Die Wildnis - Christian Weidmann

Die Wildnis
Mitgliederzeitschrift des Internationalen Wildnisführer Verbandes e.V.
Ausgabe 35 – 2/2015
Editorial
Vom Glück…
Glück bedeutet wohl für jeden Menschen
etwas anderes: Die Erfüllung der eigenen
Träume, Liebe, Gesundheit oder auch kleine
Dinge, wie das Lächeln des Gegenübers,
der morgendliche Sonnenaufgang, das
leuchtende Herbstlaub, der Duft einer
guten Tasse Kaffee, das Knistern des Lagerfeuers.
Glück kann nur ein kleiner Moment sein,
ein Hauch dieses warmen Gefühls oder
ein Zustand, der im Hintergrund beständig
und stabil um uns ist. Aber wann sind wir
glücklich? Wann können wir dieses uralte
Zauberwort tatsächlich für uns beanspruchen?
«Das Glück ist nicht mehr, als die Abwesenheit der Langeweile.» sagt Arthur Schopenhauer, Philosoph. Aber stimmt das? Leben
wir zu oft zu langweilig? Kleine Kinder
wagen jeden Tag einen ersten Schritt, ein
erstes Wort. Die Welt ist ein Ort, an dem
Kinder ständig etwas zum ersten Mal tun.
Irgendwann wird es mit den ersten Malen
weniger. Wir führen ein Leben als Erwachsene. Arbeiten. Gründen eine Familie. Das
Leben wird gleichförmiger. Ruhiger.
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns in
einem Bereich befinden, den die Fachleute
«Komfortzone» nennen, ist hoch. Es geht
uns gut darin. Aber wir erleben immer
weniger, was unser Herz und unsere Seele
als Bereicherung und Anregung empfinden.
Was wirkliches Glück bedeutet. Im anstrengenden Alltag und der sich immer schneller
drehenden Welt vergessen wir manchmal,
das Leben einfach zu leben. Es zu genießen
mit all seinen kleinen Glücksmomenten.
Noch seltener stellt sich der echte Hochgenuss ein; ein ganzheitlicher, überwältigender, berauschender Glücksmoment des
totalen Einsseins mit sich und der Welt: die
perfekte Welle. Ein solches Erlebnis kann
man nicht planen. Es passiert – wenn man
es wagt. Wenn man dafür bereit ist.
Inhalt
Die Natur
USA – Klettern & Biken
4
Skitour Elbrus
8
Das Lavu am See
12
Der Elch
14
Urlaubstipp für Familien
18
Die Ausbildung
Unbekannte Missweisung
einzeichnen: Winkeltausch
20
Alles Pulka, oder was?
22
Die IWV-Infos
Anschlagbrett
30
Impressum / Mitwirkende
31
Unsere Welt ist so reich an Schönheit und
Wunderbarem. Und wir brauchen nur den
Antrieb, den Mut, uns hinauszuwagen in
diese, unsere Welt. Und die Freude wirklich
aktiv zu leben und öfter mal etwas zum
ersten Mal zu tun! Es gilt so viel Neues zu
entdecken! Womöglich könnte es aber auch
nur eine Frage der Wahrnehmung sein.
So wie es der Dichter Christian Morgenstern formuliert hat: «Man sieht oft etwas
hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum
allerersten Mal wirklich sieht.»
Das Fazit kann eigentlich nur lauten, ab und
an beherzt etwas Neues zu wagen, sich im
Augenblick zu verlieren und zu leben!
Sonja Rieth
Die Natur
USA – Klettern & Biken, ein «wüster» Roadtrip
Alex Dressen – Text und Fotos
Das Thermometer in unserem Campervan zeigt 119,7 Grad Fahrenheit Außentemperatur. Das entspricht 48,7 Grad Celsius! Die Luft über dem Asphalt flirrt, weit
und breit keine Menschenseele. Wir stehen mit unserem Fahrzeug in Kalifornien,
genauer gesagt in der Mojave Wüste / Kalifornien unweit der legendären Route 66.
Als wir austeigen, um uns die Hitze mal
genauer «anzusehen», haben wir sofort
das Gefühl, dass uns die Sonne verbrennt.
Unfassbar…, sowas haben wir noch nie
erlebt. Wir, das sind Elsi, Aran, Marco und
ich, unterwegs auf einem Roadtrip durch
fünf Staaten im Westen der USA!
So war der Entschluss ein Leichtes und
wir machten uns auf nach Südkalifornien,
erster Wüstenstop «Joshua Tree». Dort
angekommen, zeigte das Thermometer
gleich mal 40° C, so muss das sein, dachten wir! Kurze Hose, Achselshirt und FlipFlops, das war schon eher nach unserem
Geschmack! Als dann am ersten Abend,
wir waren gerade schön am Grillen, ein
Hagelschauer über uns hinweg zog, dachten wir ernsthaft wir seien im falschen
Film! Eis in der Wüste?!? Respekt! Aber
am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter dann wieder von seiner besten Seite.
Hmm, die erste Euphorie verflog dann
aber doch recht schnell, als wir feststellten, dass es uns gewaltig aus den Felsen
rausbrannte! Und Felsen gibt es hier in einer unglaublichen Anzahl, feinster Granit
in allen Größen und Formen, soweit das
Auge reicht. Ein Paradies für Kletterer!
Wenn nur die Hitze nicht wäre…, so bleibt
uns nur früh aufzustehen, um in den kühleren Morgenstunden zu klettern.Dann
lange Siesta zu halten, um abends wieder
Hand an den Fels zu legen. Mit dieser Taktik fahren wir recht gut und uns gelingen
ein paar schöne Klassiker.
Rückblick
Die letzten zwei Wochen haben wir
im Norden Utahs, Idaho und den kalifornischen Rockies verbracht, immer auf
der Flucht vor schlechtem Wetter. In Salt
Lake City hat’s geregnet, in der City of
Rocks / Idaho hat es geschneit, am Lake
Tahoe / Kalifornien war’s zu kalt und
schlussendlich hat uns ein Unwetter im
Yosemite aus der berühmten «Nose» am
El Cap gespühlt. Wir hatten die Schnauze
voll…!
4
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
Da wir aber schon mal in Las Vegas
waren, ließen wir es uns natürlich nicht
nehmen den Red Rocks einen Besuch abzustatten. Dieses Kletterrevier liegt direkt
vor den Toren der Stadt, und bietet feinste Kletterei an Weltklasse Sandstein. Vom
kleinen Boulder bis hin zu 700m hohen
Wänden ist hier alles geboten. Die Hitze
ist diesmal erträglich und so toben wir
uns ein paar Tage hier aus. Es gelingen
uns Sportkletterrouten bis in den Grad
5.11d, ein paar schöne Boulder bis V7 und
ein paar wirklich eindrückliche Mehrseillängenrouten. Die außergewöhnlichste
(wenn auch nicht die Schwerste) der langen Routen welche wir kletterten, war
sicherlich die «Tunnel Vision 5.7+». Hier
klettert man in der 5. Seillänge komplett
in einem vertikalen Tunnel im Innern des
Berges nach oben, bis man nach ca. 40 m
Dunkelheit durch ein kleines Loch auf der
Das unser Schotte Aran, beim Versuch
die Route «Lower Right Ski Track 5.10+»
zu klettern, sich in eine prekäre Situation
manövriert hatte und aus akuter Bergnot
mittels einer über zwei Stunden dauernden Bergungsaktion von uns gerettet
werden musste, sei hier nur am Rande erwähnt… (Briten vertragen eben nicht so
viel Sonne und werden ziemlich nervös,
wenn Ihnen die Sicherungsmöglichkeiten
ausgehen… und gelobt seien betonierte
Parkbänke, welche mitten in der Wüste
stehen und an denen man das Seil seines
Vorsteigers fixieren kann!).
Nach all dem schweißtreibenden Felsengeturne stand uns der Sinn dann erst
mal nach etwas Erholung, Pool und Klimaanlage. Was also lag näher, als nach
Las Vegas zu fahren?! Dort angekommen
quartierten wir uns in die Penthouse Suite
vom Bellagio ein und ließen es zwei Tage
lang so richtig krachen! «But hey! What
happens in Vegas, stays in Vegas!»
Die Wildnis 2 / 2015
5
Die Natur
anderen Seite der Wand wieder an das
Tageslicht kommt. Einzigartig…! Leider ist
unsere Zeit hier viel zu kurz und wir müssen schon wieder weiter.
Über den Zion National Park (hier waren wir nur für einen Tag schauen und
wandern), fuhren wir zu guter Letzt nach
Moab, dem Outdoorparadies und der
Mountainbike Welthauptstadt in Utah.
Klettern waren wir hier nur wenig. Es war,
wie immer, zu heiß, die Haut an unseren
Händen war durch und nach vier Wochen
fast ausschließlich am Fels, war die Motivation Mountainbiken zu gehen dann
doch irgendwie deutlich größer. Aber wer
kann es uns verübeln? Warten hier doch
mit dem SlickRockTrail und dem Porcupine
Rim «The whole Enchilada» zwei MTB Leckerbissen von Weltruf auf uns. Was man
hier unter die 29er Bereifung bekommt
ist tatsächlich und schlichtweg einzigartig
und wir freuen uns wie kleine Kinder an
Weihnachten.
Der SlickRock wartet mit technischen
Passagen auf steilen Felsplatten am
Fließband auf. Durch den rauen Sandstein
haben die Reifen aber unwahrscheinlich
guten Grip, und man kann dadurch noch
unmögliche Steilheiten fahren. Doch das
unbestrittene Highlight hier ist der «Gan-
6
ze Enchilada» des Porcupine Rim, bietet
dieser Trail doch nichts anderes als einen
sagenhaften Downhill über 50 km und
2.500 Höhenmeter. Das alles in technisch
moderatem Gelände und in einer Kulisse
wie frisch aus der Marlboro Werbung. Es
geht nur bergab, es gibt Sprünge, lange
delikate Traversen entlang an Felskanten
hoch über dem Tal und unfassbar viele
flowige Trailpassagen auf denen wir dahinjagen wie ein Jagdfliegergeschwader.
Nach einem dreiviertel Tag rollen wir mit
einem fetten Grinsen im Gesicht am Colorado River entlang zurück nach Moab.
Ziemlich erschöpft biegen wir beim ersten FastFood Laden ein der uns begegnet
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
und jeder von uns zieht sich einen 2-Litereimer voll mit Gatorade und Eiswürfel
rein. Der Begriff vom «Brainfreeze» wird
geboren…
Damit hätten wir auch schon über einen Monat rumgebracht und so langsam
war es Zeit nach Hause zu gehen. Aber
wenn ich eins gelernt habe, dann Folgendes: die Wüste lebt!
Die Wildnis 2 / 2015
Zwei Tipps am Rande, noch zum Abschluss sozusagen. Zum einen, wer in den
USA in der Wüste klettert, sollte zwingend
den Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln (Friends, Keile, Schlingen, etc…)
sicher beherrschen, Bohrhaken sind hier
nämlich meistens Mangelware. Also, gute
Nerven und ein ruhiges Händchen sind
hier unabdingbar. Und zum anderen, lasst
Euch nicht von den vielen Klapperschlangen stressen. Sind ganz liebe Viecher…,
echt jetzt!
7
Die Natur
Skitour Elbrus
Kay Filbrich – Text und Fotos
Zum Lehrteamtreffen im November
2014 erzählte mir Wildnisführer und Lehrteammitglied Alex Dressen von einer geplanten Skitour mit Freunden zum Elbrus.
Termin sollte vom 26.04. bis 04.05.2015
sein.
Der Elbrus ist mit 5 642 m Höhe Europas höchster Berg und befindet sich im
Kaukasusgebirge. Dieses ist zugleich die
Grenze zwischen Europa und Asien bzw.
zwischen Russland und Georgien.
Ich selbst hatte schon lange die Absicht, wieder mal einen höheren Berg in
Angriff zu nehmen. Die letzte ernst zu
nehmende Bergtour lag nun doch schon
einige Zeit zurück. Ich erfuhr, dass es sich
dabei um eine organisierte Tour mit dem
österreichischen Anbieter «Ruefa-Reisen»
handelte und noch freie Plätze verfügbar
seien. Spontan meldete ich mich an. Immerhin war noch genügend Zeit zur Vorbereitung und Feinplanung. Mein Freund
Emanuel Brückner war auch gleich Feuer
und Flamme und so war die Reisegruppe
aus zwei Wildnisführern und einem Anwärter komplett.
Zur Vorbereitung kam ich, widererwarten und mangels der Zeit dann doch
kaum. Zumindest schaffte ich es mit Emanuel ein paar Tage Skitouren im Ötztal zu
gehen. So bestiegen wir unter anderem
Österreichs zweithöchsten Berg, die Wildspitze mit 3 768 m. Da wir uns dabei vier
Tage über 2 500 m aufhielten, hofften wir
zugleich ein wenig vorakklimatisiert zu
sein.
Einige Tage später starteten wir dann
von München aus Richtung Russland! Am
Flughafen trafen wir auch auf Alex und
seine Bergfreunde. Der erste Stopp war in
Istanbul geplant, wo wir einige Stunden
8
Aufenthalt hatten. Wir nutzten die Zeit
für einen kleinen Abstecher in die Stadt,
um wenigstens die «Blaue Moschee» zu
sehen und gemütlich eine Shisha zu genießen. Weiter ging’s gegen Mitternacht
nach Stavropol in Russland. Hier durften
wir uns dann erstmals mit der Willkür der
russischen Zollbeamten vertraut machen.
Stundenlanges Warten, ohne jegliche
Information sowie unfreundliche Befragungen auf Russisch und totale Ignoranz
seitens des Servicepersonals. Doch all das
nahm uns trotzdem nicht die Vorfreude auf unser Bergabenteuer. Mit einem
großen Sprinter-Bus starteten wir gegen
5 Uhr morgens unsere fünfstündige finale Etappe gen Kaukasus, genauer gesagt
nach Azau direkt am Fuße des Elbrus und
dem Ende des wilden Baksan-Tales. Hier
bezogen wir Quartier in einem modernen Hotel mit großzügigen Zimmern, die
Höhe beträgt hier bereits gute 2 000 m
über NN.
Die Reisegruppe bestand insgesamt
aus 13 Teilnehmern, bunt zusammen gemischt aus Österreichern und Deutschen.
Unseren Bergführer Wladimir lernten wir
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
auch gleich kennen und schon am Nachmittag starteten wir zur ersten kleinen
Akkli-Tour die Skipiste hinauf, die nur paar
100 m hinterm Hotel endete. Das Wetter
war durchwachsen – leichter Schneefall,
aber mild. Wir hatten im Vorfeld von extremer Kälte am Gipfel, von bis zu – 50 Grad
erfahren und dass vorherige Gruppen
deswegen umkehren mussten. Dementsprechend besorgten wir uns in den Wochen zuvor noch zusätzliche Ausrüstung,
um der Kälte standzuhalten und hofften
zugleich auf mehr Glück, als es unsere
Vorgänger hatten. Nach zwei weiteren
Akkli-Touren zogen wir dann am vierten
Tag ins Hochlager auf 3 600 m um. Dies
besteht aus einfachen Metallcontainern
zum Übernachten von bis zu acht Bergsteigern. Zusätzlich steht, leicht schief,
ein großer Aufenthaltscontainer, der zum
Einnehmen der Mahlzeiten und als allgemeiner Treffpunkt dient, bereit.
Ein kleines Holzhäuschen am Rande
der Felsgruppe sollte als «Donnerbalken»
fungieren. Die Lage und Aussicht war
einmalig. Leider war es dann doch nicht
möglich dieses zu benutzen. Die Überreste unserer Vorgänger waren bis zum Rand
eingefroren. Also hieß es sich irgendwo
zwischen den Felsen ein windgeschütztes
Eckchen zu suchen und sich zu beeilen.
Vom Hochlager aus starteten wir dann
noch zweimal mit den Ski, um uns auf
den Gipfeltag vorzubereiten. Die maximale Höhe erreichten wir dabei am Tag vor
dem Gipfelsturm mit 4 800 m. Die Wetterprognosen waren nicht zu schlecht und so
sollte es nun direkt am nächsten Tag bis
zum Gipfel gehen. Wir hatten den Doppelgipfel des Elbrus schon einige Male sehen können und vom Hochlager aus sah
Die Wildnis 2 / 2015
es auch nicht sehr spektakulär bzw. steil
aus. Dummerweise war durch die Kälte
und den heftigen Wind die Schneequalität
schlecht bzw. der Gletscher an vielen Stellen frei geblasen so dass wir einen Großteil der Strecke mit Steigeisen und nicht
wie geplant mit Ski zurücklegen müssen.
So entschieden sich alle Teilnehmer am
Gipfeltag die ersten Höhenmeter bis zum
Gipfel per Pistenraupe zu überwinden, bis
zu dem Punkt den wir am Vortage schon
erreicht hatten. Somit stieg die Chance
auf den Gipfel enorm, da nur noch knappe 1 000 Höhenmeter zu bezwingen waren. Wir starteten gegen 4 Uhr morgens
bei Schneefall und dichten Wolken. Auf
4 700 m angekommen, errichteten wir
9
Die Natur
das Skidepot, zogen unsere Steigeisen an
und dann ging es für uns immer bergauf.
Wir waren mittlerweile über den Wolken
und konnten einem traumhaften Sonnenaufgang erleben, den Schatten des Bergmassives in der Atmosphäre. Ab 5 000m
spürte ich deutlich die Höhe und auch andere aus der Gruppe zeigten Symptome.
Wir erreichten den Sattel zwischen Ostund Westgipfel auf ca. 5 300 m, Pause!
Trotz der Höhenprobleme entschieden
sich fast alle Teilnehmer weiter zu gehen,
das Wetter war stabil und es war erst 9.00
Uhr morgens. Der Wind nahm allerdings
immer stärker zu, speziell als wir die Gipfelflanke erreichten. Was mich sehr nachdenklich stimmte, waren die zahllosen
unerfahrenen Gruppen die sich mit uns
am Berg bewegten, ich beobachtete zum
Teil haarsträubende Aktionen die auch
für Unbeteiligte hätten gefährlich werden
können. Auch unser «Bergführer» Wladimir zeigte während der gesamten Reise
sehr geringe Führungskompetenz, so-
10
wohl auf technischer, wie auch auf sozialer Ebene. Hier waren wir alle froh, genug
eigene Erfahrung und Wissen mitgebracht
zu haben, dementsprechend folgten wir
nur bedingt seinen Anweisungen.
Schon am Sattel hatte mich Alex überholt, seine Erfahrung und Einschätzung
des richtigen Tempos zahlten sich hier
aus. Er hatte in den letzten Jahren schon
zahlreiche hohe Berge bestiegen und
fast nie Höhenprobleme gehabt… beneidenswert! Emanuel und ich standen gegen 11.30 Uhr auf dem Gipfel, der Wind
war zu einem Sturm geworden, aber die
Sicht war traumhaft. Der höchste Punkt
Europas auf 5 642 m und einer der Seven
Summits (mein Erster!) war erreicht. Drei
IWV-ler an einem Tag auf dem Dach Europas – gab´s das schon mal???
Wir trauten uns kaum für das Gipfelfoto
die dicken Daunenhandschuhe auszuziehen, der Windchill war extrem. Ich hatte
eine Stelle im Gesicht nicht richtig abgedeckt und war erschrocken, als mich einer
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
meiner Bergkameraden (danke Thomas!)
darauf hinwies, dass meine Haut schon
weiß war… Erfrierungsgefahr!
Kurzzeitig überwältigten mich die Eindrücke. Es sind doch immer wieder ganz
besondere Momente die wir in unserer Natur erleben dürfen! Ich persönlich
empfinde dann immer Demut und Dankbarkeit gegenüber den gewaltigen Elementen, die wir nicht beherrschen oder
bezwingen können, sondern die uns erlauben ihre Größe und Einzigartigkeit zu
bewundern. Auf dem Rückweg spürte ich,
dass ich mich sehr konzentrieren musste
keine Fehler zu machen. Die Kraft war
fast aufgebraucht, der Akku leer. Auch
Emanuel ging es nicht so gut. Er beschloss
schneller abzusteigen um sich im Camp
erholen zu können.
Als ich später im Hochlager ankam ging
es uns aber schon wieder viel besser und
wir konnten gemeinsam mit den anderen
ein nachträgliches Gipfelbier genießen ;-).
Dazu wurden wir von der Küchenfee mit
nationalen Köstlichkeiten verwöhnt. Die
Verpflegung war wirklich hervorragend.
Schon am nächsten Tag ging es wieder
Richtung Tal. Die Skiabfahrten machten nochmal richtig Laune und Lust auf
mehr!
In Azau angekommen checkten wir
nochmal im Hotel ein und organisierten
unser Reisegepäck. Am Abend war dann
die offizielle Abschlusszeremonie mit leckerem Essen und der Übergabe von Zertifikaten geplant. Dafür wurden wir extra
in einen anderen Ort gefahren, sicher gab
es hier einen Deal mit dem Veranstalter.
Ich bestellte zum x-ten Mal Schaschlik,
diese Fleischspieße waren hier einfach
nur Spitze. An jeder Straßenecke stand
irgendein altes Mütterchen an einem
selbstgebauten Schaschlik-Grill und drehte den Spieß. Man aß diese einfach mit
Die Wildnis 2 / 2015
Brot und frischen Zwiebeln. Das Fleisch
war zumeist vom Lamm oder Rind und
einfach nur lecker.
Am Tag darauf, dem 9. Tag insgesamt,
traten wir schon wieder die Heimreise an
und mussten uns von der spektakulären
Landschaft verabschieden. Alles in allem
eine lohnenswerte Tour in einer noch relativ ursprünglichen Gegend. Ich würde
mir jedoch beim nächsten Mal ein paar
Tage mehr Zeit wünschen, um noch einige andere Besteigungen in dieser Region
anzugehen. Außerdem sollte es mit ausreichend Erfahrung und gründlicher Vorbereitung möglich sein diese Tour auch
selbstorganisiert durchzuführen.
11
Die Natur
Das Lavu am See
Bettina Nostitz, Adrian Wachendorf,
Kevin Görsch und Mario Worm – Text
und Fotos
100 km vom Polarkreis, Ende Januar, 45 cm Neuschnee, Temperatur unter
– 20°C: In einer 2 Tages Expedition zu einem 15 km entfernten Lavu wollten wir
(vier Wildnisführer, Lehrgang 2015) üben
und anwenden. Ausgestattet mit Karten,
Sprechfunk, GPS, Schneeschuhen und Tee
ging’s los.
Der Trekk: Ein Schlittenhund-Trail, sah
einfach aus. Der Plan: Trail folgen und abbiegen. Die Realität: Nach erfolgreibei einer Auffanglinie 90° nach Westen cher Überquerung zugeschneiter Seen
und Wälder endete der Weg plötzlich im
Nirgendwo. Wir waren zu weit nach Osten
geraten – und bis zum Einsetzen der Dunkelheit war nicht mehr viel Zeit.
Die Rettung: Das Licht eines Schneemobils in der Dämmerung. Da war der Weg
zum Lavu! Es war ziemlich anstrengend,
aber schließlich erreichten wir – erschöpft
aber glücklich – und kurz vor Dunkelheit
auch das weiße Zelt mit Ofen am See.
Feuer und leckeres Essen ließen uns wieder zu Kräften kommen, aber dieser Tag
zeigte uns allen, wie schnell Planungsfehler in so einem Terrain gefährlich werden können. Mit einer Erfahrung mehr im
Rucksack sind wir jetzt gut gerüstet für
die Abschlussprüfung.
12
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
Die Wildnis 2 / 2015
13
Die Natur
Der Elch
Peter Jäkel – Text und Fotos
Der Elch (lat. Alces alces) ist die größte
Art von allen lebenden Hirschen. Er ist die
einzige Art der Unterfamilie der Elchhirsche (lat. Alcinae). Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Norden Europas
über Asien bis nach Nord Amerika. Er
erreicht eine Kopfrumpflänge von mehr
als 3 m, und eine Körperhöhe von über 2
m. Damit ist er größer als ein Pferd. Sein
Gewicht beträgt ca. 300–800 kg und somit ist er so charakteristisch dass er mit
keinem anderen Tier verwechselt werden
kann. Der Elch hat einen sehr langen,
breitmäuligen Kopf mit großen Ohren und
einem ausgeprägten Kinnbart. Das breite
Schaufelgeweih beim männlichen Elch ist
im Tierreich einzigartig. Das Geweih der
skandinavischen Elche kann bis zu 1,30 m
breit werden und wiegt dann bis zu 20 kg.
Auf jeder Seite können sich bis zu 15 Enden herausbilden. Das Geweih der Elchbullen wird in seinen ersten 10 Lebensjahren jährlich größer und behält danach
seine Größe. Obwohl die Elchbullen ihr
Geweih zu jedem Winter abstoßen, werden nur selten Schaufeln gefunden. Der
Grund dafür ist, das Mäuse, Eichhörnchen
und andere Nagetiere die Geweihe wegen der in ihnen enthaltenen Mineralstoffe auffressen.
14
Die langen, sehnigen Beine mit den
breiten Hufen eigenen sich sehr gut um
sich in den unwegsamen Wäldern fortzubewegen. Der Elch ist ein Bewohner der
Sumpfwälder. Seine Hufe lassen sich auseinander spreizen, was durch die größere Auftrittsfläche, auch Wanderungen in
sumpfigen Gebieten ermöglicht. Im Winter verlassen die Elche die Niederungen
und wandern in die trockneren Waldgebiete. Dabei legen sie manchmal bis zu
700 km zurück. Im Sommer besteht seine
Äsung aus Zweigen, Blätter und Triebe
von Weichhölzern. Die langen Lippen dieser Tiere sind zum Abstreifen des Laubes
eingerichtet. Pro Tag frisst ein Elch ca.
15–25 kg Laub, Knospen, Holz und Rinde.
Zu seiner Lieblingsspeise gehören Birken,
Weiden, Pappeln und Erlen. Im Winter
frisst er die grünen Triebe der Nadelbäume. Auch Sumpf- oder Wasserpflanzen,
die er im Wasser stehend aufnimmt gehören zu seiner Nahrung. Ein Elch kann nicht
so ohne weiteres wie ein Hirsch Gras und
Kräuter am Boden abweiden, dazu ist sein
Hals zu kurz. Er reicht nur hinunter wenn
er dazu die Vorderbeine weit spreizt. Da
das allerdings für ihn sehr unbequem ist,
gehen Elche sehr gerne ins Wasser um an
der Uferkante zu grasen. Insbesondere
Seerosen frisst er sehr gern. Die werden
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
von ihm, mitsamt den Wurzeln, auch unter Wasser abgeweidet. Der Elch ist ein
sehr guter Schwimmer, auch über größere
Flüsse und sogar Meeresarme. Schwimmend erreichen sie die Åland-Inseln vor
Finnland und sogar Dänemark.
Der Wolf ist, nach dem Menschen, der
gefährlichste Feind der Elche. Außerdem
fallen sie dem Bär zum Opfer. Ein gesunder Elch setzt sich allerdings durch heftige
Tritte mit seinen Läufen zur Wehr. Diese
Verteidigung ist äußerst effektiv, so dass
die Angreifer meist von ihren Opfern
ablassen. Nur gegen ein Auto ist auch
ein Elch chancenlos. Jedes Jahr fallen in
Schweden ca. 4.500 Elche dem Straßenverkehr zum Opfer. Was in der Regel mit
sehr schweren Verletzungen, oder sogar
Todesfällen auf Seiten der Elche, als auch
des Menschen ausgeht.
Nach 2 Jahren sind Elche fortpflanzungsfähig. In der Brunftzeit geht der Elchbulle für einige Zeit mit einer Kuh und dann
gegebenenfalls noch mit anderen Kühen.
Er sammelt nicht wie der Rothirsch ein
Rudel um sich. Ende Mai werden nach 35–
38 Wochen Tragzeit die Kälber geboren.
Jüngere Kühe setzen 1 Kalb, die älteren 2
oder manchmal sogar 3 Kälber. Elchkühe
sind wie alle Hirschkühe in der Lage die
Trächtigkeit bis zu 4 Wochen, durch Unterbrechung der Fötenbildung hinauszuzögern. Das ermöglicht ihnen, die Kälber,
erst wenn ausreichend Nahrung vorhanden ist, zu setzten. Eine Elchkuh behält
seine Kälber bis zum zweiten Lebensjahr
bei sich. Kurz vor der Geburt werden die
Erstlinge aus dem letzten Jahr vertrieben.
Sie bleiben aber meist in der Nähe der
Mutter, um weitere Dinge dazuzulernen.
Bei der Geburt wiegen die Kälber ca.
15 kg und haben eine Schulterhöhe von
ca. 80 cm. Sie nehmen in der ersten Zeit
jeden Tag ca. 1 kg zu. Schon nach 3 Tagen
sind die Jungen in der Lage, der Mutter
zu folgen und nehmen neben der Muttermilch auch schon Blätter zu sich.
Die Wildnis 2 / 2015
15
Die Natur
In den 1970er Jahren haben sich die
Elche sehr stark vermehrt. Jedes Jahr im
Oktober beginnt die Elchjagd. Dann ist
jeder Schwede, der Wald und einen Waffenschein besitzt auf der Treibjagd. Trotz
Abschussziffern von jährlich ca. 100.000
Tieren vermehrten sie sich drastisch. In
einigen Regionen lebten zeitweilig mehr
Elche wie Menschen. Grund für diesen hohen Bestand war weniger das Fehlen echter Feinde wie Bär, Wolf oder Vielfrass als
vielmehr die schwedische intensive Forstwirtschaft. Durch immer schnellere Folge
großflächiger Kahlschläge entstehen große Aufforstungsflächen, die den Tieren in
Form von frischen saftigen Grüns tonnenweise beste Nahrung zuführen. Die gut
erreichbare und qualitativ hochwertige
16
Nahrung führt zu immer mehr Zwillingsgeburten und besten Überlebenschancen
des Nachwuchses.
Seit einigen Jahren ist die Elchpopulation in weiten Teilen Schwedens allerdings
sehr stark rückläufig. Das hängt zum Teil
mit einer wachsenden Wolfspopulation
und einem stetig wachsendem Straßenverkehr zusammen. Hinzu kommt eine
völlig verfehlte Jagdpolitik mit viel zu
hohen Abschussquoten. Da mit dem Jagdtourismus aber sehr viel Geld verdient
wird und der Mensch nicht zu den wirklich
intelligenten Säugetieren gehört, steht zu
befürchten, das sich daran in der nächsten Zeit nichts ändert.
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
In der nördlichen Sowjetunion versucht
man auf einer Station mit mäßigem Erfolg, Elche für den arktischen Winter in
der nördlichen Taiga als wenig anspruchsvolle Reit- und Fahrtiere heranzuziehen.
Auch in Europa wurden einzelne solche
Versuche durchgeführt. Allerdings ergab
sich daraus nie eine praktische Nutzung
von Elchen als Zugtiere für Schlitten.
Schwedens Landwirtschaftsamt hat
1996 eine geplante «Weltmeisterschaft»
im Elchreiten verboten. Ein entsprechender Antrag eines Mannes aus Västerås
Mehr Informationen zum Elch und viebei Stockholm ist abgelehnt worden. Das
Amt berief sich auf das Tierschutzgesetz. len anderen Tieren in den Schwedischen
Demnach dürfen Tiere nicht in Menage- Wäldern gibt es auf unseren Exkursionen
rien herumgeführt und gezeigt werden. und Wanderungen in Ekshärad.
Der Antragsteller wollte eine Weltmeisterschaft als Touristenattraktion im alten
Elchgehege von Schwedens König Karl XII.
(1682–1718) in Kungsör veranstalten.
PJ-Erlebnis Profis
Peter Jäkel
Byn Byheden
S-68362 Ekshärad
Tel.:
+46-(0)563-44166
Mobil.:
+46-(0)70-3544166
E-Mail:
[email protected]
Internet: www.erlebnis-profis.de
Die Wildnis 2 / 2015
17
Die Natur
Urlaubstipp für Familien:
Floßfahren wie Huckleberry Finn!
Sonja Rieth – Text und Fotos
Weite Seen, wilde Natur an den Ufern,
ausgedehnte Wälder, Seeadler kreisen…
Schweden? Kanada? Weit gefehlt! Wir waren im Nationalpark Müritz an der Mecklenburgische Seenplatte. Hier bei uns in
Deutschland ein fantastischer Platz für
Naturliebhaber, Kanu-Wanderer und Familienurlauber. Das Wasser in der Müritz, an
der unser Campingplatz liegt, ist glasklar
und voller Fische. Der Sandboden in den
Badebuchten erinnert an Urlaub am Meer.
Nicht nur die Kinder sind begeistert!
Wir erkunden die Ufer rund um den
Campingplatz mit dem Kanu, genießen
das Sandburgbauen und Baden und stellen fest, dass wir definitiv zum Kanu-Wandern wiederkommen werden.
Dann aber wartet der Höhepunkt unserer 10 Tage: Wir haben mit Freunden zwei
Flosse gemietet. Zwei Tage lang wollen
wir wie Huckleberry Finn auf unserem
Floss leben und schlafen. Die Aufregung
ist groß. 4 Erwachsene, 3 Kinder und 1
Hund machen sich mit Sack und Pack auf
18
Die Wildnis 2 / 2015
Die Natur
ins Abenteuer! Bewaffnet mit Schlafsäcken, Isomatten, Kleidung für jedes Wetter und Verpflegung wagen wir die erste
Fahrt… mit 5 PS!
Gemächlich tuckern wir durch Kanäle
und Schleusen von See zu See, halten an,
wo auch immer uns danach ist, probieren
am Fischerimbiss viele Leckereien. Wir
ankern, wo wir schwimmen wollen und
lassen uns auf dem Dach des Floßes die
Sonne auf den Bauch scheinen. Gott geht
es uns gut!
Abends ankern wir in einer einsamen
Bucht an einem phantastischen Buchenwald. Die Sonne scheint mit weichem
Licht durch die Bäume, auf dem See kehrt
Ruhe ein. Ab und zu sind Raubvögel zu
hören, sonst nur das beständige Rauschen
der Wellen. Wunderschön.
Wir sitzen gemeinsam ums Feuer. Groß
und Klein. Auf dem Grill brutzelt unser
Abendessen und es wartet eine Nacht an
Board. Für die Kinder in der Kabine, für
uns unter dem Sternenhimmel an Deck.
So entspannt waren wir lange nicht.
Wir könnten nicht zufriedener sein.
Die Wildnis 2 / 2015
19
Die Ausbildung
Unbekannte Missweisung einzeichnen: Winkeltausch
Wolfgang Linke – Text und Grafik
Das in Ausgabe 32 beschriebene Verfahren zum Einzeichnen der bekannten
magnetischen Deklination in die Karte
dient zur Vorbereitung einer Tour, – am
Tisch, mit Taschenrechner und langem
Lineal, in eine Karte mit Angaben zum
Gradnetz oder Gitter.
Wer sich von den dabei notwendigen
Rechnungen überfordert fühlt, kann sich
noch im Gelände mit einer Lösung helfen,
die ich zwar bereits in meiner 1. Auflage
(1982) beschrieben habe, die aber meines Wissens kaum jemand zur Kenntnis
genommen hat. Vielleicht ist sie sogar
meine Erfindung; jedenfalls habe ich sie
nirgendwo beschrieben gesehen. Ein
Kursteilnehmer hatte gefragt, wie er die
Missweisung auf einer Alpenvereins-Karte – damals ohne Angaben zu Gradnetz
oder Gitter – bestimmen könnte, und ich
hatte ihm leichtfertig eine Lösung für den
folgenden Kursabend versprochen.
Das Verfahren, das ich ihm nach längerem Überlegen vorschlagen konnte, – ich
nenne ihn einfach «Winkeltausch» – verlangt nur eine Peilung und eine Kopfrechnung, und man muss dazu nicht einmal
die Karte auffalten. Es eignet sich überall,
wo die Voraussetzungen gegeben sind,
auch für Wanderkarten ohne Angaben
zu Gradnetz oder Gitter, für Straßenkarten, Stadtpläne und entzerrte Luftbilder –
und liefert unmittelbar eine Linie nach
Magnetisch-Nord, allerdings nicht die
Gradzahl und das Vorzeichen der Missweisung.
20
Vorausgesetzt werden
• moderner Spiegelkompass mit parallelen Nordlinien in der durchsichtigen
Dose (oder Peilkompass + VollkreisWinkelmesser)
• bekannter Standort
• Peilziel auf demselben Kartenblatt und
im Gelände, also Fernsicht.
Die Schritte sind
• vom bekannten Standort eine gerade
Linie zum Peilziel zeichnen
• den Zielpunkt peilen und die Dose
nach der Magnetnadel ausrichten
• am Kompass 360° – Peilrichtung
einstellen (also: die Richtung von Anlegekante und Dosengitter vertauschen!)
• den Kompass mit dem Dosengitter an
die Peillinie auf der Karte anlegen
Eine Linie längs einer der beiden Anlegekanten verläuft nach MagnetischNord.
Die Wildnis 2 / 2015
Die Ausbildung
Unbekannte Missweisung einzeichnen: Winkeltausch
Wenn man dann für die Kurs- oder
Standortbestimmung das Dosengitter
nach dieser Linie (oder ihrer Verlängerung
oder einer Parallele dazu) ausrichtet, wird
die Missweisung für dieses Kartenblatt
und dieses Jahr ausgeglichen. Auf einer
Fernwanderung genügt es, für jede Tagesstrecke einen Missweisungspfeil einzuzeichnen.
Eine Genauigkeit von 1° für die Blattmitte ist ein sehr gutes Ergebnis, denn
auch in der Schiffs- und Flugnavigation
werden Kurswinkel nur in vollen Grad angegeben.
Die Wildnis 2 / 2015
Die Schwachstelle aller Kompass-Verfahren liegt bei der Messung des Geländewinkels. Denn es braucht Übung, den
Kompass mit fast ausgestrecktem Arm
waagerecht so zu halten, dass der Spiegelstrich genau durch die Mitte der Nabe
läuft. Das stellt man schnell fest, wenn
man mehrfach misst und die Ergebnisse
vergleicht. Jedenfalls hilft es, wenn die
Tragschnur des Kompasses bei fast gestrecktem Arm dicht um den Nacken anliegt und so den Kompass stützt.
21
Die Ausbildung
Alles Pulka, oder was?
Bastian Metz – Text und Fotos
Die Ausrüstung ist gerade vom Schmutz
der letzten großen Sommertour gereinigt.
Vielleicht war es das für dieses Jahr wieder mit den Touren. Die Tage sind jetzt
im Herbst bereits merklich kürzer und
kälter. Die schönen Tage, die nun noch
bleiben, können an einer Hand abgezählt
werden. Der Winter naht. Das sicherste
Zeichen dafür sind die Schoko-Nikoläuse
in den Supermarktregalen. Es ist Anfang
Oktober. Winter. Da denken viele an Eis,
Schnee und Kälte. Die Zeit, in der man
Touren plant. Für den Sommer. Winter.
Da denken viele an Jack London, Iglubau,
Polarlichter, gemütliche Abende in urigen
Hütten in denen das knisternde Feuer eines Ofens wohlige Wärme ausstrahlt. Irgendwo in der Nähe des Polarkreises. Die
Sportlichen träumen von Expeditionen zu
den Polen, Eisklettern, dem Yukon Arctic
22
Ultra oder dem Iditarod-Hundeschlittenrennen in Alaska. Ja, all das wären tolle
Sachen, die man im Winter machen könnte. Doch für Touren im Winter ist eben
meist einiges mehr an Ausrüstung und
Brennstoff nötig. Ist der Rucksack für viele
im Sommer schon schwer und voluminös
genug, wird es im Winter fast unmöglich
den ganzen Krempel zu tragen. Und wer
hat schon ein Dutzend Huskys und einen
entsprechenden Schlitten? Sicher, eine
Pulka wäre eine Alternative. Aber Acapulka, Fjellpulken und co. lassen sich ihre
Handwerkskunst auch teuer bezahlen.
Für Pulka, Zuggestänge und Zuggurt
sind da schnell 750–1.250 Euro weg und
die Winterreisekasse mehr als nur halbleer. Doch es geht auch anders. Wie, dass
lest ihr jetzt.
Als Basis für die Eigenbau-Pulka dient
der Paris Expedition Sled. Wenn der gerade mal wieder nicht zu bekommen ist, tut
es auch der «Ice Blue Plastic Pulk».
Die Wildnis 2 / 2015
Die Ausbildung
Insgesamt wird folgendes Material benötigt:
Bei vielen Teilen ist es mit Sicherheit ratsam, ein, zwei Teile auf Reserve mit zu kaufen.
Pulka
- 1x Paris Expedition Sled 40,00 € (www.globetrotter.de > aktuell 45 €
- 2x Alu-Flachprofil 15x2x2000mm (1,5mm Dicke reichen auch) 7,88 € (örtlicher Metallwarenhändler)
- ca. 30 Blindnieten (Edelstahl) 3mm Durchmesser, 12mm lang (evtl. kürzer o. länger,
je nachdem wie das Gurtband verarbeitet wird; besser einige Nieten auf Reserve
kaufen) 0,14 €/St.
- 24 Sechskantschrauben* M5x20 Edelstahl 0,11 €/St.
- 48x Scheiben für Schrauben M5, großer Durchmesser, Edelstahl 0,03 €/St.
Optional, um die Auflagefläche und Kraftverteilung der Nieten zu vergrößern,
weitere 26 Scheiben mit großem Durchmesser für Schrauben M5 und eventuell 26
Scheiben groß für Schrauben M3
- 24 selbstsichernde Hutmuttern M5 Edelstahl 0,26 €/St. (alle Edelstahlkleinteile von
www.inox-schrauben.de)
- 2 lfm Stoff, z.B. Cordura, 500den, 1,5m breit 35,50 € www.stoffamstueck.de, ebay
oder www.extremtextil.de (wenn die Farbe egal ist, gibt es auch billigere Angebote)
- Nähgarn und was sonst noch alles zum Nähen gebraucht wird
- 7m Bandmaterial/Gurtband, 25mm breit 1,10 €/m www.extremtextil.de
- 5x Blitzverschlüsse zum einseitigen Fädeln, 25mm breit 0,90 €/St.
www.extremtextil.de
- 10x D-Ringe, 25mm breit 0,30 €/St. www.extremtextil.de
- ca. 4m Kordel, Durchmesser 3mm, unelastisch 0,40 €/m www.extremtextil.de
- 4m Kordel, Durchmesser 5mm, elastisch 0,70 €/m www.extremtextil.de
- 5x (Kunststoff-)Karabiner www.extremtextil.de (derzeit nicht verfügbar)
*wenn keine
Blindnietzange vorhanden
ist und auch
nicht extra
angeschafft
werden soll,
können die
Blindnieten
durch weitere
26 Schrauben
(Edelstahl),
52 Scheiben
M5 und 26
selbstsichernde
Hutmuttern
M5 ersetzt
werden.
Gestänge
- 2x Edelstahlrohr Außendurchmesser (AD) 15mm x2mm Wandstärke (WS), 1m lang,
22,22 € ITT-Bauelemente (ebay-Shop/evtl. auch über örtl. Metallwarenhändler)
- 2x Alurohr AD 20mm x 2mm WS, 2m lang, 14,09 € örtlicher Metallwarenhändler
- 8x Schloss-Schrauben Edelstahl M5x30, mit Vierkantansatz 0,17 €/St.
- 8x Scheiben Edelstahl für Schrauben M5 0,03 €/St.
- 8x Flügelmuttern M5 Edelstahl 0,14 €/St.
- 2x Sicherungssplint/Federstecker Edelstahl 4mm 3,80 €/St.
- 2x 3 Kettenglieder Edelstahl (müssen in das Alurohr passen) 0,45 €/St. Sonderpreisbaumarkt
- 5m Stahlseil, 2mm Durchmesser Edelstahl 1,00 €/m Sonderpreisbaumarkt
- 2x Kauschen Edelstahl für 2mm Stahlseil 0,20 €/St.
- 2x Klemmen Edelstahl für 2mm Stahlseil 0,62 €/St.
- 2x Karabiner Edelstahl dürfen nicht in das Alurohr passen, 1,10 €/St.
- Dünne (Reep-)Schnur, zum Einfädeln des Drahtseils
- 2 Spanngurte mit Metallschließe
Die Wildnis 2 / 2015
23
Die Ausbildung
Gesamtkosten:
ca. 175 € für die Pulka (119 €) und das
Zuggestänge (56 €)
Werkzeug für den Pulkabau:
Nähmaschine
Metallsäge und evtl. eine Gehrung
Metallfeile
Blindnietzange
Akkuschrauber und/oder (Ständer-)Bohrmaschine und verschiedene Metallbohrer
Körner oder ein Nagel und ein Hammer
Entgrater/Senker
Spriritus und einen Lappen
wasserfesten Filzstift
Anreisnadel
Klebeband, …
Und los geht’s:
Für eine angenehme Arbeitshöhe
wird die Pulka auf einen Tisch gelegt.
Euer Rücken wird es euch danken. Als
nächstes werden die zwei Aluleisten
(15 x 2 x 2000 mm) auf die richtige Länge abgesägt. Es werden zwei ca. 132 cm
lange und zwei ca. 35 cm lange Stücke
benötigt. Vor dem Anzeichnen und Absägen am besten selber nochmal ausmessen. Die scharfen Kanten mit einer
Feile entfernen. Mit einem dünnen Stift
wird jetzt mehrmals die Mitte (7,5 mm)
der 15 mm breiten Leisten angezeichnet
und die Punkte anschließend miteinander
verbunden. In einem Abstand von (vorne)
3; 8 und (17x) 7 cm werden Punkte auf
den 132 cm langen Leisten angezeichnet.
Damit der Bohrer besseren Halt findet,
empfiehlt es sich, mit einem Körner (eine
Art Nagel, der gehärtet ist) die Stellen vor
dem Bohren «anzukörnen» (eine kleine
Vertiefung einschlagen). Bei allen angezeichneten Stellen werden dann Löcher
mit einem Durchmesser von 3 mm gebohrt. Jetzt wird eine der beiden langen
24
Aluleisten mit Klebeband so an einer langen Pulka-Innenseite befestigt, dass die
Oberkante der Aluleiste mit dem Rand der
Pulka abschließt. Nicht zu weit hoch rutschen, weil sonst später die Scheiben an
den Pulka-Aussenseiten nicht mehr genug Platz haben. Für eine gute Passform
müssen die linken und rechten Enden der
Aluleisten etwas zurechtgebogen werden.
Das zweite Loch von links und rechts wird
mit einem 5 mm Bohrer aufgebohrt und
anschließend mit je einer Schraube und
einer Flügelmutter an der Pulka fixiert.
Nun werden die restlichen Löcher in die
Pulka gebohrt. Die bereits vorgebohrten
Löcher in der Aluleiste dienen dabei als
Schablone. Achtet darauf, dass sich die
Aluleiste während der Arbeit nicht verschiebt, sonst passen später die Löcher der
Aluleisten nicht mit denen an der Pulka
zusammen. Das (von vorne) 6., 9., 11., 14.
und 18. Loch wird mit einem 5 mm Bohrer
aufgebohrt, da hier später Schrauben eingesetzt werden. Sind alle Löcher gebohrt,
wird die Aluleiste nochmal demontiert
und die scharfen Ränder an den Bohrungen der Pulka und der Aluleiste entgratet.
Der eben beschriebene Ablauf wird mit
der anderen langen Aluleiste wiederholt.
Mit den kurzen Aluleisten wird genauso
verfahren. Nur die Abstände weichen
hier etwas ab. Sie betragen vom rechten
Rand 2,5; 6,5; 6,5; 4,0; 6,5; 6,5 und 2,5 cm.
Werden an den kurzen Seiten keine Nieten, sondern nur Schrauben verwendet,
müssen natürlich alle Löcher 5 mm groß
sein. Damit die Aluleisten in den Ecken
gut zusammenpassen, müssen die Enden
teilweise noch angepasst werden. Dazu
einfach etwas absägen oder -feilen, bis es
passt. Die Ecken mit einer Feile abrunden,
damit der Stoff später nicht durchstochen
oder durchgescheuert wird. Und wie immer gilt: Scharfe Kanten entfernen.
Die Wildnis 2 / 2015
Die Ausbildung
Jetzt ist es an der Zeit, sich an die Nähmaschine zu setzen. Wer keine hat oder
nicht nähen will, kann diesen Teil der
Arbeit sicher auch von seinem Schneider
des Vertrauens erledigen lassen. Der Stoff
wird der Länge nach in der Mitte geteilt,
sodass zwei Stücke von ca. 200 x 75 cm
vorhanden sind. Diese beiden Teile werden dann an einer der schmalen Seiten
zusammengenäht. Um einen festen Halt
zu garantieren, empfiehlt sich dazu eine
Die Wildnis 2 / 2015
Doppelkappnaht. Dann wird eine der
langen Seiten gesäumt. Die unelastische
Kordel mit 3 mm Durchmesser kann dabei
gleich mit eingenäht, oder erst danach
z.B. unter Zuhilfenahme einer Sicherheitsoder Stricknadel, eingefädelt werden.
Das kann jedoch mitunter sehr mühsam
bis nahezu unmöglich werden. Sie hat
später die Aufgabe zu verhindern, dass
der Stoff unter der Aluleiste rausrutschen
kann. Im Anschluss daran wird die andere
lange Seite noch gesäumt. Zum Schluss
wird noch der Innen-Umfang der Pulka
ermittelt, um den Stoff auf die richtige
Länge abschneiden zu können. ACHTUNG:
Nahtzugabe dazurechnen! Den Stoff im
Umfang auf keinen Fall zu klein machen,
da er sonst nicht mehr rundum an der Pulka befestigt werden kann. Dann werden
die beiden verbliebenen kurzen Seiten
miteinander vernäht und die zwei Kordelenden verknotet oder verschmolzen.
Beim Nähen auf Aussen- und Innenseite
achten. Die glattere, glänzende Seite ist
später innen.
Als letzten Schritt an der Nähmaschine
werden jeweils ein D-Ring und ein Blitzverschluss (mit dem Teil, an dem später
keine Arretierungen mit dem Gurtband
vorgenommen werden können) zusammen auf ein Stück Bandmaterial von ca.
15 cm Länge gefädelt. Die beiden Enden
des Bandmaterials werden aufeinander
gelegt. Mit 1,5–2,5 cm Abstand zu den Enden kann dann 2–3 mal über die 2 Lagen
Bandmaterial genäht werden. Sollte die
Nähmaschine das nicht schaffen, kann
dieser Arbeitsschritt auch entfallen. Beim
Verbinden von Aluleisten und Stoffverdeck mit der Pulka muss dann nur darauf geachtet werden, dass die Enden des
Bandmaterials aufeinander liegen und
die Seiten des Bandmaterials parallel zueinander verlaufen.
25
Die Ausbildung
Was in der Automobilbrache das Einsetzen des Motors in die Karosserie ist, ist
bei unserem Pulkabau das Verbinden des
Stoffverdecks mit der Pulka. Dazu wird
der Stoff, mit der «Kordelseite» nach unten und der glatteren, glänzenden Seite
nach innen, in die Pulka gelegt. Die Stellen, an denen der Stoff zusammengenäht
worden ist, sollten jeweils in der Mitte der
kurzen Pulkaseiten liegen. Jetzt eine der
kurzen Aluleisten nehmen, auf den Stoff
legen und den Stoff so heranziehen, dass
die Kordel an der Unterseite der Aluleiste
anliegt. Die Aluleiste über die Bohrungen
der Pulka legen, mit einem Nagel o.ä.
den Stoff durchstoßen und die Aluleiste
und den Stoff mit Schraube, Scheiben und
Mutter an der Pulka befestigen. Anschließend die anderen Schrauben und Nieten anbringen. Mit den anderen Leisten
und Löchern genauso verfahren. Bei den
5 mm Bohrungen (an den langen Seiten)
wird statt der Blindnieten eine Schraube
verwendet und zusätzlich noch das Bandmaterial mit einem (Blitzverschluss und
einem) D-Ring mit befestigt. Der D-Ring
soll dabei unter dem Blitzverschluss liegen. Auf der gegenüberliegenden Seite
wird statt dem Bandmaterial mit Blitzverschluss und D-Ring nur ein ca. 100 cm
langer Streifen Bandmaterial mit einem
D-Ring befestigt. Die Reihenfolge von außen nach innen sieht dabei wie folgt aus:
Schraube, Scheibe, Pulka, Bandmaterial,
Verdeckstoff, Aluleiste, umgeschlagenes
Bandmaterial, Scheibe, (Hut-)Mutter. Die
großen Scheiben sollen sowohl bei den
Nieten als auch bei den Schrauben für
eine bessere Kraftverteilung sorgen. Die
elastische 5 mm Kordel wird jetzt noch
durch die D-Ringe gefädelt (die beiden
Enden verknotet) und in der Mitte der
Pulka in die (Kunststoff-)Karabiner eingehakt. Damit ist die Pulka an sich fertig.
26
Was jetzt noch fehlt, ist ein Zuggestänge, mit dem die Pulka gezogen werden
kann. Natürlich kann auch nur eine Reepschnur zum Ziehen verwendet werden.
Das hat aber den Nachteil, dass die Pulka beim Bergabfahren nicht gebremst
werden kann und einem in die Beine
fährt. Ein Gestänge verhindert das. Um
das Gestänge mit der Pulka verbinden zu
können, wird aus einem der beiden Edelstahlrohre eine Deichsel gebogen. Für das
Biegen zu Hause eine Biegeschablone
mit möglichst großem Radius basteln. Ich
habe dazu mehrere Kanthölzer miteinander verschraubt, einen Halbkreis (Radius
80mm, Teller o.ä. als Schablone verwenden) aufgezeichnet und mit der Stichsäge
ausgesägt. Das eine Ende des Rohrs mit
einem Stopfen verschließen. Dazu z.B. Papier mehrmals falten und fest zusammenwickeln. Dann das Rohr mit trockenem
Sand füllen und mit der verschlossenen
Seite nach unten, mehrmals auf den Boden klopfen. Oft und leicht klopfen ist dabei zielführender als wenige Male kräftig
zu klopfen. Dadurch setzt sich der Sand.
So oft Sand nachfüllen und wieder klopfen bis auch bei dem anderen Rohrende
nur noch ein Stopfen reinpasst. Diesen
dann genauso wie beim ersten Rohrende einsetzen. Als nächstes wird das Rohr
mit der Biegeschablone in einen Schraubstock eingespannt. Der Abstand vom zu
biegenden Rohrende zur äußersten Kante
der Biegeschablone soll dabei etwa 29 cm
betragen. Das erste Ende des Rohres soweit biegen, dass es in 90° vom restlichen Rohr absteht. Den Kraftaufwand der
zum Biegen nötig ist, nicht unterschätzen.
Ohne einen stabilen Hebel, wie zum Beispiel ein langes Stahlrohr (ob Rund- oder
Vierkantprofil ist egal) lässt sich das Rohr
nicht biegen. Auf keinen Fall die Alurohre
dazu verwenden. Sie würden sich verbieDie Wildnis 2 / 2015
Die Ausbildung
Tisch. Wenn möglich wird dieses Rohr mit
Schraubzwingen auf dem Tisch fixiert. Ist
das nicht möglich, versucht es mit Tape.
Wichtig ist nur, dass das Rohr nicht verrutschen kann. Dann sucht ihr ein dünnes
Stück Holz, einen dünnen Akku aus der Digitalkamera, oder etwas anderes, dass in
Kombination mit einem (dünnen Filz-)Stift
eine Höhe der Stiftspitze von 1 cm ergibt
(halber Rohraußendurchmesser). Nehmt
zur Not ein Buch und schlagt nur so viele
gen und aufreißen. Nach der ersten Seite Seiten auf, dass ihr mit aufgelegtem Stift
auch die zweite biegen. Allerdings darauf auf den 1 cm Höhe kommt. Zeichnet am
achten, dass die U-förmige Deichsel nach hinteren und vorderen Ende des Rohres,
dem Biegen, auf ebenem Untergrund flä- jeweils auf der linken und rechten Seite
chig aufliegt. Es sollte kein Rohrende nach einen zirka 20 cm langen Strich an. Bei
oben zeigen. Steht ein Rohrende von der den beiden Alurohren die jetzt noch übrig
Länge her etwas weiter hervor, einfach sind, werden nur an einem Ende links und
entsprechend absägen. Aber nicht zu viel, rechts Markierungen angebracht.
da ja noch die Alustangen daran befestigt
werden müssen.
Die Deichsel soll nach dem Biegen ca.
45 cm breit sein (Außenkante zu Außenkante gemessen). ACHTUNG: Es besteht,
trotz Sandfüllung und Biegeschablone mit
großem Radius, die Gefahr, dass das Rohr
beim Biegen oder dem Einsatz eines Hebels einknickt. Deswegen ist es eventuell
besser, sich eine Schlosserei zu suchen,
Macht bei zwei von vier Alurohren mit
die einem das Rohr mit einer Rohrbiege3 cm und 12 cm Abstand zum linken und
maschine so biegt, wie man es braucht.
Als nächstes werden die beiden 2 m rechten Rohrende jeweils auf der linken
langen Alurohre in 1m lange Stücke zer- und rechten Seite kleine Markierungen auf
sägt. Um beim Sägen mit einer Hand- die langen Striche. Dort wieder ankörnen,
Metallsäge gerade Schnittkanten zu 5 mm Löcher bohren und die Bohrungen
erhalten, bietet sich die Verwendung ei- entgraten. Verwendest du zum Verbinden
ner Gehrung an. Oder ihr lasst euch die der Rohre Schrauben mit Vierkantansatz,
Rohre gleich vom Metallhändler in 1 m müssen die Löcher einer Seite noch rechtlange Stücke sägen. Die scharfen Kan- eckig gefeilt werden. Das erleichtert späten (innen und aussen) werden mit ei- ter in Verbindung mit Flügelmuttern die
ner (Rund-)Feile oder Schmirgelpapier De-/ Montage. Bei den anderen beiden
entfernt. Als nächstes werden zwei der Alurohren wird nur an je einem Rohrende
Rohre (nacheinander) auf eine ebene (linke und rechte Seite) im Abstand von
Oberfläche gelegt. Am besten auf einen 7,5 cm zum Rohrende eine Markierung
Die Wildnis 2 / 2015
27
Die Ausbildung
gemacht und gekörnt. Diese Bohrung wird
4mm groß. Sollte der Sicherungssplint
später nicht reinpassen, etwas aufbohren, bis er stramm sitzt. Jetzt werden von
dem verbliebenen Edelstahlrohr zwei Stücke mit je 30 cm Länge abgesägt. Scharfe
Grate wieder entfernen. Die Markierung
der Länge nach erfolgt genauso wie bei
den Alurohren (Markierung auf Höhe halber Außenrohrdurchmesser -> 7,5 mm).
Hier werden dann wieder im Abstand von
3 cm und 12 cm zu einem Rohrende Markierungen gemacht, 5 mm gebohrt und
entgratet. Am anderen Rohrende wieder
in einem Abstand von 7,5 cm ankörnen
und bohren. Dann wird das Edelstahlrohr
in eines der Alurohre mit insgesamt 8
Bohrungen gesteckt. Idealerweise stimmt
die Lage der Bohrungen im Alu- und Edelstahlrohr jetzt überein. Falls nicht – was
ohne Ständerbohrmaschine sehr wahrscheinlich ist – können die Bohrungen im
Edelstahlrohr etwas größer aufgebohrt
werden, bis es passt. Das hat den Vorteil,
dass das Feilen von rechteckigen Löchern
bei den Edelstahlrohren entfällt. Das ist
ohnehin nur schwer möglich, da sich Edelstahl wesentlich schwieriger bearbeiten
lässt, als beispielsweise Alu. Wer versucht
die Bohrungen in die Edelstahlrohre mit
dem Akkuschrauber oder der HaushaltsBohrmaschine zu machen, sollte noch
ein paar Bohrer auf Ersatz parat haben …
Das Ganze am unteren Rohrende und der
Edelstahldeichsel wiederholen. An der
Deichsel werden auch Markierungen im
Abstand zu den Rohrenden von 3 cm und
12 cm angebracht und gebohrt. Dann die
Rohre erstmal auf die Seite legen.
Als nächstes geht es an das Drahtseil.
Über dieses Seil wird später beim Ziehen
der Pulka die Kraft übertragen. Die Alurohre werden dadurch nur beim bergabfahren oder beim Queren von Hängen
28
belastet. Zudem dient das Drahtseil als
Reserve: Bricht das Gestänge, kann die
Pulka immer noch mit dem Drahtseil gezogen werden. Zuerst jeweils eine dreigliedrige Kette mit einer Kausche verbunden. Dazu die Kausche leicht auf- und
nach einfügen der Kette wieder zubiegen.
Ein Drahtseilende um eine Kausche legen
und das nun doppelt liegende Drahtseil
mit einer Klemme fest verschrauben.
Sollte die Klemme jetzt nicht mehr ins
Alurohr passen, ggf. die Schrauben der
Klemme etwas abfeilen. Das Ganze mit
dem anderen Drahtseilende wiederholen.
Das Drahtseil muss insgesamt In Verbindung mit den kurzen Ketten so lang sein,
dass in das letzte Kettenglied (nicht das,
an dem die Kausche befestigt ist) gerade
noch der Karabiner eingehängt werden
kann.
Anschließend das Drahtseil durch die
Deichsel und die Alu- und Edelstahlrohre
führen. Ob es leichter ist, dass Seil durch
das verschraubte oder unverschraubte
Gestänge zu fädeln, ist sicherlich Geschmackssache. Je nachdem, vor oder
eben nach dem einfädeln des Stahlseils
das Gestänge mit den Schrauben und den
2 Sicherungssplinten verbinden. Werden
an den zwei knapp herausschauenden
Kettengliedern jeweils ein paar Meter
dünne Schnur befestigt, wird so das Zerlegen und Zusammenbauen des Gestänges erleichtert. Die Schnur muss dann nur
noch aufgerollt am Gestänge fixiert werden, damit sie beim Gehen mit der Pulka
nicht stört.
Wenn die Tour zu Ende ist, empfiehlt es
sich das Gestänge zu zerlegen und gut zu
trocknen. Andernfalls kann es – auch bei
Aluminium – zu Korrosion kommen.
Um das Gestänge an der Pulka zu befestigen, einfach an der vorderen kurzen
Seite, links und rechts je einen Spanngurt
Die Wildnis 2 / 2015
Die Ausbildung
durch die beiden in der Pulka vorhandenen Löcher fädeln und mehrmals um die
Deichsel wickeln. Zusätzlich zu den hier
aufgeführten Arbeiten können noch Griffe
z.B. aus Gurtband zum Anheben und Tragen der Pulka befestigt werden, der Boden
(mit einer Siebdruckplatte) verstärkt und
Kufen aus (eloxiertem) Alu, hochgleitfähigem Kunststoff oder alten Ski (-belägen)
an der Unterseite angebracht werden. Die
Möglichkeit ein paar Rollen oder Räder an
der Pulka befestigen zu können, ist für
die An- und Abreise mit Bus, Bahn und
Fähre, aber auch für mehr oder weniger
schneefreie Streckenabschnitte während
einer Tour gut.
Ob das nötig ist, muss jeder selbst entscheiden. In diversen Foren werden – gerade zu den Kufen - seitenlange Diskussionen geführt. Es gibt viele verschiedene
Arten, eine Pulka und ein Gestänge zu
bauen und an der Pulka zu befestigen. Ich
habe mich fürs erste für diese Variante
entschieden. Das soll auch weniger die
einzig wahre Möglichkeit sein, sondern
vielmehr dazu anregen, sich diesen sonst
so teuren Ausrüstungsgegenstand selbst
zu bauen und sich damit neue Möglichkeiten zu erschließen. Sucht im Internet
und bei Youtube nach Pulkabau, MYOG
Pulka (MYOG: Make Your Qwn Gear >
Mach deine eigene Ausrüstung), Paris
Expedition Sled, o.ä. und ihr findet weitere Anregungen. Genau so bin ich auf
den Blog von Barleybreeder und die Idee
gekommen, dass Ganze mal auszuprobieren: https://barleybreeder.wordpress.
com/2009/05/17/eigenbau-pulka/. Dort
wird der Bau grob beschrieben. Ich bin
zwar schon etwas Stolz, dass das mit dem
Bau soweit ganz gut geklappt hat, doch
die Idee dazu, stammt von diesem Blog.
Weil das Thema auch für den ein oder anderen von euch interessant sein könnte,
Die Wildnis 2 / 2015
dachte ich mir, ich schreibe über meinen
Selbstversuch einen «kleinen» Artikel für
unsere «Wildnis».
Natürlich taugt der Paris Expedition
Sled auch ohne große Um- und Anbauten
als Pulka. Doch mit diesen Erweiterungen
kommt er an eine echte Pulka wirklich
ganz gut ran. Dass er nicht nur ein Spielzeug ist, zeigen Einsätze auf der ganzen
Welt. Ob von unserem IWV-Mitglied Beate
Hummel über 550 km quer durch Lappland
gezogen, am Rand des patagonischen
Inlandeises (www.risopatron2014.com)
oder in Grönland (http://www.stadtlandflucht.de/?p=921): Diese Pulka macht so
ziemlich alles mit und ist wohl einer der
am meisten unterschätzten Gegenstände
aus den bunten Katalogen.
Und jetzt, an die Werkbank, fertig, los.
Baut euch eure eigene Pulka. Bei Fragen,
Anregungen oder anderen Anliegen meldet euch einfach bei [email protected]. Und natürlich rechne ich
fest mit ein paar Bildern von euren selbstgemachten Pulkas. Wer weiß, vielleicht
gibt’s ja sogar mal eine kleine IWV-Tour
mit den guten Stücken. Oder einen zweiten Teil, in dem eine Lösung für die Räder,
Griffe, Bodenplatte, Kufen, Anfahrdämpfungen und ein Zuggeschirr beschrieben
werden.
PS: Leider hat der Bau dann doch mehr
Zeit in Anspruch genommen als gedacht.
Sobald die Pulka fertig ist, wird es (über
einen der nächsten Newsletter oder einen Sondernewsletter) einen Link zu einem Online-Fotoalbum geben. Dann wird
so mancher Satz aus dem Text sicherlich
verständlicher. Versprochen. Und wenn es
dann immer noch hakt, machen wir einfach einen Pulka-Bau-Workshop.
29
Die IWV-Infos
Anschlagbrett
Naturschutz-Aktionen zum mitmachen
Leider ist die Moorrenaturierung 2015
ins Wasser gefallen. Wir arbeiten aber
gerade an neuen Mitmach-Angeboten für
das kommende Jahr. Geplant sind voraussichtlich wieder eine Moorrenaturierung
und eine Pflanzaktion o.ä. in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Baden-Baden.
Sobald genaueres feststeht, werden wir
Euch darüber informieren.
30
Außerdem haben wir eine kleine Broschüre in Angriff genommen, die allgemeines zum Thema Natur und Wald sowie
zu Tieren und Pflanzen erklärt. Einfach und
verständlich. In der Wildnisführer - und
Trekking-Guide-Ausbildung ist sie schon
zum Einsatz gekommen. Es ist geplant,
die Broschüre auf der IWV-Homepage als
Download bereitzustellen.
Du kennst dich mit Pflanzen, Tieren
(ganz egal ob groß oder klein) aus, oder
hast sonst noch was Interessantes für die
Broschüre? Dann her damit:
[email protected]
Die Wildnis 2 / 2015
Die IWV-Infos
Outdoor-Ausrüstung
Spezial Angebot für IWV‘ler
Fjällräven
Bekleidung / Zelte / Schlafsäcke
Exped
Outdoor-Ausrüstung
Lundhag
Bekleidung / Rucksäcke / Schuhe
Hanwag
Schuhe
Helsport
Zelte / Schlafsäcke / Bekleidung
UrbanRock
Outdoorbekleidung
Austrialpin
Berghardware
Brunton
Solarpenels / Spektive / Ferngläser / Kompasse
Spreuboote
Boote / Bootsbedarf
Edelrid
Bergsport- / Kletterausrüstung
Primus
Kocher / LED Lampen / Stirnlampen / Kochsetts / Zubehör
Inook
Schneeschuhe / Wanderstöcke
Kontakt:
Roland Kranz
[email protected]
Die Wildnis 2 / 2015
Impressum
Herausgeber:
IWV – Intern. Wildnisführer Verband e.V.
www.wildnisfuehrer.de
Redaktion und Layout:
Christian Weidmann
[email protected]
www.avw.ch
Lektorat:
Evelin Goldmann, München
Auflage:
500 Stück
Titelbild:
USA – Klettern & Biken
Bericht auf Seite 4 Bild Umschlag Rückseite:
Christoph Maretzek
Mitwirkende
Alex Dressen
Kay Filbrich
Bettina Nostitz
Adrian Wachendorf
Kevin Görsch
Mario Worm
Peter Jäkel
Sonja Rieth
Wolfgang Linke
Bastian Metz
Christoph Maretzek
31
Orientierung und Sicherheit – wildnisfuehrer.de