Funktionen von Zufallsvariablen

stoch_09.nb
1
Grundlagen der Stochastik
Das vorliegende Skript wurde im Original mit dem Programmsystem MATHEMATICA ® von WOLFRAM-Research [http://www.wolfram.com]
geschrieben und erstmals auf den Webseiten der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden (University of Applied Sciences)
[http://www.htw-dresden.de] veröffentlicht. Die Schrift trägt den Charakter eines Arbeitskonzepts, so dass ich für Hinweise und Anregungen
aller Art, einschließlich zu Rechtschreibung, Grammatik und Druckbild sehr dankbar bin.
Mit meinem Beitrag erhebe ich keinen Anspruch auf irgendeine Vollständigkeit bzw. Allgemeingültigkeit. Ich möchte einzig und allein an
exemplarischen Problemstellungen der Baumechanik logisch einfache mathematisch-physikalische Lösungsmethoden zur Diskussion stellen.
Mirko Slavik, Dresden
9 Funktionen von Zufallsvariablen
9.1 Das Vorliegen einer eindeutigen funktionellen Zuordnung Y = g(X) ermöglicht es uns, die Verteilungsfunktion der Zufallsvariablen Y aus der Verteilungsfunktion der Zufallsgrößen X zu ermitteln.
Hierbei muss die Funktion g(X) selbst nicht notwendig stetig sein [11].
Anmerkung: Um keine Verwechselungen mit der Dichtefunktion f(x) aufkommen zu lassen, verwenden
wir für eine funktionelle Zuordnung die Schreibweise g(X).
9.2
Es wird eine Transformation der stetig differenzierbaren Funktion Y = g(X) vorgenommen. Im
Intervall [ x1 , x2 [ gelten die Beziehungen ∑x gHxL T 0 und y1 = g( x1 ) bzw. y2 = g( x2 ). Mit der zu Y =
g(X) gehörenden Umkehrfunktion X = h(Y) erhält man, wenn die Funktion g(X) eindeutig und ihre
Ableitung im Intervall [ y1 , y2 [ endlich und stetig ist, gemäß der Variablensubstitution in uneigentlichen
Integralen [12] die Beziehungen
P ( x1 < X b x2 ) = Ÿxx2 fX HxL „ x P Ÿ yy2 fX HhHyLL À ∑y hHyL À „ y = P ( y1 < Y b y2 ) für ∑y hHyL > 0
1
1
P Ÿ yy1 fX HhHyLL À ∑y hHyL À „ y = P ( y2 < Y b y1 ) für ∑y hHyL < 0 .
2
9.3 Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Zufallsvariablen Y = g(X) lautet folglich fY (y) ª fX HhHyLL … ∑y hHyL … .
9.4 Als Beispiel betrachten wir die lineare Funktion Y = m X + b. Für deren Umkehrfunktion nebst
Ableitung schreiben wir
h(y) =
y- b
m
bzw. ∑y hHyL =
1
m
, womit für die Verteilungsdichte fY (y) ª fX (
y- b
m
)À
1
m
À
folgt.
9.5 Wir testen die Richtigkeit der obigen Ableitung an einem Beispiel. Die Zufallsgröße X sei normalverteilt. Es wird untersucht, ob die Integrationen über die beiden Verteilungsdichten identisch Eins werden.
Zusätzlich werden die zugehörigen Mittelwerte, Standardabweichungen und Varianzen verifiziert bzw.
neu berechnet.
ewx = 1.234; sx = 2.345; m = 3.456; b = −2.345;
1
fx@xD =
sx
−
2π
J
x−ewx 2
N
sx
2
;
fy@yD = AbsB
1
m
2
y−b
−ewx
m
sx
F
1
sx
−
2π
2
;
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2
Test auf positiv Eins des fx−Dichteintegrals :
1.,
... des fy−Dichteintegrals :
1.
Mittelwert
ewx = 1.234
Standardabweichung
sx = 2.345
Varianz
sx2 = 5.49902
Mittelwert
ewy = 1.9197
Standardabweichung
sy = 8.10432
Varianz
sy2 = 65.68
9.6
Haben wir ein System von Funktionen vorliegen, für das vekY = vekg(vekX) gilt, dann werden
mehrdimensionale Transformationsbeziehungen benötigt. Die Funktion vekg sei wieder eindeutig
bestimmt und umkehrbar (vgl. Absatz 9.2), sodass man vekX = vekh(vekY) bilden kann. Für den
zweidimensionalen Fall erhält man folgende Beziehungen:
vekY = { Y1 , Y2 } = { g1 HX1 , X2 L, g2 HX1 , X2 L }
also
Y1 = g1 HX1 , X2 L und Y2 = g2 HX1 , X2 L
also
X1 = h1 HY1 , Y2 L und X2 = h2 HY1 , Y2 L .
mit den Umkehrfunktionen
vekX = { X1 , X2 } = { h1 HY1 , Y2 L, h2 HY1 , Y2 L }
9.7 Die weitere Lösungsstrategie erfolgt in Anlehnung an die bekannte Variablentransformation in
Flächenintegralen (vgl. u. a . [13]):
Ÿ x Ÿ x fX Hx1 , x2 L „ x1 „ x2 ª Ÿ y Ÿ y fX Hx1 Hy1 , y2 L, x2 Hy1 , y2 LL À JHy1 , y2 L À „ y1 „ y2
2
1
2
1
mit der nach Carl Gustav Jacob JACOBI(1804 - 1851)) benannten JACOBIdeterminante (Funktionaldeterminante)
∑y1 x1 ∑y1 x2
» J(y1 ,y2 ) » = Det[ matJ ] , wobei matJ =
.
∑y2 x1 ∑y2 x2
9.8 In Auswertung von Absatz 9.7 lautet die zweidimensionale Dichte der Vektorfunktion vekY (vgl.
hierzu Absatz 9.3):
fY1 ,Y2 (y1 , y2 ) = fX1 ,X2 (x1 , x2 ) † J2 »
bzw. im allgemeiner Form für den n-dimensionalen Fall
fvekY (vekY) = fvekX (vekh(vekX) » Jn » .
9.9 In den bisherigen Überlegungen waren die Dimensionen von vekY und vekX gleich. Wir betrachten jetzt den Fall, dass die Dimension von vekY kleiner ist als die von vekX. Als erstes Beispiel diene
uns die Gleichung Y = X1 + X2 . Um die obigen Ansätze zu nutzen, schreibt man:
Y1 = Y = X1 + X2 und Y2 = X2 = Y - X1 . Dann folgt
X1 = h1 HY1 , Y2 L = Y1 - X2 = Y1 - Y2 bzw. X2 = h2 HY1 , Y2 L = Y2 also
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3
x1 = y1 − y2; x2 = y2; :matJ =
∂y1 x1
∂y1 x2
∂y2 x1
∂y2 x2
, Det@matJD>
8881, 0<, 8−1, 1<<, 1<
Da » J2 » = 1, folgt fY1 ,Y2 (y1 , y2 ) = fX1 ,X2 (x1 , x2 ) » J2 » P fY,Y - X1 (y , y - x1 ) = fX1 ,X2 (y - x2 , x2 ) .
¶
¶
fY,Y - X1 Hy, y - x1 L „ x2 = Ÿ-¶
fX1 ,X2 Hy - x2 , x2 L „ x2 erhält man
Mit Ÿ-¶
¶
fx1 ,x2 Hy - x2 , x2 L „ x2 (siehe Absatz 8.24)
die Randdichte f y = Ÿ-¶
und schließlich die Verteilungsfunktion für die Zufallsvariable Y
¶
y
FY = Ÿ-¶
Ÿ-¶ fX1 ,X2 Hy - x2 , x2 L „ x2 „ y .
Wenn X1 und X2 stochastisch unabhängig sind, gilt
y
¶
y
¶
FY = Ÿ-¶
Ÿ-¶ fX1 Hy - x2 L fX2 Hx2 L „ x2 „ y = Ÿ-¶ Ÿ-¶ fX1 Hx1 L fX2 Hy - x1 L „ x1 „ y .
¶
Anmerkung zum Term " fY = Ÿ-¶
fY,Y-X1 Hy, y - x1 L „ x2 ":
Mit der Beziehung (8.32) für die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte kann auch geschrieben werden
¶
¶
Ÿ-¶ fY,Y-X1 Hy, y - x1 L „ x2 = Ÿ-¶ fY, X2 Hy, x2 L „ x2 P
¶
¶
Ÿ-¶ fX2 ,Y Hx2 \ yL fY HyL „ x2 = fY HyL Ÿ-¶ fX2 ,Y Hx2 \ yL „ x2 = fy HyL .
9.10
Die Integrale
¶
Ÿ-¶ fX1 Hx1 L fX2 Hy - x1 L „ x1 bzw.
¶
Ÿ-¶ fX1 Hy - x2 L fX2 Hx2 L „ x2
stellen übrigens Fal-
tungsintegrale dar, die in der linearen Systemanalyse eine wichtige Rolle spielen. Man vergleiche hierzu
z. B. ihre Anwendung in [14, Abschnitt 10].
9.11 Gesucht werden die Wahrscheinlichkeitsdichte sowie die Verteilung für die Summe Y = X1 + X2 ,
wenn die beiden Zufallsgrößen X1 und X2 in standardisierter Form normalverteilt sind. Es folgt:
1
fx1 =
2π
−
y2
4
fy
2
π
−
x12
2
; fx2 =
1
2π
−
x22
2
; fy == ‡
∞
1
fx1
−∞
2π
−
Hy−x1L2
2
x1
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4
:Fy == ‡
:Fy
1
2
−
y
u2
4
−∞ 2
u, Fy_Beispiel == ‡
π
K1 + ErfB
y
2
u2
4
−∞ 2
FO, Fy_Beispiel
y
−
u ê. y → 0 êê N>
π
0.5>
9.12 In [3] ist eine anschauliche Anwendung aus dem Gebiet der Hydraulik angeführt. An der Schwachstelle eines Flussdeiches sei ein ausreichender Widerstand nur bis zu einem Volumenstrom (Durchfluss)
von Q = 1500 m³/s sichergestellt. Unmittelbar vor diesem kritischen Querschnitt liegt der Zusammenfluss zweier Teilströme. Die statistischen Daten ihrer beiden Pegelstände belegen deren stochastische
Unabhängigkeit. Die Jahresextrema ihrer Durchflüsse sind exponentiell verteilt und ihre Erwartungswerte betragen ewx1 P l1 -1 = 550
und ewx2 P l2 -1 = 220
m³
s
m³
s
.
9.13 Gesucht ist die Versagenswahrscheinlichkeit Pf (Y = X1 + X2 > 1500) P 1 - FY (Y = X1 + X2 < 1500)
des Deiches (vgl. hierzu auch [ 8, Abschnitt 4 ]). Der Lösungsalgorithmus ist mit den obigen Überlegungen recht einfach nachvollziehbar, sodass wir uns weitgehend auf den mathematischen Formalismus
beschränken. Einzig die Integration bereitet einige Schwierigkeiten.
λ1 = 0.00181818; λ2 = 0.00454545;
−λ1 x1 ;
fx1 = λ1
:ewx1 == ‡
8ewx1
10 000
0
fx2 = λ2
x1 fx1 x1, ewx2 == ‡
550., ewx2
ClearAll@λ1, λ2D
fy == ‡ Iλ1
∞
−λ2 x2 ;
−λ1 x1
λ2
10 000
x2 fx2 x2>
0
220.<
−λ2 Hy−x1L M
x1
0
−y λ2
fy
λ1 λ2 IfBRe@λ2D < Re@λ1D,
IntegrateA
−x1 λ1+x1 λ2−y λ2 ,
λ1 − λ2
,
8x1, 0, ∞<, Assumptions → Re@−λ1 + λ2D ≥ 0EF
λ1 = 0.00181818; λ2 = 0.00454545;
Pf
1 − ‡
Pf
1500
λ1 λ2 IntegrateA
0
0.108267
−x1 λ1+x1 λ2−y λ2 ,
8x1, 0, y<, Assumptions → Re@λ2D ≥ Re@λ1DE y
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5
9.14 Die Versagenswahrscheinlichkeit beträgt Pf > 11% oder anders ausgedrückt, der Deich versagt
im Mittel aller 9,24 Jahre. Um beim letzten, inneren Integral in (9.13) die Richtigkeit der Wahl der
oberen Integrationsgrenze von y statt + ¶ besser zu verstehen, berechnen wir die Versagenswahrscheinlichkeit Pf mit der in [8, Abschnitt 4.3 ] dargestellten strengen Methode der Zuverlässigkeitstheorie. Die Grenzzustandsgleichung g(vekX) hat im vorliegenden Fall die Form
g HvekxL
1500 − H x2 + x1 L
0
9.15 Zwecks Veranschaulichung wird zur 3D-Darstellung der zweidimensionalen Verteilungsdichte
fX1 , X2 Hy - x2 , x2 L = fX1 Hx1 L fX2 Hy - x1 L = fX1 Hx1 L fX2 Hx2 L zusätzlich der ContourPlot einschließlich der
Grenzzustandsgleichung (dicke schwarze Linie) ausgewiesen.
λ1 = 0.00181818; λ2 = 0.00454545;
fx1 = λ1
−λ1 x1 ;
fx2 = λ2
−λ2 x2 ;
oben = 1550;
ggerade = Show@
Graphics@8AbsoluteThickness@2D, Line@Table@850 i , H1500 − 50 iL <, 8i, 0, 30<DD<DD;
blick = 8−1.05, −1.95, .65<;
Plot3DAfx1 fx2, 8x1, 0, oben<, 8x2, 0, oben<, PlotRange → All, AxesLabel →
9"X1 @m³êsD", " X2 @m³êsD", "
Mesh → False, ColorFunction → "CMYKColors", PlotPoints → 100,
PlotLabel −> " ", ViewPoint → blickE
fX1 , X2 "=,
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6
contour =
ContourPlot@fx1 fx2, 8x1, 0, oben<, 8x2, 0, oben<, PlotPoints → 100, PlotRange → All,
ContourShading → True, Contours → 150, ColorFunction → "CMYKColors",
Frame → True, Axes → True, GridLines → None, LabelStyle → Black,
FrameLabel → 8Text@Style@"X1 @m³êsD", Black, FontFamily → "Arial", Bold, 8DD, None,
None, Text@Style@ "X2 @m³êsD", Black, FontFamily → "Arial", Bold, 8DD<,
PlotLabel → Text@Style@" Zweidimensionale Verteilungsdichte ",
Black, FontFamily → "Arial", Italic, Bold, 10DDD;
Show@8contour, ggerade<D
9.16 Von entscheidender Bedeutung für das Überlebens- bzw. Versagensintegral sind nun die Integrationsgrenzen, die man aus dem obigen ContourPlot ablesen kann. Rechts von der Grenzzustandsgleichung g(vekX) ist der Versagensbereich Y > 1500 m³/s , also g(vekX) < 0 . Links folglich der Überlebensbereich Y b 1500 m³/s , also g(vekX) r 0.
Pr
‡‡
fx1 Hx1 L fx2 Hx2 L dx1 dx2
8vekx » g HvekxL r 0<
Pf
‡‡
fx1 Hx1 L fx2 Hx2 L dx1 dx2
8vekx » g HvekxL < 0<
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λ1 = 0.00181818; λ2 = 0.00454545;
−λ1 x1 ;
fx1 = λ1
fx2 = λ2
−λ2 x2 ;
PrintB"Test der zweidimensionalen
:Pr
‡
1500
0
‡
1500−x1
fx1 fx2
x2 x1, Pf
0
Test der zweidimensionalen
8Pr
Dichte auf Eins :
0.891733, Pf
1− ‡
Dichte auf Eins :
1500
0
‡
", ‡
105
0
‡
105
fx1 fx2
x1 x2F
0
1500−x2
fx1 fx2
x1 x2>
0
1.
0.108267<
à Versteckte Zelle zur Problematik der Integrationsgrenzen.
9.17 Ein weiteres wichtiges Problem stellt die Untersuchung des Produktes zweier Zufallsgrößen, also
Y = X1 · X2 , dar. Der Lösungsalgorithmus lautet
Y1 = Y = X1 X2 und Y2 = X2 =
Y
X1
dann folgt für
X1 = h1 HY1 , Y2 L =
x1 =
y1
y2
:::
1
y2
Y1
Y2
und X2 = h2 HY1 , Y2 L = Y2
; x2 = y2; :matJ =
, 0>, :−
y1
∂y1 x1
∂y1 x2
∂y2 x1
∂y2 x2
1
, 1>>,
y22
y2
>
und schließlich
¶
fY = Ÿ-¶
1
x2
fX1 , X2
y
x2
, x2 „ x2 .
also
, Det@matJD>