Potpourri Titelstory / Interview mit einem Investor „Wir maßen uns keine Marktmeinung an“ Smart Investor im Gespräch mit dem Fondsberater Frank Lübberstedt von der Ehrke & Lübberstedt AG über seinen persönlichen Value-Ansatz und die in seinen Augen interessantesten Titel auf dem deutschen Kurszettel Smart Investor: Herr Lübberstedt, ganz generell gesprochen,worauf achten Sie bei Ihren Investments und wie identifizieren Sie Value-Titel? Lübberstedt: Wichtig sind für uns die Bilanzqualität, die Qualität des Managements, der „Moat“1 und die Bewertung der Aktie. Erkennen wir mögliche Trigger, die zu einer Neubewertung führen könnten, sehen wir dies als Pluspunkt an. Diese sollten jedoch aus dem Unternehmen und nicht durch die Konjunktur kommen, denn wir maßen uns keine Marktmeinung oder makroökonomische Einschätzung an. Unser Anlageuniversum ist der gesamte deutsche Aktienmarkt. Ein einzelner Wert sollte innerhalb von drei Jahren mindestens 30% Kurschance auf den von uns berechneten fairen Wert haben – und dies ohne eine Ausweitung der KGVs oder sonstiger Multiples. Frank Lübberstedt (Jahrgang 1966) ist Vorstand und Gründer der Vermögensverwaltung Ehrke & Lübberstedt AG. In Zusammenarbeit mit der Frankfurter Acatis GmbH verwaltet er den Acatis Aktien Deutschland ELM Fonds (WKN 163701) und den Acatis ELM Konzept Fonds (WKN A0LGV7). Mit beiden Fonds versucht Lübberstedt durch aktives Stockpicking und antizyklisches Agieren mit deutschen Standard- und Nebenwerten eine Outperformance zu den bekannten deutschen Aktienindizes zu erzielen. Seit Auflage im Jahr 2003 konnte der Acatis Aktien Deutschland ELM Fonds um 447% zulegen. 76 Smart Investor 8/2015 Smart Investor: Unter diese Kategorie fallen bei Ihnen jedoch auch weniger klassische Value-Aktien, wie z.B. das Biotech-Unternehmen MorphoSys. Wo identifizieren Sie hier Value? Lübberstedt: Sie haben recht, Biotech ist und bleibt schwer verständlich. Bei MorphoSys stimmen jedoch die Bilanz und die Qualität des Managements. Das Geschäftsmodell besitzt durch die schwer kopierbare Antikörperbibliothek einen enorm hohen „Moat“, durch die Vielzahl an Wirkstoffen ist das Risiko zudem enorm gestreut. Das Chancen-Risikoverhältnis ist also wirklich gut. Zuletzt haben wir einige Gewinne mitgenommen, sind jedoch immer noch mit einer kleinen Position dabei. Smart Investor: Mit Eurokai haben Sie einen weiteren substanzstarken Titel in Ihren Fonds. Lübberstedt: Mir gefällt besonders, dass die Aktie bei geringer Volatilität konträr zu den Märkten läuft. Die Großaktionärsfamilie Eckelmann hat in der Vergangenheit langfristigen Weitblick bewiesen und das Unternehmen auch international sehr gut aufgestellt. Selbst in der Krise 2009 konnte Eurokai noch zweistellige EBIT-Margen realisieren, die Terminals des Unternehmens scheinen enorm krisenresistent zu sein. Smart Investor: Der Tiefseehafen in Wilhelmshaven dagegen ist noch immer defizitär … Lübberstedt: Aktuell ist er dies tatsächlich, mittelfristig ist der JadeWeserPort jedoch ein Katalysator für eine mögliche Neubewertung. Die Auslastung wird jetzt immer besser, nach einem jahrelangen Überangebot von Containerschiffen werden die neuen Modelle nun tatsächlich langsam zu groß für die konventionellen Häfen. Bei einem Break-even in Wilhelmshaven würde sich im Konzern nach unseren Berechnungen eine Ergebnisverbesserung von bis zu 0,70 EUR je Aktie ergeben. Smart Investor: Eine weitere Überschneidung unseres Musterdepots und Ihres Portfolios ist der Finanzdienstleister Grenkeleasing. Was gefällt Ihnen an dem Unternehmen? 1) Markteintrittsbarrieren 8/2015 Smart Investor Lübberstedt: Ich müsste anders herum antworten: Es gibt eigentlich nichts, was mir nicht gefällt. Das Unternehmen ist fast das perfekte Beispiel dafür, wie ich mir ein Unternehmen vorstelle. Grenkeleasing ist inhabergeführt, hat mit seinem kleinteiligen IT-Leasinggeschäft kaum Risiken auf der Bilanz und hat in etwa einer Dekade den gesamten deutschen Markt aufgerollt. Gestützt wurde die Expansion durch ein perfekt abgestimmtes IT-System. Darauf basierend rollt das Unternehmen nun mit einer sehr langfristig angelegten Strategie sein Geschäftsmodell in ganz Europa aus und geht dabei sehr vorsichtig vor – zunächst häufig über einen Franchisepartner, jedoch mit einer später auszuübenden Kaufoption für das Geschäft. Erst wenn ein Büro ausgelastet ist, gibt es einen weiteren Standort in einem Auslandsmarkt. Den fairen Wert der Aktie sehen wir deutlich über dem aktuellen Kursniveau bei rund 130 EUR. Smart Investor: Mit dem Fondsmanager Armin Zinser haben wir erst kürzlich über die existenzbedrohliche Situation für viele Lebensversicherer durch die Nullzinsen gesprochen. Können Sie vor diesem Hintergrund mit der Allianz als zweitgrößter Portfolioposition noch gut schlafen? Lübberstedt: Durchaus, denn die Allianz ist relativ global aufgestellt und besitzt neben dem klassischen Versicherungsgeschäft mit PIMCO auch noch eine große Vermögensverwaltungssparte. Wir bewerten die Bilanz- Jeder einzelne Wert im Fonds sollte innerhalb von drei Jahren mindestens Kurschancen von 30% bieten. qualität als außerordentlich, die Managementqualität genauso. All dies haben wir zum Fünffachen des EBIT kaufen können – ein deutlicher Bewertungsabschlag zum DAX. Mit Ausnahme der Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise notierte die Allianz-Aktie jedoch historisch meist mit einem Aufschlag zum Gesamtmarkt. Wir glauben daher, dass über die Zeit zumindest der bestehende Abschlag reduziert werden sollte. Smart Investor: Gilt gleiches auch für die Münchener Rück? Lübberstedt: Das würde ich so sehen. In einer Krise kippen doch immer die Versicherungen mit den unsolidesten Bilan- zen. Die Münchener Rück ist jedoch das exakte Gegenteil – kaum eine Rückversicherung agiert so risikoavers am Markt. Zudem gibt es hier keine Probleme aus dem Lebensversicherungsbereich. Dagegen drängt aufgrund des billigen Geldes zunehmend branchenfremdes Kapital in den Rückversicherungsmarkt. Dies werden jedoch die ersten Adressen sein, die auch wieder aus dem Markt ausscheiden. Zuletzt ist die Aktie jedoch schon gut gelaufen, wir haben unsere Position daher etwas reduziert. Smart Investor: Herr Lübberstedt, besten Dank für das Gespräch. Interview: Christoph Karl 8/2015 Smart Investor 77
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