Vorderbeine weit spreizt. Da das allerdings für ihn sehr unbequem ist, gehen Elche sehr gerne ins Wasser um an der Uferkante zu grasen. Insbesondere Seerosen frisst er sehr gern. Die werden Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur von ihm, mitsamt den Wurzeln, auch unter Wasser abgeweidet. Der Elch ist ein sehr guter Schwimmer, auch über größere Flüsse und sogar Meeresarme. Schwimmend erreichen sie die Åland-Inseln vor Finnland und sogar Dänemark. Der Wolf ist, nach dem Menschen, der gefährlichste Feind der Elche. Außerdem fallen sie dem Bär zum Opfer. Ein gesunder Elch setzt sich allerdings durch heftige Tritte mit seinen Läufen zur Wehr. Diese Verteidigung ist äußerst effektiv, so dass die Angreifer meist von ihren Opfern ablassen. Nur gegen ein Auto ist auch ein Elch chancenlos. Jedes Jahr fallen in Schweden ca. 4.500 Elche dem Straßenverkehr zum Opfer. Was in der Regel mit sehr schweren Verletzungen, oder sogar Todesfällen auf Seiten der Elche, als auch des Menschen ausgeht. Nach 2 Jahren sind Elche fortpflanzungsfähig. In der Brunftzeit geht der Elchbulle für einige Zeit mit einer Kuh und dann gegebenenfalls noch mit anderen Kühen. Er sammelt nicht wie der Rothirsch ein Rudel um sich. Ende Mai werden nach 35– 38 Wochen Tragzeit die Kälber geboren. Jüngere Kühe setzen 1 Kalb, die älteren 2 oder manchmal sogar 3 Kälber. Elchkühe sind wie alle Hirschkühe in der Lage die Trächtigkeit bis zu 4 Wochen, durch Unterbrechung der Fötenbildung hinauszuzögern. Das ermöglicht ihnen, die Kälber, erst wenn ausreichend Nahrung vorhanden ist, zu setzten. Eine Elchkuh behält seine Kälber bis zum zweiten Lebensjahr bei sich. Kurz vor der Geburt werden die Erstlinge aus dem letzten Jahr vertrieben. Sie bleiben aber meist in der Nähe der Mutter, um weitere Dinge dazuzulernen. Bei der Geburt wiegen die Kälber ca. 15 kg und haben eine Schulterhöhe von ca. 80 cm. Sie nehmen in der ersten Zeit jeden Tag ca. 1 kg zu. Schon nach 3 Tagen sind die Jungen in der Lage, der Mutter zu folgen und nehmen neben der Muttermilch auch schon Blätter zu sich. Die Wildnis 2 / 2015 15 Die Natur In den 1970er Jahren haben sich die Elche sehr stark vermehrt. Jedes Jahr im Oktober beginnt die Elchjagd. Dann ist jeder Schwede, der Wald und einen Waffenschein besitzt auf der Treibjagd. Trotz Abschussziffern von jährlich ca. 100.000 Tieren vermehrten sie sich drastisch. In einigen Regionen lebten zeitweilig mehr Elche wie Menschen. Grund für diesen hohen Bestand war weniger das Fehlen echter Feinde wie Bär, Wolf oder Vielfrass als vielmehr die schwedische intensive Forstwirtschaft. Durch immer schnellere Folge großflächiger Kahlschläge entstehen große Aufforstungsflächen, die den Tieren in Form von frischen saftigen Grüns tonnenweise beste Nahrung zuführen. Die gut erreichbare und qualitativ hochwertige 16 Nahrung führt zu immer mehr Zwillingsgeburten und besten Überlebenschancen des Nachwuchses. Seit einigen Jahren ist die Elchpopulation in weiten Teilen Schwedens allerdings sehr stark rückläufig. Das hängt zum Teil mit einer wachsenden Wolfspopulation und einem stetig wachsendem Straßenverkehr zusammen. Hinzu kommt eine völlig verfehlte Jagdpolitik mit viel zu hohen Abschussquoten. Da mit dem Jagdtourismus aber sehr viel Geld verdient wird und der Mensch nicht zu den wirklich intelligenten Säugetieren gehört, steht zu befürchten, das sich daran in der nächsten Zeit nichts ändert. Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur In der nördlichen Sowjetunion versucht man auf einer Station mit mäßigem Erfolg, Elche für den arktischen Winter in der nördlichen Taiga als wenig anspruchsvolle Reit- und Fahrtiere heranzuziehen. Auch in Europa wurden einzelne solche Versuche durchgeführt. Allerdings ergab sich daraus nie eine praktische Nutzung von Elchen als Zugtiere für Schlitten. Schwedens Landwirtschaftsamt hat 1996 eine geplante «Weltmeisterschaft» im Elchreiten verboten. Ein entsprechender Antrag eines Mannes aus Västerås Mehr Informationen zum Elch und viebei Stockholm ist abgelehnt worden. Das Amt berief sich auf das Tierschutzgesetz. len anderen Tieren in den Schwedischen Demnach dürfen Tiere nicht in Menage- Wäldern gibt es auf unseren Exkursionen rien herumgeführt und gezeigt werden. und Wanderungen in Ekshärad. Der Antragsteller wollte eine Weltmeisterschaft als Touristenattraktion im alten Elchgehege von Schwedens König Karl XII. (1682–1718) in Kungsör veranstalten. PJ-Erlebnis Profis Peter Jäkel Byn Byheden S-68362 Ekshärad Tel.: +46-(0)563-44166 Mobil.: +46-(0)70-3544166 E-Mail: [email protected] Internet: www.erlebnis-profis.de Die Wildnis 2 / 2015 17 Die Natur Urlaubstipp für Familien: Floßfahren wie Huckleberry Finn! Sonja Rieth – Text und Fotos Weite Seen, wilde Natur an den Ufern, ausgedehnte Wälder, Seeadler kreisen… Schweden? Kanada? Weit gefehlt! Wir waren im Nationalpark Müritz an der Mecklenburgische Seenplatte. Hier bei uns in Deutschland ein fantastischer Platz für Naturliebhaber, Kanu-Wanderer und Familienurlauber. Das Wasser in der Müritz, an der unser Campingplatz liegt, ist glasklar und voller Fische. Der Sandboden in den Badebuchten erinnert an Urlaub am Meer. Nicht nur die Kinder sind begeistert! Wir erkunden die Ufer rund um den Campingplatz mit dem Kanu, genießen das Sandburgbauen und Baden und stellen fest, dass wir definitiv zum Kanu-Wandern wiederkommen werden. Dann aber wartet der Höhepunkt unserer 10 Tage: Wir haben mit Freunden zwei Flosse gemietet. Zwei Tage lang wollen wir wie Huckleberry Finn auf unserem Floss leben und schlafen. Die Aufregung ist groß. 4 Erwachsene, 3 Kinder und 1 Hund machen sich mit Sack und Pack auf 18 Die Wildnis 2 / 2015 Die Natur ins Abenteuer! Bewaffnet mit Schlafsäcken, Isomatten, Kleidung für jedes Wetter und Verpflegung wagen wir die erste Fahrt… mit 5 PS! Gemächlich tuckern wir durch Kanäle und Schleusen von See zu See, halten an, wo auch immer uns danach ist, probieren am Fischerimbiss viele Leckereien. Wir ankern, wo wir schwimmen wollen und lassen uns auf dem Dach des Floßes die Sonne auf den Bauch scheinen. Gott geht es uns gut! Abends ankern wir in einer einsamen Bucht an einem phantastischen Buchenwald. Die Sonne scheint mit weichem Licht durch die Bäume, auf dem See kehrt Ruhe ein. Ab und zu sind Raubvögel zu hören, sonst nur das beständige Rauschen der Wellen. Wunderschön. Wir sitzen gemeinsam ums Feuer. Groß und Klein. Auf dem Grill brutzelt unser Abendessen und es wartet eine Nacht an Board. Für die Kinder in der Kabine, für uns unter dem Sternenhimmel an Deck. So entspannt waren wir lange nicht. Wir könnten nicht zufriedener sein. Die Wildnis 2 / 2015 19 Die Ausbildung Unbekannte Missweisung einzeichnen: Winkeltausch Wolfgang Linke – Text und Grafik Das in Ausgabe 32 beschriebene Verfahren zum Einzeichnen der bekannten magnetischen Deklination in die Karte dient zur Vorbereitung einer Tour, – am Tisch, mit Taschenrechner und langem Lineal, in eine Karte mit Angaben zum Gradnetz oder Gitter. Wer sich von den dabei notwendigen Rechnungen überfordert fühlt, kann sich noch im Gelände mit einer Lösung helfen, die ich zwar bereits in meiner 1. Auflage (1982) beschrieben habe, die aber meines Wissens kaum jemand zur Kenntnis genommen hat. Vielleicht ist sie sogar meine Erfindung; jedenfalls habe ich sie nirgendwo beschrieben gesehen. Ein Kursteilnehmer hatte gefragt, wie er die Missweisung auf einer Alpenvereins-Karte – damals ohne Angaben zu Gradnetz oder Gitter – bestimmen könnte, und ich hatte ihm leichtfertig eine Lösung für den folgenden Kursabend versprochen. Das Verfahren, das ich ihm nach längerem Überlegen vorschlagen konnte, – ich nenne ihn einfach «Winkeltausch» – verlangt nur eine Peilung und eine Kopfrechnung, und man muss dazu nicht einmal die Karte auffalten. Es eignet sich überall, wo die Voraussetzungen gegeben sind, auch für Wanderkarten ohne Angaben zu Gradnetz oder Gitter, für Straßenkarten, Stadtpläne und entzerrte Luftbilder – und liefert unmittelbar eine Linie nach Magnetisch-Nord, allerdings nicht die Gradzahl und das Vorzeichen der Missweisung. 20 Vorausgesetzt werden • moderner Spiegelkompass mit parallelen Nordlinien in der durchsichtigen Dose (oder Peilkompass + VollkreisWinkelmesser) • bekannter Standort • Peilziel auf demselben Kartenblatt und im Gelände, also Fernsicht. Die Schritte sind • vom bekannten Standort eine gerade Linie zum Peilziel zeichnen • den Zielpunkt peilen und die Dose nach der Magnetnadel ausrichten • am Kompass 360° – Peilrichtung einstellen (also: die Richtung von Anlegekante und Dosengitter vertauschen!) • den Kompass mit dem Dosengitter an die Peillinie auf der Karte anlegen Eine Linie längs einer der beiden Anlegekanten verläuft nach MagnetischNord. Die Wildnis 2 / 2015 Die Ausbildung Unbekannte Missweisung einzeichnen: Winkeltausch Wenn man dann für die Kurs- oder Standortbestimmung das Dosengitter nach dieser Linie (oder ihrer Verlängerung oder einer Parallele dazu) ausrichtet, wird die Missweisung für dieses Kartenblatt und dieses Jahr ausgeglichen. Auf einer Fernwanderung genügt es, für jede Tagesstrecke einen Missweisungspfeil einzuzeichnen. Eine Genauigkeit von 1° für die Blattmitte ist ein sehr gutes Ergebnis, denn auch in der Schiffs- und Flugnavigation werden Kurswinkel nur in vollen Grad angegeben. Die Wildnis 2 / 2015 Die Schwachstelle aller Kompass-Verfahren liegt bei der Messung des Geländewinkels. Denn es braucht Übung, den Kompass mit fast ausgestrecktem Arm waagerecht so zu halten, dass der Spiegelstrich genau durch die Mitte der Nabe läuft. Das stellt man schnell fest, wenn man mehrfach misst und die Ergebnisse vergleicht. Jedenfalls hilft es, wenn die Tragschnur des Kompasses bei fast gestrecktem Arm dicht um den Nacken anliegt und so den Kompass stützt. 21 Die Ausbildung Alles Pulka, oder was? Bastian Metz – Text und Fotos Die Ausrüstung ist gerade vom Schmutz der letzten großen Sommertour gereinigt. Vielleicht war es das für dieses Jahr wieder mit den Touren. Die Tage sind jetzt im Herbst bereits merklich kürzer und kälter. Die schönen Tage, die nun noch bleiben, können an einer Hand abgezählt werden. Der Winter naht. Das sicherste Zeichen dafür sind die Schoko-Nikoläuse in den Supermarktregalen. Es ist Anfang Oktober. Winter. Da denken viele an Eis, Schnee und Kälte. Die Zeit, in der man Touren plant. Für den Sommer. Winter. Da denken viele an Jack London, Iglubau, Polarlichter, gemütliche Abende in urigen Hütten in denen das knisternde Feuer eines Ofens wohlige Wärme ausstrahlt. Irgendwo in der Nähe des Polarkreises. Die Sportlichen träumen von Expeditionen zu den Polen, Eisklettern, dem Yukon Arctic 22 Ultra oder dem Iditarod-Hundeschlittenrennen in Alaska. Ja, all das wären tolle Sachen, die man im Winter machen könnte. Doch für Touren im Winter ist eben meist einiges mehr an Ausrüstung und Brennstoff nötig. Ist der Rucksack für viele im Sommer schon schwer und voluminös genug, wird es im Winter fast unmöglich den ganzen Krempel zu tragen. Und wer hat schon ein Dutzend Huskys und einen entsprechenden Schlitten? Sicher, eine Pulka wäre eine Alternative. Aber Acapulka, Fjellpulken und co. lassen sich ihre Handwerkskunst auch teuer bezahlen. Für Pulka, Zuggestänge und Zuggurt sind da schnell 750–1.250 Euro weg und die Winterreisekasse mehr als nur halbleer. Doch es geht auch anders. Wie, dass lest ihr jetzt. Als Basis für die Eigenbau-Pulka dient der Paris Expedition Sled. Wenn der gerade mal wieder nicht zu bekommen ist, tut es auch der «Ice Blue Plastic Pulk». Die Wildnis 2 / 2015 Die Ausbildung Insgesamt wird folgendes Material benötigt: Bei vielen Teilen ist es mit Sicherheit ratsam, ein, zwei Teile auf Reserve mit zu kaufen. Pulka - 1x Paris Expedition Sled 40,00 € (www.globetrotter.de > aktuell 45 € - 2x Alu-Flachprofil 15x2x2000mm (1,5mm Dicke reichen auch) 7,88 € (örtlicher Metallwarenhändler) - ca. 30 Blindnieten (Edelstahl) 3mm Durchmesser, 12mm lang (evtl. kürzer o. länger, je nachdem wie das Gurtband verarbeitet wird; besser einige Nieten auf Reserve kaufen) 0,14 €/St. - 24 Sechskantschrauben* M5x20 Edelstahl 0,11 €/St. - 48x Scheiben für Schrauben M5, großer Durchmesser, Edelstahl 0,03 €/St. Optional, um die Auflagefläche und Kraftverteilung der Nieten zu vergrößern, weitere 26 Scheiben mit großem Durchmesser für Schrauben M5 und eventuell 26 Scheiben groß für Schrauben M3 - 24 selbstsichernde Hutmuttern M5 Edelstahl 0,26 €/St. (alle Edelstahlkleinteile von www.inox-schrauben.de) - 2 lfm Stoff, z.B. Cordura, 500den, 1,5m breit 35,50 € www.stoffamstueck.de, ebay oder www.extremtextil.de (wenn die Farbe egal ist, gibt es auch billigere Angebote) - Nähgarn und was sonst noch alles zum Nähen gebraucht wird - 7m Bandmaterial/Gurtband, 25mm breit 1,10 €/m www.extremtextil.de - 5x Blitzverschlüsse zum einseitigen Fädeln, 25mm breit 0,90 €/St. www.extremtextil.de - 10x D-Ringe, 25mm breit 0,30 €/St. www.extremtextil.de - ca. 4m Kordel, Durchmesser 3mm, unelastisch 0,40 €/m www.extremtextil.de - 4m Kordel, Durchmesser 5mm, elastisch 0,70 €/m www.extremtextil.de - 5x (Kunststoff-)Karabiner www.extremtextil.de (derzeit nicht verfügbar) *wenn keine Blindnietzange vorhanden ist und auch nicht extra angeschafft werden soll, können die Blindnieten durch weitere 26 Schrauben (Edelstahl), 52 Scheiben M5 und 26 selbstsichernde Hutmuttern M5 ersetzt werden. Gestänge - 2x Edelstahlrohr Außendurchmesser (AD) 15mm x2mm Wandstärke (WS), 1m lang, 22,22 € ITT-Bauelemente (ebay-Shop/evtl. auch über örtl. Metallwarenhändler) - 2x Alurohr AD 20mm x 2mm WS, 2m lang, 14,09 € örtlicher Metallwarenhändler - 8x Schloss-Schrauben Edelstahl M5x30, mit Vierkantansatz 0,17 €/St. - 8x Scheiben Edelstahl für Schrauben M5 0,03 €/St. - 8x Flügelmuttern M5 Edelstahl 0,14 €/St. - 2x Sicherungssplint/Federstecker Edelstahl 4mm 3,80 €/St. - 2x 3 Kettenglieder Edelstahl (müssen in das Alurohr passen) 0,45 €/St. Sonderpreisbaumarkt - 5m Stahlseil, 2mm Durchmesser Edelstahl 1,00 €/m Sonderpreisbaumarkt - 2x Kauschen Edelstahl für 2mm Stahlseil 0,20 €/St. - 2x Klemmen Edelstahl für 2mm Stahlseil 0,62 €/St. - 2x Karabiner Edelstahl dürfen nicht in das Alurohr passen, 1,10 €/St. - Dünne (Reep-)Schnur, zum Einfädeln des Drahtseils - 2 Spanngurte mit Metallschließe Die Wildnis 2 / 2015 23 Die Ausbildung Gesamtkosten: ca. 175 € für die Pulka (119 €) und das Zuggestänge (56 €) Werkzeug für den Pulkabau: Nähmaschine Metallsäge und evtl. eine Gehrung Metallfeile Blindnietzange Akkuschrauber und/oder (Ständer-)Bohrmaschine und verschiedene Metallbohrer Körner oder ein Nagel und ein Hammer Entgrater/Senker Spriritus und einen Lappen wasserfesten Filzstift Anreisnadel Klebeband, … Und los geht’s: Für eine angenehme Arbeitshöhe wird die Pulka auf einen Tisch gelegt. Euer Rücken wird es euch danken. Als nächstes werden die zwei Aluleisten (15 x 2 x 2000 mm) auf die richtige Länge abgesägt. Es werden zwei ca. 132 cm lange und zwei ca. 35 cm lange Stücke benötigt. Vor dem Anzeichnen und Absägen am besten selber nochmal ausmessen. Die scharfen Kanten mit einer Feile entfernen. Mit einem dünnen Stift wird jetzt mehrmals die Mitte (7,5 mm) der 15 mm breiten Leisten angezeichnet und die Punkte anschließend miteinander verbunden. In einem Abstand von (vorne) 3; 8 und (17x) 7 cm werden Punkte auf den 132 cm langen Leisten angezeichnet. Damit der Bohrer besseren Halt findet, empfiehlt es sich, mit einem Körner (eine Art Nagel, der gehärtet ist) die Stellen vor dem Bohren «anzukörnen» (eine kleine Vertiefung einschlagen). Bei allen angezeichneten Stellen werden dann Löcher mit einem Durchmesser von 3 mm gebohrt. Jetzt wird eine der beiden langen 24 Aluleisten mit Klebeband so an einer langen Pulka-Innenseite befestigt, dass die Oberkante der Aluleiste mit dem Rand der Pulka abschließt. Nicht zu weit hoch rutschen, weil sonst später die Scheiben an den Pulka-Aussenseiten nicht mehr genug Platz haben. Für eine gute Passform müssen die linken und rechten Enden der Aluleisten etwas zurechtgebogen werden. Das zweite Loch von links und rechts wird mit einem 5 mm Bohrer aufgebohrt und anschließend mit je einer Schraube und einer Flügelmutter an der Pulka fixiert. Nun werden die restlichen Löcher in die Pulka gebohrt. Die bereits vorgebohrten Löcher in der Aluleiste dienen dabei als Schablone. Achtet darauf, dass sich die Aluleiste während der Arbeit nicht verschiebt, sonst passen später die Löcher der Aluleisten nicht mit denen an der Pulka zusammen. Das (von vorne) 6., 9., 11., 14. und 18. Loch wird mit einem 5 mm Bohrer aufgebohrt, da hier später Schrauben eingesetzt werden. Sind alle Löcher gebohrt, wird die Aluleiste nochmal demontiert und die scharfen Ränder an den Bohrungen der Pulka und der Aluleiste entgratet. Der eben beschriebene Ablauf wird mit der anderen langen Aluleiste wiederholt. Mit den kurzen Aluleisten wird genauso verfahren. Nur die Abstände weichen hier etwas ab. Sie betragen vom rechten Rand 2,5; 6,5; 6,5; 4,0; 6,5; 6,5 und 2,5 cm. Werden an den kurzen Seiten keine Nieten, sondern nur Schrauben verwendet, müssen natürlich alle Löcher 5 mm groß sein. Damit die Aluleisten in den Ecken gut zusammenpassen, müssen die Enden teilweise noch angepasst werden. Dazu einfach etwas absägen oder -feilen, bis es passt. Die Ecken mit einer Feile abrunden, damit der Stoff später nicht durchstochen oder durchgescheuert wird. Und wie immer gilt: Scharfe Kanten entfernen. Die Wildnis 2 / 2015 Die Ausbildung Jetzt ist es an der Zeit, sich an die Nähmaschine zu setzen. Wer keine hat oder nicht nähen will, kann diesen Teil der Arbeit sicher auch von seinem Schneider des Vertrauens erledigen lassen. Der Stoff wird der Länge nach in der Mitte geteilt, sodass zwei Stücke von ca. 200 x 75 cm vorhanden sind. Diese beiden Teile werden dann an einer der schmalen Seiten zusammengenäht. Um einen festen Halt zu garantieren, empfiehlt sich dazu eine Die Wildnis 2 / 2015 Doppelkappnaht. Dann wird eine der langen Seiten gesäumt. Die unelastische Kordel mit 3 mm Durchmesser kann dabei gleich mit eingenäht, oder erst danach z.B. unter Zuhilfenahme einer Sicherheitsoder Stricknadel, eingefädelt werden. Das kann jedoch mitunter sehr mühsam bis nahezu unmöglich werden. Sie hat später die Aufgabe zu verhindern, dass der Stoff unter der Aluleiste rausrutschen kann. Im Anschluss daran wird die andere lange Seite noch gesäumt. Zum Schluss wird noch der Innen-Umfang der Pulka ermittelt, um den Stoff auf die richtige Länge abschneiden zu können. ACHTUNG: Nahtzugabe dazurechnen! Den Stoff im Umfang auf keinen Fall zu klein machen, da er sonst nicht mehr rundum an der Pulka befestigt werden kann. Dann werden die beiden verbliebenen kurzen Seiten miteinander vernäht und die zwei Kordelenden verknotet oder verschmolzen. Beim Nähen auf Aussen- und Innenseite achten. Die glattere, glänzende Seite ist später innen. Als letzten Schritt an der Nähmaschine werden jeweils ein D-Ring und ein Blitzverschluss (mit dem Teil, an dem später keine Arretierungen mit dem Gurtband vorgenommen werden können) zusammen auf ein Stück Bandmaterial von ca. 15 cm Länge gefädelt. Die beiden Enden des Bandmaterials werden aufeinander gelegt. Mit 1,5–2,5 cm Abstand zu den Enden kann dann 2–3 mal über die 2 Lagen Bandmaterial genäht werden. Sollte die Nähmaschine das nicht schaffen, kann dieser Arbeitsschritt auch entfallen. Beim Verbinden von Aluleisten und Stoffverdeck mit der Pulka muss dann nur darauf geachtet werden, dass die Enden des Bandmaterials aufeinander liegen und die Seiten des Bandmaterials parallel zueinander verlaufen. 25 Die Ausbildung Was in der Automobilbrache das Einsetzen des Motors in die Karosserie ist, ist bei unserem Pulkabau das Verbinden des Stoffverdecks mit der Pulka. Dazu wird der Stoff, mit der «Kordelseite» nach unten und der glatteren, glänzenden Seite nach innen, in die Pulka gelegt. Die Stellen, an denen der Stoff zusammengenäht worden ist, sollten jeweils in der Mitte der kurzen Pulkaseiten liegen. Jetzt eine der kurzen Aluleisten nehmen, auf den Stoff legen und den Stoff so heranziehen, dass die Kordel an der Unterseite der Aluleiste anliegt. Die Aluleiste über die Bohrungen der Pulka legen, mit einem Nagel o.ä. den Stoff durchstoßen und die Aluleiste und den Stoff mit Schraube, Scheiben und Mutter an der Pulka befestigen. Anschließend die anderen Schrauben und Nieten anbringen. Mit den anderen Leisten und Löchern genauso verfahren. Bei den 5 mm Bohrungen (an den langen Seiten) wird statt der Blindnieten eine Schraube verwendet und zusätzlich noch das Bandmaterial mit einem (Blitzverschluss und einem) D-Ring mit befestigt. Der D-Ring soll dabei unter dem Blitzverschluss liegen. Auf der gegenüberliegenden Seite wird statt dem Bandmaterial mit Blitzverschluss und D-Ring nur ein ca. 100 cm langer Streifen Bandmaterial mit einem D-Ring befestigt. Die Reihenfolge von außen nach innen sieht dabei wie folgt aus: Schraube, Scheibe, Pulka, Bandmaterial, Verdeckstoff, Aluleiste, umgeschlagenes Bandmaterial, Scheibe, (Hut-)Mutter. Die großen Scheiben sollen sowohl bei den Nieten als auch bei den Schrauben für eine bessere Kraftverteilung sorgen. Die elastische 5 mm Kordel wird jetzt noch durch die D-Ringe gefädelt (die beiden Enden verknotet) und in der Mitte der Pulka in die (Kunststoff-)Karabiner eingehakt. Damit ist die Pulka an sich fertig. 26 Was jetzt noch fehlt, ist ein Zuggestänge, mit dem die Pulka gezogen werden kann. Natürlich kann auch nur eine Reepschnur zum Ziehen verwendet werden. Das hat aber den Nachteil, dass die Pulka beim Bergabfahren nicht gebremst werden kann und einem in die Beine fährt. Ein Gestänge verhindert das. Um das Gestänge mit der Pulka verbinden zu können, wird aus einem der beiden Edelstahlrohre eine Deichsel gebogen. Für das Biegen zu Hause eine Biegeschablone mit möglichst großem Radius basteln. Ich habe dazu mehrere Kanthölzer miteinander verschraubt, einen Halbkreis (Radius 80mm, Teller o.ä. als Schablone verwenden) aufgezeichnet und mit der Stichsäge ausgesägt. Das eine Ende des Rohrs mit einem Stopfen verschließen. Dazu z.B. Papier mehrmals falten und fest zusammenwickeln. Dann das Rohr mit trockenem Sand füllen und mit der verschlossenen Seite nach unten, mehrmals auf den Boden klopfen. Oft und leicht klopfen ist dabei zielführender als wenige Male kräftig zu klopfen. Dadurch setzt sich der Sand. So oft Sand nachfüllen und wieder klopfen bis auch bei dem anderen Rohrende nur noch ein Stopfen reinpasst. Diesen dann genauso wie beim ersten Rohrende einsetzen. Als nächstes wird das Rohr mit der Biegeschablone in einen Schraubstock eingespannt. Der Abstand vom zu biegenden Rohrende zur äußersten Kante der Biegeschablone soll dabei etwa 29 cm betragen. Das erste Ende des Rohres soweit biegen, dass es in 90° vom restlichen Rohr absteht. Den Kraftaufwand der zum Biegen nötig ist, nicht unterschätzen. Ohne einen stabilen Hebel, wie zum Beispiel ein langes Stahlrohr (ob Rund- oder Vierkantprofil ist egal) lässt sich das Rohr nicht biegen. Auf keinen Fall die Alurohre dazu verwenden. Sie würden sich verbieDie Wildnis 2 / 2015 Die Ausbildung Tisch. Wenn möglich wird dieses Rohr mit Schraubzwingen auf dem Tisch fixiert. Ist das nicht möglich, versucht es mit Tape. Wichtig ist nur, dass das Rohr nicht verrutschen kann. Dann sucht ihr ein dünnes Stück Holz, einen dünnen Akku aus der Digitalkamera, oder etwas anderes, dass in Kombination mit einem (dünnen Filz-)Stift eine Höhe der Stiftspitze von 1 cm ergibt (halber Rohraußendurchmesser). Nehmt zur Not ein Buch und schlagt nur so viele gen und aufreißen. Nach der ersten Seite Seiten auf, dass ihr mit aufgelegtem Stift auch die zweite biegen. Allerdings darauf auf den 1 cm Höhe kommt. Zeichnet am achten, dass die U-förmige Deichsel nach hinteren und vorderen Ende des Rohres, dem Biegen, auf ebenem Untergrund flä- jeweils auf der linken und rechten Seite chig aufliegt. Es sollte kein Rohrende nach einen zirka 20 cm langen Strich an. Bei oben zeigen. Steht ein Rohrende von der den beiden Alurohren die jetzt noch übrig Länge her etwas weiter hervor, einfach sind, werden nur an einem Ende links und entsprechend absägen. Aber nicht zu viel, rechts Markierungen angebracht. da ja noch die Alustangen daran befestigt werden müssen. Die Deichsel soll nach dem Biegen ca. 45 cm breit sein (Außenkante zu Außenkante gemessen). ACHTUNG: Es besteht, trotz Sandfüllung und Biegeschablone mit großem Radius, die Gefahr, dass das Rohr beim Biegen oder dem Einsatz eines Hebels einknickt. Deswegen ist es eventuell besser, sich eine Schlosserei zu suchen, Macht bei zwei von vier Alurohren mit die einem das Rohr mit einer Rohrbiege3 cm und 12 cm Abstand zum linken und maschine so biegt, wie man es braucht. Als nächstes werden die beiden 2 m rechten Rohrende jeweils auf der linken langen Alurohre in 1m lange Stücke zer- und rechten Seite kleine Markierungen auf sägt. Um beim Sägen mit einer Hand- die langen Striche. Dort wieder ankörnen, Metallsäge gerade Schnittkanten zu 5 mm Löcher bohren und die Bohrungen erhalten, bietet sich die Verwendung ei- entgraten. Verwendest du zum Verbinden ner Gehrung an. Oder ihr lasst euch die der Rohre Schrauben mit Vierkantansatz, Rohre gleich vom Metallhändler in 1 m müssen die Löcher einer Seite noch rechtlange Stücke sägen. Die scharfen Kan- eckig gefeilt werden. Das erleichtert späten (innen und aussen) werden mit ei- ter in Verbindung mit Flügelmuttern die ner (Rund-)Feile oder Schmirgelpapier De-/ Montage. Bei den anderen beiden entfernt. Als nächstes werden zwei der Alurohren wird nur an je einem Rohrende Rohre (nacheinander) auf eine ebene (linke und rechte Seite) im Abstand von Oberfläche gelegt. Am besten auf einen 7,5 cm zum Rohrende eine Markierung Die Wildnis 2 / 2015 27 Die Ausbildung gemacht und gekörnt. Diese Bohrung wird 4mm groß. Sollte der Sicherungssplint später nicht reinpassen, etwas aufbohren, bis er stramm sitzt. Jetzt werden von dem verbliebenen Edelstahlrohr zwei Stücke mit je 30 cm Länge abgesägt. Scharfe Grate wieder entfernen. Die Markierung der Länge nach erfolgt genauso wie bei den Alurohren (Markierung auf Höhe halber Außenrohrdurchmesser -> 7,5 mm). Hier werden dann wieder im Abstand von 3 cm und 12 cm zu einem Rohrende Markierungen gemacht, 5 mm gebohrt und entgratet. Am anderen Rohrende wieder in einem Abstand von 7,5 cm ankörnen und bohren. Dann wird das Edelstahlrohr in eines der Alurohre mit insgesamt 8 Bohrungen gesteckt. Idealerweise stimmt die Lage der Bohrungen im Alu- und Edelstahlrohr jetzt überein. Falls nicht – was ohne Ständerbohrmaschine sehr wahrscheinlich ist – können die Bohrungen im Edelstahlrohr etwas größer aufgebohrt werden, bis es passt. Das hat den Vorteil, dass das Feilen von rechteckigen Löchern bei den Edelstahlrohren entfällt. Das ist ohnehin nur schwer möglich, da sich Edelstahl wesentlich schwieriger bearbeiten lässt, als beispielsweise Alu. Wer versucht die Bohrungen in die Edelstahlrohre mit dem Akkuschrauber oder der HaushaltsBohrmaschine zu machen, sollte noch ein paar Bohrer auf Ersatz parat haben … Das Ganze am unteren Rohrende und der Edelstahldeichsel wiederholen. An der Deichsel werden auch Markierungen im Abstand zu den Rohrenden von 3 cm und 12 cm angebracht und gebohrt. Dann die Rohre erstmal auf die Seite legen. Als nächstes geht es an das Drahtseil. Über dieses Seil wird später beim Ziehen der Pulka die Kraft übertragen. Die Alurohre werden dadurch nur beim bergabfahren oder beim Queren von Hängen 28 belastet. Zudem dient das Drahtseil als Reserve: Bricht das Gestänge, kann die Pulka immer noch mit dem Drahtseil gezogen werden. Zuerst jeweils eine dreigliedrige Kette mit einer Kausche verbunden. Dazu die Kausche leicht auf- und nach einfügen der Kette wieder zubiegen. Ein Drahtseilende um eine Kausche legen und das nun doppelt liegende Drahtseil mit einer Klemme fest verschrauben. Sollte die Klemme jetzt nicht mehr ins Alurohr passen, ggf. die Schrauben der Klemme etwas abfeilen. Das Ganze mit dem anderen Drahtseilende wiederholen. Das Drahtseil muss insgesamt In Verbindung mit den kurzen Ketten so lang sein, dass in das letzte Kettenglied (nicht das, an dem die Kausche befestigt ist) gerade noch der Karabiner eingehängt werden kann. Anschließend das Drahtseil durch die Deichsel und die Alu- und Edelstahlrohre führen. Ob es leichter ist, dass Seil durch das verschraubte oder unverschraubte Gestänge zu fädeln, ist sicherlich Geschmackssache. Je nachdem, vor oder eben nach dem einfädeln des Stahlseils das Gestänge mit den Schrauben und den 2 Sicherungssplinten verbinden. Werden an den zwei knapp herausschauenden Kettengliedern jeweils ein paar Meter dünne Schnur befestigt, wird so das Zerlegen und Zusammenbauen des Gestänges erleichtert. Die Schnur muss dann nur noch aufgerollt am Gestänge fixiert werden, damit sie beim Gehen mit der Pulka nicht stört. Wenn die Tour zu Ende ist, empfiehlt es sich das Gestänge zu zerlegen und gut zu trocknen. Andernfalls kann es – auch bei Aluminium – zu Korrosion kommen. Um das Gestänge an der Pulka zu befestigen, einfach an der vorderen kurzen Seite, links und rechts je einen Spanngurt Die Wildnis 2 / 2015 Die Ausbildung durch die beiden in der Pulka vorhandenen Löcher fädeln und mehrmals um die Deichsel wickeln. Zusätzlich zu den hier aufgeführten Arbeiten können noch Griffe z.B. aus Gurtband zum Anheben und Tragen der Pulka befestigt werden, der Boden (mit einer Siebdruckplatte) verstärkt und Kufen aus (eloxiertem) Alu, hochgleitfähigem Kunststoff oder alten Ski (-belägen) an der Unterseite angebracht werden. Die Möglichkeit ein paar Rollen oder Räder an der Pulka befestigen zu können, ist für die An- und Abreise mit Bus, Bahn und Fähre, aber auch für mehr oder weniger schneefreie Streckenabschnitte während einer Tour gut. Ob das nötig ist, muss jeder selbst entscheiden. In diversen Foren werden – gerade zu den Kufen - seitenlange Diskussionen geführt. Es gibt viele verschiedene Arten, eine Pulka und ein Gestänge zu bauen und an der Pulka zu befestigen. Ich habe mich fürs erste für diese Variante entschieden. Das soll auch weniger die einzig wahre Möglichkeit sein, sondern vielmehr dazu anregen, sich diesen sonst so teuren Ausrüstungsgegenstand selbst zu bauen und sich damit neue Möglichkeiten zu erschließen. Sucht im Internet und bei Youtube nach Pulkabau, MYOG Pulka (MYOG: Make Your Qwn Gear > Mach deine eigene Ausrüstung), Paris Expedition Sled, o.ä. und ihr findet weitere Anregungen. Genau so bin ich auf den Blog von Barleybreeder und die Idee gekommen, dass Ganze mal auszuprobieren: https://barleybreeder.wordpress. com/2009/05/17/eigenbau-pulka/. Dort wird der Bau grob beschrieben. Ich bin zwar schon etwas Stolz, dass das mit dem Bau soweit ganz gut geklappt hat, doch die Idee dazu, stammt von diesem Blog. Weil das Thema auch für den ein oder anderen von euch interessant sein könnte, Die Wildnis 2 / 2015 dachte ich mir, ich schreibe über meinen Selbstversuch einen «kleinen» Artikel für unsere «Wildnis». Natürlich taugt der Paris Expedition Sled auch ohne große Um- und Anbauten als Pulka. Doch mit diesen Erweiterungen kommt er an eine echte Pulka wirklich ganz gut ran. Dass er nicht nur ein Spielzeug ist, zeigen Einsätze auf der ganzen Welt. Ob von unserem IWV-Mitglied Beate Hummel über 550 km quer durch Lappland gezogen, am Rand des patagonischen Inlandeises (www.risopatron2014.com) oder in Grönland (http://www.stadtlandflucht.de/?p=921): Diese Pulka macht so ziemlich alles mit und ist wohl einer der am meisten unterschätzten Gegenstände aus den bunten Katalogen. Und jetzt, an die Werkbank, fertig, los. Baut euch eure eigene Pulka. Bei Fragen, Anregungen oder anderen Anliegen meldet euch einfach bei [email protected]. Und natürlich rechne ich fest mit ein paar Bildern von euren selbstgemachten Pulkas. Wer weiß, vielleicht gibt’s ja sogar mal eine kleine IWV-Tour mit den guten Stücken. Oder einen zweiten Teil, in dem eine Lösung für die Räder, Griffe, Bodenplatte, Kufen, Anfahrdämpfungen und ein Zuggeschirr beschrieben werden. PS: Leider hat der Bau dann doch mehr Zeit in Anspruch genommen als gedacht. Sobald die Pulka fertig ist, wird es (über einen der nächsten Newsletter oder einen Sondernewsletter) einen Link zu einem Online-Fotoalbum geben. Dann wird so mancher Satz aus dem Text sicherlich verständlicher. Versprochen. Und wenn es dann immer noch hakt, machen wir einfach einen Pulka-Bau-Workshop. 29 Die IWV-Infos Anschlagbrett Naturschutz-Aktionen zum mitmachen Leider ist die Moorrenaturierung 2015 ins Wasser gefallen. Wir arbeiten aber gerade an neuen Mitmach-Angeboten für das kommende Jahr. Geplant sind voraussichtlich wieder eine Moorrenaturierung und eine Pflanzaktion o.ä. in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Baden-Baden. Sobald genaueres feststeht, werden wir Euch darüber informieren. 30 Außerdem haben wir eine kleine Broschüre in Angriff genommen, die allgemeines zum Thema Natur und Wald sowie zu Tieren und Pflanzen erklärt. Einfach und verständlich. In der Wildnisführer - und Trekking-Guide-Ausbildung ist sie schon zum Einsatz gekommen. Es ist geplant, die Broschüre auf der IWV-Homepage als Download bereitzustellen. Du kennst dich mit Pflanzen, Tieren (ganz egal ob groß oder klein) aus, oder hast sonst noch was Interessantes für die Broschüre? Dann her damit: [email protected] Die Wildnis 2 / 2015 Die IWV-Infos Outdoor-Ausrüstung Spezial Angebot für IWV‘ler Fjällräven Bekleidung / Zelte / Schlafsäcke Exped Outdoor-Ausrüstung Lundhag Bekleidung / Rucksäcke / Schuhe Hanwag Schuhe Helsport Zelte / Schlafsäcke / Bekleidung UrbanRock Outdoorbekleidung Austrialpin Berghardware Brunton Solarpenels / Spektive / Ferngläser / Kompasse Spreuboote Boote / Bootsbedarf Edelrid Bergsport- / Kletterausrüstung Primus Kocher / LED Lampen / Stirnlampen / Kochsetts / Zubehör Inook Schneeschuhe / Wanderstöcke Kontakt: Roland Kranz [email protected] Die Wildnis 2 / 2015 Impressum Herausgeber: IWV – Intern. Wildnisführer Verband e.V. www.wildnisfuehrer.de Redaktion und Layout: Christian Weidmann [email protected] www.avw.ch Lektorat: Evelin Goldmann, München Auflage: 500 Stück Titelbild: USA – Klettern & Biken Bericht auf Seite 4 Bild Umschlag Rückseite: Christoph Maretzek Mitwirkende Alex Dressen Kay Filbrich Bettina Nostitz Adrian Wachendorf Kevin Görsch Mario Worm Peter Jäkel Sonja Rieth Wolfgang Linke Bastian Metz Christoph Maretzek 31 Orientierung und Sicherheit – wildnisfuehrer.de
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