Lebensfreude mit Pool und Paella, Bericht aus Mallorca

Publicación: MM40 Sección: Gesellschaft
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01/10/2015 09:11h Usuario: smono
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GESELLSCHAFT
Mallorca Magazin 40/2015
Lebensfreude mit Pool und Paella
In ihrer Finca C’an Agustin bei Sa Coma bereitet die Lebenshilfe NRW Menschen mit Beeinträchtigung unvergessliche Momente
VON
SOPHIE MONO
anfred
Droll
kommt aus Bühl
bei Baden-Baden.
Er ist 48 Jahre alt und
noch nie zuvor in seinem
Leben geflogen. „Und das
Meer hatte ich auch noch
nie gesehen”, erzählt er.
„Vor ein paar Tagen war
das erste Mal. Es ist richtig
salzig. Und ich habe einen
Krebs gesehen.” Seine Augen funkeln vor Begeisterung, er lacht laut auf und
klatscht in die Hände.
Manfred Droll hat eine
„geistige
Beeinträchtigung“. Aber vor allem hat
er gerade Ferien, und die
genießt er. „Hier ist alles
so schön”, sagt er breit
grinsend und klatscht
wieder in die Hände.
Zusammen mit elf anderen Menschen mit Behinderung und fünf Begleitern macht er Urlaub
auf Mallorca. Luxusurlaub, kann man fast sagen.
Die Feriengruppe übernachtet im C’an Agustin,
einer Finca der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen in
der Nähe von Sa Coma.
15.000
Quadratmeter
Grundstück, zwei große
Pools, eine Pferdewiese –
das Anwesen beeindruckt.
Und: Es ist komplett barrierefrei.
„Der Besitzer hat es im
Jahr 2013 eigens für unsere Bedürfnisse umbauen
lassen, für uns ein echter
Glücksgriff”,
berichtet
Tanja Zedler. Sie leitet das
C’an Agustin, seit das
Haus im März 2014 für
die Lebenshilfe bezugsbereit wurde. Barrierefrei,
das bedeutet in dem Fall
nicht nur schwellenlose
Zimmer mit breiten Türen
und behindertengerechten Toiletten – auch die
Swimmingpools sind eigens dafür präpariert: mit
Rampen, Hebehilfen und
ohne scharfe Kanten am
Beckenrand.
Für den Pool hat Manfred Droll im Moment
kein Auge. Dafür sieht die
riesige Paella einfach zu
köstlich aus. Celestino Diaz hat wieder sein Bestes
gegeben. Alle zwei Wochen ungefähr kommt der
pensionierte mallorquinische Koch mit dem spanischen Reisgericht ins C’an
Agustin gefahren, um die
Urlauber zu verwöhnen.
Geld will er für seine Ar-
M
Auf dem 15.000 Quadratmeter großen Grundstück von C’an Agustin ist auch Platz für zwei barrierefreie Swimmingpools.
HINTERGRUND
C’an Agustin ist elf Monate
im Jahr geöffnet und wird
vom gemeinnützigen Verein
Lebenshilfe NRW betrieben.
Auch Seminargruppen oder
Familien ohne Menschen mit
Behinderung können sich in
C’an Agustin einquartieren,
der Inklusionsgedanke steht
aber stets im Vordergrund.
Informationen zu Reservie-
rungen oder für interessierte
Spender und Helfer, die Ideen einbringen wollen, gibt’s
per Mail: zedler.tanja@
canagustin.es
Lebenshilfe – Lebensfreude: Im C’an Agustin sorgen Mensch und Tier für das Wohlergehen der Gäste. Auch Haushund „Luna” beschert gute Laune. Fotos (6) Patricia Lozano
Nie wird bei Paco Garcías Auftritten so viel getanzt wie im Haus
der Lebenshilfe.
beit nicht haben. „Ich bin
froh, wenn es den Gästen
schmeckt”, sagt er und
füllt mit einer großen Kelle Reis und Garnelen auf
die Teller.
42 Mägen gilt es heute
zu füllen, neben Manfred
Drolls Feriengruppe haben sich nämlich noch
zwei weitere Gruppen auf
dem zum Teil mit Sonnensegeln überdachten Platz
vor dem Haus eingefunden. Eine davon wohnt im
anderen Flügel von C’an
Agustin, die andere in einem Hotel in Cala Millor.
Zum Paellaessen sind sie
alle
zusammengekommen. Zu richtigem Urlaub
gehören schließlich auch
landestypische Speisen.
Christel Frohn kennt
sich mit spanischem Essen
bereits gut aus. Die 67-Jährige kommt schon im
Gruppen preislich entgegenkommen oder besondere Zuwendung geben.
Auch zwei behindertengerechte Kleinbusse stellt
Tanja Zedler zur Verfügung.
Während die Gäste
fröhlich ihr Urlaubsmahl
genießen und sich bei
Koch Celestino Nachschub holen, baut Paco
García bereits sein Mischpult auf. Nach dem Essen
wird er für die Musik sorgen. Seit zwei Jahren
kommt der Sänger und
Gitarrist nun schon regelmäßig alle zwei bis drei
Wochen ins C’an Agustin.
Normalerweise
arbeitet
der Spanier als Alleinunterhalter in verschiedenen
Hotels. „Bevor ich das erste Mal hierhin gekommen
bin, hatte ich Angst”, gibt
er zu. „Angst, dass die
zehnten Jahr aus der Nähe
von Köln mit der Lebenshilfe nach Mallorca, jeweils einmal im Frühjahr
und einmal im Früh-
„Bevor ich das erste
Mal herkam, hatte
ich Angst. Dabei
sind Menschen
nirgends so
begeisterungsfähig,
wie hier.”
Paco García
Musiker
herbst. Mit Genuss isst sie
ihre Paella. „Ich habe eine neue Halskette”, erzählt sie stolz. „Vom Shoppen.” Viel mehr mag sie
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über die vergangenen Urlaubstage nicht erzählen.
„Die ist aus Cala Millor”, hilft ihr Mira Steffan
auf die Sprünge. Die 21Jährige studiert Sozialarbeit und ist schon seit vier
Jahren immer wieder als
Bezugsperson auf Lebenshilfe-Reisen nach Mallorca
dabei. „Wir haben auch
schon eine Bootstour gemacht und die Burg in
Capdepera
besichtigt,
weißt du nicht mehr,
Christel?” Christel Frohn
nickt. „Doch, das war
gut.”
Am ersten Tag berät jede Gruppe für sich, was
im Urlaub unternommen
werden soll. Hausleiterin
Tanja Zedler gibt Ausflugstipps,
schließlich
pflegt sie seit Jahren Kontakt zu Veranstaltern und
Einrichtungen, die den
Gäste hier nichts mit meiner Musik anfangen können oder mit mir, ich habe
ja einen spanischen Akzent, wenn ich Deutsch rede.” Seit seinem ersten
Auftritt im C’an Agustin
weiß García: das Gegenteil
ist der Fall. „Es macht hier
viel mehr Spaß als mit anderen Touristen. Die Gäste
von C’an Agustin lassen
sich beim Tanzen viel
mehr fallen, das ist für andere Deutsche oft sehr
schwer. Aber die Menschen mit Beeinträchtigung sind häufig bescheidener und dankbarer und
zeigen ihre wirklichen Gefühle. Als Musiker ist es
toll, solche Reaktionen zu
bekommen.”
Als die ersten Akkorde
erklingen, hellen sich die
Gesichter
auf.
Birgit
u
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Mallorca Magazin 40/2015
Schröder und Falko Havemann fassen sich an den
Händen und tanzen wild
zur Musik, Begleiterin Mira schnappt sich Barbara
und Frederik und zieht sie
zur Tanzfläche. Christel
Frohn schaut zu und lächelt, holt sich aber dann
ihre Stricksachen und setzt
sich an den Rand. „Tanzen
ist anstrengend”, findet die
67-Jährige.
Manfred Droll bewegt
sich im Rhythmus und
lacht. Später wird auch er
ein Autogramm von Sänger Paco García bekommen. García hat die Autogramme eigens für seine
Besuche im C’an Agustin
drucken lassen. „Nirgendwo sonst sind die Menschen so begeistert von
meiner Musik wie hier. Als
ich das erste Mal Autogramme geben sollte, hatte
ich natürlich keine Autogrammkarten, weil nie
vorher jemand ein Auto-
gramm von mir haben
wollte, aber jetzt komme
ich vorbereitet”, sagt García grinsend. Er tritt stets
zu einem Spezialpreis im
C’an Agustin auf. Leute
wie ihn oder Koch Celestino Diaz braucht die Einrichtung. „Oder jemanden,
der die Pferde therapeutisch ausbildet. Aber auch
freiwillige Helfer oder
Spender sind immer willkommen”, betont Hausleiterin Tanja Zedler, die
selbst auf der Tanzfläche
herumwirbelt.
Auch Manfred Droll
würde gerne irgendwann
zum C’an Agustin zurückkehren. In fünf Tagen
geht es für ihn und seine
Reisegruppe aber erstmal
wieder nach Deutschland. Doch lange Trauern
ist nicht Manfred Drolls
Art, er sieht es positiv:
„Dann kann ich schon
wieder mit dem Flugzeug
fliegen.”
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GESELLSCHAFT
Oliver Stone
hat bei vielen
Filmen Regie
geführt, die für
kontroverse
Diskussionen
sorgten und ist
auch ein Drehbuchautor von
Weltruf. Foto: EFE
Ein kritischer Geist
Regisseur Oliver Stone ist am Freitag, 9. Oktober, zu Gast im „Cineciutat”
pannender Besuch im
„Cineciutat” in Palmas altem Schlachthof
S’Escorxador: Regisseur Oliver Stone kommt
nach Mallorca und steht
für eine öffentliche Diskussionsveranstaltung
zur
Verfügung. Los geht es am
Freitag, 9. Oktober, um 19
S
Uhr. Zuerst wird Stones
Film „Platoon” aus dem
Jahr 1986 gezeigt (Originalversion mit spanischen Untertiteln). Danach kommt
Stone zu Wort, es können
Fragen gestellt werden.
„Plaaton” war der erste
Film einer Trilogie Stones
über den Vietnamkrieg.
Der Streifen war 1987 für
acht Oscars nominiert und
erhielt vier (unter anderem
„Bester Film” und „Beste
Regie).
Der Vorverkauf läuft,
der Eintritt kostet zehn Euro. „Platoon” wird in drei
Sälen gezeigt. Stone wird in
Saal 2 sein, aber vorher
auch die Zuschauer in den
anderen Sälen persönlich
begrüßen. Die Organisatoren schaffen Voraussetzungen, dass man die Diskussion von jedem Saal aus
verfolgen und auch an ihr
teilnehmen kann.
www.cineciutat.org
Hausleiterin Tanja Zedler freut sich über Unterstützung wie gespendete Paella und hofft auf weitere Helfer.
„Music & Talk”
musste ausfallen
Manfred Droll ist begeistert:
Er ist zum ersten Mal geflogen
und hatte vor dem Urlaub noch
nie das Meer gesehen.
Waren schon mehrmals im
C’an Agustin: Begleiterin Mira
Steffan (links) und Teilnehmerin Christel Frohn.
Im wahrsten Sinne des
Wortes ins Wasser gefallen ist am Montag der
Event „Music & Talk”.
Der Mhares Sea Club in
Maioris war infolge des
Unwetters überflutet und
wurde geschlossen. Außerdem sperrte die Polizei
die Zufahrtstraße. Gastge-
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ber Willi Meyer blieb
nichts anderes übrig, als
während der Proben mit
der Band auf „Absage” zu
entscheiden. „Music &
Talk” findet das nächste
Mal am Samstag, 31. Oktober, statt. Die Location
steht noch nicht hundertprozentig fest.
(nimü)
Straße gesperrt – mit dem Auto war kein Durchkommen zum
überschwemmten Mhares Sea Club.