1. Sonntag nach Epiphanias, 10. Januar 2016, Ev. Christuskirche

1. Sonntag nach Epiphanias, 10. Januar 2016, Ev. Christuskirche Niesky
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes des Vaters und
die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.
Leben. Leib und Seele. Opfer und Gebet. Gnade des Glaubens und eigenes Maß
halten – unser heutiger Predigttext ist gespickt mit gewichtigen theologischen
und anthropologischen Begriffen, weit zu fassen, schwer zu fassen, reich zu
fassen, wenn uns ein Zugang gelingt. Ich habe aus dem empfohlenen
Predigttext der Predigtreihe daher nur drei Verse – die ersten Verse –
herausgegriffen und will sie der Predigt zugrunde legen.
Römer 12,1-3
1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass
ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig
ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch
Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich
das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass
niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt zu halten, sondern dass er
maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt
hat.
Schön geschmückt ist der Taufstein. Herausgeputzt jene, die sich heut um ihn
versammeln werden. Ein Mensch wird getauft: Claas Bothe. Mit der Taufe wird
nicht nur Gottes ja zu diesem kleinen Wurm verdeutlicht, Claas als Kind Gottes
proklamiert – so wie wir es im Spruch für diesen Sonntag gehört haben. Mit der
Taufe wird außerdem das Leben von Claas in Rückbindung an Christus allein
zeichenhaft vergegenwärtigt. Dass wir überhaupt taufen können, dass wir
überhaupt so taufen können, ist allein in Christus begründet. Unser Predigttext
gibt uns beim genaueren Hinsehen dazu fantastische Einblicke.
Dieser Text passt ganz gut in dieses Tagesthema der Gotteskindschaft und
zudem zu einem Taufgottesdienst.
Ich will ihn für uns in drei Punkten erschließen.
1. Mein Leben als Gebet und Gottesdienst. 2. Mein Leben in Gemeinschaft. 3.
Das Leben der eigenen Taufe.
I. Leben als Gebet und Gottesdienst
Wenn wir mit „evangelischen Ohren“ den ersten Vers des Predigttextes hören,
dann stoßen wir uns vielleicht an dem Wort „Opfer“. Paulus schreibt: Ich
ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure
Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.
Nun, wir befinden uns mit dem Römerbrief noch in einer Zeit, in der in
Jerusalem im Tempel dem Herrn Tiere geopfert wurden. Die Opfermetaphorik
war zudem in den Synagogen der Antike bekannt. Neben den Opfertieren des
Tempels wurden überall in der jüdischen Diaspora auch Psalme und Gesänge
geopfert. Sie wurden Gott dargeboten. Wenn Paulus als gebürtiger und
christusgläubiger Jude also von unseren Leibern als Opfer spricht, meint er
damit nicht jenes Opfer, wie es im Tempel vollzogen wurde.
Mit unseren „evangelischen Ohren“ hören wir die Opfergabe als ein für allemal
in Christus erfüllt. Dieser Christus hat unsere Versöhnung mit Gott erwirkt. Das
Opferlamm/das Osterlamm Christus ist geopfert worden. Wie strittig auch
heute diese Opfertheologie Christi in der gegenwärtigen theologischen
Wissenschaft gesehen wird – fest steht, dass es keines weiteren Opfers bedarf.
Christus hat es vollbracht am Kreuz ein für allemal. Mit Jesu Tod am Kreuz hat
sich das Opfer in Gebet verwandelt. So könnte Vers 1 unserer Perikope auch
lauten: Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, […] , dass ihr eure Leiber hingebt
als ein Gebet, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.
Mein Leib als ein Gebet. Wer orthodoxen Juden in ihrem Wippen zum Gebet,
wer Muslimen im Beugen auf dem Gebetsteppich oder unseren katholischen
und orthodoxen Schwestern und Brüdern kniend im Gebet zur Seite tritt, der
kann es spüren: Der Leib ist ein Gebet.
Sich leiblich im Gebet hingeben ist die Grundlage, die das eigene Leben
verändert. Mit allen Sinnen, mit allem, was ich habe, Leib und Seele, befinde
ich mich in einem Gebet.
Mein Leben ist ein Gebet. Ganze Frömmigkeiten leben von dieser Einsicht. Die
Mystik kann davon viel berichten. Sich und sein ganzen Sein im Gebet
hinzugeben zu Gott, gleich einem Opfer. Gebet: Also jenes Gegenüber zu Gott,
indem ich rede, spreche, lobe, klage, frage und hoffe und in welchem ich höre.
Ich spreche und höre – das ist das Gebet, das ist mein Leben, was ich gleich
einem Opfer Gott hingebe.
Nehmen Sie sich Zeit für ein Gebet? Wie gestalten Sie das, das Gebet? Ist es ein
Reden, ein Plappern, wie ein kleines Kind, welches aufgeregt den Eltern das
soeben Erlebte erzählen will? Oder ist es vielleicht auch ein Hören, ein Stillesein, ein Da-Sein, ein Ruhen und Harren auf Gottes Gegenwart?
Und dann stolperte ich über diesen Satz des Apostels: Das sei Euer vernünftiger
Gottesdienst. Hier wird doch Paulus kaum den Gegensatz zwischen vernünftigrational und gefühlsbetont-irrational aufmachen, den wir in der Moderne oder
Postmoderne so oft dargestellt bekommen haben?
Was meint Paulus mit einem vernünftigen Gottesdienst. Ein Blick in das
Griechische kann helfen: την λογικην λατρείαν ὑμῶν. Hier wird das Wort
λογικην verwendet, welches im Zusammenhang mit λόγος (Wort, Vernunft)
steht. Luther übersetzte „vernünftig“. Andere Bibelübersetzungen verschieben
meines Erachtens das Profil, wenn sie schreiben: Das sei Euer „wahrer“
Gottesdient. Wir werden zurückgebunden mit unserem Dienst Gott gegenüber
an seinen Logos, an sein in Jesus Christus Fleisch gewordenes Wort.
Ich wage die Übersetzung: Das sei Euer an den Logos/das Wort Gottes/den
Sohn Gottes rückgebundener Gottesdienst.
Zoomen wir weiter raus aus dieser Szenerie, dann können wir Paulus in den
Mund legen: Euer Leben sei ein an den göttlichen Logos zurückgebundener
Gottesdienst. Das Leben sei ein Gottesdienst in Christus. Und Paulus schreibt
gleich dazu, wodurch das charakterisiert sein soll: Es soll heilig sein, lebendig,
Gott wohlgefällig.
2. Leben in Gemeinschaft
Vers 2 fordert uns auf, dass wir uns der Welt nicht gleich stellen sollen. Schnell
ließe sich hier an das typische Vorurteil denken, was gegenüber Christen häufig
ausgesprochen wird. Christen wären Menschen, die in Weltflucht sich jeder
Anpassung widersetzen würden. Eingekehrt, einfältig, eigenartig. Doch, was
Paulus meint ist eben keine Flucht vor der Welt, ihren Katastrophen und
Herausforderungen. Das Gute, das Wohlgefällige, das Vollkommene – danach
sehnen wir uns. Da kann es nicht spurlos an mir vorbei gehen, wenn nebenan
im Haus ein Mensch leidet und mit seiner Krankheit alleingelassen wird. Da
kann es nicht spurlos an mir vorbeigehen, dass Menschen auf unserem
Planeten von Geburt an keine Chancen auf Bildung, Entwicklung, Wohlstand
haben, weil sie schlichtweg im falschen Land geboren wurden.
Wozu Paulus ermutigt ist keine Weltflucht, sondern das Ändern unserer Sinne
als Anfang eines Änderns meines Lebens.
Unser Predigttext ist eine Scharnierstelle des gesamten Römerbriefes. Mit
einem kleinen „nun“ in Vers 1 bindet Paulus den neuen Gedankengang an das
Vorangegangene im Brief an. In den Kapiteln 1-11 legte er das barmherzige
Handelns Gottes an uns dar (zuerst in der Taufe [6.], dann die Rechtfertigung
[7.], dann die Erwählung Israels und der Heiden [9f.])
In den Kapiteln 12f. geht es nun um das barmherzige und Gott gemäße Tun und
Handeln des Menschen. Unser Predigttext ist hier also der Wendepunkt von
Gottes barmherzigen Handeln hin zu unserem barmherzigen Handeln. Daher
formulieren die Verse 1 und 2 das Leitmotiv der weiteren Gedanken.
Mit Vers 3 dann, wird die innere Erneuerung, der Sinneswandel ganz konkret.
Der persönliche Glaube muss sich in der Gemeinschaft bewähren. Nichts ist
erschreckender, wenn Menschen sich als Christen bezeichnen, eine eigene
Gottesbeziehung leben, aber dies auf das Leben in Gemeinschaft keine
Auswirkungen zu haben scheint. Dann sind wir schnell bei der Frage der
Glaubwürdigkeit.
Vers 3 nun wird konkret: Wie ist mein Leben in Gemeinschaft. Paulus ruft auf
Maß zu halten. Er nutzt den alten griechischen Tugendbegriff der Sophrosyne.
Nicht mehr von sich halten, als sich es gebührt, sich selbst zurücknehmen, das
ist in der heutigen Leistungsgesellschaft leichter gesagt als getan. Wer sich zu
sehr zurücknimmt, gilt als schwach. Wer in Konferenzen nicht einen gewissen
quantitativen Redeanteil belegt, war gar nicht dabei.
Paulus sagt gerade in Anbetracht dieser Welt: Finde das rechte Maß im eigenen
Handeln im Alltag im Verhältnis zu deinem Nächsten. Wo gibst Du vielleicht
Deinen Senf dazu, wo es unnütz ist? Wo übst Du Kritik, wo Du lieber besonnen
hättest abwarten sollen?
In den darauffolgenden Versen macht Paulus deutlich, wie dieses Maß –
verbunden auch mit dem Ideal der Demut, aber auch der Leib-Christi-Lehre –
im Zusammenleben der Gemeinde von großer Bedeutung ist: Ein Leib – viele
Glieder, mit unterschiedlichen Begabungen und Talenten.
Ein Leben als Gottesdienst konkretisiert sich also im maßvollen Umgehen mit
meinen Nächsten.
3. Leben der eigenen Taufe
Wenn Paulus in Vers 2 zu einer Veränderung aufruft, dann hilft uns wieder das
griechische Wort des Textes weiter: metamorphein steht dort. Hier steht kein
nun ändere Dich doch mal! Nein, es ist die Rede von einer „Metamorphose“.
Und hier kommt Claas Bothe wieder ins Spiel. Eine Metamorphose ist eine
Verwandlung, die zwischen aktiven Tun und passiven Erleben schwebt. Etwas
Inwendiges bricht sich den Weg nach draußen. Etwas, dass in der Taufe bereits
besiegelt ist, wird Wirklichkeit.
Der liturgische Rahmen dieses Sonntags bindet die Ermutigung des Paulus in
die Gotteskindschaft mit ein. Und mitten dazwischen stehen Du und ich und
Claas Bothe als angenommene Kinder Gottes, vielleicht noch versponnen und
verkrochen in einem scheinbar sicheren Kokon der alten Welt, aber längst in
einer Metamorphose verwandelt, vom Geist Gottes getrieben und ermutigt,
dann doch endlich die eigene Taufe zu leben.
Eine Taufe, die dich lebendig macht, nicht matt und müde. Eine Taufe, die dich
heilig macht – Dein Leben in die Gegenwart Gottes rückt. Eine Taufe, die Gott
wohlgefällig ist und Dein Leben nicht in Ungerechtigkeit und Maßlosigkeit
versinken lassen will.
Lebe also Deine Taufe! Lebe Dein Leben als ein Gebet, als einen Gottesdienst in
Gemeinschaft. Lebe Dein Leben, wie es Dir in der Taufe geschenkt wurde.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als all unsere menschliche Vernunft,
der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.