Gespräch zum Thema „Weibliches Begehren“

Gespräch zum Thema „Weibliches Begehren“
im Vorfeld der mehrteiligen Fortbildung in Zülpich
Astrid Peter und Carola Spiekermann von aufBegehren
Astrid Peter (Leverkusen), Carola Spiekermann (Trier) und Franziska Senze
(Frauenbildungswerk Zülpich) im Herbst 2015:
Carola:
Astrid, wir arbeiten doch gern in Zülpich und haben hier schon dreimal unser 5-tägiges
Angebot „Weibliches Begehren“ durchgeführt. Kannst Du Dir vorstellen, dass wir einen
Mehrteiler zu unseren Themen Aggressivität – Sexualität – weibliches Begehren anbieten?
Astrid:
(Spontan) Ja, das kann ich! Das waren Seminare, die uns sehr gefordert haben und auch
sehr bereichert. Weißt Du noch, eine Teilnehmerin sagte mal in der Abschlussrunde, sie
habe die Woche als „Exerzitien“ erlebt - klärend, anregend und sinnenfreudig!
(Nachdenklich:) Ich spüre große Lust, die roten Fäden von Frauen zu entrollen.
Lebensthemen, Sehnsüchte und Potenzen lassen sich verknüpfen und werden deutlich. Und
da halte ich aber auch inne … unser Angebot jetzt im Herbst zum Thema „Weibliche
Sexualitäten“ ist ausgefallen. Zu wenige Frauen haben sich dafür interessiert.
Carola:
Ja, das war schade und ich war verwundert darüber. Außerdem waren wir so gespannt
darauf, unseren neuen dialogischen Vortrag „Wie sexuell ist das denn? Dialog weiblicher
Sexualitäten“ vorzustellen.
Franziska:
Ich habe einen Eurer dialogischen Vorträge ja bereits in Berlin gehört. Mir ist dabei deutlich
geworden, dass Ihr mit komplexen Themen sehr vielschichtig arbeitet. Das lässt sich in
einem Ausschreibungstext nicht leicht vermitteln…
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Astrid:
(Zustimmend) Hmm... Wir haben ja ein sehr weites Verständnis von weiblicher Sexualität
und betonen die verschiedenen Dimensionen wie Fruchtbarkeit, Lust, Beziehung und
Identität. Und die Ausdrucksweisen von Sexualität ändern und entwickeln sich im Laufe
eines Lebens. Uns interessiert sehr, wie sich Frauen und Mädchen in ihrem sexuell Sein
erleben und welche Bedeutung Frauen ihrer Sexualität geben – jenseits davon, ob sie
Frauen oder Männer lieben, ob sie sexuell mehr oder weniger aktiv sind, ob sie sexuelle
Impulse mit sich selbst, einer anderen Person oder mit mehreren Menschen teilen.
Carola:
Was uns auch immer wieder auffällt ist, wie wenig Worte Frauen über ihre Vorstellungen von
Sexualität haben – jenseits von angenehmen oder auch belastenden Erfahrungen. Auf der
anderen Seite gibt es so viele Bilder von sexuellen Handlungen zwischen Frauen und
Männern. Und es scheint kaum Fragen zu geben, aber stets klare Erwartungen und
Ansprüche an Rollenbilder im Sexualleben.
Astrid:
Im Rahmen sexualpädagogischer Arbeit in Kindertagesstätten, Schulen und Jugendtreffs
wirken verstärkt Begriffe wie sexuelle Bildung, sexuelle Vielfalt und sexuelle Orientierung in
die Arbeit hinein. Daneben geht es auch um Präventionsmaßnahmen, die dem Schutz vor
sexuellen Übergriffen, Nötigung und sexualisierter Gewalt dienen sollen. Wir sprechen mit
unseren Bildungsthemen auch Pädagoginnen an, die sich mit ihrem Verständnis von
Sexualität auseinandersetzen und ihren fachlichen Umgang mit den komplexen
Anforderungen erweitern und konkretisieren wollen.
Franziska:
Euch treiben also „Entdeckungsreisen“, die etwas mitteilen über das weibliche Begehren?
Carola:
Ja. Was bedeutet das eigene Begehren für jede? Woraus bezieht es Anziehung und Kraft
und wie drückt es sich aus? Gilt unser Begehren immer einem einzelnen Menschen? Oder
kann es sich auch auf Überzeugungen, auf bestimmte Qualitäten des Lebens oder auf Orte
und Situationen beziehen?
Astrid:
Carola und ich sind in den 60er/70er Jahren aufgewachsen. Bestimmte gesellschaftliche und
kulturelle Ereignisse haben uns geprägt, sowohl unsere persönlichen Lebensläufe als auch
unsere beruflichen Entwicklungen. Wir sind sehr an den Wechselwirkungen zwischen
persönlichen Erfahrungen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen interessiert, die die
roten Fäden der eigenen Lebenszeit ausmachen.
Carola:
… und dabei suchen wir gern den Dialog mit Frauen aus anderen Generationen und aus
anderen Kulturen, haben Lust auf die Entdeckung von Ähnlichkeiten und
Übereinstimmungen einerseits, von Differenzierungen und Kontroversen andererseits.
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Im Gespräch mit den Referentinnen: Franziska Senze vom Frauenbildungswerk Zülpich
Franziska:
Ich glaube, Ihr heißt widerständige und aggressive Regungen von Frauen auch in den
Seminaren ausgesprochen willkommen, oder?
Carola:
So ist es. Weil wir überzeugt sind, dass darin wesentliche Informationen und mitunter
erstaunliche Kräfte schlummern, aus denen wir Nutzen ziehen können! Hat nicht jede Frau
schon einmal erlebt, dass Widerstand leisten nicht nur anstrengend, sondern auch
beglückend sein kann?
Astrid:
Und: weil wir ein explizites Nichtwollen von Etwas auch als richtungsweisenden Hinweis auf
das eigene Begehren verstehen.
Carola:
(Engagiert) Wenn wir wirklich ein Interesse an verschiedenen Meinungen und Positionen
hätten mit einer Lust auf Verständigung, wenn es für uns alle selbstverständlicher wäre zu
streiten, wenn wir uns sicherer bewegen würden zwischen Ärger, Wut, Zorn und
Hassgefühlen, wenn wir eine Konfliktkultur miteinander hinbekämen und uns um eine
Kritikkultur bemühen würden - dann könnten unsere Beziehungen erheblich an Qualität
gewinnen. Das ist übrigens auch sehr interessant für Pädagoginnen und Therapeutinnen…
Astrid:
…weil sie ja nicht nur mit aggressiven Impulsen von anderen Personen zu tun haben,
sondern ja auch eigene aggressive Regungen konstruktiv einbringen sollten in ihre
Arbeitsbeziehungen. Oder ist dies nicht der Rede wert?
Franziska:
Mir fällt auf, dass Ihr ziemlich oft Fragen stellt. Ist das auch in Eurer Bildungsarbeit so?
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Astrid:
Ja. Die explizite Betonung von Fragen ist ein wesentliches Kennzeichen unserer Arbeit.
Franziska:
Was könnten denn Fragen sein, die die Teilnehmerinnen dieser dreiteiligen Fortbildung
beschäftigen?
Carola:
Was ruft Empörung in mir hervor?
Welche Hinweise liefert mir mein Zorn über mein Begehren?
Astrid:
Was tue ich leidenschaftlich gern?
Welcher Sehnsucht folge ich?
Was fällt bei mir auf einen fruchtbaren Boden?
Carola:
Was lässt mich zweifeln?
Worauf warte ich?
Astrid:
Wieso wird erotisches Verlangen vor allem in persönlichen, intimen Verbindungen gesucht
und auf ein Du konzentriert?
Gibt es sinnliche Anziehung zu Orten in der Natur?
Entfalten nicht auch Gedanken, die tief berühren und als sinnstiftend erlebt werden,
erotisierende Kräfte?
Carola:
Kenne ich die Angst, mein Leben zu verpassen?
Und wann erlebe ich, mittendrin zu sein?
Welche Frage ist mir wirklich wichtig?
Was soll bleiben von mir?
Franziska:
Herzlichen Dank Euch Beiden für das anregende Bürogespräch!
Ich wünsche Euch weiterhin viel Freude bei der Entdeckung von Antworten … und wie ich
Euch kenne: von weiteren Fragen!
Termine der Fortbildung „Weibliches Begehren. Selbstverantwortlich in der Welt sein"
Modul 1: Do 14.4., 19h - So 17.4.16, 15h
Modul 2: Do 10.11., 19h - So 13.11.16, 15h
Modul 3: Do 27.4., 19h - So 30.4.17, 15h
Mehr Informationen:
http://www.frauenbildungshaus-zuelpich.de/alle-veranstaltungen.html?view=event&id=777
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