Hochsitz-Taufe

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Hochsitz-Taufe
Von Klöchen bis
Fleischpflanzerl-Kanzel
Zumeist haben Ansitzeinrichtungen einen Namen. Dem Erfindergeist sind keine
Grenzen gesetzt. Von pragmatisch bis kurios findet sich eine enorme Bandbreite.
„Hühnerleiter“, „Taubenschlag“, „Diplomat“ sind nur einige wenige Beispiele. Von
zwei besonders amüsanten berichtet uns hier Dirk Waltmann.
Schon als kleiner Bub begleitete ich
meinen Großvater gerne zum Ansitz.
Der Opa hatte seine Freude daran, mir
die Wildtiere zu erklären. Keiner noch
so kindlichen Frage wich er aus, hatte
immer eine Antwort parat. Nur einmal
war er für einen Moment sprachlos, und
musste dann laut lachen. Sehr gut kann
ich mich auch nach über 50 Jahren noch
daran erinnern. Der Grund dafür ist
schnell erzählt: „Heute Abend setzen
wir uns aufs ‚Klöchen’, da müssen wir
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Zahlreiche fleißige Hände halfen beim Aufstellen der „Fleischpflanzerl-Kanzel“.
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früh los“, sagte mir der Opa nach dem
Mittagessen. Ich muss ihn sehr verdutzt
mit großen Kinderaugen angesehen haben. „Aufs Klöchen, aber Opa, dorthin
kommt doch kein Wild “, bemerkte ich
entsetzt. Für einen Moment herrschte
Ruhe, dann konnte sich Opa vor lauter
Lachen nicht mehr halten.
Das „Klöchen“ war zur damaligen Zeit
eine auf einem sehr niedrigen Holzbock
stehende geschlossene Kanzel. Die Seitenwände waren außen mit Dachpappe
verkleidet. Sie stand in einem urigen
Bachtal, umgeben von Altbuchen und
Fichtendickungen. Wie mir der Großvater erzählte, meinte einer der Helfer
nach dem Aufstellen der Kanzel, dass
diese aus der Ferne aussehe wie ein
Klohäuschen. Da war es passiert, die
Kanzel hatte ihren Namen: „Klöchen“.
Eine besondere Hochsitz-Taufe habe
ich später dann selbst erlebt: Ein Landwirt, zugleich Waldbauer hatte einen
größeren Einschlag in einem Fichtenund angrenzenden Buchenbestand
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Lange war man sich nicht einig, wo diese Kanzel stehen soll. Nach einigen Diskussionen
und Hin- und Herstellen stand nicht nur der Platz, sondern auch der Name fest: Diplomat.
vorgenommen. Nach den Pflanzarbeiten
zur Aufforstung transportierten wir Jäger
eine der von uns wegen ihres Baustils beliebten offenen Kanzeln mit Innenaufstieg
über einen verwachsenen Waldweg zu ihrem Bestimmungsort.
Der Transport, das Aufstellen, das Abstützen und die Kanzelverkleidung nahmen
viel Zeit in Anspruch. Gegen Mittag tauchte die Lebensgefährtin des Revierinhabers
auf, um gegen das aufkommende Magenknurren für Abhilfe zu sorgen. Sie hatte neben kühlen Getränken eine herrliche Brotzeit dabei. Besonders begehrt waren die
zahlreichen mundgerecht-kleinen Fleischpflanzerl. Keines blieb übrig.
Gestärkt machte sich das Bauteam an die
Fertigstellung der Kanzel. Unweit davon,
vor dem Hochwald, wurde schnell noch
eine Saukirrung eingerichtet. Nach getaner Arbeit saß man auf einigen um die Kanzel verteilten Baumstubben, prostete sich
mit einem Bier zu, fachsimpelte über diesen viel versprechenden Ansitzplatz und
schwärmte nochmals über die herrliche
Brotzeit. „Das ist die Fleischpflanzerl-Kanzel“, fuhr es einem Jäger voller Begeisterung heraus. Die Namenstaufe war erfolgt.
Liebe Mitglieder, liebe Leser,
sicherlich gibt es auch in Ihrem Revier Hochsitze mit lustigen, kuriosen, besonderen Namen? Stellen Sie uns diese vor. Senden Sie uns ein Foto der Ansitzeinrichtung und berichten Sie ganz kurz, wie es zur Namensgebung kam.
Bitte bis zum 30. Juni schicken
an die Redaktion „Jagd in Bayern“,
Hohenlindner Str. 12, 85622 Feldkirchen,
E-Mail: [email protected]
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