Winzige Sensoren geben neue Einblicke CHEMIE Messverfahren aus Regensburg machen Unsichtbares sichtbar: sei es der pH-Wert einer Wunde oder die Sauerstoffkonzentration einer Zelle. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON ANTJE KARBE, MZ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● REGENSBURG. Wer forschen will, muss messen. Ob Mengen, Geschwindigkeiten oder Stoffkonzentrationen, die Wissenschaft ist stetig dabei, ihre Messverfahren zu verfeinern. Und immer öfter macht sie dabei Dinge sichtbar, die wir noch nie gesehen haben. So haben Wissenschaftler der Universität Regensburg kürzlich gleich zwei Durchbrüche erzielt: Zum einen können sie mit einer neuen Methode erstmals den pH-Wert einer Wunde bestimmen. Zum anderen haben sie ein Verfahren entwickelt, dass den Sauerstoff in einer einzelnen Zelle misst. Der neue Sensor aus Regensburg zeigt die Wundheilung: In der frischen Wunde ist der pH-Wert der Haut am Foto: Universität Regensburg höchsten (links), nach sechs (Mitte) bzw. 14 Tagen (rechts) nimmt er stetig ab. Weltweit erstmals gelungen Wozu man das braucht? Zumindest der pH-Wert der Haut beschäftigt die medizinische Forschung schon seit einem Jahrhundert. Er gibt an, wie „sauer“ etwas ist. Zerstört eine Wunde den Säureschutzmantel der Haut, verändert er sich an dieser Stelle. Und spielt im hochsensiblen Heilungsprozess eine wichtige Rolle: „Bestimmte Botenstoffe und Enzyme werden nur aktiv, wenn der Säuregrad stimmt“, sagt Dr. Philipp Babilas, Dermatologe am Uniklinikum Regensburg. Für die Ärzte lässt sich aus dem pH-Wert Wichtiges schließen: Wie verläuft die Wundheilung und wo gibt es Probleme? Mit dem neuen Verfahren, das Babilas zusammen mit Chemikern der Universität Regensburg entwickelt hat, soll es möglich werden, dies im Detail zu verfolgen. Schon jetzt ist es den Forschern erstmals weltweit gelungen, den pHWert der Haut großflächig und direkt am Patienten zu messen. Bisher war dies nur punktuell möglich, und somit sehr viel ungenauer. Auch konnten die bekannten Verfahren nicht am Menschen angewendet werden: zum Beispiel die Messung mit einer Sonde, wie sie die Lebensmittelindustrie für Fleisch benutzt. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Jubiläumsjahr: Vor 100 Jahren wurde der „Internationale Verband der chemischen Gesellschaften (IACS)“ gegründet. Für 2011 hat die UNESCO das „Internationale Jahr der Chemie“ ausgerufen. Es soll an die Errungenschaf● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Anders der Regensburger Sensor, den Prof. Otto Wolfbeis und Robert J. Meier vom „Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik“ hergestellt haben. Wie ein transparenter Film lässt er sich auf die Wunde auftragen. „Jedes Sensormolekül ist eine eigene Messeinheit“, sagt Babilas. Zudem enthält er Farbstoffe: Unter einer Leuchtdiode fluoreszieren diese und ergeben ein Bild, ähnlich wie bei einer Wärmebildkamera, gelb-rot bei einem hohen pH-Wert, blau-grün bei niedrigen Werten. Kügelchen, die in Zellen passen Nach dem gleichen Prinzip arbeitet Dr. Hans-Heiner Gorris am „Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik“. Dank seiner Forschung können Wissenschaftler bald zuverlässig die Sauerstoffkonzentration ● ● ● ● ● ● 2011 IST JAHR DER CHEMIE ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● mie zu nachhaltiger Entwicklung, z. B. für neue Energiequellen und die Ernährung der Zukunft. ➜ www.gdch.de (Gesellschaft deutscher Chemiker); www.chemistry2011.org ten der Chemie und an verdiente Wissenschaftler aus diesem Bereich erinnern. ➤ Zukunft: Das Motto lautet „Chemie – unser Leben, unsere Zukunft“. Thema ist unter anderem der Beitrag der Che● ● ● einer Zelle feststellen – das ist wichtig, um Fehlfunktionen in Atmung oder Stoffwechsel zu erkennen. Der Chemiker nutzt ein Verfahren, mit dem sich sogar die Verteilung von Sauerstoff in einer Zelle abbilden lässt, auf einer Art „Landkarte“. Dafür werden winzige Indikatoren in die Zelle eingeschleust, die ihre Farbe ändern, sobald sie auf Sauerstoff treffen. Weil diese sich gern an andere Zellbestandteile binden, war das Ergebnis bislang jedoch oft ungenau. Gorris verpackt die Indikatoren deshalb in kleine Kügelchen aus dem Kunststoff „Polystyrol“ – gerade mal 100 bis 500 Nanometer groß. „Diese sind sauerstoffdurchlässig“, erklärt er. Unter blauem Licht strahlen die Indikatoren farbig – und zeigen den Sauerstoffgehalt an. Innerhalb von Sekunden könnten so Zellstoffwechsel und ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Zellatmung festgestellt werden, sagt Gorris. Denkbar sei auch die Anwendung für andere Zellbestandteile, wie Kalzium, und der Einsatz für die Diagnose von Krankheiten. „Einige Tumorzellen wachsen in sauerstoffarmen Milieus. So könnte man gesundes und krankes Gewebe anhand des Zellstoffwechsels unterscheiden.“ Für den pH-Sensor gibt es schon erste Verwertungsideen, wie Babilas erzählt. Denkbar sei ein pH-sensitives Pflaster. „An diesem könnte dann auch ein Laie ablesen, ob die Wunde ordentlich heilt.“ Zudem führten die Mediziner des Uniklinikums gerade Messungen an der Gesichtshaut von Frauen durch. „Vielleicht können wir feststellen, inwieweit Cremes wirklich Einfluss auf den pH-Wert der Haut haben.“
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