PalliativeCare - MNS Monica C. Fliedner

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Was bedeutet ein Palliative-CarePatient für die Pflege im Notfall / ICU
Bedürfnisse bei begrenzter Lebenszeit
Was Angst/Sorge macht:
•  Wenig verbleibende Zeit
•  (Angst vor) viel Leiden (z. B. Schmerzen)
•  Einsamkeit und Hilflosigkeit
Monica Fliedner, MSN
Pflegeexpertin APN
Co-Leiterin
Universitäres Zentrum für
Palliative Care (PZI)
Inselspital Bern
•  Belastung für die Umgebung sein
•  Nicht vertraute Umgebung – Fremdsein, Versorgung durch
Fremde
[email protected]
Singer et al (1992)
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DOLS
Was ist wichtig am Lebensende
Inhalte
•  Keine Schmerzen, keine Angst, kein Leiden unter anderen
•  Palliative Care (PC) – was verstehen wir darunter
Symptomen
•  Vorausplanung durch „SENS“: Empowerment durch aktive
personen-zentrierte Vorausplanung
•  Einbezug in klare Entscheidungsfindung durch informierte
•  PC und Notfall- bzw. Intensivpflegesituationen
Kommunikation mit vertrauten Personen
•  Physischer Kontakt, Respekt vor der Person
•  Haben wir Beweise?
•  Vorbereitet sein auf das Lebensende: Beenden
•  Schlussgedanken
der Lebenssymphonie, der eigene Tod
•  Vorbereitung der Familie, Weitergabe von relevanten
Dingen / Informationen
Steinhauser et al (2000)
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Image der Akutversorgung –
wir heilen Patienten
Image der Palliative Care
Hände halten……
Hoffnung bei weitfortgeschrittenem
Leiden
…und Kerzen anzünden- Sterbebegleitung
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Definition „palliativ“: 35 Befragte, 59 Definitionen
Verbesserungspotential der präklinischen
Notfallversorgung ambulanter Palliativpatienten
•  Einsätze bei Palliativpatienten
Komfortpflege
– Verlegungsfahrten ins Spital (Indikation vorab durch Dritte
gestellt)
…nicht nur bei onkologischen
Diagnosen!
– schwierigen Entscheidungen sind meist bereits erfolgt
Behandlung des Patienten ohne
kurativen Hintergrund
– komplexe Situationen, in denen der Rettungsdienst als erste
Instanz bei einem palliativen Patienten eintrifft, kommen
selten vor
Keine therapeutischen Massnahmen mehr
zu machen
•  Wunsch: gemeinsam mit dem Patienten durchgeführte
Eventualplanung
Keine lebensverlängernden
Massnahmen
Bujard (2013)
Klenk L et al (2015)
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Und jetzt...?
„Palliativ“ hat ein Terminologieproblem
•  Führen des Gesprächs bzgl. DNR/DNI
die zeitlich- prognostische Dimension
•  Aus- und Weiterbildung in PC-Themen
•  Guidelines für Behandlung und Betreuung
•  Schneller Zugang zu Patientendossiers / Patientenwillen
t
•  nicht nur lebenserhaltend sondern auch Platz für PC
•  23h- Verfügbarkeit eines PC-Teams
•  24h-direkte Zuweisung auf Palliative Care Unit
Präterminal
•  Praktikable Strukturen und pragmatische Lösungsansätze
Terminal
prä-
final
post-.???
Umstellen auf «Komforttherapie» oder
der «Abbruch jeglicher Therapie»
„Palliare“ = lindern, von der Geburt bis zum Tod?
Bujard, 2013; Klenk L et al (2015)
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DOLS
Das Terminologieproblem Teil 2
Palliative Care – Erfassen und Bearbeiten
von Problemen und Ressourcen
Die Behandlungsintention:
Palliative Care steuert den
Problem – basierten Ansatz zum
kurativ oder palliativ
Diagnose – basierten Ansatz
K
(sog. „high- tech- Medizin“) bei
P
_____________________________________________________________________
Zusammen = Spitzen – Care
Hauptfragen
•  Patientenzentrierte Vorbereitung des Lebensendes (z.B. SENS)
•  Vorbesprechen der Sterbephase (z.B. Ängste, Ort)
è„Best Care of the Dying“
Ein Konstrukt ohne Evidenz
Fox (1996)
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Inhalte
Palliative Care bietet Strukturhilfe im Dschungel
Leitfrage: „What causes most your suffering“ ?
•  Palliative Care (PC) – was verstehen wir darunter
Twycross PallMed (2006)
•  Vorausplanung durch „SENS“: Empowerment durch
Ziele: „4 S“
aktive personen-zentrierte Vorausplanung
•  PC und Notfall- bzw. Intensivpflegesituationen
•  Haben wir Beweise?
•  Schlussgedanken
S ymptome
•  Selbsthilfe
E ntscheidungsfindung
•  Selbstbestimmung
N etzwerk- Organisation
•  Sicherheit
S upport Familie etc.
•  Support
„SENS“ macht Sinn in
komplexen Situationen
Eychmüller (2008, 2012); BAG (2009)
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Beispiel Frau H. (geb. 1965, gest. 2013)
Medizinische Perspektive
•  Medizinische Diagnosen
– Epidermolysis bullosa dystrophica
– Metastasierendes Spinaliom rechte Hand
•  Wiederholte massive Blutungen aus der Hand
•  Multiple Nahrungsmittel- Unverträglichkeiten
•  …
Frage: woran leidet sie ?
Was ist heilsam für sie?
Pflegerische Perspektive
•  5h VW pro Tag / Netz?
•  „Prince Charming“
•  Finanzen
•  Unterstützung vom Netz
•  ...
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Konkret: praktische Vorausplanung
Besonderheit: Assessment der „unit of care“
Weghilfe für das Lebensende, das Steuer in der Hand
behalten LEAD: der Betroffene
Stress- Assessment bei Patient UND
Angehörigen = „unit of care“ (Saunders)
S ymptombehandlung
(Arzt, Pflege, ...)
•  Aufgabe: Kompetenzen der Angehörigen stärken,
Edukation z.B. bzgl Symptommanagement, ADL,
Netzwerkaufbau (Unterstützungsquellen)
E ntscheidungsfindung
(Arzt, Pflege, ...)
N etzwerk- Organisation
(Pflege, Sozialdienst, ...)
•  Bei Letzteren Betreuung über den Tod des
Betroffenen hinaus: in der Trauerphase
S upport der Angehörigen
(Pflege, Sozialdienst, Seelsorge, ...)
•  Geht nur im interprofessionellen Team
•  Weniger Medikalisierung /„medizinischer Lärm“
•  Vorausplanung in widriger Lebenslage
Eychmüller (2012); Malin (2004)
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SENS-Struktur bei Frau H
Inhalte
•  Symptome: Schmerzen (Nerven-) rechte Hand/ Arm;
Angst: Todesangst bei Blutungen; Angst vor
Einsamkeit
•  Palliative Care (PC) – was verstehen wir darunter
•  Vorausplanung durch „SENS“: Empowerment durch aktive
personen-zentrierte Vorausplanung
•  Entscheidungsfindung: «Gottverdammich», ich habe
bisher selbstständig gelebt; Angst vor Bevormundung,
Angst vor dem Sterben
•  PC und Notfall- bzw. Intensivpflegesituationen
•  Haben wir Beweise?
•  Schlussgedanken
•  Netzwerk: Inkonstanz der Betreuer; kein Platz in der
Herberge; der Hausarzt; die Schwestern
•  Support: die Geschwister, die Freundinnen, viele
Freiwillige
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Haupt-Trigger für ein PC-Konsil auf dem Notfall
PC und Notfallsituationen
«Surprise» question: Would you be surprised if this patient
dies within the next 6 to 12 months? è «red flags»
•  Allgemeine Notfallsituation z.B. Herzinfarkt,
Insult, Rückenmarkskompression
•  Herkunft des Patienten, bestehender DNR-Status
•  Mit der Grunderkrankung verknüpft z.B. epileptischer
•  Erfolgtes PC Konsil bzw. früher hospitalisiert auf PC-Abteilung
Anfall, akute arterielle / venöse Blutung
•  ≥ 2 Spitaleinweisungen wegen gleichem Symptom mit einer
unheilbaren bzw. degenerativen Erkrankung
•  Verschlechterung bereits bestehender Symptome z.B.
•  Fortgeschrittene Erkrankung mit vielfältigen Infektionen
Schmerzen, Dyspnoe
•  Bettlägerig mit fortgeschrittener Demenz
•  Erkrankungen z.B.
– Tumor / Knochenmetastasen
– fortgeschrittene COPD, Herzinsuffizienz, Nierenversagen, ...
Rosenberg & Rosenberg (2013)
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Assessment
Medizinische Optionen: wovon
profitiert der Patient ...
•  Grundsatz: „K.I.S.S.“
•  ... bezüglich welchem / wessen Ziel?
•  ... wann?
•  ... was sind die zu erwartenden Nebenwirkungen
(Aufwand/ Ertrag)?
•  ... welche Diagnose ist relevant in der NF-Situation –
welche für den Patienten?
•  Verschiedene Perspektiven einbeziehen
•  Optimale Strukturen und Koordination – wir besetzen
wertvolle Lebenszeit mit unseren Befragungen!
•  Fokussierung auf konkrete Ängste und Sorgen, aber auch
Ressourcen und Vorlieben
Woran leidet diese Person?
Was fehlt? Was tut ihr gut?
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Entscheidungshilfen
Beispiel Dyspnoe
•  (Mutmasslicher) Wille des Patienten
•  Ursachen z.B. pulmonal, kardial, neuromuskulär, abdominal
•  Wann? Was verstärkt / lindert?
•  Prävention - wenn möglich (z.B. Volumenüberlastung)
•  Vermeiden von Angst und Panik – mit Beteiligten üben!
•  Wille der Angehörigen
•  Prognose der Erkrankung
Patienten/Angehörigenedukation
5-Punkte-Plan bei Atemnotattacke
•  Anwesenheit einer Person –
beruhigend einwirken
•  Körperhaltung (z.B. Kutschersitz)
•  Fenster öffnen, Handventilator, O2?
•  Notfallmedikamente
•  Hilfe holen
•  bisherige Lebensqualität, zu erwartende Lebensqualität
nach Notfalleingriff
•  Patientenverfügung
•  Palliativnotfallplan
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Akute Blutung
Palliative Care ist Vorausplanung:
Ständige Arbeit am Calman - Gap
•  Ursachen z.B. Gerinnungsstörungen, exulzerierende
Tumoren / Metastasen, Gefässarrosionen
•  Ziel: Verhindern von Panik und Stress (Betroffener und
Angehörige)
•  Prävention z.B. Antikoagulation absetzen, Blutprodukte
•  Klärung ob bzw. wie eingegriffen werden soll (CPR, PV)
SOLL
•  Vorgehen bei massiver Blutung
– Ruhe bewahren
– Dunkle Tücher / OP Tücher bereithalten
– Lagerung
– Notfallmedikamente (Midazolam, Morphin) à 10 min
– Hilfe holen
Leiden
IST
Calman K C (1984)
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Inhalte
Palliative Care - evidenzbasiert
•  Palliative Care (PC) – was verstehen wir darunter
•  Vorausplanung durch „SENS“: Empowerment durch aktive
personen-zentrierte Vorausplanung
•  PC und Notfall- bzw. Intensivpflegesituationen
•  Haben wir Beweise?
•  Schlussgedanken
Temel, Greer et al., NEJM (2010)
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Zusammenfassung
Vorausplanung: frühzeitiges palliatives Assessment
ist „gold-wert“
Verglichen mit der Standard-onkologischen Versorgung hat
die integrierte PallCare geführt zu:
•  Verbesserter Lebensqualität
•  Vermindertem Distress
•  627 Pa'enten mit fortgeschri4enem Ca •  Longitudinale Studie „baseline“ bis Tod •  In 31% Assessment zum Thema Lebensende à Kosten 35% niedriger als bei Pa'enten OHNE Assessment •  Mehr akkurates Krankheitsverständnis
•  Bessere Dokumentation der Handlungen am Lebensende
•  Weniger aggressive Versorgung am Lebensende
„The mul'million dollar-­‐ conversa'on“ •  Längeres Überleben (Duplikation notwendig!)
Zhang et al, Arch Intern Med. (2009)
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Betreuung am Lebensende – die Schweiz im
Hintertreffen?
•  UK
•  Australien
•  Neuseeland
•  Irland
•  …
•  Schweiz: Rang 19
Am Lebensende braucht es mehr als nur
Fachpersonen.
Palliative Care braucht die Bereitschaft
von jedem von uns, sich mit der eigenen
Endlichkeit auseinanderzusetzen.
Palliative Care = Helfer bei der
Volkswirtschaftliche
Anreize?
Weniger betriebswirtschaftlich?
Wiedereinführung der Endlichkeit in die
Medizin
(Economist Report 2010)
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Was wird bezahlt am Lebensende?
Was ist «Spitzen – Care» am Lebensende?
Zum Schluss...
Indikationsqualität medizinischer
Interventionen am Lebensende - mit
gleich langen Spiessen messen:
Im Normalfall
lieber kein Notfall !
• ein Stent, eine Chemotherapie oder eine
Radiotherapie wird bezahlt
• Home Care und Palliative Care ?
à Die nationale Strategie Palliative Care
CH: top in „acute care“ – eher flop in „chronic care“?
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