1 Abstract: Der SLR Test: Der Einfluss von Innenrotation der Hüfte auf das Bewegungsausmaß des SLR. Eine prospektive Studie. Mathias Bühler Hintergrund: Der passive Straight Leg Raise (SLR) wird im medizinischen Alltag von vielen Klinikern und Forschern angewandt und ist in Befund, Diagnose und Prognose ein wichtiger therapeutischer Test. Durch verschiedene Variationen und Einstellungen lassen sich mithilfe des Tests sehr unterschiedliche Ziele und Hypothesen bestätigen oder verwerfen. Die verfügbare Literatur zeigt, dass der SLR bei korrekter Ausführung als Test eine gute Reliabilität besitzt. Er ist auch ein gutes Instrument zur Differenzierung. Der SLR testet die Beweglichkeit sowie die mechanische Sensitivität der lumbosacralen (neuralen) Strukturen und ihrer peripheren Fortführungen. Er wird von Klinikern zur Differentialdiagnose sowie zur besseren Reproduktion von distalen und proximalen Symptomen verwendet. Ziel: Ziel der Studie war es den Effekt einer Innenrotation im Hüftgelenk bei der Ausführung des passiven Straight Leg Raise (SLR) im Vergleich zum standardmäßig ausgeführtem SLR (Hüfte in neutral Rotation) zu untersuchen. Klinische Erfahrungen und Beobachtungen und Ergebnisse der im Vorfeld durchgeführten kritischen Untersuchung vorhandener Literatur, geben Anhaltspunkte für einen solchen Zusammenhang. Ergebnisse: Die Ergebnisse die aus den Mittelwerten von insgesamt drei aufeinander folgenden Messungen erhoben wurden, zeigten eine signifikante Reduzierung des Bewegungsausmaßes beim IR-SLR von durchschnittlich 7,74cm (6,72°). im Vergleich zum klassischen SLR. Die Korrelation der Messungen betrug 0,97. Schlussfolgerung: Die Studie belegt die klinische Erfahrung, dass eine Voreinstellung der Hüftinnenrotation das Bewegungsausmaß signifikant reduziert. Schlüsselwörter: SLR, Bewegungsausmaß, Innenrotation 2 1 Einleitung Die Ergebnisse einer im Vorfeld durchgeführten Literaturstudie zeigen, dass der SLR ein sehr gut zu reproduzierender Test ist. Er ist deshalb auch in der Praxis ein vielfach eingesetztes Verfahren. Die verschiedenen Varianten machen den SLR außerdem zu einem hervorragenden diagnostischen Hilfsmittel. Verschiedene klinische und anatomische Studien [1, 4] zeigen den Einfluss von Hüft- und Fußbewegungen auf die Ergebnisse des SLR. Das hat zur Konsequenz, dass es notwendig ist eine gewisse Vorgabe zur Ausführung des SLR zu geben, und den Test zu standardisieren. Breig und Troup (1979) entwickelten im Rahmen ihrer Studie ein gewisses Protokoll, das heute meist angewandt wird. Auch werden Fuß- und Hüftbewegungen gerne zur neuralen Differenzierung genutzt. Lassen sich beim SLR z.B. lumbale Symptome durch hinzunehmen der Dorsalextension (DE) im Sprunggelenk verändern, so erhalten wir einen starken Hinweis auf eine neurale Beteiligung. Eine proximale Symptomatik kann über die Veränderung distaler Bewegungskomponenten beeinflusst werden, während bei distalen Problemen die Differenzierung über eine proximale Veränderung erreicht werden kann. Wird hingegen die Dorsalextension (DE) vor der Ausführung des SLR voreingestellt, verringert sich das Bewegungsausmaß des SLR signifikant [10]. Dieses Phänomen kann im klinischen Alltag dazu benutzt werden um die Symptome eins Patienten besser, bzw. schneller zu reproduzieren. Für distale Komponenten wurden hierzu Untersuchungen bereits durchgeführt [4, 6, 10]. Für die Innenrotation der Hüfte liegen hierzu noch keine Daten vor. Ziel der Studie war es deshalb den Effekt einer proximalen Voreinstellung (IR) beim SLR zu untersuchen. 1.1 Allgemeiner Hintergrund des Tests 1.1.1 Sensibilisierende Bewegungen: Breig and Troup (1979) untersuchten in ihrer anatomischen (n=6) und klinischen Studie (n=442) den Einfluss von Zusatzbewegungen (DE, IR, Nackenbeugung) auf die Spannung des sakralen Plexus kurz vor dem Bewegungsende des SLR. Sie konnten Einflüsse bei IR feststellen, die durch erhöhte Spannung in den anatomischen Studien unterstützt wurden. Aufgrund dieser Ergebnisse entwickelten sie ein Standardprotokoll (s.o.) um Fehler bei der Ausführung des SLR durch unsachgemäße Ausführung zu verhindern. Sie befanden Innenrotation für eine 3 wichtige klinische Zusatzbewegung. Aufgrund ihrer Ergebnisse schlagen sie vor, qualifizierende Tests dann durchzuführen, wenn eine unilaterale Limitation vorliegt, Symptome auftreten, oder der SLR beidseitig weniger als 50° aufweist. Am Bewegungsende soll das Bein ein paar Grad nach unten gebracht werden. Dann werden die sensibilisierenden Bewegungen (DE, IR, NF) zum SLR addiert. Wenn der limitierende Schmerz des SLR jetzt ausgelöst wird scheint eine erhöhte Spannung die Quelle zu sein. Coppieters et al (2005) untersuchten bei 15 asymptomatischen Freiwilligen zusätzlich zum SLR (und SLUMP) ausgeführte, qualifizierende Bewegungen (Hüft ABD, ADD, IR, AR) bei experimentell zugefügtem Schmerz im Tibialis anterior (Soleus). Der durch Kochsalzlösung erzeugte Schmerz wurde durch die qualifizierenden Bewegungen nicht beeinflusst. Somit scheinen Schmerzen wie Muskelschmerzen, die nicht neural bedingt sind durch verschiedene SLRBewegungen nicht beeinflusst zu werden. Gajdosik et al (1985) schlagen vor den SLR/DE als zusätzlichen Test mit dem SLR/PF zu vergleichen und die Unterschiede und Ergebnisse entsprechend zu notieren und zu bewerten. Er konnte in seiner Studie ein verringertes Bewegungsausmaß des SLR/DE im Vergleich zum standardmäßig ausgeführten SLR feststellen. Die Untersuchungen bestätigen die Beobachtungen von Shacklock (2005) aus seinem Alltag bei dem der SLR durch die Veränderung der Spannung im Nervensystem wie es in o.g. Studien nachgewiesen wurde zur neuralen Differenzierung herangezogen werden kann. Es werden so genannte sensibilisierende Bewegungen benutzt, um den Spannungszustand des Nervensystems zu verändern. Somit kann eine neurale Beteiligung bewiesen oder ausgeschlossen werden. 1.1.2 Bewegungsausmaß und Spannung im Sakralen Plexus Gajdosik et al (1985) fanden eine Verringerung des Bewegungsausmaßes von im Schnitt fast 10° bei zuvor eingestellter DE bei 22 gesunden Probanden. Das EMG, das die ischiokurale Muskelgruppe überwachte zeigte keine Veränderung. Ein muskulärer Einfluss kann dadurch ausgeschlossen werden. Die Begrenzung könnte 4 somit durch die erhöhte Spannung im Ischias Nerv hervorgerufen werden. Andere Faktoren wie Haut, Bindegewebe und auch Faszien könnten laut Autoren aber ebenfalls in Frage kommen. Bei der Studie von Boland and Adams (2000) reduzierte die DE das Ausmaß des SLR um durchschnittlich 9° bei Patienten mit unilateralen lumbalen, teilweise ausstrahlenden Schmerzen. Breig und Troup (1979) fanden bei Ihrer Leichenstudie eine erhöhte Spannung und eine Bewegung des Plexus um 2-10 mm. Ebenso stellten sie eine Zunahme der Spannung im M. Piriformis fest. Zusätzliche Bewegungen des Rumpfes sowie der Extremitäten werden gerne als qualifizierende Bewegungen herangezogen um den SLR genauer zu differenzieren. Werden die Bewegungen schon vor Beginn des SLR hinzugefügt, ändert sich durch die veränderte Spannung potentiell auch das Bewegungsausmaß 1.1.3 Qualität und Reliabilität des SLR-Tests Augenmerk lag vor allem in der für die geplante Studie wichtigen Intratester TestRetest Reliabilität. Sie wird meist mit dem intraclass correlation coefficient (ICC) bewertet. Hohe Werte nahe 1 zeugen in der Literatur für einen Zusammenhang der Messergebnisse und somit für eine hohe Reliabilität. Das 95% Confidence Intervall gibt die 95 %ige Sicherheit an mit der ein Wert in einem bestimmten Bereich liegt. Chow et al (1994) untersuchten, ob die gute Zuverlässigkeit des SLR von der motorischen Merkfähigkeit des Patienten rühren könnte. Ein Therapeut führte bei 16 symptomatischen Patienten den SLR 6 Mal aus verschiedenen Startpositionen aus. Es wurde dabei kein Effekt auf die Endposition (P1) festgestellt. Gäbe es einen Zusammenhang zwischen SLR und motorischer Speicherfähigkeit hätte es bei höheren Starpositionen zu größeren SLR Werten kommen müssen, bei tieferen Startpositionen dagegen zu kleineren Werten. Der ICC betrug 0,95 und zeugt für die Verlässlichkeit des Tests. Die 95% CI bei Test-Retest betrug 6°. Unterschiede von mehr als 6° sprechen somit eher für einen Behandlungseffekt als für einen Messfehler. 5 Hsieh et al (1983) untersuchten den SLR mittels drei verschiedenen Messinstrumenten an zehn gesunden Probanden. Die Hüftbeugung wurde beim Einsetzten der Beckenkippung gemessen. Das Plastikgoniometer und das Flexometer (Gravitigoniometer) hatten einen ICC 0,88, das Maßband zwischen 0,74 und 0,93 je nach dem ob der Winkel berechnet (0,74) oder der abgelesene Wert direkt (0,93) verwendet wurde. Die Standardabweichungen für Intrasession (Messungen innerhalb einer Behandlung) betrugen bei der Benutzung von Durchschnittswerten für das Goniometer 1°, das Flexometer 0,8° und das Maßband 0,4°, für Intersession (Messungen zwischen zwei Behandlungen (3°,3°,6°). Rabin et al (2007) verglichen den SLR mit dem seated SLR (SLR im Sitz) und überprüften die Sensitivität (richtig positiv= Patienten mit der Problematik werden durch den Test erkannt) bei 71 Patienten mit einer im MRI betätigten Nervenwurzelkompression. Sie errechneten ein 95% Confidence Intervall für den SLR von 0,67 (seated 0,41). Gajdosik et al (1985) überprüften den Einfluss von zusätzlicher Dorsalextension (DE) gegenüber dem normalen SLR. Sie fanden eine signifikante Verringerung des SLR bei eingestellter DE sowie eine hohe Intratester Reliabilität (0,99) bei den Messungen der Knie- und Sprunggelenkswinkel Das wiederum kann ein Beitrag zur guten Reproduzierbarkeit und Zuverlässigkeit des SLR darstellen. Dixon and Keating (2000) untersuchten in ihrer Literaturstudie die Reliabilität des SLR Tests anhand des Messfehlers (SEM). Der SEM musste entweder angeben sein oder sollte durch Rohdaten berechnet werden können. Neun Studien erfüllten diese Anforderungen. Sie fanden generell eine bessere Intrasession als Intersession Reliabilität (Hsieh et al (1983) (<3° bei Intersession). Li (1996) hatte bei Durchschnittsmessungen und vorausgegangener Dehnung weniger als 2° Unterschied bei intersession Messungen festgestellt. Ähnlich verhält es sich mit Intra-Tester zu Inter-Tester Reliabilität. Chow et al (1994) fanden 6° bei Intratester Messungen. Bei der am besten ausgeführten Studie, die die Intertester Reliabilität maßen, kamen Boland et al (2000) auf ein 95% CI von 13°. 6 Studien die sich mit der Reliabilität der SLR Messungen beschäftigen können meist gute Ergebnisse feststellen. Der SLR scheint somit ein verlässlicher und reproduzierbarer Test zu sein. 1.1.4 Bewertung der geprüften Literatur Ein Problem vieler Studien ist sicherlich die Größe der untersuchten Gruppe. Bei ihrem Vergleich von drei Messinstrumenten hatte Hsieh et al (1983) nur zehn Teilnehmer zur Verfügung. Chow et al (1984) vollzogen ihre Studie zur Überprüfung der motorischen Speicherfähigkeit des Probanden mit 16 Teilnehmern. Gajdosik at al (1985) untersuchte den Einfluss von Dorsalextension des Sprunggelenks an 22 gesunden Erwachsenen. Mit 25 Probanden kommt Coppieters et al (2005) bei der Untersuchung von qualifizierenden Bewegungen schon eher in den Bereich die für eine aussagefähige Untersuchung benötigt wird. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass einige Studien nur mit asymptomatischen Probanden gearbeitet haben [7, 10, 11]. Dies könnte den klinischen Nutzen reduzieren, da die Ergebnisse nicht direkt auf symptomatische Patienten übertragen werden können. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass die Ergebnisse von Gajdosik et al (1985) (asymptomatische Probanden) sehr ähnlich zu denen von Boland and Adams (2000) sind. Sie kamen bei ähnlicher Fragestellung jedoch mit symptomatischen Probanden zu fast identischen Werten. Rabin et al (2007) untersuchten die Sensitivität des SLR und kamen auf ein ICC von nur 0,67. Die Definition eines positiven SLR entsprach jedoch nicht dem allgemeingültigen Verständnis. Ein Test war dann positiv, wenn Symptome nur distal des Knies reproduziert wurden, die bei Kniebeugung nachließen. Reproduktion von Rücken oder Hüft Symptomen die nicht bis distal des Knies reichten wurden als negativ eingestuft. Dies könnte die relativ geringen richtig positiven Tests (Sensitivität) erklären. Stellt doch die Reproduktion von Symptomen proximal des Knies und Rückenschmerzen, wichtige Voraussetzungen eines positiven SLR dar. Diese Symptome sollten bei Kniebeugung nachlassen. Symptome distal des Knies, die bei Kniebeugung nachlassen sind nicht aussagekräftig, da sie zu nah an der veränderten Komponente (Knie) liegen und muskulär bedingt sein könnten. Der Vergleich mit einem für falsch positive Ergebnisse bekannten Messverfahren wie MRI (Reliabilität 0,74) trägt sicher auch nicht zur Verbesserung des Ergebnisses bei, auch wenn zum Befund des MRI auch mindestens ein klinisches Zeichen auffällig sein musste. Bei der klinischen Untersuchung von Breig and Troup (1979) geht nicht 7 klar hervor ob die qualifizierenden Bewegungen hintereinander addiert wurden oder jede für sich als einzelne Zusatzbewegung. Sollen sie hintereinander addiert werden, wird zwar die Spannung im System zunehmend erhöht, das Potential zur Differenzierung geht dabei allerdings verloren. Es werden dabei Komponenten distal und proximal verändert. Bei distalen Symptomen kann mit proximalen Bewegungen wie Adduktion oder Hüftinnenrotation differenziert werden, bei proximalen Symptomen mit distalen Bewegungen wie Dorsalextension. Art und Gebrauch der Messmittel variieren in den erwähnten Studien sehr stark. So wurden das Hydrogoniometer, das Flexometer bzw. das Gravitigoniometer oft distal am Unterschenkel angebracht, 5cm proximal des Malleolus [12], über dem Fibulaköpfchen [6] oder distal der Patella [11]. Ekstrand et al (1982) fanden eine höhere Reliabilität bei Messungen der unteren Extremität, wenn das Goniometer am Oberschenkel also proximal des Knies fixiert wurde. Breig and Troup (1979) nutzen ein Hydrogoniometer teilten aber nicht mit wo sie es anlegten. Bei Rabin et al (2007) gehen weder die Art des Messmittels noch die Anlage hervor. Für eine bessere Verallgemeinerbarkeit und bessere Reproduzierbarkeit wäre eine standardisierte Anlage sicherlich von Vorteil. Jedes der in den Studien verwendeten Messgeräte hat Vor- und Nachteile. So ist ein Standard Plastikgoniometer sehr verbreitet, bekannt und kostengünstig. Bei der Anlage erfordert es aber ein sehr hohes Maß an Geschick oder aber besser noch einen zweiten Untersucher. Hydrogoniometer (Gravitigoniometer) sind einfacher in der Handhabung, aber weniger bekannt und wesentlich teurer.[11] Das Metallmaßband ist kostengünstig und einfach in der Handhabung. Es liefert jedoch nur metrische Zahlen, die bei Bedarf dann in Winkelmaße umgerechnet werden müssen. Um aber Effekte und Therapieerfolge zu messen und zu dokumentieren ist das Maßband sicherlich eine einfache, reliable [11]und kostengünstige Variante. Die Benutzung einer Diafilmprojektion an die Wand zur Ermittlung des Wertes ist eine spannende Variante für eine speziell durchgeführte Studie, doch im Alltag ist dieses Vorgehen nicht realisierbar und es wäre deshalb sinnvoll auch in Studien Messmittel und Messvarianten zu verwenden die später auch durch Praktiker einfach angewandt werden können. Das Testprotokoll selbst kann auch Fehler begünstigen oder minimieren. Bei mehreren Studien [1, 6, 11, 13] wurde die Kniestreckung beispielsweise nur durch den Untersucher gehalten und kontrolliert. Nur Cameron et al (1994) und Gajdosik et al (1985) kontrollierten die Streckung des Knies durch eine Schiene. Ähnlich wurde 8 die Stellung des Sprunggelenks nur bei zwei Untersuchungen [8, 10] mittels Schiene stabilisiert. Im Alltag ist eine Fixierung nicht zu realisieren, doch für Studienzwecke eine Möglichkeit die Ausführung des Tests zu standardisieren und eine Fehlerquelle auszuschalten. Betrachtet man die fast durchwegs guten Ergebnisse der doch zum Teil unterschiedlich durchgeführten Studien, scheint der Test ein hohes Maß an Zuverlässigkeit zu zeigen. Einzig in der Untersuchung von Rabin et al (2007) zur Sensitivität ist das Ergebnis zur verlässlichen Beurteilung mäßig (0,67). Da hier aber die Definition eines positiven SLR sehr vom allgemeingültigen Verständnis abweicht, sollte dieses Ergebnis mit Vorsicht betrachtet werden. Nur zwei Studien [6, 12] gaben zusätzlich zum Korrelations-Koeffizienten die durchschnittlichen Differenzen der wiederholten Messungen in Grad an, was zur vollständigen Beurteilung eines Tests günstig wäre [9]. Boland and Adams (2000) hatten mit einer Gruppengröße von n=35 symptomatischen Patienten eine gute Basis für seine Untersuchung des Effekts von DE beim SLR. Es ist jedoch nicht klar ob die Knieextension während der Ausführung des Tests auch tatsächlich erhalten blieb, da nur der Untersucher selbst die Extension kontrollierte. Die DE im Sprunggelenk wurde bis R2 eingestellt, was bei wiederholten und weiteren Messungen als zusätzliche Variable für Fehler sorgen könnte. Ebenfalls die Anlage des Goniometers, das über dem Fibulaköpfchen platziert war, sollte um reliable Werte zu erhalten am proximalen Gelenkpartner des Knies fixiert sein [14]. Mit 22 gesunden Probanden untersuchten Gajdosik et al (1985) den Effekt von DE auf den SLR. Die Teilnehmerzahl ist sicherlich etwas zu gering um eine verlässliche Aussage der Studienergebnisse machen zu können. Auch lassen sich die Ergebnisse die mit gesunden Probanden erzielt wurden nicht einfach auf die symptomatische Allgemeinheit übertragen. Es zeigen sich jedoch im Vergleich zur Studie von Boland and Adams (2000), eine ähnliche Studie mit symptomatischen Patienten ausführten, kaum Unterschiede im Bezug auf die Ergebnisse. Eine Verblindung der Messresultate für den Untersucher wurde leider nicht immer eingehalten, da die Untersucher die Werte oft selbst notierten. [6, 8, 11, 12] Er war somit mit den Ergebnissen der ersten Messungen vertraut. Dies könnte einen Einfluss auf die weiteren Messungen nach sich ziehen. Bei anderen Untersuchungen ist es nicht klar zu erkennen ob eine Blindierung eingehalten wurde [1, 7, 10]. Bei Cameron et al (1994) kann jedoch davon ausgegangen werden, da die Werte erst am Diabild abgelesen wurden. 9 Das Protokoll von Breig und Troup (1979) ist eine gute Grundlage, doch definiert es nicht die Hand bzw. Armposition. Außerdem soll ein Therapeut die Knieextension halten und kontrollieren und gleichzeitig den Winkelmesser anlegen und abmessen. Dies ist alleine nicht einfach durchzuführen und macht diese Messmethode für den Alltag somit nur bedingt nutzbar. 1.1.5 Schlussfolgerung Betrachtet man die Ergebnisse der einzelnen Studien, kann man erkennen, dass die Reliabilität und Qualität des SLR-Testverfahrens trotz teils unterschiedlicher Vorgehensweise und Qualität der Studien, zu sehr ähnlichen und guten Ergebnissen führte. Dies spricht für die Qualität des Tests. Vor allem die Test-Retest-Messungen zeigen ein hohes Maß an Konsistenz. Wie aus dem klinischen Alltag bekannt ist, zeigen auch hier Messungen verschiedener Untersucher und Messungen in verschiedenen Sitzungen höhere Abweichungen. Umso wichtiger scheint in diesen Fällen das strikte Einhalten eines Standards zu sein, um bestmögliche Resultate zu erzielen. Dieses erkannten Breig and Troup (1979) und entwickelten ein Protokoll, das auch heute noch als Basis des SLR-Tests gesehen werden kann. Der SLR kann durch seine vielen Varianten und Ausführungen hervorragend zur strukturellen Differenzierung genutzt werden. Wird beispielsweise bei proximalen Symptomen eine Dorsalextension des Sprunggelenks hinzugefügt und die Symptome verändern sich, ist dies ein starker Hinweis auf eine neurale Beteiligung. Werden distale Symptome durch Bewegungen der Hüfte verändert, ist dies ebenfalls ein Hinweis auf eine neurale Dysfunktion. [2] Sind Symptome schwer zu reproduzieren, kann durch gezielte Voreinstellung die Reaktion verstärkt [2] bzw. das Bewegungsausmaß reduziert werden. Breig und Troup (1979), Boland and Adams (2000) und Gajdosik et al (1985) konnten dies für distale Voreinstellung durch Dorsalextension nachweisen. Während die Reduktion des Bewegungsausmaßes durch Dorsalextension des Fußes bereits nachgewiesen wurde [6, 10] handelt es sich bei der Innenrotation der Hüfte bisher nur klinische Beobachtungen [2]. Da es bisher also keine gezielten Untersuchungen dazu gibt, soll die folgende Studie den Einfluss von Innenrotation der Hüfte bei der Ausführung des SLR untersuchen. 10 2 Methode 2.1 Teilnehmer Das Teilnehmerpektrum der geprüften Studien reichte von asymptomatischen jungen, gesunden Probanden (Hsieh et al (1983) n=10, Gajdosik et al (1985) n=22,Coppierters et al (2005) n=25, Cameron et al(1994) n=22) bis zu Patienten mit lumbalen und unilateralen Schmerzen (Boland and Adams (2000) n=35), symptomatischem SLR und nicht irritierbaren Rücken und Ischias Symptomen (Chow et al (1994) n=16, Breig and Troup (1979) n=442 bzw. n=6) . Bei Rabin et al (2007) musste ein Befund durch ein MRI vorliegen um zur Studie (n=58) zugelassen zu werden. Idealerweise sollten für eine klinische Studie generell symptomatische Probanden herangezogen werden. Dies ist meist jedoch schwer durchzuführen. Deshalb wurde die Untersuchung wie in vielen anderen Studien mit gesunden Probanden durchgeführt. Vierundzwanzig junge, gesunde Schüler des Jahrgangs PT8 der Physiotherapieschule Reichenau nahmen als Probanden an der Studie Teil. Darunter waren 6 männliche und 18 weibliche Personen. Der Altersdurchschnitt betrug 21,5 Jahre (18-35Jahre), das Größenmittel 172,5 cm (158-197cm) und das mittlere Gewicht betrug 63,58 kg (43-110 kg). Die Schüler wiesen weder Auffälligkeiten bezüglich orthopädischer noch neurologischer Symptome auf. Jeder Schüler wurde über Inhalt und Ablauf der Studie informiert und bestätigte seine freiwillige Teilnahme mit einer Unterschrift auf einer separaten Einwilligungserklärung. Die Studie wurde von der Schulleitung freigegeben und unterstützt. 2.1.1 Untersucher Zwei Physiotherapeuten aus dem Kollegium führten die einzelnen Messungen durch. Beim messenden Therapeuten handelte es sich um einen Manualtherapeuten mit 12 Jahren. Berufserfahrung. Die unterstützende Kollegin wies eine Berufserfahrung von 15 Jahren auf. Der Manualtherapeut führte den SLR jeweils bis zum maximalen Widerstand (R2) aus, die Kollegin legte die Schienen an, kontrollierte die Ausgangsstellung des Patienten und las die Werte ab. 11 2.1.2 Design Breig and Troup (1979) entwickelten im Zusammenhang mit Ihrer Studie ein Protokoll um eine bessere Standardisierung zu ermöglichen: Untersuchung auf einer festen, flachen Bank, den Kopf nicht durch ein Kissen unterlagert Rumpf und Hüften gerade ohne Lateralflexion bzw. Rotation, Adduktion und Abduktion. Eine Hand hält ein reliables Goniometer auf der Haut und versucht gleichzeitig das Knie in Streckung zu halten. Durch die andere Hand des Therapeuten wird das Bein langsam gehoben, ohne Rotationsbewegungen zuzulassen. Tritt Schmerz auf oder das andere Bein bewegt mit, wird gestoppt. Ausmaß und die Seite des Schmerzes werden notiert. Cameron et al (1994) markierten die anatomischen Referenzpunkte der Probanden mit einem schwarzen Filzmarker. Das linke Bein wurde fixiert und das Rechte bekam eine 3-Punktschiene verpasst. In zufälliger Reihenfolge wurden alle verschiedenen Tests in 2-4 Sekunden ausgeführt. Zwischen den einzelnen Tests lagen 2 Minuten Pause. In der Endposition wurde ein Foto gemacht aus dem die Winkel abgelesen wurden. Sie untersuchten den Einfluss der Position der gegenüberliegenden Hüfte auf das Bewegungsausmaß des SLR an 22 jungen, gesunden Probanden. Bei der klassischen Messung (Bein zur Bank) konnten signifikant höhere Werte durch die Beugung der gegenüberliegenden Hüfte notiert werden. Aktiv vs. passiv hatte keine signifikante Bedeutung bei gestreckter Hüfte. Bei den Wiederholungsmessungen konnten generell signifikant höhere Werte gemessen werden, als bei den Ersten. Gajdosik et al (1985) verwendeten folgende Kriterien bei der Untersuchung des Effekts von zusätzlicher DE des Sprunggelenks auf das Ausmaß des SLR bei 22 gesunden Erwachsenen. Das zu untersuchende Bein wurde mit Knie und Fußschiene in Knieextension bzw. in voreingestellter DE fixiert. Der SLR wurde vor den Messungen 5 Mal aktiv (innerhalb 3sec) mit einer Pause von einer Minute ausgeführt. Somit sollte ein „Kaltstart“ verhindert werden. Das gegenüberliegende Bein war fixiert. Die Messung wurde in zufälliger Reihenfolge (SLR, SLR/DE) durchgeführt. Chow et al (1983) orientierten sich am Protokoll von Breig and Troup (1979) und adaptierten es für ihre Zwecke. Zwischen den Messungen wurde eine Pause von 30 12 Sekunden eingelegt und den Patienten wurden die Augen verbunden um die visuelle Kontrolle und Merkfähigkeit zu entziehen. Boland and Adams (2000) hielten sich bei der SLR-Messung ebenfalls an das Protokoll von Breig und Troup (1979), da es allen Untersuchern geläufig war. Für die Messung SLR/DE orientierten sie sich zusätzlich am Protokoll von Gajdosik et al (1985) mit dem sich die Untersucher während einer Woche Übungszeit vertraut machten. Schienen zur Stabilisierung wurden hier allerdings nicht eingesetzt. Coppieters et al (2005) orientierten sich an den Empfehlungen von Rabin et al. (2002) und wählten eine submaximale Endposition des rechten Beins in Innenrotation beziehungsweise Adduktion. Diese Position sollte gerade kein Unbehagen auslösen. Die sechs Tests wurden in zufälliger Reihenfolge ausgeführt und das Sprunggelenk mit einer Schiene fixiert. Drei Serien wurden durchgeführt, die Erste vor der Injektion der Kochsalzlösung, die folgenden Tests mit Schmerz. Mittels Monitorfeedback wurden die Winkel der Hüfte (Beugung, Rotation) des Knies und des Sprunggelenks kontrolliert und überwacht. Hsieh et al (1983) maßen das Bewegungsausmaß des rechten Beins am Limit des SLR in ganzen Graden. Die Probanden trugen lockere Shorts, lagen mit der rechten Seite parallel an der Kante einer stabilen, flachen Bank. Anatomische Punkte wurden auf der Haut markiert und das Flexometer 10 cm unterhalb der Patella fixiert. Dann wurde der Punkt gesucht, ab dem das Becken mitbewegte. Rabin et al (2007) vollzogen den Test in Rückenlage auf einer flachen Untersuchungsliege. Hüften und Knie verblieben in einer neutralen Position, der Kopf wurde nicht durch ein Kissen unterstützt. Unter Beibehaltung der Knieextension wurde das Bein zuerst auf der gesunden Seite bis zum definierten Stopp gehoben. Hier wurde das Knie gebeugt und der Einfluss auf die Symptome des Patienten erfragt. Dixon and Keating (2000) erwähnen die Beobachtungen von Ekstrand et al (1982), der bei Fixierung der Patienten eine reduzierte Reliabilität feststellte, während eine tiefe harte Bank die Reliabilität verbesserte. Bei Li et al (1996) fanden sie weniger 13 Variationen der Messergebnisse nach fünf 10 Sekunden dauernden Hamstring Dehnungen. Die untersuchten Studien hatten meist sehr unterschiedliche Ansätze und Zielsetzungen. Trotzdem ist aber zu erkennen, dass die meisten Studien versuchten ein spezielles, reproduzierbares Procedere zu entwickeln oder zu verwenden. Viele Studien orientierten sich an der von Breig und Troup (1979) im Zusammenhang mit Ihrer Untersuchung entwickelten Vorgehensweise. Es scheint notwendig alle den SLR beeinflussenden Bewegungen und Komponenten wie z.B. Sprunggelenksdorsalextension, Hüft Adduktion oder Innenrotation bei der Ausführung zu kontrollieren und zu beachten bzw. gezielt einzusetzen. Eine immer wieder reproduzierbare Ausgangsstellung scheint für die Qualität ebenfalls von Bedeutung zu sein. Bestimmte Vorkehrungen und Maßnahmen wie vorausgehende Dehnungen und Durchschnittsberechnungen mehrerer Messungen scheinen die Aussagekraft des SLR zusätzlich zu verbessern. Die Endpositionen in denen das Bewegungsausmaß gemessen wurde, variierten meist in Abhängigkeit von Zielsetzung und Studientyp. Bei klinischen Studien mit symptomatischen Patienten werden meist reproduzierte Symptome oder Schmerz (P1) des Probanden als Abbruchkriterium herangezogen [1, 6, 12, 13]. Dagegen werden bei Studien mit asymptomatischen Teilnehmern eher maximale Spannung [7, 10] oder das Mitbewegen des Beckens [11] als Kriterium genommen. Coppieters et al (2005) vollzogen den SLR nur submaximal um ein Unbehagen zu verhindern. Es hätte sich in Bezug auf die Schmerzkriterien als zu beeinflussend auswirken können. Im Alltag macht es sicher Sinn sich am Zustand des Patienten zu orientieren. In der Regel wird es sich meist um P1 handeln, da R2 bei Schmerzpatienten nicht zu vertreten ist. Im Gegensatz dazu wird bei der Untersuchung der gesunden Seite oder bei asymptomatischen Probanden R2 das Mittel der Wahl sein. Das Mitlaufen des Beckens ist weder für Schmerzpatienten noch für Gesunde wirklich aussagekräftig und des Weiteren schwer zu beurteilen. Aufgrund der aus früher durchgeführten Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse entschieden wir uns für folgendes Vorgehen: 14 Vor der eigentlichen Messung überprüfte der Therapeut bei eingestellter IR (20°) die Hüftgelenksbeugung mit flektiertem Knie, um einen Einfluss hypertoner Außenrotationsmuskulatur auf das Bewegungsausmaß bei Hüftbeugung im Bereich von 60-90° auszuschließen. Breig und Troup (1979) fanden in ihrer Leichenstudie eine erhöhte Spannung des M. Piriformis bei Innenrotation. Danach wurden die Schienen angelegt. Jeder Teilnehmer führte vor der eigentlichen Messung den SLR 10 Mal langsam und gleichmäßig aktiv aus, um eine höhere Genauigkeit der Testresultate zu erreichen und einen Kaltstart zu verhindern. Li et al (1996) und Gajdosik et al(1985) fanden eine höhere Genauigkeit ihrer Werte wenn sie zuvor dehnten oder aktiv bewegten. Danach führte der Tester an jedem Probanden die beiden zu untersuchenden Tests (SLR, IR-SLR) in einer zuvor mittels Würfel festgelegten Reihenfolge bis zu R2 durch. Somit sollten Serieneffekte verhindert werden, da Wiederholungsmessungen tendenziell höhere Werte aufweisen [7]. Zwischen beiden Messungen wurde eine halbe Minute Pause eingelegt. Das Vorgehen wurde insgesamt 3mal pro Schüler wiederholt, so dass pro Schüler insgesamt 6 Messwerte aufgenommen wurden. Aus den Werten wurde je ein Mittelwert für beide Testkriterien errechnet. Bei Mittelwertberechnungen erzielten Hsieh et al (1983) und Li (1996) eine höhere Genauigkeit ihrer Messungen. (Intratester 1° bei Goniometer, 0,8° beim Flexometer und 0,4° bei Maßbandmessungen) 2.1.3 Instrumentarium Um den Wert einer SLR Messung anzugeben, wird der Winkel zwischen einer Parallelen der Bankoberkante und der Mittellinie des Oberschenkels gemessen. Im klinischen Alltag gibt es generell mehrere Möglichkeiten diesen Winkel der das Bewegungsausmaß des SLR darstellt, zu messen. Hsieh et al (1983) untersuchten und verglichen ein Standard Plastikgoniometer, ein Flexometer (Schwerkraft Goniometer) und ein Metallmaßband. Sie konnten allen drei Instrumenten eine hervorragende Intrasession (Messungen innerhalb einer Sitzung) und Intersession (Messung in verschiedenen Einheiten) Reliabilität zugestehen. Coppieters verwendete für seine Untersuchung Elektrogoniometer um die Winkelgrade zu messen und zu kontrollieren. Chow et al (1983) und Breig and Troup (1979) nutzten jeweils ein Hydrogoniometer, das von der Funktionsweise sehr ähnlich zu dem von Hsieh et al (1983) und Boland and Adams (2000) verwendeten Gravitigoniometer einzustufen ist. Dias die bei der Studie aufgenommen wurden, 15 dienten Cameron als Datenmaterial Die Bilder wurden auf die Wand projiziert, auf Papier abgezeichnet und vermessen. Bei Rabin et al (2007) ist es nicht ersichtlich ob und wie sie exakte Messungen vollzogen. Die wohl am häufigsten verwendeten und praktikabelsten Messgeräte zur Aufnahme von Messdaten bei der Untersuchung des SLR scheinen das Hydrogoniometer (Gravitigoniometer), das weit verbreitete Standardgoniometer und das Maßband zu sein. Zur Aufnahme der Daten und zur korrekten reliablen und validen Ausführung der Messungen wurden aufgrund o.g. Erkenntnisse, folgende Gerätschaften verwendet. Zur Einstellung und Kontrolle der Hüftrotation wurde ein Hydrogoniometer (Baseline® Bubble Inclinometer, Fabrication Enterprices INC, White plains New York 10602 U.S.A. Bild 1) eingesetzt. Es wurde mit Klettbändern ausgestattet und proximal zur Patella fixiert, um eine möglichst genaue Messung zu erzielen [14]. Zur Messung des jeweiligen Bewegungsausmaßes wurde ein Rollmaßband Bild 1. Hydrogoniometer aus Metall verwendet, das zwischen Bank und Wand eingefädelt wurde. Hsieh et al (1983) stellten hervorragende Reliabilitätswerte des Maßbandes bei der SLR-Messung fest. Das Maßband hatte eine Länge von zwei Metern und eine Einteilung von 1mm. Um eine Fehlinterpretation des Tests durch Veränderung des Knie-Winkels während endgradigen Tests zu verhindern wurde eine Knieschiene (Bort Immob-Schiene 55cm) verwendet. Außerdem konnte so die Kniestellung bei den nacheinander durchgeführten Tests konstant gehalten werden. Analog dazu wurde die Fußposition durch eine Standard Peroneus-Schiene fixiert. Die Fußstellung hat nachgewiesenermaßen Einfluss auf das Bewegungsausmaß [6, 10]. Viele Patienten versuchen beim SLR durch Plantarflektion (PF) des Sprunggelenks und Beugung im Kniegelenk den neuralen Stress zu verringern. Alle relevanten Daten wurden in eine Microsoft® Excel Tabelle eingetragen und mittels WinSTAT ® für Excel Version 2006.1 ausgewertet. 2.1.4 Test Protokoll Bild 2. Ausführung des Tests 16 Im Vorfeld der Studie wurden die beiden Kollegen über das Testprozedere informiert und bekamen die Möglichkeit das Vorgehen einzuüben. (Bild 2) Hierbei wurde vor allem die Ausführung und Grifftechnik geübt. Als Abbruch-Kriterium wurde der maximale Widerstand (R2) bestimmt, da es sich um junge, asymptomatische Personen handelte und man nicht mit Schmerzen rechnen musste. Weitere Punkte die im Vorfeld zu berücksichtigen waren, sind: die korrekte und einheitliche Ausgangsstellung des Patienten inklusive Schienen und die korrekte Anlage und Bedienung der Messmittel durch den zweiten Therapeuten. Die Probanden waren bis auf die Unterwäsche entkleidet um Ausweichbewegungen und Anlagefehler besser erkennen zu können. Es wurde jeweils das rechte Bein untersucht. 2.1.4.1 Test-Ausführung Um einen besseren Eindruck der gemessenen Werte zu bekommen wurde zuerst der Abstand Trochanter Major gemessen, um anschließend das Winkelmaß berechnen zu können. Nach Kontrolle der Innenrotation mit gebeugtem Knie (Muskeltest) und der Anlage der Schienen sowie des Goniometers, wurde die eigentliche Messung in der per Zufall ermittelten Reihenfolge durchgeführt. Der zweite Therapeut las die Werte ab und notierte sie. Dem messenden Therapeuten wurden um eine Verblindung zu garantieren keine Werte mitgeteilt. 2.1.4.2 Test-Prozedur 1 (SLR) Der Patient lag parallel an der rechten Bankkante auf einer flachen, stabilen Bank. Er lag symmetrisch, gerade, seine Hände lagen auf dem Bauch, der Kopf wurde nicht durch ein Kissen gestützt. Der Therapeut hielt mit der distalen Hand das Maßband gegen die Ferse und hob die rechte Ferse langsam von der Liege ab. Das Maßband war zwischen Bankkante und Wand eingefädelt (Bilder 2,3)und wurde durch die Hüftflexion ausgezogen. Mit der zweiten, proximalen Hand stabilisierte der Therapeut zusätzlich zur Knieschiene die Extension des Kniegelenkes und kontrollierte die Rotationskomponente sowie Abduktion und Adduktion im Hüftgelenk. Das Bein wurde solange in der Hüfte gebeugt bis der Therapeut das definierte Stoppkriterium (R2) erreichte. Hier wurde der Wert des Maßbandes an der oberen Bankkante durch den Assistenten abgelesen und die Werte in Zentimeter notiert. 2.1.4.3 Test-Prozedur 2 (IR-SLR) Bild 3. Anlage des Goniometers 17 In der Neutralstellung der Hüfte wurde das Hydrogoniometer auf 0° kalibriert. (Bild 3) Dann wurde das gestreckte Bein in der Hüfte um 20° nach innen rotiert. Aus dieser Ausgangsstellung heraus führte der Therapeut die Messung unter Beibehaltung der Innenrotation aus. Beide Prozeduren wurden je 3mal in zufälliger Reihenfolge ausgeführt. Zwischen den einzelnen Messungen wurde je eine halbe Minute Pause eingehalten. 2.1.5 Statistische Datenanalyse Die erfassten und eingetragenen Daten wurden mit WinSTAT ® für Excel ausgewertet. Aufgrund der relativ kleinen Gruppengröße und somit nicht optimalen Normalverteilung (Abbildung 4) wurde für die Prüfung der Signifikanz der Unterschiede zwischen SLR und IR-SLR ein Wilcoxon-Test durchgeführt. Die Korrelation der Ergebnisse wurde mittels Pearson-Korrelation-Test überprüft. Als Signifikanzlevel wurde das Level p= 0.05 gewählt. Häufigkeiten SLR 14 SLR/IR 12 Häufigkeit 10 8 6 4 2 0 70 bis 80 80 bis 90 90 bis 100 bis 110 bis 120 bis 130 bis 140 bis 100 110 120 130 140 150 in cm Abbildung 4. Verteilung der Häufigkeiten 2.2 Ergebnisse Um eine höhere Genauigkeit zu erreichen wurde aus den drei Einzelmessungen (SLR, IR-SLR) für jeden Schüler der Mittelwert berechnet. Aus diesen Daten wurde die Signifikanz berechnet. Die Unterschiede der Mittelwerte der beiden Messungen (SLR zu IR-SLR) zeigen eine deutliche Signifikanz. Die Signifikanz betrug p=0,000018 18 Mittelwerte ± Standardabweichung 140 120 Mittelwert 100 80 60 40 20 0 SLR SLR/IR Abbildung 2. Mittelwerte und Standardabweichung Der Mittelwert aller Messungen (Abbildung 2) betrug für den SLR 108,82cm +/11,44cm (Range 58cm; 83,83-141,83cm) für den SLR/IR 101,08cm +/- 11,91cm (Range 61,5cm; 73,17-134,67cm). Die Werte sind in Abbildung 2 graphisch dargestellt. Insgesamt verringerte die eingestellte Rotation das Bewegungsausmaß um durchschnittlich 7,74cm. Um einen besseren Eindruck der Ergebnisse zu bekommen wurden die Ergebnisse mittels geometrischer Formel in Winkelmaße umgerechnet. Die errechneten Mittelwerte betrugen für SLR 77.93°, für IR-SLR 71,21°. Die Differenz der Mittelwerte betrug 6,72°. Für die Berechnung wurde der Abstand Trochanter Major zur Ferse gemessen. Zusammen mit dem Maßband ermitteltem Wert entstand ein gleichschenkliges Dreieck, in dem sich der Winkel berechnen lies. (arcos(a²+b²-c²) / (2*a*b); a und b= Abstand Trochanter bis Ferse, c= Maßbandwert) Werte > 6° zeugen eher für einen Unterschied als für einen Messfehler [12]. Die Pearson Korrelation betrug 0,97 für die Berechnung der Mittelwerte (SLR zu SLR/IR). Zwischen 1. und 3. Messung konnte eine Korrelation von 0,92 berechnet werden. Diese Werte sind mit Ergebnissen aus anderen Studien [11]vergleichbar und bestätigen die gute Reliabilität des Tests. Die Zusammenhänge beider Messungen sind in Abbildung 1 ersichtlich. 19 Streudiagramm 160 140 120 SLR 100 80 60 40 20 0 0 50 100 150 IR-SLR Abblidung 1. Zusammenhang SLR zu IR-SLR 2.3 Diskussion Bewegungskomponenten von Fuß, Knie und Hüfte haben einen Einfluss auf das Ergebnis des SLR [1, 2, 6, 10]. Dorsalextension des Sprunggelenks reduziert das Bewegungsausmaß signifikant [6, 10] und gilt als sensibilisierende Bewegung des Tests [1]. Breig and Troup (1979) konnten der Innenrotation der Hüfte ebenfalls einen sensibilisierenden Effekt nachweisen. Diese Studie untersuchte nun den Einfluss von Innenrotation auf das Bewegungsergebnis. Das Ergebnis zeigt, dass Innenrotation wie zuvor die DE [6, 10] das Bewegungsausmaß signifikant reduzieren konnte. Betrachtet man die bisherigen Untersuchungen zum Einfluss von Hüftkomponenten [1, 7] und die klinischen Erfahrungen verschiedener Kliniker [2, 15] liegt ein Zusammenhang mit veränderter neuraler Spannung nahe. Man darf jedoch Einflüsse von anderen Strukturen nicht außer achtlassen. So könnten auch Haut, Unterhautgewebe, und die Faszien des dorsalen Oberschenkels durch vermehrte Spannung das Ausmaß des SLR reduzieren [10]. In dieser Studie hätten auch die Außenrotatoren des Hüftgelenks das Bewegungsausmaß reduzieren können. Breig and Troup (1979) fanden eine Zunahme der Spannung im M. Piriformis bei SLR mit Innenrotation in ihrer Leichenstudie. Aus diesem Grund führte der Untersucher vor der eigentlichen Messung bei dieser Studie die Hüftbeugung zwischen 60 und 90° bei gebeugtem Knie und 20° Innenrotation der Hüfte durch. Unter 90° wird dieser Muskel bedingt durch seine Lage am ehesten auf Spannung gebracht. Ein starker Einfluss hätte in diesem Versuch die Hüftbeugung mit 20° 20 Rotation reduzieren müssen. Dies konnte aber bei keinem der Probanden festgestellt werden. Außerdem waren die Ergebnisse in der gesamten Gruppe konsistent. Dies deutet darauf hin, dass ein muskulärer Einfluss nicht für das reduzierte Bewegungsausmaß der Studie verantwortlich war und somit vernachlässigbar ist. Obwohl die Ergebnisse der Studien von Boland and Adams (2000) (symptomatische Probanden) mit denen von Gajdosik et al (1985) (asymptomatische Personen) sehr ähnlich sind können die Ergebnisse dieser Studie nicht generell auf symptomatische Patienten übertragen werden. Sie geben aber einen Eindruck über das physiologische Verhalten des SLR bei Innenrotation. Um die Ergebnisse zu bestätigen und eine neurale Beteiligung weiter zu beweisen, sollte die Studie mit symptomatischen Patienten durchgeführt werden. Günstig wären Patienten mit neuralen Symptomen distal des Kniegelenks. Verändern sich diese Symptome durch vermehrte IR der Hüfte bzw. reduziert sich das Bewegungsausmaß bis P1, deutet dies ebenfalls auf eine neurale Beteiligung des Problems. Eine ausreichend Größe der Untersuchungsgruppe war auch im vorliegenden Fall ein limitierender Faktor. Eine größere Gruppe hätte in diesem Fall jedoch die zeitlichen und somit finanziellen Grenzen gesprengt. Mit 24 Probanden konnte die Studie aber mehr Teilnehmer aufweisen wie viele andere Studien [7, 10-12] die sich mit dem SLR beschäftigten Um aber verlässlichere Daten zu bekommen wären mehr Teilnehmer nötig gewesen. Künftige Studien sollten deshalb versuchen die Zahl der Untersuchten möglichst über 30 anzusetzen und symptomatische Patienten einzubeziehen 2.4 Schlussfolgerung Klinische Bedeutung Der SLR ist ein einfacher, schnell auszuführender Test. Er hat somit bereits einen hohen Stellenwert in der physikalischen Untersuchung erlangt. Durch sensibilisierende Bewegungen eignet er sich hervorragend zur strukturellen Differenzierung [1, 2, 8, 10]. Werden bestimmte Bewegungen addiert, lassen sich neurale Symptome des Patienten leichter reproduzieren. Das neurale System wird vorgespannt. Proximale Symptome können durch Bewegungen wie DE oder Inversion des Sprunggelenks sensibilisiert werden, distale Symptome durch Bewegungen der Hüfte wie Innenrotation oder Adduktion. Eine Verringerung des Bewegungsausmaßes konnte durch die vorliegende Studie für die Innenrotation nachgewiesen werden. Die Forderung von Breig and Troup (1979) die 21 Rotationskomponente bei der Ausführung konstant zu halten konnte bestätigt werden. Eine Innenrotation würde das Bewegungsausmaß reduzieren und das Ergebnis zweier Messungen verfälschen. 2.5 Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Breig, A. and J.D. Troup, Biomechanical considerations in the straight-legraising test. Cadaveric and clinical studies of the effects of medial hip rotation. Spine, 1979. 4(3): p. 242-50. Shacklock, M., Cilinical Beurodynamics. 2005. Shacklock, M., The plantarflexion/inversion straight leg raise [Master of Applied Science Thesis]. Adelaide: University of South Australia, 1989, 1989. Slater, H., The effect of foot and ankle position on the response to the SLR test in young asymptomatic subjects . Master of applied Science Thesis. Adelaide: University of South Austarlia, 1988. 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