Natürliche Bindemittel als Alternative für Latex

STÄRKE
Natürliche Bindemittel als Alternative für Latex
Natürliche Binder werden heute als Hauptbindemittel
für Vorstrich- und Einschichtfarben verwendet. Die
Papier- und Kartonindustrie hat mit großem Aufwand
an dieser Veränderung gearbeitet. Obwohl die Eigen­
schaften von Latices und natürlichen Polymeren sehr
unterschiedlich sind, ersetzen natürliche Polymere den
Latex in immer neuen Anwendungen, beispielsweise in
Formulierungen für den Deckstrich oder Karton­
beschichtungen.
Anstelle von Latex für den Deckstrich
In der Karton- und Papierbranche hat sich die Konzeption von Binde­
mitteln in den letzten Jahren verändert. War früher synthetischer Latex
das wichtigste und häufig einzig eingesetzte Bindemittel – natürliche
Bindemittel fanden, wenn überhaupt, nur als Co-Bindemittel Anwen­
dung – so hat das Aufkommen der natürlichen Bindemittel, hauptsäch­
lich stärkebasierter Polymere, die Verhältnisse völlig umgekehrt.
Roquette hat mit seiner STABILYS®-Produktreihe zu dieser Entwicklung
beigetragen. Da die Produktentwicklung sich auch bei dieser Reihe stets
an neuen Anwendungsmöglichkeiten und Innovationen orientiert hat,
sind STABILYS®-Produkte heute in zahlreichen Anwendungen zur Ober­
flächenbehandlung bzw. als Latex-Ersatz zu finden.
Wenn Papier oder Karton zwei oder mehr Beschichtungen aufweist,
gestaltet sich die Entwicklung der Oberflächenfestigkeit komplexer als
bei einfach gestrichenen Sorten. Verwendet man einen natürlichen Bin­
der wie Stärke als Hauptbindemittel im Vorstrich und 100 % syntheti­
schen Latex für den Deckstrich, so wird die Verträglichkeit von Vor- und
Deckstrich kritisch.
Tab. 1 zeigt, dass die Hydrophilie einer Beschichtung in dem Maße zu­
nimmt, wie Latex durch Stärke ersetzt wird. Die Streichfarbe besteht aus
100 Teilen CaCO3, der Bindemittelanteil ist in der Tabelle angegeben. Das
mittelschwere holzhaltige Rohpapier wurde auf einem Pilot-Coater ge­
strichen.
Tab. 1: Die Hydrophilie einer Beschichtung nimmt zu
Die letzten verbliebenen Latex-Anteile sind am schwierigsten zu erset­
zen. Ein Grund dafür ist die schnelle Zunahme der Hydrophilie. Die che­
mische Verträglichkeit lässt sich verbessern, indem Stärke zum Deckstrich
hinzufügt wird. So werden die Unterschiede zwischen den Beschichtun­
gen ausgeglichen. Es konnte gezeigt werden, dass bei Verwendung von
Stärke im Deckstrich die Oberflächenfestigkeit zunimmt, wenn der
Hauptbinder im Vorstrich natürlichen Ursprungs ist.
Autor: Timo Pajari – STABILYS®-Marktentwicklung, Roquette GmbH, Kontakt: Gunter Nink,
[email protected],
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Wochenblatt für Papierfabrikation 6/2012
Abb. 1: IGT-Werte (trocken) – Wirkung von Stärke im Deckstrich
Abb. 1 zeigt ein Beispiel: Hier enthält der Referenz-Vorstrich 100 Teile
gemahlenes Calciumcarbonat (GCC), 6,5 Teile Styrol-Butadien- (SB-) La­
tex und 6,5 Teile STABILYS® A 025. Der Referenz-Deckstrich enthält 100
Teile GCC, und der Hauptbinder ist SB-Latex mit 10,5 Teilen. In den
Versuchen wurden der Anteil der Stärke im Vorstrich auf 12 Teile erhöht
und 3 Teile Latex verwendet. Für den Deckstrich (TC: top-coat) wurden 2
Teile des SB-Latex durch Stärke ersetzt.
Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass ein Ersatz von Latex auch für
den Deckstrich in Betracht gezogen werden sollte, wenn die VorstrichFormulierung optimiert wurde. Dies gilt besonders für matte und seiden­
matte Offsetqualitäten, bei denen ein verminderter Latexanteil natürlich
die Glanzentwicklung begrenzt. Andererseits verbessert sich der Druck­
glanz, und die übrigen Druckeigenschaften bleiben gleich.
STABILYS® für gestrichene Kartons
Ein neuerer Trend bei Beschichtungen ist der Einsatz von stärkebasierten
Bindemitteln für den Kartonvorstrich. Dies hat eine Reihe von deutlichen
Vorteilen, wobei die positiven Auswirkungen auf die Bindemittel-Kosten
die wichtigsten sind. Da stärkebasierte Binder darüberhinaus tendenziell
die Viskosität der Streichfarbe erhöhen, wird es möglich, den Anteil an
Rheologie-Additiven wie Carboxymethylcellulose (CMC) und Polyvinyl­
alkohol (PVOH) zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten.
Wird der Karton vor dem Streichen oberflächengeleimt, so besteht
eine praktische Lösung darin, für Oberflächenleimung und Beschich­
tung das gleiche Produkt zu verwenden. Bei entsprechender Kapazität
des Systems zur Stärkevorbereitung kann auf diese Weise der Latex
ersetzt werden, ohne in einen neuen Kocher investieren zu müssen.
Die Auswahl der Stärke ist dann ganz einfach: Es sollte STABILYS® oder
ein ähnliches nichtionisches Produkt sein, da kationische Stärken sich
nicht zum Streichen eignen, besonders wenn Kaolin-Clay-Pigment
verwendet wird. Dies ist ein modernes Binderkonzept für gestriche­
nen Karton.
Ein Vorteil von STABILYS® ist die im Vergleich zu oxydierten Stärken
geringere CSB-Emission. (Abb. 2)
Die zunehmende Verwendung von Streichstärken bei der Kartonbe­
schichtung ist unmittelbar einleuchtend, da durch die Oberflächenlei­
mung eine größere Steifigkeit des Kartons erreicht werden soll. So lassen
sich niedrigere Grammaturen mit der gleichen Steifigkeit herstellen.
STÄRKE
Abb. 2: CSB von STABILYS® und oxydierter Stärke bei Anwendung in der Ober­
flächenleimung
Die Verwendung von Streichstärke ist eine Erweiterung dieser Über­
legung. Ganz offensichtlich ist das Potenzial von STABILYS® für die Ober­
flächenleimung nicht auf Kartons beschränkt, sondern auch bei vielen
unterschiedlichen Papiersorten nutzbar.
Verbesserung des Trockensubstanzgehalts von
Streichfarben
Ein natürliches Streichbindemittel, das den Trockensubstanzgehalt von
Streichfarben verbessern soll, klingt als Konzept zunächst etwas un­
gewöhnlich. Normalerweise ist es so, dass bei den im Kocher hergestell­
ten herkömmlichen Produkten der Trockensubstanzgehalt von Streich­
farben in zweifacher Hinsicht begrenzt wird. Zum einen ist es mit den
herkömmlichen Kochverfahren schwierig, den gleichen Feststoffanteil
wie synthetischer Latex zu erreichen (50 %). Der andere Grund ist der
Einfluss der natürlichen Bindemittel auf die Viskosität der Streichfarbe,
besonders bei hoher Scherwirkung. Diese beiden Hindernisse gilt es zu
überwinden, wenn ein höherer Anteil an Feststoff in der Streichfarbe
erreicht werden soll.
Das erste Problem lässt sich auf zwei Arten lösen: Einmal durch den
Einsatz von kaltlöslichen Stärken, die der Streichfarbe in Pulverform zu­
gefügt werden, oder aber durch die Verwendung eines modernen Ko­
chers, der Binderlösungen mit einem Endgehalt von bis zu 50 % Feststoff
herstellen kann. Roquette verfügt über die Produkte und Technologien
für beide Wege.
Zur Lösung des zweiten Problems – hohe Viskosität der Streichfarbe –
muss die Einwirkung des Bindemittels auf die Viskosität bei hohen
Scherraten begrenzt werden. STABILYS® A 053 und STABILYS® A 046
sind Produkte, die sich nur in geringem Maße auf den Rakel- oder
Blade-Druck auswirken und es so ermöglichen, den Trocken­
substanzgehalt der Streichfarbe zu erhöhen. Beide Produkte sind in
kaltem Wasser löslich und können direkt in die Streichfarbe einge­
tragen werden.
Abb. 3: Beispiel für die Wirkung von natürlichen Bindemitteln auf die High-ShearViskosität von Streichfarben
Abb. 3 zeigt das Potenzial zur Erhöhung des Trockensubstanzgehalts der
Streichfarbe durch Veränderung des verwendeten Stärketyps. Die
Streichfarben enthalten jeweils 60 Teile GCC, 40 Teile Clay, 6 Teile Stärke
und 7 Teile SB-Latex. Die Referenz-Stärke ist hier STABILYS® A 025.
Hält man alle übrigen Parameter gleich und verändert nur die Sorte der
verwendeten Binderstärke, so nimmt die High-Shear-Viskosität ab. Dies
ist einer der notwendigen Parameter, wenn der Trockensubstanzgehalt
der Streichfarbe erhöht werden soll.
Normalerweise werden herkömmliche gekochte Binderstärken wegen
ihrer höheren Bindekraft bevorzugt, unter rheologischen Gesichtspunk­
ten jedoch liefern STABILYS® A 046 und STABILYS® A 053 einen realisti­
schen Ansatz zur Erhöhung des Feststoffgehalts von Beschichtungen.
Zusammenfassung
STABILYS® A ist eine vielseitig einsetzbare Produktreihe von natürlichen
Bindemitteln zur Anwendung in der Papier- und Kartonherstellung. Für
den Vorstrich finden natürliche Binder bereits als Hauptbindemittel Ver­
wendung. Durch den Einsatz von Stärke in Rezepturen für den Deckstrich
lassen sich nicht nur die Gesamtkosten reduzieren, sondern darüber­
hinaus Qualitätsvorteile in Bezug auf die Oberflächenfestigkeit erzielen.
In Rezepturen für Vor- und Zwischenstriche bieten natürliche Bindemittel
ein Potenzial zur Optimierung des Bindersystems.
Eine äußerst praktische Lösung ist die Verwendung eines vorhandenen
Systems zur Stärkeaufbereitung für die Oberflächenleimung. STABILYS®
A ist besser für die Kartonherstellung geeignet als oxydierte Stärken, da
es nichtionisch ist und sich weniger auf den CSB auswirkt.
Zwischen der Bindekraft und den High-Shear-Fließeigenschaften von
natürlichen Bindemitteln ist je nach vorgesehener Endanwendung ein
Kompromiss zu finden. Wenn die High-Shear-Viskosität einer Streichfar­
be von entscheidender Bedeutung ist, können Rheologie und Feststoff­
gehalt durch die Verwendung von Bindern wie STABILYS® A 053 und
STABILYS® A 046 optimiert werden.
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