...mit weitem Horizont - Evangelische Kirche Stuttgart

Juli 2015 | Nr. 66
Fünf
Gemeindeportraits
Wieso die Kirche
lebendiger ist als ihr Ruf
... und was der Kirchenkreis dazu
beiträgt. Seite 6
Jetzt sind
wir klüger!
Fotos vom Kirchentag.
Seite 16
...mit weitem
Horizont
Evangelisch in Stuttgart
2
|3
Juli 2015 | Nr. 66
Christoph Schweizer
Der Kirchenkreis von A bis (fast) Z
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Evangelische Kirchentag hat
unsere Stadt verwandelt. Wir
haben gefeiert, haben in toller Atmosphäre über die Fragen der Zeit
und die Hoffnung unseres Glaubens gesprochen, haben der Stadt
gezeigt, wie das ist, wenn über
100.000 Christinnen und Christen
miteinander feiern.
Wir haben als evangelische Kirche
ein gutes Bild abgegeben. Jetzt
sind wir wieder im Alltag als Kirche angekommen. Wir teilen wundervolle Momente, in Gottesdienst,
Feier und Konzert. Wir trösten uns
gegenseitig und tun uns gut. Und
wir machen es manchmal einander
schwer, diskutieren lange, ringen
in unseren Gremien um gute Entscheidungen.
Das eine ist ohne das andere nicht
zu haben. Von beidem erzählt
dieses Heft. Sie lernen fünf Gemeinden in Stuttgart kennen, und
wie sie den Herausforderungen der
Zeit begegnen. In Blitzlichtern und
Artikeln erzählen wir, wie Gemeinden und Einrichtungen vom
Kirchenkreis profitieren.
Wie immer lesen Sie im IN
Aktuelles aus dem Kirchenkreis,
und (das musste sein!): Sie finden
eine Doppelseite mit Fotos vom
Kirchentag.
Im Namen des Redaktionsteams
wünsche ich eine anregende Lektüre. Und freue mich über Lob, Tadel,
Leserzuschriften an
[email protected].
Herzlich,
Ihr Christoph Schweizer
Medienpfarrer Evangelische Kirche
Stuttgart
I
rgendwie hat man es ja geahnt. Aber erst wenn man es auf einen Blick
sieht, ahnt man die Dimension des vielfältigen Engagements im Kirchenkreis.
Asylpfarramt. Das Asylpfarramt des Kirchenkreises berät Asylsuchende und
vernetzt im „AK Asyl“ die Flüchtlings-Freundeskreise in der Stadt.
Diakonat. Die Diakoninnen und Diakone des Kirchenkreises leisten wertvolle
Vernetzungsarbeit in den Stadtbezirken, veranstalten „Urlaub ohne Koffer“,
organisieren Kinderkleidermärkte und vieles mehr. Und sie bilden das hauptamtliche Rückgrat der => Vesperkirche.
Diakoniestation. Die vom Kirchenkreis getragene Diakoniestation Stuttgart
ist der größte Anbieter ambulanter Pflege in der Stadt. Sie sorgt mit 200
Mitarbeitenden für knapp 2.000 Klienten. Daneben gibt es in Trägerschaft
von Kirchengemeinden die Diakoniestationen Möhringen und Zuffenhausen.
Grüne Damen und Herren. Die Grünen Damen und Herren der Evangelischen Krankenhaushilfe engagieren sich in 13 Krankenhäusern und Pflegeheimen in Stuttgart.
Hospitalhof und Bildungswerk. Das Bildungszentrum Hospitalhof
bietet für jährlich rund 40.000 Besucherinnen und Besucher in Vorträgen
und Seminaren ein breites Spektrum an Informationen, Diskussionen und
Weiterbildungsmöglichkeiten an. Der Hospitalhof wird von der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart getragen. Das Evangelische Bildungswerk, das sein
Büro im Hospitalhof hat, unterstützt die Gemeinden im Kirchenkreis in ihrer
Bildungsarbeit.
Hospiz. Die evangelische Kirche hat einst
die Hospizidee in die
Landeshauptstadt
getragen. Das Angebot
des vom Kirchenkreis
getragenen Hospiz
Stuttgart ist vielfältig: ambulantes und
stationäres Erwachsenenhospiz, ambulantes
und stationäres (im
Aufbau) Kinderhospiz,
Sitzwache, TrauerSommerfest im Hospiz Stuttgart
gruppen, Akademie.
Das künftige stationäre Kinderhospiz ist das erste in Baden-Württemberg.
Peter Reif - Diakon und MAV-Vorsitzender
über die „Mobile Jugendarbeit“ ist die evangelische Kirche auch
im Streetwork aktiv.
Kindergärten. 121 Kindergärten, 5.500 Plätze, 850 Mitarbeitende – die evangelische Kirche ist der größte freie Kitaträger
in Stuttgart.
Kirchenmusik. Chorknaben, Kinder- und Jugendchöre, Bands,
Kirchen-, Gospel- und Posaunenchöre, Orgelvirtuosen und viele
mehr – Stuttgarts evangelische Kirchenmusik ist vielfältig.
Rund 2.700 Sängerinnen und Sänger machen in den Erwachsenenchören mit, 1.850 in den Kinder- und Jugendchören.
Koordiniert wird die Kirchenmusik vom Kirchenkreiskantorat.
Krankenhausseelsorge. Menschen im Krankenhaus sind in
einer Ausnahmesituation. Die 17 evangelischen Klinikseelsorgerinnen und –seelsorger sind für die Menschen in Stuttgarts
Krankenhäusern da.
Kreisdiakoniestelle. Die Kreisdiakoniestelle bietet an vier
Standorten Sozial-, Lebens- und Schuldnerberatung, Beratung
und Angebote für Ältere und Kurberatung für Mütter und Väter. Weitere Beratungsangebote macht, teils in Kooperation mit
dem Kirchenkreis, die Evangelische Gesellschaft (eva).
Notfallseelsorge. Unfall,
Katastrophe, Todesnachricht – in solchen schweren
Situationen geben die 45
Notfallseelsorgerinnen und
–seelsorger Beistand.
Psychologische Beratungsstelle. Ihr niedrigschwelliges Angebot wird
jährlich von über 2.300
Menschen aufgesucht. Bevor aufwändige Therapien
greifen, ist häufig die Beratungsstelle erste Anlaufstelle in seelischer Not.
Schulen. Der evangeli[Foto: cs]
Hymnus-Chorknaben. Unser Knabenchor, die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, ist Botschafter der Stuttgarter Chor-Kultur über die Region hinaus.
Jugend. Die Evangelische Jugend Stuttgart (ejus) erreicht rund 12.000 Kinder und Jugendliche in 300 Gruppen, Klubs und Aktionen. Möglich machen
dies 3.000 Ehrenamtliche und knapp 40 hauptamtlich Mitarbeitende. Und
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
sche Kirchenkreis betreibt
über seine Schulstiftung
Stuttgart drei Schulen mit
innovativen Konzepten: Die
Johannes-Brenz-Grundschule mit Hort, GymnaTitelseite der Kirchenkreis-Broschüre
sium und Realschule „Das
Mörike“ und das Evangelische Heidehofgymnasium. Die Religionspädagogische Arbeitsstelle der Schuldekane bietet im Hospitalhof Unterstützung für
alle, die Religions- oder Konfirmandenunterricht geben. Drei
Hochschulpfarrer machen Angebote für Studierende.
Der Kirchenkreis arbeitet stellvertretend
Was haben die Kirchengemeinden vom Kirchenkreis?
Der Kirchenkreis übernimmt stellvertretend für die
Gemeinden wichtige Arbeitsfelder. Zum Beispiel in der
Diakonie: Das Hospiz, die Diakoniestationen, die Kreisdiakoniestelle. Beispiel Kinder- und Jugendkirche: All
die Freizeiten, Waldheime, die Kletteranlagen der ejus
in Cannstatt und Stuttgart-Mitte, die Jugendkirche –
das sind attraktive Angebote, die einzelne Gemeinden so
nicht machen könnten und auch nicht machen müssen.
Oder die vielfältigen Musikangebote: Kinder- und
Jugendchöre, Gospelchöre, klassische Kirchenmusik –
im Kirchenkreis gibt es eine großartige Vielfalt. Und
wenn man über den Horizont der einzelnen Gemeinde
hinausschaut, sieht man auch, was für eine Vielfalt an
Gottesdiensten es gibt: Kinder- und Jugendgottesdienste,
Themengottesdienste und viele mehr!
Vesperkirche. Im Januar wird die Leonhardskirche für sieben
Wochen zur Heimat auf Zeit für Menschen vom Rand der
Gesellschaft. Rund 800 Ehrenamtliche helfen mit. Die Vesperkirche ist weit mehr als nur warmes Essen: Gemeinschaft,
Unterstützung, medizinische Betreuung, Kultur und vieles
mehr. Organisiert wird sie
vom Diakoniepfarramt des
Kirchenkreises.
Synode. Die Kirchenkreissynode mit ihren Fachausschüssen - beispielsweise
für Diakonie, Kindergärten,
Hospiz - ist das Parlament
des Kirchenkreises. Sie
entscheidet über den Haushaltsplan.
Waldheim. Für viele
Kinder in Stuttgart ist Ferienbeginn gleich Waldheimbeginn. Jährlich kommen
5.500 Kinder in eines der
18 evangelischen Ferienwaldheime. Sie werden in
altersgerechten Gruppen
von ehrenamtlichen, meist
Jugendlichen, Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern betreut.
Tipp: Viele weitere Daten und Fakten finden Sie in der
Kirchenkreis-Broschüre. Zu beziehen über das Evangelische
Medienpfarramt, Augustenstr. 124, 70197 Stuttgart, E-Mail:
[email protected]. cs
4
|5
Daimler trifft Traktor
D
ine Straße ist eine Straße ist... schon wieder eine enge Gasse. Der Gast aus
dem Stuttgarter Kessel kreist suchend auf dem Berg. Zum Glück auch gleichsam aus Versehen am Pfarrhaus vorbei. Gut, dass Pfarrerin Sibylle Duvill das
knallrote Stadtmobil bemerkt hat.
ie 25 Kinder zwischen drei und fünf Jahren sind viel zu aufgeregt, um stillzuhalten. Müssen sie auch
nicht. Zu Beginn der Chorprobe gibt es Dehn- und Atemübungen. Die Kleinen machen sich lang und
pflücken imaginäre Kirschen vom Baum, sammeln Beeren vom Boden auf. Sie pusten den Rhythmus eines
Kinderliedes, brummen wie ein Bär, imitieren mit den Stimmen einen Raketenstart und haben reichlich Spaß.
woche, Weltgebetstag, Gottesdienste
im Grünen an der Grabkapelle und und
und – die Zusammenarbeit sorgt für Vielfalt im Distrikt und zeigt, wie gut auch
das gemeindeübergreifende Miteinander
funktioniert.
Gute Gemeinschaft will gepflegt werden. Das wird Sibylle Duvill nach einigen
Monaten als Pfarrerin zur Dienstaushilfe
ab September in fester
Pfarranstellung
tun. Bald wird somit
auch wieder Leben ins
Pfarrhaus einziehen.
Nicht nur durchs Töchterchen, das schon
selbstbewusst-zielstrebig durch die Räume
wandert. „Ich möchte gerne die Tradition
des offenen Pfarrhauses verstärken“, so die
35-jährige Pfarrerin,
„also dezidiert öffnen
450 Mitglieder zählt die
und die Gemeinde einRotenberger
Gemeinde,
laden.“ Der verwundavon sind 115 ehrenamtlischene Garten hinter
che Mitarbeitende – das ist
dem Haus bietet im
mal ein Verhältnis! Und oft
Gartenfest der Kirchengemeinde [Foto: Marcus Berner]
Sommer eine wunderkommen noch mehr helschöne Kulisse fürs
fende Hände aus dem Ort
dazu. Von einer „großen Verbundenheit“ kreis und Handarbeitskreis, Gemeinde- Zusammensein. Die hübsche Kirche mit
innerhalb der Dorfgemeinschaft spricht nachmittage und Seniorenausflüge: in der dem Zwiebeltürmchen tut das in jeder
Groch. „Wer will, findet Anschluss.“ Wer insgesamt übrigens recht jungen Gemeinde Jahreszeit. Sie spiegelt dieses Rotenberger Miteinander wider: Von drei Seiten
will, bringt sich ein. Und das tun viele.
findet so ziemlich jeder, was er braucht.
sind die Bänke gen Altar ausgerichtet.
Der Turn- und Gesangsverein (TGV) bringt Und wenn nicht, tut er das in der evangeli- Man schaut sich an, die Pfarrerin steht
den Christbaum nach seiner Weihnachts- schen Gesamtkirchengemeinde Untertürk- mittendrin. Ansonsten läuft man sich
feier zur Kirche, wo er neu geschmückt heim, die aus der Rotenberger Gemeinde, eben außerhalb der Gottesdienste über
und quasi zweitverwertet wird. Die der Gartenstadt- und der geschäftsfüh- den Weg. Findet sich Seite an Seite auf
Weingärtner vom Collegium Wirtemberg renden Stadt-Wallmergemeinde besteht. Bierbänken wieder. Oder trifft sich auf
unterstützen Feste unkompliziert mit Wer Singen will, kann das zum Beispiel im der Straße und in den Gassen.
Stehtischen, Gläsern oder prickelndem Kinderchor der Gartenstadtgemeinde oder Laura Köhlmann
Inhalt für Selbige zu einem guten Preis. im Gospelchor, der wiederum in allen drei
Eine Gruppe Frauen schmückt sonntags Gemeinden Gottesdienste mitgestaltet. Es
die Kirche. Die Liste ließe sich fortsetzen. gibt einen gemeinsamen Gemeindebrief.
Das Waldheim wird von einem Team ehDaimler und Traktor, Jung und Alt – das renamtlicher junger Menschen aus den
macht die Mischung hier oben aus. „Ge- drei Gemeinden gemanagt. Kinderbibel-
GEMEINDEPORTRAIT
Vaihingen: in der größten Gemeinde im Kirchenkreis singen schon die Jüngsten
E
gensätze? Nein. Das alles gehört zur Gesellschaft dazu“, so Groch. „und das funktioniert hier.“ In der anonymen Stadt unten
im Kessel holt sich jeder, was er braucht,
oft außerhalb der eigenen Gemeinde. Im
750-Seelen-Wengerterort ist das anders.
Nicht zuletzt, weil es in der kleinen Kirchengemeinde ein großes Angebot gibt:
Krabbelgruppe, Kinderkirche, Jugendraum
und „Group 61“ für Jugendliche, Frauen-
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
Große Gemeinde, viel Musik
GEMEINDEPORTRAIT
Rotenberg – vom Miteinander in Stuttgarts kleinster Kirchengemeinde
Zu Fuß geht es die paar Meter hinunter
in den Ortskern, wo die kleine denkmalgeschützte Barockkirche steht. Nebenan
bauen junge Männer an diesem Montagabend gerade noch ab, was vom Fest
am Wochenende zuvor zwischen Kirche
und Feuerwehrhaus stehengeblieben war.
„Es war Käskipperfest“, erklärt Claudia
Groch. Die Vorsitzende des Rotenberger
Kirchengemeinderats hat natürlich auch
mitgefeiert. Ebenso Pfarrerin Duvill, die einen Gottesdienst vor der Kirchtür
gehalten hat. „Orts- und
Kirchengemeinde
sind
traditionell vernetzt, gehen ineinander über“, sagt
Duvill, „man kennt sich,
und das ist gut so.“ Man
hilft sich auch und deshalb
funktioniert hier vieles
etwas leichter als andernorts.
Juli 2015 | Nr. 66
Später in der 45-minütigen Chorprobe
singen die „Kleinen Spatzen“ den Kanon
von „vielen kleinen Leuten an vielen kleinen Orten“. Angeleitet werden sie von
zwei 17- und 18-jährigen Schülerinnen:
Nadine Krug, die selbst in den Kinder- und
Jugendchören der Kirchengemeinde Vaihingen mitsingt, seit sie drei ist, und Carlotta Cohnen, ebenfalls vom Kindesalter
an dabei. Am Klavier unterstützt sie Gemeinde-Kantorin Gabriele Timm-Bohm.
Das gibt ihre 50-Prozent-Stelle eigentlich
nicht her. Sie macht es ehrenamtlich, die
ursprüngliche Klavierbegleitung hat ausnahmsweise Mittagsschule.
Im Kindergartenalter wird die Basis gelegt.
Insgesamt neun Kinder- und Jugendchorgruppen begleiten die jungen Vaihinger
durch ihre Kindheit und Jugend – wenn
„Kleine Spatzen“
[Foto: cs]
sie wollen. Viele wollen. Rund 220 Kinder
singen bei den Spatzen, den Kinderchören
fürs Grundschulalter und für die Klassen 5
bis 7, beim Konfi-Chor und bei der Jugendkantorei. Die Kantorei für die Erwachsenen
zählt 110 Mitglieder. „Die meisten Jugendlichen sind nach der Schule weg, sie singen
dann woanders“, berichtet Timm-Bohm.
Aber „etliche Eltern haben wir schon fürs
Singen gewonnen. Die merken, wie das
Chorsingen ihren Kindern Spaß macht und
bekommen Lust, bei uns mitzusingen.“
Insgesamt musizieren
350 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in
den Vaihinger Chören.
Auch der Posaunenchor, den Timm-Bohms
Ehemann, der Vaihinger
Organist Rainer Bohm
leitet, macht rege Nachwuchsarbeit.
Die Kirchenmusik ist einer der Schwerpunkte
in der Kirchengemeinde
Vaihingen. Es gibt viele
weitere. Denn in Stuttgarts größter KirchenStadtkirche Vaihingen
[Foto: Thomas Rathay]
gemeinde (rund 8.200
Gemeindeglieder) sind
viele Engagierte anzutreffen, viele In- Konfirmandenarbeit, Kinder- und Juteressierte und dementsprechend viele gendarbeit, Chöre und Waldheim – in
Angebote. Zum Beispiel ein breit auf- Vaihingen geht vieles Hand in Hand.
gestelltes Jugendwerk mit Jungscharen „Viele kennen sich von jung an und lauund Freizeitangeboten, auch integrativen fen sich immer wieder über den Weg“,
Gruppen. Ein großes Waldheim, rund 700 berichtet der geschäftsführende Pfarrer
Kinder und Jugendliche verbringen dort Gottfried Askani. „Das gibt ein Zusamim Sommer ihre Waldheimferien. Es gibt mengehörigkeitsgefühl. Und zugleich ist
ein differenziertes Gottesdienstangebot, die Gemeinde groß genug, dass jeder sich
Erwachsenenbildung, Kindergärten und aussuchen kann, was zu ihm passt.“
viele Feste und Feiern.
Dass die Universität Stuttgart einen groVaihingen war früher ein armes Dorf am ßen Standort in Vaihingen hat, macht
Rand des Glemswaldes. Bahnhof und In- sich bemerkbar. Hier wohnen Studenten,
dustrialisierung brachten im 19. Jahrhun- Professoren und Mitarbeiter aus dem
dert Arbeitsplätze und Menschen. Vaihin- akademischen Mittelbau. Wenn die Gegen entwickelte sich zu einer beliebten meinde in der „kirchlichen SommerwoWohnlage für Stuttgarter. Mit dem Ort che“ ein anspruchsvolles Bildungs- und
wuchs die Kirchengemeinde. Neue Kirchen Kulturprogramm anbietet, ist die Kirche
wurden gebaut, doch Vaihingen blieb eine voll. Auch viele Kulturschaffende leben
Gemeinde. Hier gab es bereits einen „funk- in Vaihingen. Weshalb Kantorin Timmtionsgegliederten“ Kirchengemeinderat Bohm scherzhaft sagt: „Wenn man in
mit Ausschüssen, als man anderswo noch Vaihingen einen Stein wirft, dann trifft
keine Vorstellung davon hatte, was das ist man leicht einen Instrumentenkasten.“
und wie so etwas funktioniert. Und weil
in den vergangenen Jahrzehnten weitere Wovon wiederum die musikalische GeWohngebiete entstanden sind, leben in meinde profitiert. Nicht vom Stein. Aber
Vaihingen noch heute viele Familien. Was vom Musikinstrument und von vielen
sich auch an hohen Konfirmandenzahlen musikbegeisterten Vaihingern. cs
zeigt: jährlich über hundert.
6
|7
Juli 2015 | Nr. 66
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
Der evangelische Kirchenkreis lebt – wenn auch manchmal im Verborgenen...
Kirche mit (stadt)weitem Horizont
A
llen Unkenrufen zum Trotz – die evangelische Kirche in Stuttgart mit ihren 66 Kirchengemeinden, rund 155.000 Mitgliedern und rund 100 Kirchen und Kapellen, in denen
regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden, ist ein sehr lebendiger und vielseitiger Organismus. Wie Sauerteig durchdringt sie das städtische Leben. Was trägt der Kirchenkreis dazu
bei, und warum lohnt es sich, als Kirche einen stadtweiten Horizont einzunehmen?
Menschen begegnen der evangelischen
Kirche in Gottesdiensten und bei Familienfeiern wie Taufe, Hochzeit und Beerdigung. Sie besuchen Gruppen, Kreise,
Seminare – in ihrer eigenen Gemeinde, in
der Nachbargemeinde oder an zentralen
Begegnungsorten wie dem Hospitalhof.
Sie singen im Chor. Sie suchen in einer
Notlage die Psychologische Beratungsstelle oder einen der vier Standorte der
Kreisdiakoniestelle auf.
ambulante Pflege, betreut
sterbende Menschen in
Sitzwachengruppen und
den weiteren Angeboten
des Hospiz Stuttgart. Er
koordiniert die Notfallseelsorge, sein Diakoniepfarramt bringt hunderte
Ehrenamtliche zusammen,
die Jahr für Jahr das Wunder vollbringen, dass die
Leonhardskirche sich zur
Rund 5.500 Stuttgarter Kinder besuchen Vesperkirche
verwaneinen evangelischen Kindergarten. Der delt. Das Asylpfarramt
Kirchenkreis ist Träger von drei Schulen. Er berät Flüchtlinge und Auch das ist Kirchenkreis: Szene aus der Martins-Kita[Foto: Th. Rathay]
sorgt mit den Diakoniestationen für gute koordiniert die Arbeit
von
zahlreichen len Stuttgarter Krankenhäusern präsent,
Freundeskreisen. und die ehrenamtlichen Grünen Damen
Die evangelische und Herren der evangelischen KrankenJugend veranstal- haushilfe stehen den Patienten zur Seite.
Edith Gramm - Kirchengemeinderätin S-Giebel
tet Waldheime und Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Nur
Freizeiten, Grup- wenigen ist bewusst, an wie vielen Orten
Vernetzung und Kooperation
pen und Erlebnis- in der Stadt die evangelische Kirche zum
angebote, Theater guten Zusammenleben beiträgt. „Das alDer Kirchenkreis macht uns klar: Wir sind nicht nur
und Musik, und sie les sind Dinge, welche die einzelnen Geevangelische Kirche im Giebel oder in Weilimdorf,
bestärkt Jugend- meinden nicht leisten können“, sagt der
sondern in Stuttgart. Durch seine Gremien bietet der
liche, ihre Inter- Leiter der Kirchenkreisverwaltung, KirKirchenkreis viele Möglichkeiten zur Vernetzung und
essen selbst in die chenpfleger Hermann Beck. Es sei „ihre
auch zur Kooperation. Man nimmt Gemeinden wahr, die
Hand zu nehmen. Arbeit, die stellvertretend geschieht.“
ähnlich strukturiert sind, kann sich mit ihnen austauDas Jugendpfarrschen.
amt
organisiert All diese Arbeit muss organisiert sein.
jährlich das viel Und ein Großteil dieser Organisation finThema Flüchtlinge: Dass wir da stadtweit vernetzt
beachtete Jugend- det auf Ebene des Kirchenkreises statt.
sind, das ist ganz was anderes, als wenn jede Gemeinde
k irchenfe s ti v al, Dessen Gremien und Verwaltung tun das,
alleine sehen müsste, wie sie Flüchtlinge unterstützt.
und bei der neuen was gute Gremien und eine gute VerwalOder nehmen Sie die Kindergärten und Waldheime: Wir
Gottesdienstrei- tung eben tun: Sie arbeiten meist unaufGemeinden bekommen über die Fachberatung Unterhe „GospelHaus“ fällig im Hintergrund. Sie sind Dienststützung, zum Beispiel in der Religionspädagogik. So
musste nachbe- leister, die den Rahmen abstecken und
können wir die Arbeitsfelder umfassender und intensistuhlt
werden Steine aus dem Weg räumen, damit die
ver wahrnehmen.
– die 700 Plätze Arbeit am Menschen umso besser läuft.
der Friedenskirche Für Stadtdekan Søren Schwesig ist „die
Und noch was: Als Kirchenkreis können wir für viele
schlanke Verwaltung mit hoher Professireichten nicht aus.
Mitarbeitende bessere Berufsbiografien anbieten, können
onalität“ einer der Schlüssel zum Erfolg
zum Beispiel dafür sorgen, dass Jugendreferenten innerDie Klinikseelsor- des Kirchenkreises. Die Verwaltung sei
halb des Kirchenkreises auf eine andere Stelle wechseln.
ge ist in fast al- nicht um ihrer selbst willen da, sondern
sie arbeite mit dem Ziel, „die Gemeinden darin zu unterstützen, dass sie ihrer Hauptaufgabe nachkommen können:
Glauben zu leben und Menschen zu diesem Glauben einzuladen.“
Beispiel Kindergartenfinanzierung. Viele
Stuttgarter Kirchengemeinden sahen in
den vergangenen Jahren mit Sorge, dass
sie trotz öffentlicher Zuschüsse ein immer
größeres Defizit tragen mussten. Sie fragten sich ernsthaft, ob sie sich ihren Kindergarten in Zukunft noch leisten können.
Die Verantwortlichen des Kirchenkreises
stehen deshalb seit Jahren in intensiven
Verhandlungen mit der Stadtverwaltung.
Sie fordern stellvertretend für die vielen
Kirchengemeinden eine faire Finanzierung
der kirchlichen Kindergärten. Ein Rechtsgutachten von 2011 bestärkt sie in der
Überzeugung: Es ist nicht recht, dass die
Stadt den kirchlichen Trägern einen geringeren Zuschuss bezahlt als anderen freien
Trägern. Die Ungleichbehandlung ist noch
nicht aus dem Weg geräumt, aber in den
vergangenen Jahren wurde schon eine
Besserstellung erreicht. Inzwischen trägt
die Stadt immerhin 85 Prozent der KitaPersonalkosten.
Søren Schwesig - Stadtdekan
Mit einer Stimme sprechen, die Gemeinden unterstützen
Eine der Stärken des Protestantismus ist seine Buntheit, seine unterschiedlichen Frömmigkeitsstile und Positionen. Aber damit ist der Protestantismus für
eine Öffentlichkeit, die sich nicht gut mit Kirche auskennt, schwer zu greifen.
Deshalb ist es unabdingbar, dass wir mit einer Stimme nach außen sprechen.
Das geschieht nicht allein durch mich als Stadtdekan, sondern auch durch die
anderen Dekane und Schuldekane für ihre Arbeitsfelder.
Der Kirchenkreis stärkt die Gemeinden nicht nur nach außen, sondern auch
nach innen. Als stadtweiter Kirchenkreis gelingt es besser, die Herausforderungen der Zeit in Angriff zu nehmen. So verfügen wir über eine schlanke Verwaltung mit hoher Professionalität. Das Ziel ist dabei, die Gemeinden darin zu
unterstützen, dass sie ihrer Hauptaufgabe nachkommen können: Glauben zu
leben und Menschen zu diesem Glauben einzuladen.
Eine wichtige Hausaufgabe bleibt die Kommunikation. Wir müssen besser mit
den Kirchengemeinden im Gespräch sein und deutlich machen, was auf Ebene
des Kirchenkreises geplant und entschieden wird und wie die Kirchengemeinden davon profitieren. Die Gemeinden machen den Kirchenkreis aus. Der Kirchenkreis will keine Organisation sein, die von oben nach unten durchregiert.
Deshalb müssen wir uns kritisch fragen: Wie gut gelingt es uns, die Gemeinden in die Arbeit des Kirchenkreises einzubeziehen? Das ist eine Bringschuld
für uns. Für diese Kommunikation gibt es schon verschiedene Kanäle: Interne Medien wie dieses IN und der wöchentliche Newsletter, die Foren in den
Dekanatsdistrikten, die in der Kirchenkreissatzung vorgesehen sind. Das ist
ein Anfang. Dennoch müssen wir in der Kommunikation unserer Arbeit besser
werden.
Nicht nur gegenüber der Stadtverwaltung vertritt der Kirchenkreis die evangelischen Gemeinden mit einer Stimme. ode, Martin Dellit, erinnert daran, dass
Seine Repräsentanten, allen voran die vier vor der Gründung des Kirchenkreises im
Dekane und zwei Schuldekane, vertre- Jahr 2008 vieles mit den vier Dekanaten
ten ihn gegenüber
vielen
weiteren
öffentlichen Gruppen:
Religionsgemeins chaf ten,
Kultur, Wirtschaft,
diakonischen und
karitativen Anbietern, Medien und
der breiten Öffentlichkeit. „Wir haben
durch unsere Größe
auch eine gewisse
Bedeutung für die
Stadtgesellschaft“,
sagt Kirchenpfleger
Hermann Beck. Und
der Vorsitzende der
Kirchenkreis s ynDie Mitglieder der Kirchenkreis-Synode
einzeln besprochen werden musste. „Das
war aufwändig und oft nicht gerade hilfreich.“
[Foto: cs]
Stadtdekan
Søren Schwesig weiß
auch, dass Einstimmigkeit nicht
gerade als protestantisches Markenzeichen gilt. „Eine
der Stärken des
P r ot e s t ant i s mu s
ist seine Buntheit,
seine unterschiedlichen Frömmigkeitsstile und Positionen. Aber damit
ist er für eine Öffentlichkeit,
die
sich nicht gut mit
Kirche auskennt,
8
|9
schwer zu greifen.“ Deshalb sei es „unabdingbar, dass wir mit einer Stimme nach
außen sprechen.“
Der Kirchenkreis ist also das – oft erfolgreiche – Unternehmen, der vielstimmigen
evangelischen Kirche in Stuttgart eine
der Fachberatung für die Kitas. Im Kitabereich, sowie bei seiner Diakoniestation
sorgt der Kirchenkreis für hervorragende
Fortbildungsangebote, er ist ein attraktiver Arbeitgeber und steht für eine hohe
Qualität der Arbeit.
Karen Wittmershaus - Kirchengemeinderatsvorsitzende aus Feuerbach
Bei den Gemeinden kommt wenig an
Ich finde es sehr interessant, als Mitglied im Kirchenkreisausschuss mitzukriegen, wie es im Rest des evangelischen Stuttgart aussieht. Leider spielen
wir von diesen Wahrnehmungen viel zu wenig in die Gemeinden zurück. Von
den Inhalten, die im Kirchenkreis bearbeitet werden, kommt bei uns in Feuerbach wenig an. Wir sind sehr mit unseren eigenen Themen befasst.
Vielleicht bietet ja der geplante Kirchenkreistag die Chance, dass die Gemeinden stärker mit dem Kirchenkreis zu tun bekommen. Der Kirchenkreis
gibt wichtige Unterstützung für unsere Gemeindearbeit, zum Beispiel die
Kindergartenfachberatung. Gut ist es auch, dass wir bei den Verhandlungen
mit der Stadt um die Kindergartenfinanzierung mit einer Stimme sprechen.
Stimme für die Außenkontakte zu verleihen. Nämlich dort, wo dies nötig ist,
weil eine typisch protestantische Vielstimmigkeit auf kein Verständnis und
Gehör stoßen würde. Er kann aber auch
nach innen, unter seinen Einrichtungen
und Gemeinden, die Zusammenarbeit
stärken. Beispielhaft geschieht dies bei
Stuttgarter Vesperkirche
[Foto: Rathay]
Juli 2015 | Nr. 66
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
mienmoloch – eher im Gegenteil. Seine
Gremien sind schlank, manchmal fast
schon zu schlank. Denn längst nicht jede
Gemeinde hat eine Vertreterin oder einen
Vertreter in den Kirchenkreisgremien.
Und auch die andere Behauptung stimmt
nicht. Die anteiligen Kosten des Kirchenkreises sind über die Jahre nicht gestiegen, sondern sogar leicht gesunken, die
Kirchenkreisumlage beträgt aktuell rund
30 Prozent des Kirchensteueraufkommens.
In Ansätzen sei das Zusammengehörigkeitsgefühl der Evangelischen in Stuttgart schon gewachsen in den vergangenen Jahren, so die Einschätzung von
Martin Dellit. „Immer mehr Gemeindeglieder nehmen wahr, dass es über den
Horizont ihrer Gemeinde hinaus evangelische Angebote in Stuttgart gibt“, sagt
er. Wo er aber dringenden Nachholbedarf
sieht: „Dass sich die Leute, gerade auch die
Verantwortlichen in den Kirchengemeinden, mit den Diensten des Kirchenkreises
stärker identifizieren. Dass sie stärker
wahrnehmen: Das ist auch unser Hospiz,
das sind unsere evangelischen Schulen.“
Sie sollten wahrnehmen, welche Chancen
der Kirchenkreis bietet. Beispielsweise
brenne allen Gemeinden unter den Nägeln, dass sie sich schwer damit tun, ein
breites Gemeindeprogramm anzubieten.
„Aber man muss ja auch gar nicht mehr
alles machen als einzelne Gemeinde“, sagt
Martin Dellit. Wichtiger sei, „zu wissen,
was die Nachbarn machen und wo man
mit ihnen kooperieren kann. Und man
muss sich klar machen, welche Angebote
der Kirchenkreis macht – gute Angebote,
Dass dies so ist, ist in vielen Kirchengemeinden (noch) weitgehend unbekannt.
„Der Kirchenkreis wird von vielen Gemeinden als Gremien-Moloch erlebt, der
über steigende Umlage Geld wegnimmt“,
sagt Martin Dellit. Und fügt hinzu: „Aber
das stimmt nicht.“ Dellit kennt beide Seiten bestens. Er ist nicht nur seit 2014
gewählter Vorsitzender der Kirchenkreissynode, sondern seit vielen Jahren
Kirchengemeinderatsvorsitzender
in
Stuttgart-Birkach. Er kennt die Befürchtungen der Engagierten aus den Gemeinden, die sich oft kaum mit den stadtweiten Strukturen
identifizieren. Von
den Fildern aus ist
Dr. Thomas Held - Kirchengemeinderat Stuttgart-West
Stuttgart fern, und
manche Gemeinde
Der Kirchenkreis macht es möglich...
in Stuttgart-Mitte
sieht wenig VeranDer Kirchenkreis macht es möglich, dass wir eine Diakolassung, sich mit
nin vor Ort haben, er trägt unsere Diakoniestation und
einem Vorort wie
unsere evangelischen Schulen. Der Kirchenkreis bietet
Birkach zu identifieinen größeren Bereich, andere Gemeinden kennenzuzieren.
lernen. Begegnungsaktionen wie die „Blind Dates“ zum
Start des Kirchenkreises waren toll. So etwas hilft dabei,
Doch der Kirchensich als Kirche stadtweit zu erleben.
kreis ist kein Gre-
Gemeinsame Sache: teatro piccolo, Hymnus-Chorknaben und Bläser beim Festgottesdienst 150 Jahre Jugendpfarramt 2013 in der Stiftskirche [Foto: Rathay]
die die Gemeinden von dem Druck entlasten, es selbst machen zu müssen.“
Kooperationen mit Nachbargemeinden
sind beispielsweise denkbar bei der Kirchenmusik – hier lohnt ein Blick ins Distriktkantorat Hedelfingen – Rohracker/
Frauenkopf – Wangen -, oder beim Gemeindebrief, bei Konficamps, bei gemeinsam getragenen Kindergärten, im Gottesdienstprogramm und bei vielem mehr.
Wie kann bei den Verantwortlichen in
den Gemeinden die Wahrnehmung eines kirchenkreisweiten Horizontes gestärkt werden? Für Martin Dellit und
Søren Schwesig liegt der Schlüssel in der
Kommunikation. „Wir müssen besser mit
den Kirchengemeinden im Gespräch sein
und deutlich machen, was auf Ebene des
Kirchenkreises geplant und entschieden
wird und wie die Kirchengemeinden davon profitieren“, sagt Schwesig. Denn
„die Gemeinden machen den Kirchenkreis aus. Der Kirchenkreis will keine
Organisation sein, die von oben nach
unten durchregiert“. Martin Dellit empfiehlt, dabei auf der Ebene der Dekanate
und Distrikte anzusetzen. „Es ist ja nicht eine gute Idee: „Beim evangelischen Kirmehr jede Gemeinde in der Kirchenkreis- chentag haben viele Menschen erlebt,
synode direkt vertreten. Umso wichtiger was die evangelische Kirche bieten kann.
ist es, dass die gewählten Vertreterinnen Was der Kirchentag im Großen macht,
und Vertreter die Infos aus dem Kirchen- bieten wir im Kleinen jeden Tag im Kirkreis weitergeben.“ Die Kirchenkreissat- chenkreis. Und mit einem gemeinsamen
zung sieht seit 2013 für den Austausch Kirchenkreistag können wir den Spirit des
auf Dekanatsebene „Gemeindeforen“ vor. Kirchentages wachhalten.“
Dazu sollen die Dekanate einladen – was
cs
allerdings nicht überall geschieht. Dellit
schlägt auch vor, den Gemeindebriefredaktionen regelmäßig Informationen aus
dem Kirchenkreis
anzubieten. Und
„auch der für 2017
Götz Nothdurft - Kirchengemeinderat in Degerloch
geplante Kirchenkreistag, der ja in
Stadtweit vernetzt
die
Gemeinden
und Distrikte geVielen in der Gemeinde ist nicht bewusst, dass zum
hen will, bietet die
Beispiel die Kreisdiakoniestelle eine Einrichtung des KirChance, dass der
chenkreises ist. Sie ist bei uns in Degerloch sehr präsent.
Kirchenkreis
vor
Viele Leute, selbst in den Gremien, denken, sie sei eine
Ort stärker ins BeEinrichtung unserer Gemeinde. Dass der Kirchenkreis
wusstsein kommt.“
die Stelle trägt, ist nicht nur eine VerwaltungsdienstleisAuch Verwaltungstung. Wichtiger ist, dass die Kreisdiakoniestelle mit ihren
Chef
Hermann
vier Standorten stadtweit vernetzt ist und im fachlichen
Beck findet den
Austausch steht.
Kirchenkreistag
10|11
Juli 2015 | Nr. 66
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
Genuss im Gotteshaus
Auf dem richtigen Platz
Mit Anspruch und Leidenschaft: Candle-Light-Dinner in der Wichernkirche
Mit Überblick am Werk: Personalleiterin Alexandra Rauscher
E
ine Vorspeisentrilogie bestehend aus Saiblingstartar, Entenbrust und Kürbissuppe; Erdäpfelcappuccino mit
glasiertem Lauch und Speck; pikantes Fleischpflanzerl an blauer Blume - diese leckere Liste geht noch weiter. Wer jetzt Appetit bekommt, hat Pech: Das Acht-Gang-Menü wurde längst aufgetischt. Aber: Das nächste
ist in Planung. Vermutlich im Januar 2016 ist in der Cannstatter Wichernkirche wieder Genießen angesagt.
„Wir wollten mal etwas völlig anderes
bieten, was man nicht mit Kirche in Verbindung bringt“, erzählt Pfarrer Olaf Creß.
Aus der ersten Abendessen-Idee wurde
am Ende ein Candle-Light-Dinner mit
anschließendem Tanz. Speisen im Gotteshaus als Event und für einen guten Zweck.
Rund 100 Gäste finden Platz an den Dinner-Tischen in der passend dekorierten
Wichernkirche. Schick in Schale geworfen,
versteht sich. In die Küche kommen am
Kochevent-Tag sechs Menschen und sonst
niemand: Creß und fünf weitere begeisterte Hobby-Köche aus der Gemeinde. Die
drei Frauen und drei Männer haben schon
lange vorher genau überlegt, was sie zaubern wollen, haben Probe gekocht und
diskutiert. Munden soll das Menü und gut
auf dem Teller aussehen sollen die Speisen
auch. Es steckt schon Anspruch dahinter.
Und Küchenarbeit, die je nach Menüplan
schon am Abend zuvor beginnt, auf jeden
Fall am Morgen des Dinner-Tages.
Wichernkirche Bad Cannstatt
sen sie auch“, sagt Creß. „Mit großem Ernst
und großer Leidenschaft“ waren die Jungkellner bei allen bisherigen Abenden dabei,
haben die Teller von der Küche durch den
Gemeindesaal in den Kirchenraum und
zurück getragen und „einen vorbildlichen
Service“ geleistet.
Olaf Creß (links) mit Koch-Kollege [Foto: privat]
Das wird nicht nur hinter den Kulissen gewürdigt: Vor dem Dessert gibt’s ein großes
Defilee mitsamt angemessenem Applaus.
Fehlt nur noch die funkensprühende Torte, dann wär’s wie beim Traumschiff, oder?
„Wunderkerzen gab es auch schon mal“,
meint Creß. Und immer um Mitternacht
Marianne Rosenbergs Lied „Er gehört zu
mir“. „Ein bisschen Kitsch gehört dazu.“
Dass die insgesamt mehreren Hundert Teller zu den schicken Hungrigen gelangen,
dafür sorgen Jugendliche, ebenfalls schick
in schwarz-weißes Kellner-Outfit gewandet. Rund 30 Konfirmanden und jüngst
Konfirmierte wurden im Vorfeld von einer
Kirchengemeinderätin in Sachen korrektes Tellertragen, Getränke einschenken
und Co. gebrieft. Zum Dinner „muss das
wie am Schnürchen laufen, und das wis-
Hinter gemeinsam zelebrierter Lebensfreude und Genuss steckt neben dem
Miteinander ein praktisches Ziel: Spenden
für die Wicherngemeinde zu sammeln. 25
bis 30 Euro bezahlen die Gäste pro Menü.
Gemeinden müssen bestimmte Projekte
selbst finanzieren oder wie bei Bauvorhaben einen Teil der Gesamtkosten selbst
aufbringen. Auch dank Candle-LightDinner ist es der Wicherngemeinde in Bad
[Foto: Wicherngemeinde]
Cannstatt gelungen, die Erweiterung des
Kindergartens zu stemmen oder die Küche
in dem Mehrzweckgebäude zu erneuern.
In dem glänzenden Stahltraum von Küche
werden Creß und seine Kochkollegen beim
nächsten Dinner wieder fleißig mit Kochlöffel und Konvektomat ans Werk gehen.
„New York“ schwebt dem Pfarrer als Motto für den Abend vor, doch das ist noch
nicht spruchreif. Was auch immer sich
das Team überlegen wird: Das Menü wird
sich bestimmt so lecker lesen wie das vom
„Sissi und Franz“-Abend - und vor allem
schmecken.
Laura Köhlmann
Bleiben Sie INformiert
Stets aktuelle Informationen aus
dem evangelischen Stuttgart finden Sie unter www.ev-ki-stu.de.
Mit dem Newsletter „Die Woche
im Kirchenkreis“ erhalten Sie Infos und Veranstaltungshinweise
frei Haus. Bestellen Sie per Mail an
[email protected]
F
risch aus dem Urlaub zurückgekehrt, findet Alexandra Rauscher einen unerwarteten
Termin in ihrem Kalender. Uns. Macht nichts, machen wir eben einfach – die 35-Jährige neigt nicht zu Verkomplizierungen. Lösungsorientiert zu sein ist ja auch ihr Job.
Alexandra Rauscher ist Personalleiterin
bei der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart. Ihre Funktion erstreckt sich auch auf
den Kirchenkreis Stuttgart, außerdem ist
sie Ansprechpartnerin für die Einzelgemeinden im Dekanat Stuttgart-Mitte. Der
Laie ist an dieser Stelle bereits überfordert
mit den Begriffen. Einzelgemeinden, Dekanatsbezirke – die nicht
identisch mit den Stuttgarter
Stadtbezirken
sind –, Gesamtkirchengemeinde, Kirchenkreis
– wie bitte? Rauscher
greift nach Block und
Stift – und macht das
Ganze per Zeichnung anschaulich. Die Frau kann
prima erklären. Zusammenhänge zu begreifen
und zu kommunizieren
ist ja ebenfalls ihr Job.
chen teil. Die Entscheidung für oder gegen
einen Bewerber trifft immer der jeweilige
Vorgesetzte vor Ort. Welche oder welchen
sie für passend hält, das sagt Rauscher
allerdings sehr wohl: „Mein Gefühl trügt
selten“, sagt sie. Es käme schon mal vor,
dass sich jemand auf den Schlips getreten
fühlt, berichtet sie unverblümt. „Doch ich
Mitarbeiter des Kirchenkreises, das sind Diakone
und Jugendreferenten,
Alexandra Rauscher [Foto: Rathay]
die Sekretärinnen der
Sonderpfarrämter und
der Dekanate, die Mitarbeitenden der will ja nicht übergriffig sein, sondern eine
Psychologischen Beratungsstelle und der Hilfestellung anbieten.“ Rauscher sucht
Kreisdiakoniestellen, des sozialen Kran- Lösungen. Für Menschen, denn um die
kenhausdienstes und des Hospizes sowie geht es ja.
des Hymnus-Chores. Diese Stellen und
Einrichtungen übernehmen Aufgaben für Um nun die richtigen Menschen am richden gesamten Kirchenkreis – Aufgaben, tigen Platz zu haben, dazu ist es „sinnig,
die sich einzelne Gemeinden nicht leisten wenn einer den Überblick hat“ und die
können und die sie sich auch nicht leisten Informationen von verschiedenen Seiten
verknüpft. Was das praktisch heißt? Entmüssen.
lasten, und zwar beide Seiten. Rauscher
Rauscher übernimmt selbst eine fach- erzählt von einer Kirchenkreismitarbeiteübergreifende Aufgabe: Sie fungiert für rin, die nach einem Burn-out nicht mehr
die Gemeinden im Dekanatsbezirk Mitte – weitermachen konnte auf jener Stelle. Die
so von jenen gewollt – als Dienstleisterin auch ausgebildete Erzieherin war und wiein Personalfragen. Sucht eine Gemeinde der aufblühte, als sie in dieser Funktion in
zum Beispiel einen Mesner, kümmert sie einer Kita arbeiten konnte. Ein Wechsel,
sich um die Ausschreibung, sichtet die Be- der möglich war, weil bei Rauscher die Fäwerbungen, nimmt Kontakt mit den Be- den zusammenliefen. Nur eines von vielen
werbern auf und an Bewerbungsgesprä- Beispielen, die zeigen: „Veränderung tut
oft gut. Eine gewisse Beweglichkeit ist gut
für die Mitarbeiter und für die Gemeinden.“ Die müssen sich darauf natürlich
einlassen. Jeder möge sich trauen, sie anzurufen, ob Mitarbeitender oder Vorgesetzter, wünscht sich die Personalerin. Im
Idealfall möglichst früh. Unzufriedenheit,
Mutterschutzfragen oder Kündigung –
für Rauscher ist das Alltag, was für Gemeinden
oft ein großes Problem
darstellt. Dabei lässt sich
fast immer eine Lösung
finden: „Wo ein Türchen
zugeht, geht ein Türchen
wieder auf. Das muss
man nur finden.“
Beim Finden hilft Rauschers „übergreifendes
Denken, auch über meinen Bereich hinaus“. Sie
ist mit den drei Dekanaten vernetzt, die nicht direkt in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, und
mit der Landeskirche,
mit den Diakoniestationen und der Mitarbeitervertretung. „Kontakte sind viel wert, dadurch löst sich viel“,
sagt sie.
Wäre es nicht sinnvoll, sie wäre offiziell zuständige Ansprechpartnerin für jede Gemeinde im Kirchenkreis Stuttgart? „Davon
würden alle profitieren“, ist sie sich sicher.
Dann könnte sie etwa allen Musterformulare und dergleichen Serviceleistungen
mehr anbieten, die bislang nur „ihren“ Gemeinden zur Verfügung stehen. Sie hätte
noch mehr Kontakte, noch mehr Wissen
um Mitarbeiter und Stellen, könnte noch
mehr Menschen über Gemeinde- und Dekanatsgrenzen hinweg an den individuell
passenden Platz bringen. Auch dafür wird
sich sicher irgendwann eine Lösung finden
lassen.
Laura Köhlmann
12|13
Gute Kommunikation und gute Argumente
Rundum reformiert: Die Kirchengemeinde Feuerbach
I
n Feuerbach hat man den Immobilienbestand neu sortiert.
Die Gemeinde war im Bilde.
Erst kräftig gewachsen, später kräftig
geschrumpft – dieses Schicksal kennt
manche Stuttgarter Kirchengemeinde.
Die vier Gemeinden in Feuerbach hatten
um 1980 noch rund 15.000 Gemeindeglieder und acht Pfarrstellen. Heute ist
es noch die Hälfte: 7.500 Mitglieder, fünf
Pfarrerinnen und Pfarrer.
Kräftig gewachsen ist das ehemalige Dorf
Feuerbach mit der Industrialisierung. Der
Bahnhof von 1846 ist einer der ältesten
im Ländle. Seit 1871 arbeitete in Bahnhofsnähe die Firma Leitz, bekannt durch
ihre Aktenordner mit Klemm-Mechanik.
1910 wurde das Bosch-Stammwerk hierher verlegt, und auch der Auto-Zulieferer
Behr bescherte der bis 1929 selbständigen Stadt einen Boom an Arbeitsplätzen.
Mit der Stadt wuchs auch die Kirche.
Nicht nur die Zahl der Pfarrstellen nahm
zu, sondern auch die der kirchlichen Gebäude. Zur mittelalterlichen Stadtkirche
kamen im Lauf des 20. Jahrhunderts
drei weitere Kirchen, dazu Kindergärten,
Pfarr- und Gemeindehäuser. Spätestens
um das Jahr 2000 war den Verantwortlichen klar, dass der Gebäudebestand und
die Strukturen aus den reichen Jahren
auf den Prüfstand mussten. „Wir wollten
den Veränderungsdruck nicht nur über
uns ergehen lassen, sondern wollten es
selbst gestalten“, berichtet die heutige
Kirchengemeinderatsvorsitzende Karen
Wittmershaus.
Die vier Kirchengemeinden fusionierten
wieder zur einen, stadtbezirksweiten
Kirchengemeinde Feuerbach. 2005 wurde die Fusion beschlossen, 2007 mit der
Kirchenwahl realisiert. Kaum war dies geschehen, ging der Kirchengemeinderat an
den nächsten Reformschritt: Der Gebäudebestand wurde unter die Lupe genommen. „Wir hatten einen großen Gebäudebestand, und an jedem Gebäude gab es
großen Sanierungsbedarf“, erinnert sich
Wittmershaus. Sich von Wohnhäusern zu
trennen war erwartungsgemäß das kleinere Problem – „der Knackpunkt waren
die Kirchen und Gemeindehäuser“. In
mehreren Kirchengemeinderatssitzungen
und Klausuren wurde die Hausaufgabe bearbeitet. Schon bald war klar: Aus
bislang vier sollten zwei Zentren werden.
Die Stadtkirche mit dem benachbarten
Gemeindehaus galt als gesetzt. Welche
weitere Kirche sollte erhalten werden?
„Wir hatten ausgiebige Diskussionen im
Feuerbach mit Stadtkirche (links) [Foto: Kirchengemeinde]
GEMEINDEPORTRAIT
Kirchengemeinderat und in den Ausschüssen, auch eine Klausur mit externem Moderator“, berichtet die Kirchengemeinderatsvorsitzende. 2010 fiel die
Entscheidung: Die Föhrich- und die Lutherkirche sollten abgegeben werden. Bis
2017 wollte man sich dafür Zeit nehmen.
Die Realisierung ging dann schneller als
erhofft über die Bühne. Bereits 2011 mietete eine russisch-orthodoxe Gemeinde
die Föhrichkirche. Vertraglich wurde geregelt, dass die evangelische Kirchengemeinde einen Raum behält und einmal
pro Woche Gottesdienst feiert. Auch für
die Lutherkirche fand sich eine Lösung.
Sie wurde von der diakonischen Einrichtung bhz Stuttgart angemietet. Auch hier
kann die Gemeinde nach wie vor Gottesdienst feiern.
Verbunden mit der neuen Gebäudekonzeption war auch eine stadtbezirksweite Neugestaltung der Gottesdienste. Die Idee: Es sollten nicht mehr vier
vergleichbare Gottesdienstprogramme
parallel angeboten werden, sondern ein
differenziertes Angebot: Ein klassischer
Sonntagvormittagsgottesdienst in der
Stadtkirche, ein Gottesdienst mit neuen Formen, mit Interviews und Band am
späten Vormittag in der Gustav-WernerKirche, monatliche Abendgottesdienste
in der Lutherkirche und Taizé-Andachten
in der Föhrichkirche.
Die beiden vermieteten Kirchen sind für
die Gemeinde nicht „aus der Welt“. Dennoch waren nicht alle Gemeindeglieder
glücklich mit der weitgehenden Aufgabe
ihrer Kirchen. „In der Gemeinde gab es
Leute, die sich als Verlierer fühlten“, berichtet Karen Wittmershaus. Wichtig sei
im ganzen Reformprozess die Kommunikation gewesen. Es gab Briefe an alle Gemeindeglieder, Gemeindeversammlungen,
Gemeindebriefartikel und Pressearbeit.
Wittmershaus: „Wir haben der Gemeinde
in aller Offenheit erklärt, was die Gründe
für unsere Entscheidung sind.“ Und sie
fügt hinzu: „Man kann es bei so etwas
nie allen Leuten recht machen. Aber man
muss alle Leute ernstnehmen!“
cs
Juli 2015 | Nr. 66
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
Deutsch-koreanische Kirchengemeinde
In der Friedenskirche erweitern Deutsche und Koreaner ihren Horizont
GEMEINDEPORTRAIT
D
ie deutschsprachigen Sonntagsgottesdienste der Friedenskirchengemeinde enden
pünktlich. Das müssen sie auch, denn jeden Sonntag um 11.30 Uhr beginnt der
Gottesdienst der koreanischen Nambu-Gemeinde. Die Mitglieder dieser sehr vitalen
evangelischen Gemeinde kommen aus dem ganzen Großraum Stuttgart.
Die Gottesdienste sind Treffpunkt der
koreanischen Community in der Region. 100 bis 150 Erwachsene kommen an
„normalen“ Sonntagen, dazu rund 50
Kinder und Jugendliche in den parallel
stattfindenden Kinderkirchgruppen. Jeden Sonntag singt im koreanischen Gottesdienst auch der stimmgewaltige Chor.
Viele Gemeindeglieder sind Berufsmusiker oder Musikstudenten, was die außergewöhnliche Qualität des Chores erklärt.
Beim anschließenden Mittagessen werden dann Neuigkeiten ausgetauscht.
Die Nambu-Gemeinde (übersetzt bedeutet der Name schlicht „Südgemeinde“) feiert seit 2006 Gottesdienste in
der großen Friedenskirche, die zwischen
City und Stuttgart-Ost beim Neckartor liegt. Der vorige Versammlungsort
war zu klein geworden. „Seit 2010 sind
Nambu- und Friedenskirchengemeinde
vertraglich verbunden“, berichtet Pfarrer
Dieter Bofinger. „Den Koreanern ist es
wichtig, dass sie nicht mehr Gäste sind,
sondern Partner“, sagt er. Sie sind nun
Teil der Friedenskirchengemeinde, haben
verbriefte Rechte. „Das verändert den
Status der koreanischen Gemeinde und
deren Gefühl in der Friedensgemeinde.
Und es verändert uns, weil es eine Menge
Berührungspunkte zwischen den Koreanern und uns gibt. Wir feiern gemeinsame Gottesdienste, auch unser Gemeindefest feiern wir seit einigen Jahren immer
zusammen.“
Sein koreanischer Kollege Pfarrer Taejoon Kim bestätigt dies: „Früher waren
wir Gäste, heute sind wir Mitglieder der
Friedenskirche.“ Die Beziehung werde
immer tiefer und stärker. Ein Mitglied
der koreanischen Teilgemeinde ist auch
Mitglied im Kirchengemeinderat, es gibt
gemeinsame Dienstbesprechungen, „wir
erhalten die Informationen, was in der
Friedenskirchengemeinde läuft, und wir
nehmen am gemeinsamen Gemeindele-
ben teil, zum Beispiel beim Gemeindeausflug oder beim Umweltteam.“ Und als
in diesem Jahr Tonanlage und Licht in der
Friedenskirche erneuert wurden, beteiligte sich die koreanische Gemeinde an den
Kosten.
die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff
da. Und seit März füllt der neue Gottesdienst „GospelHaus“ einmal im Monat
den Kirchenraum. GospelHaus wird vom
Gospelprojektchor „Gospel im Osten“
Zuletzt hat
der
Kirchentag
beide Gemeinden
einander
näher gebracht. In
der Friedenskirche
war
das
Zentrum
Frieden:
Deutsche
und Koreaner haben
gemeinsam
Der Chor der Nambu-Gemeinde
[Foto: Thomas Rathay]
die
tägliche Bewirtung in diesem Zentrum organisiert. veranstaltet. Zu dessen wöchentlichen
Beide Pfarrer berichten von anfänglichen Proben kommen rund 400 Sängerinnen
Vorbehalten in ihren Gemeinden. Bei den und Sänger in die Friedenskirche.
Koreanern fürchteten manche um die Eigenständigkeit, in der Friedensgemeinde Viel gäbe es noch zu berichten über die
gab es die Sorge, die vitale koreanische Friedenskirche – beispielsweise über das
Gemeinde könnte das Heft übernehmen. preisgekrönte Urban-Gardening-Projekt
Inzwischen sind die Skeptiker verstummt. ihres Umweltteams und den aktiven
„Die Koreaner haben unseren Horizont Flüchtlings-Freundeskreis im Stadtteil.
Das Beispiel Friedenskirche zeigt: Große
erweitert“, sagt Pfarrer Bofinger.
Kirchen zu unterhalten und mit Leben zu
Die gut besuchten Gottesdienste der füllen kann eine Last sein. Aber dort wo
koreanischen Teilgemeinde sind nur ein es gelingt, entsteht eine Heimat für vielBaustein, um die 800 Personen fassende, fältiges Kirchenleben.
cs
verkehrsgünstig gelegene Friedenskirche
mit Leben zu füllen. Es gibt hier Kantatengottesdienste und Konzerte mit der
Lukaskantorei, Abendgottesdienste und
die Sommerpredigtreihe mit prominenten Predigern – in diesem Jahr waren
der renommierte Theologe Jürgen Moltmann, Schauspieler Walter Sittler und
14|15
Juli 2015 | Nr. 66
Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart
Über Gastfreundschaft und die Zukunft der Kirche
Die Beziehungsebene muss stimmen. Ein Gespräch mit Gemeindepfarrer Gerd Mohr
W
Doch es gibt auch nach wie vor eine sonntägliche Kinderkirche in der Lutherkirche. Gerd Mohr hat vor seinen Mitarbeitern „allergrößten Respekt“. Ihr großes Engagement habe
etwas mit dem „unglaublichen Pflichtbewusstsein“ der Leute
zu tun – aber eben auch damit, „dass wir eine ziemlich gute
Beziehungsebene haben“.
as bringt die Zukunft für die evangelische Kirche in Stuttgart? Ziemlich sicher werden die Zahlen der Gemeindeglieder weiter zurückgehen. Der Cannstatter Pfarrer
Gerd Mohr hat Erfahrungen damit, was eine kleiner werdende Gemeinde bedeutet. Er hat
eine Kirche schließen müssen. Und ist überzeugt: Solche Veränderungen bieten bei allen
Schmerzen auch Chancen.
„Das Motto kann nicht sein: Der Letzte macht das Licht aus,
sondern: Wo machen wir neue Lichter an?“ sagt Gerd Mohr,
Pfarrer an der großen Cannstatter Lutherkirche. Bis Ende
2011 war er auch für die nahe gelegene Blumhardtkirche zuständig. Die gibt es nicht mehr. Die Kosten für den Gebäudeunterhalt standen zuletzt in keinem Verhältnis zur Entwicklung der Gemeindegliederzahlen, und die Lutherkirche war
gerade mal 500 Meter entfernt.
„Natürlich hingen die Menschen an ihrer Blumhardtkirche“,
berichtet Mohr. „Im letzten Gottesdienst dort habe ich in der
Predigt gesagt: Sie alle sind traurig, Sie sind ein bisschen wütend und Sie sind enttäuscht. Und wenn Sie das nicht wären,
dann wäre ich enttäuscht. Dann wäre nämlich in den letzten
dreißig Jahren hier viel falsch gelaufen.“ Doch enttäuschend
sei es auch, Sonntag für Sonntag mit vier bis acht Leuten
Gottesdienst zu feiern, und 500 Meter entfernt versammeln
sich an einem Durchschnittssonntag 60 Leute. „Christentum
hat ganz viel mit Gemeinschaft zu tun. Christentum hat mit
sich versammeln ums Wort, sich versammeln als Gemeinde
zu tun.“ Der konkrete Versammlungsort sei dagegen zweitrangig – auch wenn die Kirche, in der man getauft wurde
und seine Kinder taufen ließ, für viele biografisch eine große
Bedeutung habe. „Diese Bedeutung darf nicht unterschätzt
werden, weil da Herzblut und Wendepunkte der Biographie
dranhängen“, sagt Mohr.
„Zum Schluss des Gottesdienstes in Blumhardt habe ich die
Altarbibel mitgenommen, habe gesagt: Wir versammeln uns
um das Wort Gottes. Und diese Bibel legen wir von heute an
auf den Altar der Lutherkirche“, erzählt Gerd Mohr.
Für das Erleben des Gottesdienstes, auch dafür, wie einladend
er für neue Leute ist, macht es einen großen Unterschied, ob
sich ein trutziger Rest von vier Menschen trifft, oder ob in der
Gemeinschaft von 60 Feierstimmung aufkommt. „Der große
Gottesdienst ist für mich ein Ausdruck von Bekräftigung,
der schwach besuchte kann ein Ausdruck von Trostlosigkeit
sein“, sagt Mohr. Und bringt ein weiteres Schlüsselwort ins
Spiel, das für ihn Ausdruck eines guten Gottesdienstes und
Gemeindelebens ist: Gastfreundschaft.
„Wir haben in der Lutherkirche beim Kirchentag Feierabendmahl mit über 160 Besuchern gefeiert. Die Leute haben am
Ausgang gesagt: ‚Danke für die Gastfreundschaft‘“. Menschen von weither fühlten sich zu Hause in einer Kirche, die
Immer wieder kommen wir in unserem Gespräch auf die
Spannung zwischen einer ökonomischen und einer eher
spirituellen Sichtweise. Auf der einen Seite des Segens, der
Glaubenserfahrung, des Trostes, die sich nicht messen lassen.
Auf der anderen Seite die Aufgabe aller Verantwortlichen
in der Kirche, die vorhandenen Ressourcen – die nun ein-
nicht ihre Heimatkirche ist. Wie lässt sich diese Erfahrung in
den Alltag übertragen? fragt Mohr. „Wie kriegen wir es hin,
dass Kirche der Ort des Willkommens ist, dass Gemeinde die
Gemeinschaft der Getauften und immer wieder im Abendmahl sich Versöhnenden ist, unabhängig davon an welchem
Ort das stattfindet?“
Ein Anfang wäre, nicht die Einzelkirchengemeinde an erster Stelle zu sehen, sondern die Gemeinschaft als Kirche im
Stadtbezirk oder sogar in der ganzen Stadt. Mohr: „Es geht
um Evangelisch in Stuttgart, oder besser noch: Christsein
in Stuttgart.“ Wenn die Evangelischen in Cannstatt oder in
Stuttgart sich stärker über ihr gemeinsames Christsein verbunden fühlen als über Gebäude und örtliche Traditionen,
dann wächst auch die Chance, sich neuen Gruppen zu öffnen.
Wobei für Mohr klar ist: Auch bei einem solchen Entwurf von
Kirche muss die Beziehungsebene stimmen. Ohne sie geht
Kirche nicht. Und es ist die Person der Gemeindepfarrerin,
des Gemeindepfarrers, über die ganz viel an kirchlichen Beziehungen läuft. „Wenn Menschen nicht das Gefühl haben,
dass sie in ihrem Gemeindepfarrer ein Gegenüber haben, das
sie besucht, das ansprechbar ist, das die Nähe herstellt, die
Kirche braucht – wenn das nicht gelingt, dann entwickeln wir
uns zu einer Institution, die noch weniger bei den Menschen
ist, sondern die nur noch Gelegenheitschristentum ermöglicht.“
Wo die Beziehungen gut sind, sind Menschen bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren. „Die Größe als Verwaltungseinheit,
als Gottesdienstort und als lebendiges Miteinander auf Beziehungsebene – das muss in ein gutes Gleichgewicht kommen“,
sagt Mohr. In Cannstatt lassen sich am Beispiel der Kinderkirchen beide Seiten beobachten: Einerseits die boomende
Kinderkirche an der Stadtkirche, „Bunte Kinderstunde“ genannt, immer samstags zur Marktzeit. „Die Lage der Kirche
am Marktplatz ist ein Schatz“, sagt Pfarrerin Franziska Link
von der Stadtkirche. „Wir machen unser Angebot dort, wo die
Familien samstagvormittags eh sind, und gönnen den Eltern
von Herzen eine freie Stunde auf dem Wochenmarkt oder im
Café, während die Kinder bei uns Gottesdienst feiern.“ Der
Plan geht auf: Jede Woche kommen 40 bis 45 Kinder. Und
sie kommen nicht nur aus dem Gemeindegebiet, sondern aus
ganz Cannstatt.
Angebot in Hofen anzunehmen? „Es sind Kleinigkeiten, die
etwa mit der Frage zu tun haben: Wie machen wir Menschen
mobil? Bieten wir Fahrdienste an?“ sagt Mohr. Und dass dann
wieder die Beziehungsebene vor Ort stimmen muss, damit
so etwas funktioniert. Die Netzwerke vor Ort dürfen nicht
ersatzlos wegfallen, sondern Angebote im Stadtteil und solche in fünf Kilometern Umkreis müssen gut vernetzt sein.
Das heißt dann ganz praktisch beim angebotenen Fahrdienst:
„Es darf nicht bloß im Gemeindebrief stehen, dass man sich
im Büro melden soll. Damit ist gleich eine Hürde eingebaut.
Man muss sagen: Wir holen Sie zuhause ab, oder: Wir haben
drei Sammelpunkte und dann machen wir das gemeinsam“,
empfiehlt Mohr. Und wenn es dann beispielsweise statt drei
kleiner Chöre einen großen gemeinsamen Chor
gibt, dann merken die Leute bald, dass der Aufwand sich lohnt.
Die Kirche muss sich ändern, die Gemeinden
müssen sich ändern. Aber bei allem darf das
Beziehungsnetz, das Kirche ausmacht, nicht
zerstört werden. Und bei allen Veränderungsprozessen steht die Qualität der Kommunikation
im Mittelpunkt: Werden alle Beteiligten gehört?
Werden ihre Argumente ernst genommen? Wird
mit „unterlegenen“ Mitarbeitern in Mehrheitsentscheidungen so umgegangen, dass sie mit der
Entscheidung leben können? Wichtig ist auch,
den Verantwortlichen vor Ort wirklich die Gelegenheit zu geben, den notwendigen Wandel in
ihrem Tempo zu gestalten.
Gerd Mohr vor der Cannstatter Lutherkirche
„Vielleicht ist es das Wichtigste, die Leute zu
Wort kommen zu lassen“, resümiert Gerd Mohr.
Mit ihren Hoffnungen – und mit ihren Ängsten
und Klagen. Prozesse des Zusammenwachsens seien die eine
Seite, Trauern und Klagen die andere: „Wenn du nur den Prozess des Zusammenwachsens machst und das Klagen übergehst, hast du das Problem, dass den Leuten das ‚Magengeschwür‘ bleibt und sie mit diesem Geschwür auf keinen Fall
in die Nachbargemeinde gehen und auch nicht das Gefühl
haben, dass ihr Leiden ernst genommen wurde.“ Mohr fügt
dazu: „Und wenn wir als Kirche Leiden nicht mehr ernst nehmen, dann haben wir echt ein Problem!“
[Foto: Thomas Rathay]
mal begrenzt sind – klug einzusetzen. Aus diesem Dilemma
kommt die Kirche nicht heraus. Deshalb müssen neben ökonomische immer auch theologische Argumente treten – und
anders herum. Beispiel: Einen Gottesdienst für vier Personen
mit drei Hauptamtlichen zu bestreiten, Mesner, Organist und
Pfarrerin, und auch noch den Raum zu beheizen – „kann ich
da wirklich sagen: Das Geld ist sinnvoll ausgegeben?“ fragt
Mohr. Kirchensteuer sei schließlich anvertrautes Geld. Aber
auch theologisch ist es fragwürdig: Wenn es nämlich bei diesem Gottesdienst in erster Linie darum geht, an einem alten
Wunschbild von Kirche festzuhalten und unter sich zu bleiben, statt sich für neue Impulse und neue Leute zu öffnen.
Wenn die Zukunft der Kirche nun in attraktiven übergemeindlichen Angeboten liegt und nicht nur die Ortsgemeinde, sondern mindestens der Stadtbezirk im Blick sind: Wie können
Beziehungen gepflegt werden? Wie kann es gelingen, dass
„die Kirche im Dorf bleibt“? Wie bringt man beispielsweise
die wenig mobile alte Dame aus Stuttgart-Münster dazu, ein
Wo Trauer und Ängste Raum bekommen und beim Namen genannt werden können, besteht die Chance, dass sie verwandelt werden. Vielleicht nicht von heute auf Morgen – aber
auf Übermorgen. Dann kann aus Trauer ein Wunsch werden
und aus dem Wunsch das Engagement für neue Formen von
Christsein im Stadtbezirk.
Christoph Schweizer
16|17
Juli 2015 | Nr. 66
Deutscher Evangelischer Kirchentag
Jetzt sind wir klüger!
Fünf Tage Anfang Juni haben die Stadt verwandelt.
17
14
2
5
18
6
15
10
1
19
16
7
20
11
12
13
3
4
8
9
9
1+3 Lichtermeer - 2 Stand der Kirchengemeinde Rohr-Dürrlewang
beim Abend der Begegnung - 4+11 Stuttgarter Kinderchöre und Stadtdekan Schwesig beim Eröffnungsgottesdienst auf dem Marktplatz 5+6 Feierabendmahl - 7 Riesendusche auf dem Wasen - 8+9 „Starkes
Blech“ im Alten Schloss - 10 Familienministerin Manuela Schwesig in
der Stiftskirche - 12 Leonhardskirche überfüllt - 13 Talk im Zentrum
Regenbogen – 14+20 „Nachtschicht“ beim Klinikum Winnenden - 15
Dekan Klaus Käpplinger und Kirchentagspräsident Andreas Barner im
Zentrum Diakonie - 16 Zentrum Kinder - 17 Gastfreundschaft bei der
Cannstatter Stadtkirche - 18 Kofi Annan und Frank-Walter Steinmeier
- 19 Dankeschönaktion des Dekanats Bad Cannstatt bei allen Engagierten - 21 Landesbischof July und internationale Gäste im „Stuttgarter Gasthaus“ [Fotografen: Thomas Rathay, cs, Daniel Märkisch,
DEKT/elkwue/Ilona Scheffbuch, Kirchentag und privat]
21
18|19
Diakoniegottesdienst. Am 26. Juli beginnt um 10 Uhr in der
Bonhoeffer-Kirche S-Fasanenhof ein „inklusiver Diakoniegottesdienst“. Die Kirchengemeinde Fasanenhof und das bhz laden ein.
Die Predigt hält bhz-Vorsitzende Dekanin i.R. Wiebke Wähling,
die Theatergruppe des bhz wirkt mit. Adresse: Bonhoefferweg,
U6 Haltestelle Fasanenhof.
Die Vorletzten: Zwei in einer großen Stadt. Eine musikalischkabarettistische Stadtrevue am Dienstag, 28. Juli um 20 Uhr im Hospitalhof. Stadtdekan Søren Schwesig und der Esslinger Citypfarrer
Peter Schaal-Ahlers nehmen ihren eigenen Job auf die Schippe. Als
Mesner und Kirchenmusiker getarnt lässt sich trefflich alles durch den
Kakao ziehen, was im kirchlichen Alltag bierernst und humorlos daherkommt. Das lasterhafte Treiben hat einen guten Zweck: um eine
Spende für die Hospitalkirchensanierung wird gebeten.
Prima Klima! Die Stuttgarter Citykirchen laden zur theologischen Sommerakademie. Vier Abende über das biblische Wetter,
vom 3. bis 6. August, jeweils 19 Uhr an einer der Innenstadtkirchen. Der Eintritt ist frei. Genaueres lesen Sie unter http://www.
hospitalkirche-stuttgart.de/veranstaltungen/.
TANGOttesdienst. Vormerken: Am 25. Oktober ist in der Cannstatter Steigkirche (Auf der Steig 21, U 12 Riethmüllerhaus) ein
Tango-Gottesdienst. Motto: „Hingabe“. Mitwirkende: Tangoloft
Stuttgart und Orquesta Atípica Stuttgart. Beginn ist um 19 Uhr.
Bleiben Sie informiert! Den wöchentlichen Newsletter des Kirchenkreises Stuttgart bestellen Sie unter www.ev-ki-stu.de/aktuelles-hoer-bar/rundbrief/. Auf Facebook finden Sie den Kirchenkreis unter www.facebook.com/Ev.Kirche.Stuttgart.
Die Oud
D
S
A
ie evangelische Kirche ist in der Stadt sehr präsent“,
doch den kirchlichen Angeboten fehlt oft „das Überraschungsmoment“. Das sagte der Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Christoph Reisinger, am 10. Juli vor der
Stuttgarter Kirchenkreissynode.
Reisinger war gemeinsam mit dem Konzertveranstalter Paul Woog
eingeladen, dem Kirchenparlament den Spiegel vorzuhalten. Woog
bescheinigt der Kirche Defizite beim Marketing. „Sie trauen sich zu
selten, etwas Neues zu machen“, kritisierte er. Der Konzertveranstalter
mit dem Schwerpunkt Pop und Rock vermisst kirchliche Angebote bei
Themen, die die Stadtgesellschaft bewegen. „Wo war die Kirche beim
Streit um Stuttgart 21?“ fragte er. Auch beim Thema Flüchtlinge gebe
es sicher viel kirchliches Engagement, er nehme aber nur wenig davon
wahr. Christoph Reisinger plädierte für Mut zu überraschenden Formaten. „Wie wäre
es zum Thema Flüchtlinge mit einem Format, in dem die
Kirche auf besonders scharfe Kritiker der Flüchtlinge zugeht?“ Das Interesse seiner Redaktion sei garantiert. Ein Manko sei auch, dass vielen
Kirchenmitgliedern nicht klar sei, was mit ihrer Kirchensteuer passiert.
Die Kirche müsste mit kluger Kommunikation ihren Mitgliedern deutlich machen, dass die Kirchensteuer sinnvoll angelegt ist.
Reisinger und Woog waren als externe Sprecher eingeladen zum Auftakt der „Visitation“ des Evangelischen Kirchenkreises Stuttgart. Visitationen sind auf allen Ebenen der evangelischen Kirche routinemäßig
etwa alle acht Jahre vorgesehen. Im Kern geht es um die Frage: Ist
der Kirchenkreis Stuttgart mit seinen Einrichtungen gut aufgestellt für
die aktuellen Herausforderungen? „Wenn wir uns den heute gestellten Fragen stellen, hat sich die Visitation schon gelohnt“, sagte Prälat
Ulrich Mack. Der Stuttgarter Regionalbischof hat die Visitation initiiert. Von September bis November werde er ein Besuchsprogramm in
Stuttgart absolvieren, kündigte Mack an. Es gelte einerseits dem Dekanatsbezirk Degerloch, zum anderen Einrichtungen des Kirchenkreises. Die Schlussauswertung im Frühjahr 2016 sei „kein Schlusspunkt
sondern ein Doppelpunkt“, nämlich „die Ermutigung zu dem, was Jesus
uns aufgegeben hat.“ Gefragt sei angesichts vielfacher Herausforderungen „keine Jammermentalität, sondern dass wir gemeinsam schauen, was in der Kirche lebendig ist und was man fördern kann, dass es
weiterwächst.“ cs
ommer im Hospitalhof: Gönnen Sie sich einen kreativen Abend nach der Arbeit. Oder
haben Sie Urlaub und bleiben in der Stadt?
Dann nutzen Sie die Gelegenheit, etwas auszuprobieren oder anzuschauen, wofür Sie bislang keine Zeit gefunden haben. Vom 10.
bis zum 13. August finden Architektur-Spaziergänge, eine Schreibwerkstatt und eine Einführung in den orientalischen Tanz, DanseVita und Yoga der Achtsamkeit (für Anfänger und Fortgeschrittene)
statt. Weitere Informationen zu den Veranstaltungen, zu Anmeldung und Kosten finden Sie unter www.hospitalhof.de. „Stuttgart, nimm freundlich
die Flüchtlinge auf!“
D
er scheidende Stuttgarter Asylpfarrer Werner Baumgarten nutzte beim Abschiedsgottesdienst die Gelegenheit, zu
einem flüchtlingsfreundlichen Klima in der Stadt aufzurufen.
Werner Baumgarten [Foto: Markus Heffner]
Hospitalviertelfest am 23. Juli. Von 15 bis 22 Uhr ist buntes
Programm rund um den Hospitalhof. Um 17.30 Uhr findet die offizielle Einweihung des neuen Hospitalplatzes statt, mit Baubürgermeister Matthias Hahn, Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle
und Vertretern aus dem Quartier.
Summer in the City
[Foto: cs]
Sommerzeit, Orgelzeit. Zwei große Stuttgarter Kirchen laden
zu sommerlichen Orgelkonzerten ein. Bereits seit 3. Juli und
noch bis 28. August – mit Ausnahme des 24. Juli! – ist in der
Stiftskirche „Internationaler Orgel­sommer“, immer freitags um
19 Uhr. Weitere Infos unter www.stiftsmusik-stuttgart.de. Und
die Stadtkirche Bad Cannstatt lädt vom 26. Juli bis 6. September
jeweils auf 20 Uhr zu Orgelkonzerten mit internationalen Künstlern ein. Hier heißt das Thema „B-A-C-H-Vertonungen“. Infos
unter www.musik-am-13.de-
Aktuell
Mehr Überraschung, bitte!
Woog (li.) und Reisinger
&
kurz
bündig
Juli 2015 | Nr. 66
Sein Traum: „In allen 152 Stuttgarter Stadtteilen werden Flüchtlinge aufgenommen. Gastfreundschaft ist Weltkulturerbe. Und
OB Fritz Kuhn erklärt anlässlich seines 60. Geburtstages Stuttgart zur abschiebefreien Stadt.“ Wie das politische Europa mit
der Aufnahme von Flüchtlingen umgehe, sei eine Schande, so
Baumgarten. Der Landweg im Südosten Europas müsse wieder
geöffnet werden, um Flüchtlinge vor der lebensgefährlichen
Überfahrt über das Mittelmeer zu bewahren. Und die Integration
von Flüchtlingen in Stuttgart sei eine schwere, aber keineswegs
eine unlösbare Aufgabe. Hier könne die Stadtgesellschaft ihre
Zukunftsfähigkeit unter Beweis stellen. Klaus Käpplinger, Diakonie-Dekan des Evangelischen Kirchenkreises Stuttgart, lobte
Baumgartens Engagement. Lange Zeit habe der Asylpfarrer in der
Landeskirche als „Exot“ gegolten. Doch er habe sich einen guten
Ruf hart erarbeitet. Käpplinger: „Jetzt, wo die Flüchtlingszahlen
zunehmen, sind Sie ein geschätzter Experte.“ Der von über 150
Menschen besuchte Gottesdienst wurde mitgestaltet vom kurdischen Sänger Seydo Hazar und einem Team des AK Asyl. cs
m Anfang stand eine Mail: „Sehr geehrte Frau Seefeld, Sie
hatten seinerzeit den Kontakt zu syrischen Flüchtlingen
vermittelt. Ich habe eine 12-saitige Oud repariert und würde
diese gerne an interessierte Personen weitergeben die solches
sicher nicht in ihrem Fluchtgepäck dabei haben konnten.“
Das orientalische Saiteninstrument habe sie beim Fairkauf entdeckt, verrät die Schreiberin, Ute Koch. „Da ich mich hobbymäßig mit Geigenbau und Geigenreparatur beschäftige, lag es
nahe, eine Reparatur zu wagen.“ Ein Schallloch brauchte neues
Schnitzwerk und eine neue Perlmutteinfassung, und die Decke
hatte sich an einer Stelle abgelöst. Die Antwort von Andrea
Seefeld, Bildungsreferentin des Evangelischen Kreisbildungswerks Stuttgart, kam postwendend: „Sehr geehrte liebe Frau
Koch, sehr gerne vermittle ich Sie weiter an Pfarrerin Friederike
Weltzien... Sie hat zahlreiche intensive Kontakte zu syrischen
Flüchtlingsfamilien.“
Wenn sich jetzt noch jemand findet, der eine passende Tasche
für die Oud nähen kann, dann ist das Glück perfekt. Bei Redaktionsschluss war die Oud noch nicht vergeben. Eine Fortsetzung
dieser Geschichte folgt im nächsten IN (November 2015). cs
Foto einer Oud
[Foto: chibicode – Wikimedia Commons]
Benefiz fürs Kinderhospiz
E
nde Oktober startet der Umbau der Villa Wittmann beim
Eugensplatz zum Kinderhospiz. Aktuell sammelt der Förderverein Hospiz fleißig Spenden fürs künftige Kinderhospiz.
Am 8. Juli 2015 überreichte Fußballweltmeister Sami Khedira
gemeinsam mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann 90.000 Euro. Der Betrag war bei dem von
Sami Khediras Stiftung organisierten „Spiel des Jahres“ Mitte Juni auf der Waldau eingespielt worden. Kretschmann war
Schirmherr dieses Spieles.
Die nächsten Benefizaktionen sind der „Hand in Hand Spendenlauf“ am 25. Juli im Sportzentrum Leinfelden (www.handinhand-spendenlauf.de) und „Charity walk and run“ am 1. August in Stuttgart. Dieser Lauf wird von der Jugendorganisation
der Ahmadiyya Muslim Gemeinde e.V. organisiert. Infos unter
http://www.charity-walk.info/. cs
20|
Im Portrait: Anna Schüle, die neue Vorsitzende der Evangelischen Jugend Stuttgart
Mit neuen Formaten motivieren
A
nna Schüle ist die neue Vorsitzende der Evangelischen Jugend in Stuttgart (ejus). Die
27-jährige Sonderschulpädagogin aus Stuttgart-Möhringen sieht es als Zukunftsaufgabe
des kirchlichen Jugendverbandes an, Kinder und Jugendliche auch in Zeiten von immer mehr
Ganztagesschulen mit ihren Angeboten zu erreichen und zur Mitarbeit zu motivieren.
Zukünftig werden viele Angebote der ejus nicht mehr in
kirchlichen Räumen stattfinden, sondern beispielsweise
in Schulen, ist Schüle überzeugt. Traditionelle Gruppenangebote verlieren weiter an
Bedeutung. Die evangelische
Jugend werde dennoch in den
Gemeinden präsent sein – unter neuen Bedingungen. Auch
in der Kommunikation wird
die ejus neue Wege gehen.
Sie stärkt das Engagement in
sozialen Netzwerken. Dafür
steht eine eigene Stelle zur
Verfügung.
lang eine integrative Jugendgruppe. Als 19-Jährige stieg
sie in den Bezirksarbeitskreis
ein, das Leitungsgremium
des ehemaligen Filderbezirks.
Als dieses sich 2008 mit den
drei anderen evangelischen
Jugendwerken im Gebiet der
Landeshauptstadt zusammenschloss zur neuen Evangelischen Jugend Stuttgart (ejus),
wurde sie Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss
der ejus.
Schüle ist Nachfolgerin von
Thomas Sixt-Rummel. Der
45-jährige Leiter eines Seniorenzentrums und GeschäftsUm Jugendliche und junge
führer von zwei SozialstatioErwachsene zu motivieren,
nen leitete die ejus seit ihrer
hat die ejus in den vergangeGründung 2008. Zuvor war
nen Jahren neue Strukturen
er neun Jahre lang Vorsitentwickelt. Beim jährlichen
zender des Evangelischen Ju„Forum“ können Interessierte
gendwerks Stuttgart-Mitte
ihre Ideen einbringen, ohne
(ejs). Sixt-Rummel übernimmt
sich dauerhaft in Gremien zur
weiter Verantwortung in der
Mitarbeit zu verpflichten. „Ich
Anna
Schüle
[Foto:
privat]
evangelischen Kirche, unwünsche mir, dass wir mit solter anderem als Kirchengechen neuen Beteiligungsformeinderat, Kirchenkreis-Synodaler und
men an unserer Zielgruppe dran bleiben“,
Anna Schüle kam „über den klassischen stellvertretender Vorsitzender des Diasagt Anna Schüle.
Zugang“ zur Jugendarbeit. Sie nahm an koniestations-Ausschusses des EvangeliAls Vorsitzende bereitet sie die Sitzungen Kinder- und Jugendangeboten ihrer Kir- schen Kirchenkreises Stuttgart. cs
des Geschäftsführenden Ausschusses chengemeinde Stuttgart-Vaihingen teil.
der ejus vor und leitet sie. Gemeinsam Nach der Konfirmation leitete sie selbst
mit dem Geschäftsführenden Ausschuss Gruppen, Waldheim- und Jugendfreiplant und verantwortet sie den Kurs der zeiten, darunter auch mehrere Jahre
ejus, entscheidet über Personal und Finanzen. Sie leitet damit den größten Jugendverband in der Landeshauptstadt.
Impressum
Die ejus hat 48 hauptamtlich MitarHerausgeber:
Evang. Kirchenkreis Stuttgart, Pfarramt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit
Redaktionsteam:Christoph Schweizer (cs, verantwortlich), Albrecht Conrad, Monika Johna (ajo),
beitende und rund 2.800 ehrenamtlich
Laura Köhlmann, Gerd Mohr.
Engagierte. Schüle ist für drei Jahre geLektorat: Susanne Höhn
Redaktionsanschrift: Pfarramt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit, Pfarrer Christoph Schweizer,
wählt.
Augustenstr. 124, 70197 Stuttgart | Tel.: 0711 222 76 91 | Mail: [email protected]
Titelbild:
Thomas Rathay
Gestaltung und Herstellung: Evangelisches Medienhaus GmbH. Satz: cs
Auflage: 3.500
IN erscheint drei Mal im Jahr. Es wird Mitarbeitenden kostenlos über die Pfarrämter verteilt. Interessierte
wenden sich bitte an die Redaktion. Leserbriefe sind willkommen, Auswahl und Kürzung vorbehalten.