Gut gesagt - Die Produkte der Süddeutschen Zeitung

Donnerstag, 18. Juni 2015, Nr. 137
LERNEN 27
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
Sprach
reisen
Fachchinesisch
statt Floskeln
Mediziner, Juristen, oder Gewerkschafter:
Jeder braucht einen eigenen Spezialwortschatz
Arbeitnehmerüberlassung, Beteiligungsmechanismus, Einzeltarifvertrag, Schiedsgutachten – auch die sperrigste Fachvokabel der Gewerkschaftspolitik geht Peter
Schmidt seit Jahrzehnten leicht über die
Lippen. Auf Deutsch jedenfalls. Doch seit
vergangenem Herbst ist Schmidt bei seiner Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für Internationales zuständig, außerdem ist er jetzt Mitglied des europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. Für diese neuen Anforderungen fand
der Gewerkschaftssekretär seine Englischkenntnisse nicht gut genug. Die Woche vor
Pfingsten verbrachte er deshalb im nordenglischen York bei der Sprachschule York
Associates. Sie bietet seit 35 Jahren Businesskurse an, die genau zur fachlichen Spezialisierung der Teilnehmer passen. Vormittags übte Schmidt gemeinsam mit einem WMF-Manager die Grundzüge der
englischen Managementsprache. Die beiden Bayern lernten nützliche Floskeln und
Phrasen für Meetings und spielten mit ihrem Lehrer Telefonkonferenzen durch.
Nachmittags bekam Schmidt ein Einzeltraining in Gewerkschafter-Englisch.
„Mir geht es um die Feinheiten und um eine verhandlungssichere Sprache“, erklärt
Schmidt, der die Kombination aus Zweiergruppe und Einzeltraining als „sehr effektiv“ empfindet: „Ich werde alles direkt anwenden können.“
von verena wolff
S
prachreisen erfreuen sich seit vielen
Jahren großer Beliebtheit. Denn: Sie
verbinden das Angenehme mit dem
Nützlichen. „Die klassische Sprachreise
mit 20 Lektionen pro Woche, der Unterkunft in Gastfamilien sowie Freizeit und
Ausflugsprogramm ist die beliebteste“,
sagt Julia Richter. Sie ist Geschäftsführerin des Fachverbandes Deutscher Sprachreise-Veranstalter (FDSV). Englisch ist
nach ihren Worten mit Abstand die wichtigste Zielsprache, gefolgt von Spanisch
und Französisch. „Englisch-Sprachreisen
machen bei Erwachsenen rund 70 Prozent
aus, der Anteil bei den Jugendlichen liegt
bei gut 90 Prozent“, sagt sie.
Großbritannien ist dabei nach der aktuellen Sprachreisen-Marktanalyse, die der
Verband in Kooperation mit der Hochschule Heilbronn durchgeführt hat, das beliebteste Reiseland für Erwachsene und Jugendliche. Ohnehin sind Euro-Länder derzeit im Vergleich zu US- und Pfund-Ländern attraktiv, da es kein Wechselkursrisiko gibt. Allerdings ist eine Sprachreise oft
nicht mehr nur eine durchgetaktete Veranstaltung mit festen Stunden und Freizeit,
wie die Veranstalter berichten. „Die Angebote entwickeln sich von Jahr zu Jahr und
werden den Bedürfnissen der Kunden angepasst“, sagt Sascha Schmidt, Regional
Manager Germany beim Anbieter ESL. Vielfältiger seien die Angebote geworden, sagt
Steffi Athenstaedt, Sprecherin von LAL
Sprachreisen. „Für jedes Interesse ist etwas
dabei.“ Es gebe spezielle Sprach- und Aktivitäten-Programme, bei denen der Sprachunterricht mit einem passenden Freizeitprogramm kombiniert wird. „Koch- und Tanzkurse, Ausflüge und Sightseeing-Touren
vermitteln interessante Einblicke in die Kultur des Gastlandes.“
Gut
gesagt
Nicht nur Schüler, auch Erwachsene und Familien verbinden Sprachkurse
und Urlaub. Der Lernerfolg ist größer als zu Hause, und mehr Spaß macht es auch
In bisher zwölf Bundesländern
kann man für den Sprachkurs
Bildungsurlaub beantragen
Pro Jahr gehen etwa 160 000
Deutsche als Sprachreisende
ins Ausland – Tendenz stabil
Nach Schmidts Worten reisen die ESLKunden lieber öfter und kürzer. Athenstaedt hingegen sagt, es gebe immer mehr
Menschen, die einen längeren Auslandsaufenthalt dazu nutzen, „dem Lebenslauf
eine internationale Dimension zu verleihen und persönliche Auslandserfahrungen zu sammeln“. Dabei setzen die LALKunden die Prioritäten durchaus unterschiedlich: „Da kann das Erlernen der Sprache im Mittelpunkt stehen, Arbeitserfahrung oder Freiwilligenprojekte sowie das
Reisen in einem Land.“
Eines stellte Athenstaedt in den vergangenen Jahren fest: „In unseren Buchungen zeichnet sich ein höherer Lernerfolgsdruck beziehungsweise eine höhere Erwartung an die eigene Leistung ab.“ So werden vermehrt Intensivkurse, Einzelkurse
und Minigruppen nachgefragt, dazu längere Aufenthalte mit einem intensiven Lernpensum. Auch die Auswahl der angebotenen Länder sei in den vergangenen Jahren
umfangreicher geworden, sagt sie. „Exotische Länder und Urlaubsdestinationen
wie Ibiza, Hawaii, Goa, Buenos Aires,
Shanghai sind neu hinzugekommen und
ergänzen die klassischen Sprachreiseziele
wie Malta, England, USA, Frankreich, Spanien.“
Zwar bieten immer mehr Sprachschulen Online-Kurse an, bei denen die Schüler
per Internet, App oder Chat eine Sprache
lernen oder vertiefen können. Doch diese
Entwicklung kann der Sprachreise nicht
gefährlich werden, meinen die Experten.
„Sprachreisen sind absolut nicht zu vergleichen mit Online-Angeboten“, sagt Richter.
„Bei einer Sprachreise taucht man in die
Landessprache ein, hört nur die Sprache
und ist von nichts anderem abgelenkt.“
Auch Athenstaedt meint, dass der Lernerfolg besonders effektiv und nachhaltig
ist, wenn man aktiv in eine fremde Kultur
eintaucht und die neu erlernten Sprachkenntnisse direkt anwenden kann. „Zudem erfahren die Sprachschüler eine unvergessliche Zeit, nehmen neue Eindrücke
auf und lernen fremde Länder kennen.“ Positiver Nebeneffekt: „Bei Sprachreisen ent-
In den Anfängen waren Sprachreisen ein Produkt vor allem für Schüler, um mal nach
London (oben) oder Paris (unten) zu kommen. Mittlerweile ist der Erfolgsdruck gewachsen: In der
Schule und im Job werden gute Sprachkenntnisse erwartet. FOTOS: GETTY, DPA
stehen neue Freundschaften, die oft über
Jahre halten.“
Doch ganz ohne Internet geht es bei den
Veranstaltern nicht. So können etwa die
LAL-Angebote nicht mehr nur im Reisebüro gebucht werden. „Der Kunde steigt online über ein Basisangebot ein und kann
seine Sprachreise individuell konfigurieren, also einen passenden Sprachkurs wählen, eine Unterkunft, den gewünschten
Flug und andere Aktivitäten.“ Der Endpreis wird sofort angezeigt, gebucht werden kann auch über das Internet. „Ein Online-Sprachtest hilft den Interessenten,
vorab die Sprachkenntnisse zu testen und
das Sprachniveau einzuschätzen.“
Nach Erkenntnissen der FDSV-Studie
gehen pro Jahr etwa 160 000 Deutsche als
Sprachreisende ins Ausland – Tendenz stabil, mit minimalen Verlusten im vergangenen Jahr. Angefangen hat das Geschäft
nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem klassischen Schüleraustausch in die USA, sagt
Julia Richter. „Vor etwa 40 Jahren haben
sich die ersten Sprachreise-Veranstalter
auf dem deutschen Markt etabliert, 1977
wurde der Fachverband der Branche gegründet.“ Seither wächst der Markt „durch
die immer größere Globalisierung und die
damit verbundenen sprachlichen Anforderungen“. Heute gibt es etwa 140 Anbieter
von Sprachreisen in Deutschland. „Darunter befinden sich aber nur etwa 70 professionelle Veranstalter, die dem deutschen
Reiserecht unterliegen und über die gesetzlich vorgeschriebene Konkursausfallversicherung verfügen.“ Der Rest der Anbieter
sei lediglich als Vermittler tätig und übernimmt keine Haftung für die gebuchten
Reisen, sagt Richter.
Auf Rügen oder in Reit im
Winkl lernen ganze Familien
Englisch oder Französisch
Allerdings: Man muss nicht immer ins
Ausland fahren, um eine Sprachreise mit
Muttersprachlern gemacht zu haben. Berlitz bietet mit den Kids und Family Camps
eine Alternative zur großen Reise an. „Im
Jahr bieten wir rund 300 Termine an, von
Rügen bis nach Reit im Winkl“, sagt Katrin
Reißig-Lotzgeselle, Director Kids Camps.
Die Camps dauern eine Woche, die jüngsten Teilnehmer sind im Grundschulalter.
Spezial: Sprachreisen
„Betreut werden sie rund um die Uhr von
Muttersprachlern, die sie in Kursen unterrichten und die Freizeit mit ihnen verbringen.“ Sport, Kreatives, die Mahlzeiten – alles findet in der gewählten Sprache statt,
auch hier meist auf Englisch. „Die Camps
gibt es auch für Französisch, Spanisch und
Deutsch als Fremdsprache – aber die meisten Teilnehmer sind in den Englisch-Kursen.“
Die Hauptgruppe ist zwischen 14 und 16
Jahren alt, oft werden die Camps zur Prüfungsvorbereitung in den Ferien genutzt.
„Zudem haben wir ein breites Angebot an
Family Camps, bei denen die Eltern ihre
Sprachkenntnisse aufbessern oder sich in
ihrer Fachsprache weiterbilden können.“
Etwa 500 Euro kostet eine Woche in einem
solchen Camp, Anreise exklusive. Die Reisezeit hält sich in vielen Fällen in Grenzen:
„Niemand muss mehr als 200 Kilometer
fahren, um an einem Sprachcamp teilzunehmen.“ Für das Portemonnaie ist das in
vielen Fällen angenehmer, denn eine
durchschnittliche Sprachreise kostet der
Studie zufolge 1308 Euro. Allerdings: Die
Landschaft dürfte den meisten Teilnehmern recht bekannt vorkommen.
LAL SPRACHREISEN
Erwachsene & Schüler
Wie hießen noch mal Tupfer und Klemme – oder Einspruch abgelehnt auf Englisch?
Mediziner und Juristen haben ihre eigenen Fachterminologien. In Spezialkursen lernen sie den notwendigen Wortschatz in der Fremdsprache.
FOTOS: IMAGO, DPA
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Erscheinungstermin:
Donnerstag, 12. November 2015
Anzeigenschluss:
Dienstag, 3. November 2015
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Neben allgemeinem Business English
bietet York Associates auch Kurse für bestimmte Berufsgruppen an – nicht nur für
Juristen, Banker oder Mediziner, sondern
auch für Personalmanager, Energie-Ingenieure oder Fachleute im Rüstungssektor.
In Kleingruppen aus bis zu sechs Teilnehmern wird die jeweilige Fachsprache trainiert. Wenn solche berufsspezifischen Kurse nicht von einem Unternehmen für seine
Mitarbeiter gebucht werden, sondern allen Interessierten offenstehen, kommen
sie allerdings oft nur schwer zustande.
„Die Zahl der Anmeldungen für offene
Gruppenkurse geht zurück“, sagt Thomas
Bolle von den Carl Duisberg Centren, die
unter anderem mit der Schule in York zusammenarbeiten. Die meisten Kunden buchen so wie Peter Schmidt lieber eine Kombination aus berufsbezogenem Einzelunterricht, der auf individuelle Lernwünsche
eingeht, und Business English in der Kleingruppe.
Reisen für bestimmte Berufsgruppen
seien ein „Nischenprodukt“, sagt auch Ewa
Szenfeld von Alfa-Sprachreisen. Das Unternehmen bietet seit etwa 30 Jahren berufsbezogene Sprachreisen an, zum Beispiel
für Ärzte, Juristen oder Sekretärinnen.
„Damit es passt, müssen aber viele Faktoren zusammenkommen.“ So werde bei den
Kursen ein sprachliches Mindestniveau
vorausgesetzt, sagt Szenfeld: „Oft ist das
Interesse da, aber der Kenntnisstand
reicht nicht aus.“ Außerdem finden die Kurse nur an wenigen Terminen im Jahr statt.
Es gehört schon Glück dazu, dass genügend Angehörige einer Berufsgruppe mit
ausreichenden Vorkenntnissen am selben
Termin Zeit haben. Wenn das nicht klappt,
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sucht Szenfeld nach sinnvollen Alternativen für ihre Kunden: „Häufig ist ein berufsbezogener Kurs gar nicht nötig. Mit Business English kommen die meisten gut auf
ihre Kosten“, meint sie. Zum Beispiel seien
viele IT-Fachleute an Sprachreisen interessiert. „Deren Fachvokabular ist aber sowieso englisch, deshalb brauchen sie in der Regel keinen speziellen Kurs für Ingenieure
oder Informatiker. Was fehlt, ist eher die
Fähigkeit, Small Talk in der Pause zu machen!“ Auch für Ärzte sei „Medical Englisch“ beziehungsweise „Français pour les
médecins“ nicht automatisch das Beste:
„Ärzte fragen mich nach solchen Kursen,
wenn sie zum Beispiel in Dritte-Welt-Projekten eingesetzt werden sollen. Aber was
sie dort im Team brauchen, ist nicht so
sehr die medizinische Fachterminologie,
sondern vor allem eine klare Sprache.“
Am stärksten ist die Nachfrage nach berufsspezifischen Sprachreisen bei Juristen
und Rechtsreferendaren. Immer mehr Juristen müssen „Legal English“ beherrschen, weil sie für ihre Unternehmen oder
Organisationen über internationale Verträge verhandeln. Deshalb arbeitet AlfaSprachreisen mit Schulen zusammen, die
sogar spezielle Kurse für Juristen in Banken, Juristen in Versicherungen oder Juristen in der Immobilienwirtschaft im Programm haben. Auch in diesen Gruppen
geht es aber nicht nur um das eng eingegrenzte Fachgebiet, sondern auch um allgemeine Themen wie Geschäftsbriefe, Präsentationen oder Verhalten in Sitzungen.
Englisch ist bei Geschäftsleuten – wie
bei allen anderen Gruppen von Sprachreisen-Teilnehmern – mit großem Abstand
die gefragteste Sprache, gefolgt von Französisch und Spanisch. Andere Sprachen
spielten kaum eine Rolle, sagt Julia Richter
vom Fachverband Deutscher SprachreiseVeranstalter (FDSV). Die meisten Geschäftsleute entscheiden sich für einen Intensivkurs zwischen einer Woche und
zehn Tagen Dauer. Obwohl auch BusinessSprachreisen in die USA, nach Kanada
oder Südafrika angeboten werden, legt die
Mehrheit der Teilnehmer viel Wert auf eine kurze Anreise. „Die meisten BusinessSprachreisen gehen nach England“, sagt Julia Richter. Wegen der räumlichen Nähe seien aber auch Schulen wie Ceran Lingua International sehr gefragt, die im belgischen
Spa Intensivkurse für Führungskräfte in
elf Sprachen anbietet.
Die Kosten für Business English in der
Kleingruppe liegen in der Regel um 1500
Euro pro Woche, ohne Anreise und Unterkunft. Die Preise für berufsspezifische Kurse bewegen sich auf demselben Niveau. In
vielen Fällen werden die Kosten ganz oder
teilweise vom Arbeitgeber übernommen;
für die Sprachreise des Gewerkschaftssekretärs Peter Schmidt zum Beispiel zahlt
die NGG. Wer seine Business-Sprachreise
allein finanzieren muss, kann immerhin in
bisher zwölf Bundesländern – ab Juli auch
in Baden-Württemberg – dafür Bildungsurlaub beantragen. In der Datenbank des
FDSV lässt sich gezielt nach Reisen suchen.
Julia Richter rät aber, sich immer auch
vom Anbieter beraten zu lassen: „Man sollte ausführlich über seine persönlichen Ziele und Vorkenntnisse sprechen, um unter
den vielen Angeboten die Reise zu finden,
die am besten passt.“
miriam hoffmeyer