uhren - Die Welt

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April 2016
April 2016
Das deutsche Wirtschaftsmagazin
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Wie Konzernchef Oliver Bäte die
reformieren will –
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Oliver Bätedabei
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entstehen. Unsere Mitarbeiter begleiten Social Start-ups wie „Über den Tellerrand“
ehrenamtlich und stehen mit hohem persönlichen
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unternehmerische Fragen geht wie Wachstum, Finanzierung und Kommunikation.
Die Bank unterstützt zudem viele Initiativen durch Spenden. So leisten wir einen
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Beitrag für die Entwicklung sozialer
Gründerideen in Deutschland.
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VORWORT
BILANZ / APRIL / 2016
ZU GRÜN FÜR DIE ALLIANZ?
Die Vorgänger von Oliver Bäte an der
Allianz-Spitze, liebe Leser, trugen einen Schmiss auf der Wange (Henning
Schulte-Noelle) oder waren stur und
streng wie ein Ostwestfale (Michael
Diekmann). Man kann sich vorstellen, welche Irritationen in dieser herrisch-steifen Aktiengesellschaft ein
Manager wie Bäte hervorruft, der einen
lockeren Umgangston pflegt, E-Mails
an Stabsstellen und Hierarchen vorbei
selbst beantwortet, auch gern persönlich zum Telefon greift und von den mehr als 140.000 Beschäftigten erwartet, dass sie künftig schneller und kundennäher
arbeiten und dass der ganze Konzern überhaupt und vor allen
Dingen digitaler, dezentraler und multikultureller werden solle.
In die Kohle-Industrie will die Allianz nicht mehr investieren. Der frühere McKinsey-Berater Bäte sei „grün in seinem
Herzen“, sagen seine Presseleute. Er habe „Kinder, die an Wale
und Regenwälder denken, das bestimmt sein Denken“.
Wenn Bäte umsetzt, was er plant, wird man in fünf Jahren
den Erkennungsdienst rufen müssen, wenn man die Allianz
finden will. Die Lust auf Veränderung im Hause ist groß, aber
die Verunsicherung auch. BILANZ-Autor Bernd Ziesemer hat
sich mit Oliver Bäte über seine Pläne unterhalten.
Am 23. Juni stimmen die Briten über
den Verbleib ihres Landes in der EU
ab. Wir sprachen darüber in London
mit dem Fondsmanager und Milliardär Jim Mellon, der ein entschiedener
Gegner der Brüsseler Politik ist und
unbedingt für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stimmt.
Seine Landsleute, sagt Mellon,
wollten nicht mehr, sondern weniger
Bürokratie, nicht mehr, sondern weniger Integration. Sie wollten nicht nur
ein Teil Europas, sondern ein Teil der ganzen Welt sein.
Man mag dazu stehen, wie man will. Aber zweifellos ist Mellons Haltung erfrischend frei von jenem schwülen Pathos, mit
dem die Wächter der europäischen Idee hierzulande über die
EU sprechen – die Erosion der nationalen Souveränität aber
zur Bagatelle herunterspielen und das strukturelle DemokratieDefizit der EU gleich ganz zum Tabu erklären.
In der Uhren-Industrie spielen Frauen eine immer größere Rolle. In unserem Uhren-Spezial stellen wir drei wichtige
Vertreterinnen der Branche vor, darunter die frühere KarstadtChefin Eva-Lotta Sjöstedt, die heute Georg Jensen führt.
KLAUS BOLDT / Chefredakteur
UNSERE KOLUMNISTEN AUF WWW.BILANZ.DE
THOMAS PIKETTY
FRANK DIEVERNICH
LUDOVIC SUBRAN
„Für Deutschland und Frankreich
wird es höchste Zeit,
die Initiative zu ergreifen und
Europa und seinem Integrationsmodell neue Impulse zu geben.“
„Ordnung ist das Paradigma der
Neuzeit und findet sich in der organisationalen Form der Bürokratie wieder.
Sie entpuppt sich jedoch als der falsche
Freund des 21. Jahrhunderts.“
„Die Metallbranche muss sich
im Triathlon aus Nachfrage, Preisen
und Verschuldung messen.
Der Energiesektor tritt im Marathon
der niedrigen Ölpreise an.“
DER FRANZÖSISCHE ÖKONOM
KRITISIERT IN SEINER KOLUMNE DIE ZUNEHMENDE
ISLAMFEINDLICHKEIT IN EUROPA.
DER PRÄSIDENT DER FRANKFURT
UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES ÜBER
ORDNUNGSLOGIK IM MANAGEMENT.
DER CHEFVOLKSWIRT DES KREDITVERSICHERERS EULER
HERMES VERGLEICHT DEN WETTBEWERB DER
WIRTSCHAFT MIT EINEM OLYMPISCHEN WETTKAMPF.
FOTOS: ULRICH MAHN, LE MONDE, EULER HERMES,
FRANKFURT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES
5
BILANZ / APRIL / 2016
AUS DER REDAKTION
Eva-Lotta Sjöstedt war freundlich,
aber kurz angebunden: Ich hatte
nur zehn Minuten, um sie auf der
Baseler Uhrenmesse zu fotografieren.
Meine erste Idee, sie ins Treppenhaus zu stellen, lehnte sie ab:
Die dunkelgrüne Wandfarbe passe
nicht zum dezenten Image ihres
neuen Arbeitgebers Georg Jensen.
Dreimal traf ich mich mit dem
Düsseldorfer Immobilien-Manager
Uwe Reppegather, zuletzt in seinem
Büro in Düsseldorf. Zum Ende hin
verspürte er immer weniger Lust,
meine Fragen nach seiner Biografie
zu beantworten, dabei ist sein
Aufstieg vom Hauptschüler zum
Milliardär doch sehr erzählenswert.
Für meine Blockchain-Recherchen
habe ich 0,05 Bitcoin gekauft
und damit einen Tee und einen Kaffee
bezahlt. 0,003 Bitcoin habe ich
versehentlich an ein falsches
Portemonnaie überwiesen. Der Rest
hat zwar drei Prozent an Wert
verloren, reicht aber hoffentlich noch
für ein Mittagessen...
CHRISTIAN GRUND
STEPHAN KNIEPS
JAN VOLLMER
INHALT
N
14
Gesunken: Deutschlands
einzige Segelreederei
ist insolvent. Warum?
NAMEN & NACHRICHTEN
10
KALI+SALZ Börsenwert halbiert, jetzt reicht’s: Der Aufsichtsrat will
einen neuen Vorstandschef
11
DEUTSCHE BÖRSE Der Widerstand gegen die geplante Fusion
mit der Londoner Börse wächst – aber jetzt kommt Achleitner
12
AUF EIN WORT Mietwagen-König Erich Sixt sagt, warum er sich bei der Arbeit
besser amüsiert als in der Freizeit und weshalb er Elektroautos skeptisch sieht
14
SEGELSCHIFF-REEDEREI Warum ist die „Undine“ abgesoffen?
14
CARGOBEAMER Prominente Finanziers und der Genosse der Bosse als Berater
U
UNTERNEHMEN & MÄRKTE
18
ALLIANZ Eitler Egomane oder mutiger Neuerer?
Der neue Chef Oliver Bäte wirbelt mächtig Staub auf
24
KOLUMNE Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Kaden
über Deutschland als Niedrigsteuerland
24
27
Da stirbt man gern:
Die Erbschaftssteuern sind
konkurrenzlos niedrig.
ARBEITSRECHT Fachanwalt Peter Rölz beschreibt, wie sich
Geschäftsführer gegen den Rausschmiss wehren können
28
INTERVIEW „Die EU ist wie die ,Titanic‘“ – der britische Manager
Jim Mellon erklärt, warum er für den EU-Ausstieg ist
FOTOS: CHRISTIAN GRUND, MAREIKE FOECKING, SAMUEL ZUDER
ILLUSTRATIONEN: MATHIS REKOWSKI, STEVEN WILSON
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BILANZ / APRIL / 2016
INHALT
Schnitt: zeitlos.
32
KARRIERE M illiardär werden? Ganz einfach, sagt Uwe Reppegather –
versuch’s mal mit Immobilien. Bei ihm hat’s geklappt
38
HAUPTVERSAMMLUNGEN So wird’s nicht langweilig:
Was Aktionäre die Vorstände fragen sollten
40
MODE-INDUSTRIE Die deutschen Marken sind out –
was machen Boss, Strenesse, Escada und Gerry Weber falsch?
46
WIE GEHT’S EIGENTLICH... Bob Lutz und Edzard Reuter?
I
Mit Software von DATEV.
IDEEN & INNOVATIONEN
48
FINANZWIRTSCHAFT W issen Sie, was Blockchain ist?
Das nächste große Ding im Geldgewerbe
54
JUSTIZ Automaten statt Advokaten:
Bald übernehmen Rechner viele klassische Anwaltsarbeiten
58
START ME UP! BILANZ-Gründerwettbewerb:
Investor Carsten Maschmeyer über seine
Einstiegskriterien/Besuch bei Deposit Solutions
U
Kaufmännische Prozesse: up to date.
UHREN-SPEZIAL
63
INVESTIEREN Auch bei Uhren gibt es wertvolle Oldtimer –
welcher Kauf lohnt
68
KARRIERE Eva-Lotta Sjöstedt –
die gescheiterte Karstadt-Chefin verkauft jetzt Uhren
72
TECHNIK Jede Marke will eigene Werke
75
EXPERTE Jörn Kengelbach über die Geheimnistuerei
der Hersteller
76
MANAGERINNEN I Sandrine Stern kreiert für Patek Philippe
78
UHREN-AFICIONADOS Sechs ganz persönliche Lieblingsstücke
80
MANAGERINNEN II Kult bei Cartier: Carole Forestier-Kasapi
Für perfekt geschneiderte Kleidung muss man sein
P
PRIVAT
82
KUNST Max Hollein über Kunstwerke,
die als Lifestyle-Produkte daherkommen
84
KOCHEN Fred Baader probiert den Weißwein „Y“:
kostet 200 Euro und hat eine Geschichte
106
BILANZ-GEWINNERIN 20 Jahre McKinsey, jetzt ab in den
Commerzbank-Vorstand: die Karriere von Bettina Orlopp
105
Register, Impressum
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NAMEN / NACHRICHTEN
K+S
VOR DER HACKE IST ES DUSTER
Norbert Steiner hat den Düngerkonzern K+S in die Krise hinein- und aus dem Dax
hinausmanövriert. Finanzvorstand Burkhard Lohr soll den Unglücksritter jetzt ablösen.
10
Wie man die Darbietungen von Norbert Steiner (61), Chef des Düngerund Salzfabrikateurs K+S, zu bewerten hat, darüber sind durchaus unterschiedliche Meinungen im Umlauf.
Die Einnahmen des Kasseler Unternehmens kletterten im vergangenen
Jahr um ordentliche neun Prozent auf
4,2 Milliarden Euro, der Vorsteuergewinn wölbte sich gar um ein gutes Fünftel auf 782 Millionen Euro.
Doch das Urteil der Aktionäre ist vernichtend: Der Börsenwert von K+S hat
sich in den vergangenen neun Monaten
Das Geschäftsmodell von
K+S bröckelt, der Aktienkurs auch.
Jetzt muss ein neuer Chef ran.
fast halbiert; im März wurde K+S des
obersten Börsenindexes Dax verwiesen;
über ein halbes Dutzend Führungskräfte hat das Haus verlassen, und zu allem
Überfluss läuft gegen Steiner auch noch
eine Klage wegen angeblicher Umweltsünden des Konzerns.
Im Aufsichtsrat erhebt sich Protest,
tonangebende Mitglieder wollen Steiner das Handwerk legen, am liebsten
Illustration / MATHIS REKOWSKI
noch vor der Hauptversammlung am
11. Mai.
Als Nachfolger ist Finanzvorstand
Burkhard Lohr (53) ausersehen. Mit
dem neuen Mann, dahin geht ihr psychologisches Kalkül, würden die aufgebrachten Aktionäre beim Zusammentreffen nicht nur über das Debakel des
vergangenen Jahres sprechen wollen,
sondern lieber über die Aussichten, die
die Zukunft bietet. Doch warum will
K+S den Altmeister Steiner unbedingt
loswerden, trägt er die Schuld am Börsen-Fiasko?
BILANZ / APRIL / 2016
Angesichts der Tatsache, dass sich
alle K+S-Aktien in Streubesitz befinden und kein Hauptgesellschafter für
Ordnung sorgt, hat sich der Jurist
Steiner – seit 2000 bei K+S, seit 2007
ihr Vorstandschef – angewöhnt, das
Unternehmen wie ein Junker auf die
herrische Art zu führen. Demonstrationen gegen sein Regime werden von
ihm zwar nicht gewaltsam niedergeschlagen, Widerstandsnester aber
ausgeräuchert, und bei Kritik wird auf
fiese Weise weggehört.
Vieles hat man ihm verziehen, aber
eines eben nicht: dass er vor einem
halben Jahr den Übernahmeversuch
des kanadischen Konkurrenten Potash
vereitelt hat. Die Kanadier waren auf
die Ertragsstärke der Deutschen aufmerksam geworden und bereit gewesen, stolze 41 Euro je Aktie zu bezahlen. Steiner lehnte ab: Das sei zu wenig. Er wollte sich das, was er für sein
Lebenswerk hält, nicht für einen Appel
und ein Ei aus der Hand nehmen lassen. Heute kosten die K+S-Papiere an
der Börse noch gut 20 Euro.
Im K+S-Vorstand hatte es nur einen gegeben, der die informelle Potash-Offerte für durchaus überlegenswert hielt:
Kali-Chef Andreas Radmacher (50). Er
soll die Behauptung, dass die Kanadier
hiesige Arbeitsplätze zernichten würden, für wenig sachkundig gehalten haben: Potash hätte eigene Produkte gar
nicht wettbewerbsfähig nach Europa
liefern können, sondern wäre auf K+S
angewiesen gewesen.
Das war ein etwas zu selbstbewusster Auftritt. Radmacher, der schon als
möglicher Steiner-Nachfolger galt,
wurde klargemacht, dass er nur noch
eine übersichtliche Zukunft bei K+S
hätte. Im Februar verließ er die Firma.
Auch andere ergriffen die Flucht:
darunter der Chefkontrolleur, der
IT-Leiter und der Vorsteher der Unternehmensentwicklung. Sie alle kamen
nicht aus dem K+S-Nachwuchs, sondern von anderen Vereinen – und
hielten es nicht lange bei K+S aus.
Steiner muss sich derweil mit Umweltproblemen herumschlagen. Zum
einen hat die Staatsanwaltschaft
Meiningen Anklage gegen ihn selbst,
seinen Vorgänger und Aufsichtsratschef Ralf Bethke (73) und zwölf weitere K+S-Manager erhoben: K+S habe
salzhaltige Abwässer in den thüringischen Boden versenkt und sich die
Genehmigung dafür durch illegale
Machenschaft bei der Aufsichtsbehörde ergaunert, was K+S bestreitet. Die
Staatsanwälte fordern 325 Millionen
Euro Schadenersatz.
Doch auch in Hessen hat Steiner Abwasserprobleme: Das Regierungspräsidium Kassel erteilte nur eine vorübergehende und stark beschränkte
Genehmigung für die Versenkung
von Salzlaugen in den Untergrund.
Das Verfahren für die Genehmigung
einer Rohrleitung, die Abwasser in
die Oberweser leiten soll, wurde ausgesetzt.
Ehemalige K+S-Leute sagen, dass
man die Konflikte politisch hätte lösen können. Doch Steiner verfüge
nicht über die Beziehungen ins Ministerium.
Die Folgen sind ernst: Schon jetzt
muss das Unternehmen seine KaliProduktion wegen der Auflagen der
Behörden drosseln. Bleibt es dabei,
droht der Verlust von mehreren Hundert Arbeitsplätzen. Ohne Versenkgenehmigung, heißt es intern, seien über
1.000 Stellen bedroht.
Die Geschäftsaussichten sind alles
andere als rosig. Wettbewerber aus
Nordamerika sowie Russland und
Weißrussland machen K+S das Leben
schwer.
Steiners Vertrag läuft im Mai 2017
aus. Erfüllen dürfen wird er ihn
nicht. Sein designierter Nachfolger
Lohr, der 2012 von Hochtief zu K+S
gewechselt war, ist in den vier Jahren
im Vorstand kein Freund von Steiner
geworden. Vertraute berichten, dass
er sein Amt aus Groll über den sturen
und gebieterischen Steiner schon niederlegen wollte – nur mit Mühe soll
ihn der Vize-Aufsichtsratschef, Gewerkschaftsleiter (IG BCE) Michael
Vassiliadis (52), zum Bleiben überredet haben. Sein bestes Argument:
Geduld zahlt sich aus.
N
DEUTSCHE BÖRSE
PLATZANGST
Immer Ärger mit der LSE –
doch nun kommt Achleitner.
Als Carsten Kengeter (49) im Juni 2015
Chef der Deutschen Börse wurde, legte er los wie ein Hochfrequenzhändler
unter Starkstrom: Er fädelte Kooperationen ein, startete eine neue Handelsplattform, ließ das Management in
eine neue Vorstandsstruktur kreiseln,
trennte sich von 200 Mitarbeitern –
und erntete in Mainhattan respektvollen Beifall. So viel Schwung an ihrer
Börse hatten die Mitglieder der Finanzgemeinde lange nicht erlebt.
Die Wertschätzung hat sich freilich
ins Gegenteil verkehrt, seit Kengeter
im Februar mit seinem Plan vorstellig wurde, die Deutsche Börse mit der
London Stock Exchange (LSE) zusammenzulegen. Die Deutschen sollen an
der neuen Obergesellschaft zwar die
Mehrheit erhalten und mit Kengeter den Chef stellen, als juristischer
Hauptsitz der Superbörse ist allerdings London vorgesehen.
Das Vorhaben hat eine Gegenbewegung
mobilisiert, wie man sie sonst nur aus
Kreisen des Wutbürgertums kennt.
Gewiss, die Kritik von DZ-Bank-Primus Wolfgang Kirsch über Privatbankier Friedrich von Metzler bis hin zum
hessischen Sparkassenchef Gerhard
Grandke richtet sich nicht gegen das
Bündnis als solches. Der Hauptsitz aber
müsse, bitte schön, in Frankfurt sein, im
Zentrum der größten Volkswirtschaft
Europas, bei der Euro-Zentralbank,
und nicht auf einer Insel, die womöglich bald aus der EU austrete. Sonst,
fürchtet man, sei der Niedergang des
Finanzplatzes Frankfurt vorgezeichnet,
das tragische Ende einer 500-jährigen
Börsentradition.
Kengeter und sein Oberaufseher Joachim Faber (65) könnten die Kritik locker nehmen, denn ihre Aktionäre befürworten den Handel. Das Problem ist:
Die hessische Landesregierung kann
11
NAMEN / NACHRICHTEN
12
den Zusammenschluss blockieren. Und
sie nimmt die Kritik ernst.
Deshalb blies Kengeter zur Charmeoffensive. Allein drei PR-Agenturen
werben für seinen Plan, dazu noch
Berater und Anwälte. Zeitweise hieß
es, der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (58) gehöre
zu den Helfern, was dieser aus dem
Urlaub in Neuseeland dementieren
ließ. Die Herren kennen sich zwar gut,
Koch ist auch als Anwalt für eine Beteiligungsgesellschaft tätig, in der Kengeter Großgesellschafter sei. Er, Koch,
werde aber niemals als Lobbyist für
die Börse arbeiten.
Derweil doziert Kengeter in Interviews und Hintergrundgesprächen,
warum das Bündnis für Frankfurt keine Bedrohung, sondern von Vorteil
sei. Auf einer Betriebsversammlung
listete er alle Pro-Argumente auf und
bilanzierte schließlich, die Fusion sei
„gottgewollt“.
Die Kritiker reagierten prompt. In der
„Börsenzeitung“ wetterte der frühere Deka-Chef Manfred Zaß, die Beschwichtigungen klängen „wie eine
Investmentbanker-Märchenstunde“,
und diagnostizierte eine „Schieflage
zulasten Frankfurts“.
Doch bald bekommt Kengeter Verstärkung: Zur Hauptversammlung
rückt Ann-Kristin Achleitner (50) für
Gerhard Roggemann (68) in den Aufsichtsrat der Börse und kommt ihrem
Gatten, der das Kontrollgremium der
Deutschen Bank moderiert, beruflich
damit näher. Paul Achleitner (59), seit
besseren Investmentbanker-Zeiten bei
Goldman Sachs ein Spezi von Kengeter,
teilt sich in München ein Büro mit Faber. Seine Frau kennt die handelnden
Akteure also bestens, ist aber auch mit
Börsenthemen vertraut. Mit dem legendären Oberbörsianer (1993 bis 2005)
Werner G-Punkt Seifert, einem ihrer
frühen Förderer, ist sie per du. Seifert
(66), der sich zweimal vergeblich um
ein Bündnis mit der LSE bemüht hatte,
darüber den Job verlor und (steuer-)
fluchtartig Frankfurt in Richtung Irland
verließ, kann ihr sicher wertvolle Tipps
für den Posten geben.
N
Deutschlands MietwagenKönig Erich Sixt über
das „Modewort“ Mobilität
und die Elektro-Illusion.
Herr Sixt, Ihre Firma hat mit
1,94 Mrd. Euro einen Rekordumsatz verbucht; Sie sind 71, könnten Ihren Hobbys nachgehen, dem
Wandern, der Fliegerei. Wieso
arbeiten Sie noch?
Ein Unternehmer geht nicht in den
Ruhestand, weil er ein bestimmtes Alter erreicht hat. Er möchte sein Unternehmen in jedem Alter weiter voranbringen. Sixt hat sich gerade in den
vergangenen Jahren sehr erfolgreich
entwickelt und ein Rekordjahr nach
dem anderen verzeichnet. Das ist eine
Entwicklung, die mir größere Freude
bereitet, als dies jede Freizeitbeschäftigung könnte.
Mit BMW betreiben Sie
B
den Gemeinschaftsauto-Vermieter
Drive Now, Ihr ChauffeurService My Driver macht Uber
Konkurrenz. Planen Sie weitere
Mobilitätsangebote?
Mobilität ist heute fast ein Modewort
geworden. Jeder will Mobilität anbieten. Wir bei Sixt verstehen darunter
zunächst einmal eine Dienstleistung.
Wir machen unsere Kunden mobil,
indem wir ihnen maßgeschneiderte
Produkte mit Top-Service anbieten.
Mobilität für wenige Minuten in der
Stadt, Mobilität für ein paar Tage oder
für mehrere Jahre. Gemein ist all unseren Angeboten: Der Kunde zahlt nur
B
für die konkrete Nutzung eines Autos,
er muss und will auch oftmals kein
Fahrzeug mehr besitzen. Das ist der
große Trend.
B
In absehbarer Zeit werden
Autos wohl selbstständig fahren.
Was bedeutet das für das SixtGeschäftsmodell?
Das ist gut für uns, denn das Mobilitätsbedürfnis der Kunden wird dadurch ja nicht geringer. Allerdings
glaube ich, dass es noch eine ganze
Weile dauern wird, bevor das autonome Fahren in großem Stil Wirklichkeit wird.
B
Trägt Sixt als Deutschlands größter Autovermieter eine Verantwortung, die Elektromobilität zu
fördern?
Autovermieter verhalten sich opportunistisch. Wir bieten jene Modelle und
Antriebe an, die die Kunden nachfragen. Sollten dies eines fernen Tages
wider Erwarten Elektroautos sein,
dann werden wir eben viele Elektroautos kaufen.
B
Wider Erwarten?
Die eine Million Elektroautos, die
die Bundesregierung bis 2020 auf
die Straße bringen will, sind komplett
illusorisch. Das wird dauern, sofern
sich der Elektroantrieb überhaupt
durchsetzt.
B
In Europa teilt sich Sixt mit Avis
Budget Platz zwei hinter Europcar. Sie sagten, Sie hegten keine
Ambitionen auf den Spitzenplatz.
Warum?
Ich habe immer gesagt, dass Sixt nur
durch Akquisitionen in absehbarer
Zeit die Nummer eins nach Umsatz
in Europa werden kann. Es gibt jedoch derzeit kein Zielobjekt auf dem
Markt, das uns interessieren würde.
Außerdem geht es nicht nur um Größe.
Viel wichtiger ist Profitabilität. Und in
diesem Punkt ist Sixt nach unserer
Kenntnis der profitabelste internationale Autovermieter weltweit mit einer
Umsatzrendite vor Steuern von mehr
als zehn Prozent. Unsere wesentlichen
Wettbewerber schreiben entweder
Verluste oder liegen deutlich unter
dieser Rendite.
N
„Auf ein Wort“ ist eine Gesprächsreihe von
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BILANZ / APRIL / 2016
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NO SWEAT
NAMEN / NACHRICHTEN
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CARGOBEAMER
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Deutschlands einzige
Segelschiffreederei ist pleite.
Wer ist schuld?
Cargobeamer will die Lkw von der Straße holen: Schröder,
Mehdorn, Wössner und Ischinger sollen helfen.
Kapitän Torben Hass (41) zeigt Haltung: „Ich bleibe auf der Brücke, bis der
Letzte sicher von Bord gekommen ist.“
Der Chef der einzigen deutschen Segelschiffreederei ist, bildlich gesprochen,
auf Grund gelaufen: Das Unternehmen
ist Leck geschlagen, es sinkt.
Über Hass und seine „Undine“, einen
37 Meter langen Gaffelschoner, der 1931
vom Stapel lief und bis zu 70 Tonnen
Ladung und acht Passagiere transportieren kann, war 2013 bundesweit berichtet worden: Damals nahm der Reeder den Liniendienst zwischen Hamburg und Sylt auf, transportierte Fracht
wie Dünger oder Pflastersteine auf die
Insel. Es war eine nette Story, aber ein
lausiges Geschäftsmodell.
Die Schuld am Untergang trage, Hass
zufolge, sein früherer Steuerberater
Thomas Götz: In einem Schreiben
wirft er ihm „grobes Fehlverhalten“
und „kriminelle Energie“ vor. Götz soll
gegenüber Bahn-See als Sozialversicherungsträger „falsche, fehlerhafte“ Meldungen abgegeben haben. Die Knappschaft forderte Beiträge nach, Hass
konnte nicht zahlen, darauf stellte sie
Insolvenzantrag. Der Steuerberater äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen. Am Ruder steht Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt, der
auch das Traumschiff „MS Deutschland“ abgewickelt hat.
N
Logistiker finden den Laden spannend, Grüne mögen ihn sowieso:
Cargobeamer, ein Unternehmen, das
Lkw-Anhänger mit einer patenten Verlade-Idee schnell und einfach auf Güterwaggons setzt, ohne dass es dazu
extra einen Container brauchte. Allerdings tut sich die in einem Leipziger
Gewerbegebiet ansässige Firma mehr
als schwer damit, die Kundschaft von
der Wirtschaftlichkeit ihres Konzepts
zu überzeugen. 13 Jahre nach der Gründung darf man Zweifel anmelden, ob es
überhaupt noch gelingt.
Die Finanziers üben sich derweil in
Geduld. Sie können sich auch Langmut leisten, unter ihnen finden sich einige große, alte Namen des deutschen
Industrieadels: In der Münchener Beteiligungsgesellschaft Nordwind, die
60 Prozent der Cargobeamer-Anteile
hält, haben sich unter anderem die
Familien Dornier, Flick und Wacker
(Wacker-Chemie) formiert sowie Jan
Klatten, Ehemann der BMW-Erbin Susanne Klatten. Die restlichen Kontingente befinden sich im Besitz der Altaktionäre, wie dem Chef und Erfinder
des Cargobeamer-Systems Hans-Jürgen Weidemann (53).
Auch der Beirat ist namhaft besetzt:
mit Altkanzler Gerhard Schröder, ExBahn-Chef Hartmut Mehdorn, dem
früheren Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner und Wolfgang
Ischinger, dem Leiter der Münchener
Sicherheitskonferenz.
Rat- sowohl wie Geldgeber führte
Nordwind-Chef Hans Albrecht zu
Cargobeamer. Die Sachsenfirma, sagt
der Mann, sei sein Lieblingsprojekt:
„Ich bin ja ein verkappter Grüner, und
Cargobeamer ist die effizienteste Art,
Kohlendioxid einzusparen.“
Illustration / MATHIS REKOWSKI
Das Verfahren ist denkbar einfach,
aber auch verwegen, es bildet eine
Kombination aus Stahlwanne und Umschlaganlage: Ein Cargobeamer-Terminal kann einen Zug mit 36 Waggons in einer Viertelstunde be- und
entladen – mit Kränen dauert es über
vier Stunden.
Der Clou des Systems sind die Stahlwannen: Sie können auch sogenannte
Sattelauflieger fassen, jenen Anhänger-Typ, in dem der Großteil der Güter
auf deutschen Straßen spediert wird,
der aber zu instabil ist, um mit dem
Kran verladen zu werden.
Aber eine gute Idee allein genügt
nicht, man muss sie auch verkaufen können. Bislang kommen die
Wunderwannen nur auf zwei Strecken zum Einsatz: seit April 2015 im
Gotthard-Tunnel und im VW-Werk
in Wolfsburg, wo über ein Cargobeamer-Terminal Produktionsmaterialien
angeliefert werden. Die Geschäfte haben bescheidenen Umfang: Der Cargobeamer-Umsatz beträgt fünf Millionen Euro.
Es sind vor allem die hohen Investitionskosten, die die Kundschaft abschrecken: Ein Terminal kostet zehn
bis 15 Millionen Euro. Die Stahlwannen schlagen mit 140.000 Euro pro
Stück zu Buche. Und in Branchenkreisen weiß man, dass Spediteure
sich erst dann für einen alternativen
Transportweg interessieren, wenn der
weniger kostet als die Expedition auf
der Straße.
Klatten und Konsorten lassen sich davon indes nicht entmutigen. Albrecht
wagt eine Prognose: „Ende 2018 werden 50 Cargobeamer-Züge unterwegs
sein, und spätestens dann ist das Unternehmen profitabel.“
N
BILANZ / APRIL / 2016
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UNTERNEHMEN / MÄRKTE
18
BILANZ / APRIL / 2016
Verwirrend modern
Erfrischend unkonventionell oder sprunghaft und selbstbezogen?
Am Allianz-Gouverneur Oliver Bäte scheiden sich die Geister.
Text / BERND ZIESEMER
Einmal im Jahr, im Februar, schieben
und drängen sich durch die Gänge und
Gelasse des Hotels Bayerischer Hof
am Münchener Promenadenplatz Nato-Generäle und kaukasische Potentaten, amerikanische Senatoren und
russische Sicherheitsleute, als wär’s
die Moosacher Kirchweih mit Freibier
für alle. Wladimir Putin war schon da
und Hillary Clinton gleich mehrfach,
Angela Merkel und König Abdullah
von Jordanien auch.
Die Münchener Sicherheitskonferenz gilt als wichtigster Almauftrieb
für auswärtige Angelegenheiten aller
Art. Bezahlt wird der Konvent nicht
zuletzt vom deutschen Versicherer
Allianz, der sogar den Conférencier der
Wehrkundetagung, Wolfgang Ischinger, bis ins vergangene Jahr hinein auf
seiner Soldliste führte als Generalbevollmächtigter für Regierungsbeziehungen.
Gegenleistungen verlangte die
Allianz dafür nicht – bis Oliver Bäte
(51) im vergangenen Mai den Vorstandsvorsitz übernahm. Während
sein Vorgänger Michael Diekmann
(61), der von 2003 bis 2015 seines Amtes gewaltet hatte, gewöhnlich und bescheiden in den mittleren Reihen des
Konferenzsaals Platz nahm, drängte es
Bäte mit Pep und Power auf die Bühne.
Auf der vergangenen Wehrtagung
zwängten ihn seine Mitarbeiter deshalb noch schnell in eine Podiumsrunde, wo sich der Allianz-Vertreter u.a.
mit dem früheren Greenpeace-Ma-
nager Kumi Naidoo, dem US-Senator
Sheldon Whitehouse und dem zwielichtigen Präsidenten Ilham Alijew aus
Aserbaidschan durch die Krisen in Syrien, Indonesien und jene des Klimas
und der Energie parlieren konnte.
Die Geschichte gilt Allianz-intern
als bezeichnend für den Geltungsdrang, der Bäte bisweilen übermannt.
Ob mit dem indischen Premierminister Narendra Modi, dem chinesischen
Pianisten Lang Lang oder den Delegierten der Vereinten Nationen: Der
neue Allianz-Chef liebt den großen
Auftritt, anders als der fast Reh-scheue
Hintergründler Michael Diekmann.
Bätes Verlangen, sich in Szene zu
setzen, irritiert viele Manager des Traditionsunternehmens. Denn dem neuen Chef fällt es nicht immer leicht, seine Worte und Auftritte zu portionieren.
Wenn Bäte auf seinem „I-Pad“ die
Nachrichten von Mitarbeitern persönlich – und an Stabsabteilungen und
Rangstufen vorbei – beantwortet, was
ja Ausdruck eines durchaus angenehmen, unprätentiösen Wesenszugs sein
kann, zucken Empfänger und (übergangene) Vorgesetzte gleichermaßen
zusammen.
Mit seinen öffentlichen Bemerkungen über Finanzanalytiker („Gewinnschätzungen sind mir Wurscht“),
Geldpolitiker („eine einzige Katastrophe“) oder Regulatoren („unsere
Kunden sollten denen mal schreiben“)
versetzt der Mann ganze AllianzAbteilungen in Aufregung.
FOTO: WOLFGANG STAHR
Größte Nervosität und Reizbarkeit im
konservativen Hause jedoch löst das
Thema Organisation aus: Bäte will
flachere Über- und Unterordnungsverhältnisse durchsetzen, die Ränge
schleifen, offiziell getarnt als „Vereinfachung überkomplexer Strukturen“.
Bäte, der das Unternehmen ohne
enge Vertraute mehr oder weniger im
präsidialen Alleingang regiert, hat in
den elf Monaten seiner Regentschaft
eine Verunsicherung im Management
ausgelöst, die beispiellos ist.
Die Frage, die die Anleger so umtreibt wie die Angestellten, lautet:
Weht hier ein frischer Wind durch
einen in Selbstgefälligkeit erstarrten
Konzern, oder dirigiert ein sprunghafter Solist ein Erfolgsunternehmen auf
einen ungewissen Kurs?
Mit 142.500 Mitarbeitern, einem
Rekordumsatz von 125 Milliarden Euro
und einem Rekordgewinn von nahezu
elf Milliarden Euro ist Europas umsatzstärkster Versicherungskonzern immer noch eine Gewinnmaschine und,
angesichts des krisenhaften Zustands
der Deutschen Bank, das zurzeit bedeutendste Finanzunternehmen des
Landes.
Zuverlässigkeit, Ansehen und Herkommen – diese Werte bestimmen
den Konzern, von dem man scherzhaft sagt, er könne es, was seinen unternehmensinternen Glaubenskanon
angeht, mit der katholischen Kirche
aufnehmen: Seit der Firmengründung
1890 verzeichnet die Allianz-Chronik
19
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
20
erst zehn Vorstandsvorsitzende, während es der Vatikan im selben Zeitraum auf elf Päpste gebracht hat.
Warum machen wir nicht einfach
weiter wie bisher?, fragen dieserhalb
etliche Manager im Hause. So viel ist
sicher, in der vierstöckigen Zentrale
des Versicherers, eines Verwaltungsbaus aus den 50er-Jahren am Rand
des Englischen Gartens, schätzt man
keine Alleingänge. Bätes Vorgänger
Diekmann war nachgerade öffentlichkeitsabgekehrt, der Mannschaftsgeist
spielt eine große Rolle in der Königinstraße, fehlende Ausstrahlung ist fast
eine Aufstiegsvoraussetzung.
Doch Bäte ist von anderem Naturell, er sorgt beständig für Verwirrung.
Offenbar muss er sich an seine neue
Rolle erst gewöhnen und daran, dass
man sehr genau hinhört, was er sagt,
und hinsieht, was er tut.
Als er im November vor Anlegern
die Firmenstrategie vorstellte, tat er
dies mit den Worten: „Wir sind kein
Kapital- oder Gewinnproduzent, wir
dienen der Gesellschaft.“ Allein, Gewinn und Kapital sind, was Investoren
am meisten interessiert.
Spielt er sich häufig gern in den
Vordergrund, lässt er bei anderer Gelegenheit wieder den Kollegen den
Vortritt. Auf dem Weltklimagipfel in
Paris Ende November hat nicht er die
überraschende wie publikumswirksame Beendigung der Allianz-Investitionen in die Kohle- und Ölindustrie
verkündet, sondern Andreas Gruber,
sein Chefanleger.
Dass die Allianz weiterhin mit Kohle-Industriellen Geschäfte macht und
sie versichert, gehört zu den Widersprüchen, die Bätes Geschäftspolitik
innewohnen.
Vor der Hauptversammlung, die am
4. Mai stattfindet, traf sich BILANZ
mit Oliver Bäte in München, sprach
mit ehemaligen und jetzigen Kollegen,
mit Kundigen aus der Branche und mit
Bätes Exkollegen bei der Unternehmensberatung McKinsey.
Wir unterhalten uns im Besprechungszimmer auf der Vorstandsetage. Bäte im dunkelblauen Sakko,
grauer Hose, hellblauem Hemd, alles
modisch eng geschnitten, und dazu
eine gestreifte Krawatte.
Er spürt natürlich die Verunsicherung, die er im Hause auslöst, führt ihre Ursache jedoch auf äußere Umstände und nicht auf sich selbst zurück:
„Alles ändert sich gegenwärtig in unserer Branche. Wir müssen viele fundamentale Fragen stellen. Das führt
natürlich auch zu Verunsicherung.“
Auf den ersten Blick sieht im Münchener Hauptquartier alles aus wie
gewohnt. Die Sessel stehen noch, und
die minimalistischen Strich-an-StrichBilder der Regensburger Künstlerin
Astrid Schröder hängen nach wie vor
dort, wo sie Diekmann anbringen ließ.
Doch Bätes Antrittsenzyklika,
seine Renewal Agenda, liest sich über
weite Strecken so aufrührerisch wie
jene Bulle, die Diekmann 2003 als
„Drei-plus-eins-Programm“ verkündet hatte.
Noch heute reden sie im Konzern
von den „Narben“ der damaligen Radikalkur. Bäte will unbedingt ein Trauma wie vor zehn Jahren verhindern, als
der Konzern nach heftigen Kostensenkungen aus dem Tritt geriet. Er betont
deshalb bei jedem Anlass, wie gut die
Allianz heute im Vergleich zu damals
dastehe.
Aber die Ruhe, die er auszustrahlen
glaubt, steht im Gegensatz zur Wirkung, die er entfaltet. Anders als seine
Vorgänger, die sachlich bis zur Langweiligkeit waren, nutzt Bäte ausgiebig
beide Gehirnhälften. Mag sein, dass
ihn Weggefährten aus seiner Zeit bei
McKinsey als „analytisch bis zum can’t
get no“ in Erinnerung haben, er selbst
sieht sich als „emotionaler Typ“.
Einerseits durchdringt der ehemalige Musterschüler (in Mathematik
immer eine Eins) die Herausforderungen, vor denen die Allianz steht, andererseits möchte der Opern-Liebhaber
seine Lösungsideen am liebsten gleich
hinausposaunen und -trompeten wie
den Triumphmarsch Gloria all’Egitto
aus Verdis „Aida“.
Jedes Wort auf Tauglichkeit zu
prüfen und als „ausgleichend zu wir-
ken“ (Bäte über Bäte), strengt den Eildenker fast körperlich an.
Nach nur anderthalb Jahren im
Allianz-Vorstand fühlte sich der Neuling schon 2009 stark genug, um mit
der ganzen Innung anzubinden („Arbeitsprozesse wie in den 50er-Jahren“) – im Konzern stöhnte man auf,
und Bäte nahm sich vor, künftig mehr
Zurückhaltung zu üben, zumal er
wusste, dass er seine Chancen auf die
Diekmann-Nachfolge durch unübliche Selbstdarstellerei nicht unbedingt
erhöhen würde. Doch nun, als neuer
Vorstandschef, gibt der Mann seinem
Drang wieder nach.
Im persönlichen Gespräch wirkt
Bäte überaus charmant, und auf der
Bühne – egal ob auf Deutsch oder im
exzellenten Englisch – ist er hellwach,
gewitzt und schlagfertig. Wo andere
ihre Rede abspulen, spricht Bäte nicht
zu, sondern mit seinem Publikum.
Er kann Themen setzen und Stimmungen heben. Das leichte Falsett seiner Stimme, mit der er auch ein Ständchen bringen könnte, und der erhobene
Zeigefinger stören kaum. Bei Belegschaftsrunden habe es schon „Standing
Ovations“ gegeben, wie Mitarbeiter erzählen. Und man kann sich vorstellen,
dass Bäte dies nicht missbehagt hat.
Verwirrung entsteht immer dann,
wenn die fixen Randbemerkungen des
Chefs im Gegensatz zu früheren Äußerungen stehen. Einige Beobachter wollen erkannt haben, dass Bäte je nach
Gesprächspartner mal dieses und mal
jenes gesagt habe, obwohl es um die
gleiche Sache geht. Um es freundlich
zu sagen: Er operiert zuweilen aus
dem Augenblick heraus.
Sich selbst sieht Bäte selbstverständlich nicht als Impuls-getrieben,
sondern als Mann des offenen Wortes.
Was eine löbliche Eigenschaft, bei der
Allianz aber unter allen Umständen
noch gewöhnungsbedürftig ist.
Bäte weiß auch um an die Kräfte
der Symbolik, deshalb
–
wählte er als Dienstwagen einen bescheidenen Elektro-BMW,
auch wenn in Köln, wo Frau, Sohn
und Tochter leben, ein Porsche vor
BILANZ / APRIL / 2016
Wo stehen die Fotografen?
Bäte mit dem Pianisten Lang Lang…
...mit Indiens Premierminister
Narendra Modi…
…und mit dem US-Senator
Sheldon Whitehouse.
der Tür steht (dieser gehört angeblich
seiner Gattin, die einem ungarischen
Adelsgeschlecht entstammen soll, wie
er, Bäte, die Freunde der Kölner Oper
e.V. wissen ließ, als er sich dort um
eine schließlich vergebliche Mitgliedschaft bemühte);
–
eilte er noch am Tag seiner Amtseinführung zu einer Betriebsversammlung nach Stuttgart, um Basisnähe zu
beweisen;
–
traf er sich zum Interview mit
einem Video-Blogger, um seine branchenuntypische Lässigkeit zu unterstreichen;
–
trank er ein Feierabend-Bier mit
dem Internet-Unternehmer Oliver
Samwer, um sich von der Schwermut
der alten Allianz abzusetzen;
–
fliegt er demnächst mit dem Vorstand zum Board Meeting nach New
York, um sich von der immer noch
vorherrschenden Deutschtümelei in
der Allianz-Zentrale zu distanzieren.
Man weiß in München auch nach
knapp einem Jahr noch nicht so recht
umzugehen mit dem neuen Boss und
den undeutlichen ausgeprägten Widersprüchen in seinen Aussagen – wobei es sich möglicherweise um unfertige Zwischenergebnisse der inneren
Dialoge von Verstand und Gefühl handelt. Der Rheinländer ist ein Mann dialektischer Denkweise und des Plans B,
ein Stratege der Parallelpermanenz.
Diese Neigung reicht aus den Tiefen seiner Biografie in die Gegenwart
hinein. Der junge Bäte hatte eine Lehre
bei der West LB absolviert und teilweise gleichzeitig in Köln studiert, für die
Bank anschließend in New York gearbeitet und nebenbei noch den akademischen Titel eines MBA an der Leonard
Stern School of Business erworben.
Noch heute hält Bäte diese Zeit der
Dauerdoppelbelastung für die schönste seines Lebens. Sein Professor Thomas Copeland brachte ihn danach bei
McKinsey unter, wo er schon bald als
Insecure Overachiever zur Geltung
kam, als Streber, der selbst bei Erfolgen nie zur Ruhe kommt.
Stets dachte Bäte zweigleisig
und, eigenem Bekenntnis zufolge, im
FOTOS: ALLIANZ, PICTURE ALLIANCE, MSC
Drei-Jahres-Rhythmus: Er machte sich
schnell einen Namen als Versicherungsexperte und begabter Akquisiteur von
Neugeschäft. Einerseits. Andererseits
suchte er schon früh den Absprung.
Der damalige Chef einer Kölner
Versicherung erinnert sich gut an einen fast überehrgeizigen Bäte, der bei
ihm schon bald Erkundigungen eingezogen hatte nach einem Posten im
Vorstand. Auch mit dem Unternehmer
und Gründer des Finanzvertriebs AWD
Carsten Maschmeyer war Bäte im Gespräch über eine Führungsaufgabe.
Daneben hat der Mann, dem man
eine Gesinnung nicht abspricht, die
den Grünen nahekommt, auch nach
Feierabend dem Verdi-Funktionär
Frank Bsirkse geholfen und den Ortspolitikern in Kampen auf Sylt, wo er
in bester Lage ein gutes Haus besitzt.
Erfolgreiche Unternehmensberater (und Bäte war sehr erfolgreich)
müssen zwei Begabungen miteinander
verbinden: Sie müssen vielschichtige
Probleme schnell erfassen – und ein
Gespür für die Wünsche ihrer Kun-
21
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
DIE GRÖSSTEN
VERSICHERUNGSKONZERNE
UMSATZ- UND KURSENTWICKLUNG DER ALLIANZ
KURS
2008 BIS 2016
Axa (F)
Allianz
11/2015:
168 EURO
Metlife (USA)
Japan Post Insurance (JPN)
Prudential Financial (USA)
Ping An Insurance (CHN)
7/2008:
116 EURO
3/2016:
146 EURO
Aus einer Zeit, als es noch „Jawohl,
Herr Generaldirektor!“ hieß:
die Allianz-Zentrale in München.
3/2009:
49 EURO
770*
738
680
638
578
488
2008:
92,6 MRD.
EURO
* NACH DER BILANZSUMME IM JAHR 2014
(IN MILLIARDEN EURO)
22
2015:
125,2 MRD.
EURO
den entwickeln. Es geht immer auch
um die richtige Mischung aus Tatkraft
und Schneidigkeit sowie Anpassung
und Prinzipienlosigkeit.
Weniger trainiert wurde Bätes
Teamgeist. Bei McKinsey verstellte
ihm der damalige Deutschland-Chef
Frank Mattern den Aufstieg an die
Spitze: angeblich aus Sorge um Bätes
Talent, Mitarbeiter einzubinden und
sich an die strengen Regeln der Beratersekte zu halten.
Nach fast 15 Jahren wechselte der
McKinsey-Direktor (und engste Berater des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Henning Schulte-Noelle und
des Konzernchefs Michael Diekmann)
als sogenannter Chief Operating Officer in den Vorstand der Allianz.
2008, im Alter von 42 Jahren,
musste sich der McKinsey-Star erstmals in einer Konzernbürokratie mit
ihren Rangordnungen und Regelwerken bewähren.
Auf die Ehemaligen von McKinsey
konnte er sich stets verlassen, in Sonderheit auf die ehrgeizige Ann-Kristin
Koberg, mit der er vor seiner Beraterzeit ausgiebig liiert gewesen war
und die 1996 den früheren Finanzvorstand der Allianz und heutigen Deutsche-Bank-Chefaufseher Paul Achleitner heiraten sollte.
Vorbilder fand Bäte in Deutschland
nicht. Noch heute fallen ihm vor allem
Männer aus der angelsächsischen Wirtschaftswelt ein, wenn man nach seinen
Förderern und seinem Netzwerk fragt.
Bei McKinsey gehören dazu der
frühere Nordamerika-Koordinator
Peter Walker oder der zeitweilige
Asien-Chef Dominic Barton. In der
akademischen Welt beeindruckte ihn
ausgerechnet ein Nicht-Betriebswirt:
der Entwicklungspsychologe Robert
Kegan. Der Harvard-Professor forscht
über die Fähigkeit moderner Menschen zu Selbstreflexion und Wandel.
Auch Bäte selbst hielt Vorlesungen
über wertorientierte Unternehmensführung an der Uni Köln – auf Englisch.
Damit ist jetzt Schluss, weil es der Aufsichtsrat nicht erlaubt. Aber wie steht
es mit Bätes eigener Wertewelt?
FOTO: ALLIANZ
QUELLE: STATISTA, UNTERNEHMEN, ONVISTA
UMSATZ
2008 BIS 2015
Bei der Allianz monieren manche Kollegen seinen Hang zum Selbermachen
und zum Besserwissen. Noch immer
fühlt sich Bäte nach Meinung eines Managers am wohlsten, wenn er auf einem
großen Schreibtisch viele Blätter Papier
auslegen und mit Ideen und angedeuteten Grafikskizzen bekritzeln kann, um
eine Präsentation zu entwerfen.
Seinen Sachverständigen in der
Allianz traut Bäte nicht immer zu, die
Antworten auf die Herausforderungen
der Branche zu finden: Nach seinem
Gefühl muss sich die Allianz in den
kommenden zwei Jahren schneller
wandeln als in den 20 Jahren zuvor.
Drei Themen werden nach seinem
Dafürhalten die nächsten 24 Monate
bestimmen: die Digitalisierung, die
Beteiligungs- und Investitionspolitik
sowie der Umbau der Organisation.
Die Allianz muss sich nach Meinung Bätes viel konsequenter auf digitale Standardprodukte und Prozesse
besinnen, wenn sie das Feld nicht den
Fintechs und Vergleichsportalen für
Versicherungen überlassen will.
BILANZ / APRIL / 2016
Die neue Netz-Strategie der Allianz
muss berücksichtigen, dass Internetmultis wie Google, die die Grenzen ihrer Geschäftsbereiche ständig neu ziehen, oder Konkurrenten, die aus dem
Nichts entstehen, mit ihren Algorithmen, die der Assekuranz-Mathematik
vielleicht überlegen sind, auch ins Versicherungsgewerbe eindringen. Selbst
ein Wettbewerber wie Generali ist im
Internet weiter als die Münchener.
Nur ein gutes Drittel der AllianzVertreter in Deutschland ist in den
sozialen Medien aktiv, nicht einmal jeder sechste bietet eine Videoberatung
im Internet an. Ein „Digital Accelerator“ soll nun neue Ideen entwickeln
– außerhalb der normalen Ränge und
zur Not auch an den Befehlshabern
in der Zentrale vorbei. In 300 Vertriebsagenturen erprobt der Konzern
jetzt eine Telefonanwendung, um die
Bearbeitung von Sachschäden zu vereinfachen.
Mit aller Macht will Bäte das „Not
Invented Here Syndrome “ im Konzern
brechen, „das einen schnellen Wandel
behindert“. Durch die Digitalisierung
sollen die Kosten sinken, Erlöse steigen. Bätes Maßstab ist BMW, wo die
Produktivität in der Vergangenheit um
runde zehn Prozent pro Jahr zulegte.
Wiederherstellen muss die Allianz das gestörte Gleichgewicht unter
den Einzelgesellschaften. Bäte beschäftige sich, wie er sagt, „gegenwärtig sehr stark“ mit diesem Thema:
„Wir müssen unser Kapital noch effizienter einsetzen.“
Sechs Landesgesellschaften sorgen
für 90 Prozent der Erlöse – die anderen gut fünf Dutzend Länder erwirtschaften den Rest. Die Region Asien/
Pazifik liefert in der Kranken- und
Lebensversicherung nicht einmal so
hohe Erlöse ab wie Frankreich allein.
Vielen Allianz-Firmen außerhalb
Europas und der Vereinigten Staaten
fehlt die Größe für eine nachhaltige
Strategie. Bäte will hoffnungslose Kandidaten abstoßen, andere Länder durch
Zukäufe oder Partnerschaften stärken.
Regionen, die es mittelfristig nicht
auf mindestens eine Milliarde Euro
Umsatz bringen, könnten intern zur
Disposition gestellt werden. Selbst aus
großen Ländern wie China oder Indien, die unter Diekmann noch als Zukunftsmärkte gefeiert wurden, könnte
sich die Allianz zurückziehen.
Bei der Organisation gerät vor allem das immer noch sehr einträgliche
Deutschland-Geschäft ins Visier, das
2015 ein Viertel zum Gesamtumsatz
der Allianz beigetragen hat. Mit einem
Betriebsergebnis von 2,7 Milliarden
Euro brachte die Deutschland AG mehr
Geld in die Kassen als die teuer eingekaufte US-Fondstochter Pimco, die seit
dem Abgang ihres Gründers Bill Gross
ständig an Bedeutung verliert.
Bäte plant offenbar, die deutschen
Strukturen weiter zu verschlanken.
Das ganze System einer gesondert auftretenden Deutschland AG mit angeschlossener Vertriebs AG nebst zahlreichen üppig besetzten Vorständen
und Aufsichtsräten passt ihm nicht
mehr in die Zeit.
Die Branche redet sowieso schon
lange über den „systemischen Konflikt“ zwischen Gesamtkonzern und
deutschem Vertrieb. Um ein Zeichen
zu setzen, sagen Vertraute, wolle sich
Bäte aus dem Aufsichtsrat der Allianz
Deutschland AG zurückziehen. Was
offiziell mit den Worten kommentiert
wird: Personelle Veränderungen seien
„immer möglich“.
Das gilt zumal für die Konzernführung selbst, wo Bäte umgeben ist
von Wertekonservativen wie Investment-Vorstand Maximilian Zimmerer
oder Finanzchef Dieter Wemmer. Man
pflegt ein entspanntes Verhältnis, siezt
sich aber und hält sich auf vornehmen
Kollegial-Abstand.
Nun hat Zimmerer angekündigt,
dass er zum Jahresende geht, und zwar
in den Ruhestand. Verglüht und erledigt schon mit 57?
Auch der Schweiz-Amerikaner Jay
Ralph, zuständig für die Vermögensverwaltung und am Pimco-Desaster
nicht unschuldig, entzieht sich dem
Berufsverkehr, um Zeit für die Familie
zu gewinnen. Auch er erst 57 Jahre alt,
auch er ausgelaugt und aufgerieben?
Wahrscheinlich ist, dass die beiden
Manager das Tempo nicht mitgehen
können oder wollen, das Bäte anschlägt, und deshalb von diesem, auch
wenn’s offiziell anders dargestellt
wird, hinauskomplimentiert wurden.
Im Gegenzug führt Bäte deutlich
jüngere Leute an die Firmenspitze
heran mit Ideen, die er teilt, und Lebensläufen, die dem seinigen ähneln.
Auf der zweiten Management-Ebene
fanden bereits entsprechende Wechsel
statt. Bäte führt das Personal-Ressort
seit September selbst, um seine Ideen
umzusetzen.
Ein Vorstandsneuling muss die
vielleicht schwerste Aufgabe stemmen:
Am 1. Juli verstärkt Jacqueline Hunt die
Führung, die zweite Frau im AllianzVorstand seit Gründung vor 126 Jahren.
Die Südafrikanerin soll das Lebensversicherungsgeschäft in den USA und die
Vermögensverwaltung managen und
den ständigen Abfluss von Kundeneinlagen bei Pimco bremsen.
Jüngst erst hatte der norwegische
Staatsfonds, der weltweit größte seiner Art, die Zusammenarbeit mit der
Allianz beendet. Bäte muss das Sonderproblem Pimco lösen, um seine
Gesamtpläne nicht zu gefährden.
Inwieweit die Bäte-Reformen an
Tempo gewinnen, hängt nicht zuletzt
von Bätes Vorgänger ab: Michael Diekmann übernimmt 2017 den Vorsitz des
Aufsichtsrats. Bäte verdankt ihm vieles.
Diekmann war es, der den gebürtigen
Bensberger nach München holte, ihn
mehrfach gegen seine Kritiker verteidigte und ihn schließlich als seinen
Nachfolger durchsetzte.
Traditionalisten im Hause hoffen
darauf, dass sich Bäte dann wieder etwas
mehr zurücknimmt. Aber dafür spricht
wenig. Bäte ist zu machtbewusst, sein
Reformeifer unbezähmbar. So wie die
Allianz war, wird sie nicht bleiben. Ein
altgedienter Aufsichtsratschef will nach
einem Kennenlerngespräch mit Bäte
bereits eine gewisse Distanz zu Diekmann festgestellt haben. Vielleicht ist
auch dies ein Problem Bätes, dass es
manchmal sehr einfach ist, ihn misszuverstehen.
U
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UNTERNEHMEN / MÄRKTE
24
Illustration
STEVEN WILSON
BILANZ / APRIL / 2016
STEUER FÜR PECHVÖGEL
Deutschland ist für Erben ein Niedrigsteuerland. Gerade einmal ein Fünfzigstel
dessen, was jedes Jahr vererbt wird, schöpft der Fiskus ab.
Erben ist schön. Ohne Arbeit wird das
Konto kräftig aufgefüllt. Das vom Himmel gefallene Geld hilft beim Erwerb
eines neuen Automobils, bei der Planung einer teuren Fernreise oder gar
beim Bau eines Eigenheims. Im besten Fall, wenn der Nachlass aus einem
dicken Aktiendepot oder einem Unternehmen besteht, ist genug Geld da für
ein arbeits- und sorgenfreies Leben.
Erben ist ganz schön…ärgerlich.
Nicht nur, wenn sich die Erben jener
rund 850.000 Deutschen, die jährlich
das Zeitliche segnen, über den Nachlass unversöhnlich zerstreiten. Sondern vor allem dann, wenn der Staat
miterben will. Je nach Höhe des hinterlassenen Vermögens und der verwandtschaftlichen Nähe zum Verstorbenen können sieben bis 50 Prozent
für die Erbschaftsteuer draufgehen.
Es gibt keine andere Abgabe, die
so umstritten ist wie die Steuer auf
die Güter, die der Mensch auf der Erde zurücklässt. Für die einen ist sie ein
illegitimer Eingriff der Obrigkeit in das
Privatvermögen: ein Akt der Doppelbesteuerung, da ja Einkommen oder
Gewinne schon einmal vom Fiskus gerupft worden waren; ein Produkt der
Neidgesellschaft und obendrein ein
bürokratisches Monstrum, das hohen
Verwaltungsaufwand erfordert.
Für die anderen, die Befürworter,
trägt die Erbschaftsteuer unverzichtbar zum sozialen Ausgleich bei, sorgt
für eine bessere Balance der Startbedingungen, schleift die ungleiche Vermögensverteilung im Land. Sie ist die
einzige Steuer auf Vermögen. Und sie
wird es bleiben, weil eine Vermögensteuer nicht zuletzt an der Schwierigkeit scheitert, alljährlich die Besitztümer der Bürger neu zu bewerten.
Nur eine Minderheit ist von der
Erbschaftsteuer betroffen. Die meisten
AUF KURS MIT KADEN
WOLFGANG KADEN
Der ehemalige Chefredakteur
des „Spiegels“ (1991–1994) und des
„Manager Magazins“ (1994–2003)
gehört zu den renommiertesten
Wirtschaftsjournalisten des Landes.
Deutschen erben…nichts. Und jeder
zweite Erbe darf sich über eine Hinterlassenschaft von höchstens 50.000 Euro freuen. Über eine halbe Million, also
mehr als den Freibetrag für Eheleute,
kassieren nur 1,5 Prozent der Erben.
Die Erbschaftsteuer ist also eine Elitesteuer. Und eine, die gerechtfertigt ist?
Immer wieder musste der Bundestag in den vergangenen Jahrzehnten
das Erbschaftsteuergesetz anpassen.
Meist deswegen, weil das Verfassungsgericht das Postulat der Gleichheit im
Grundgesetz verletzt sah. Jetzt ist
die nächste Veränderung fällig. 2014
hatten die Karlsruher Richter die Vergünstigung, die Unternehmenserben
gewährt wird, für allzu vorteilhaft
bewertet und eine Änderungsfrist bis
Juni 2016 gewährt. Seither streiten
Politiker und Lobbyisten, als wenn
es um Sein oder Nichtsein des Industriestandorts Deutschland gehe.
Vorneweg die Interessenwahrer der
Familienunternehmen.
Muss wohl sein. Es wäre indes geboten, nicht nur über die Besteuerung
unternehmerischer Erbschaften neu
ILLUSTRATION:
ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ
nachzudenken. Sondern darüber, ob
die gesamte Erbschaftsteuer nicht so
reformiert werden sollte, dass deutlich
mehr Geld auf die Konten des Staats –
hierzulande: der Länder – fließt.
Gewaltige Werte sind im Spiel.
Rund 250 Milliarden Euro werden
jährlich hinterlassen, in den Jahren
2015 bis 2024 insgesamt 3,1 Billionen.
Aber nur magere fünf Milliarden gehen
im Jahr an den Staat, ein Fünfzigstel
des Vererbten. Die Tabaksteuer bringt
fast dreimal so viel ein. „Nur noch
wenige Pechvögel“ zahlten Erbschaftsteuer, sagt Hermann-Ulrich Viskorf,
ehemaliger Vizepräsident des Finanzhofs, ein intimer Kenner der Materie.
Seit nunmehr 200 Jahren, seit der
Ablösung des Feudalismus durch die
bürgerlich-industrielle Wettbewerbsgesellschaft, wird in der volkswirtschaftlichen Theorie und in der Politik über die Belastung von Erbgängen
gestritten.
John Stuart Mill (1806–1873), einer
der ersten Wirtschaftsdenker, spottete schon über die „Zufälligkeit der
Geburt“, die für Reichtum oder Armut
sorge; die Erberei, klagte er, schaffe eine
„Gesellschaft von Taugenichtsen“. Der
Münchener Publizist Carl Brater forderte im Revolutionsjahr 1848 in einer
Streitschrift eine „Reform des Erbrechts
zu Gunsten der Nothleidenden“.
Unstrittig war zumeist, dass die
Weitergabe von Vermögen qua Vermächtnis durchaus zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehört.
Nur so kann Privateigentum erhalten
werden. Einerseits. Andererseits lässt
sich das Erben auch als systemwidrig
einordnen. In einer offenen Wettbewerbswirtschaft wird derjenige belohnt, der etwas Ordentliches durch
Leistung zustande bringt. Vermögen
durch Erbschaft aber wird ohne Arbeit
25
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
26
erworben, es kommt in der Regel
durch Heirat oder Geburt über die
Verbliebenen. Diese Bescherung ist
mithin ein „normativer Fremdkörper“
in einer auf Leistung orientierten Gesellschaft, wie der Soziologe Jens Beckert in seinem Buch „Unverdientes
Vermögen“ schreibt.
Der Wissenschaftler weist darauf
hin, dass die Ungleichheit bei materiellen Gütern, die unserer Gesellschaft
innewohnt, einer Rechtfertigung bedarf. Und die sieht er in dem Umstand,
dass die Arbeit je nach Einsatz und
Qualität vom Markt unterschiedlich
honoriert wird. Für Zugewinn qua Erbschaft aber entfällt diese Begründung –
er wird ohne eigene Leistung erworben. Und passt daher irgendwie nicht
in die marktwirtschaftliche Ordnung.
Das Erbrecht ist in der historischen Betrachtung ein Paradox. Mit
dem bürgerlichen Umbruch im 18. und
19. Jahrhundert wurden die von Generation zu Generation weitergegebenen
Privilegien des Adels beseitigt. Doch
bei den Vermögen blieb die „erbliche
Startungleichheit“ erhalten, wie der
liberale Sozialwissenschaftler Alexander Rüstow 1949 beklagte. Das Erben
sei, so Rüstow, „das wesentlichste institutionelle Strukturelement, durch
das der Feudalismus in der Marktwirtschaft fortlebt und sie zur Plutokratie,
zur Reichtums-Herrschaft, macht“.
Die einzige Möglichkeit, diesen
Systemfehler ein wenig zu korrigieren,
bietet die Erbschaftsteuer. Deswegen
erscheinen mir die immer wiederkehrenden Forderungen, die Besteuerung
des Nachlasses ganz abzuschaffen
(wie in einigen europäischen Ländern,
beispielsweise Schweden, geschehen),
abwegig. Genauso absurd wäre eine
konfiskatorische 100-Prozent-Steuer,
wie von dem Luxemburger Ökonomen
Guy Kirsch vorgeschlagen. Sie würde
langfristig die auf Eigentum basierende Wirtschaftsordnung zerstören.
Doch wie stark darf der Staat bei
der Erbschaftsteuer zugreifen? Die
Obrigkeit muss zwei Ziele verfolgen.
Einerseits soll die Erbschaftsteuer,
neben dem Füllen der Staatskonten,
• eine zunehmende Konzentration
von Vermögen in den Händen weniger
verhindern; andererseits soll sie
• den Bestand des Privateigentums
nicht gefährden und den Erwerbstrieb
nicht beeinträchtigen.
Ein delikater Balanceakt, der mit
der bisherigen Gesetzgebung nicht
gelungen ist. Deutschland darf man
für Erben ein „Niedrigsteuerland“
nennen; gerade im Vergleich zu den
erzkapitalistischen USA, die Vermächtnisse deutlich stärker belasten,
als dies der deutsche Fiskus tut. Nur
rund ein Prozent der Staatseinnahmen stammen hierzulande aus der
Erbschaftsteuer.
Ein erster Schritt wird jetzt getan,
wenn der Bundestag bis Juni die skandalös niedrige Besteuerung von Unternehmenserben verschärft. Es war
ja wahrlich nicht einzusehen, dass insbesondere die ganz großen Unternehmensvermögen ungeschoren bleiben.
Firmen, die über 20 Millionen wert
waren, sind in den vergangenen Jahren
zu über 90 Prozent von der Erbschaftsteuer verschont geblieben. Fachleute
schätzen, dass dem Fiskus durch diese
Subvention bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr entgehen.
So sorgt das Privileg für Firmenerben dafür, dass die Erbschaftsteuer
die ungleiche Vermögensverteilung in
Deutschland nicht verringert, sondern
sie verschärft.
Die Reform, so weit sie bis jetzt
ausgehandelt ist, wird an diesem Missstand nichts Grundsätzliches ändern.
Wer einen ererbten Betrieb fortführt
und die Jobs erhält, wird auch künftig
von der Erbschaftsteuer weitgehend
verschont bleiben. Nur die ganz großen Unternehmensvermögen werden
etwas härter rangenommen. Mit der
Nebenwirkung, dass die Erbschaftsteuer, jetzt schon arg kompliziert und
eine ergiebige Ertragsquelle für die Beratergilde, noch ein bisschen komplizierter wird.
Es wäre an der Zeit, dass sich die
Gesetzesmacher einmal an die alte
Weisheit erinnern, die mir einstmals
der Kölner Finanzwissenschaftler
Günter Schmölders beigebracht hat:
Die besten Steuern sind die einfachen.
Jene Abgaben, die der Bürger auf Anhieb versteht und die nicht den untauglichen Versuch machen, in einer
überaus komplexen Gesellschaft jedem Einzelfall gerecht zu werden.
Warum also nicht eine Vereinfachung mit einem Umbau verknüpfen,
einem allerdings, der den Erben künftig mehr abknöpft?
Wenig beachtet von der Öffentlichkeit, hat das Deutsche Institut
für Wirtschaftsforschung jetzt einen
bedenkenswerten Systemwechsel
vorgeschlagen. Die Politik sollte für
Unternehmensübertragungen (Schenkungen oder Vererbung) alle komplizierten Vergünstigungen abbauen und
den Tarif auf einheitliche 15 Prozent
senken. Für alle anderen Erben sollte es oberhalb eines Freibetrags von
400.000 Euro eine „Flat Tax“ von
zehn Prozent geben.
Das brächte immerhin eine Milliarde Euro im Jahr mehr in die Staatskasse. Bei etwas höheren Sätzen – etwa
20 Prozent für Unternehmenserben und
15 Prozent für alle übrigen – entsprechend mehr. Wenn Unternehmenserben das Geld nicht flüssig haben,
könnten sie die Steuerschuld über
mehrere Jahre abstottern; je nachdem,
wie viel Gewinn die Firma abwirft.
Einen ähnlichen, ebenfalls diskussionswürdigen Vorschlag machte die
saarländische Wirtschaftsministerin
Anke Rehlinger (SPD): nur noch drei
Steuersätze; 5, 10 und 15 Prozent; der
höchste Satz soll für alle Erbschaften
über einer Million gelten. Die Vorzugsbehandlung für Unternehmenserben
soll ersatzlos gestrichen werden.
Das alles wäre keine Enteignungsorgie, keine fundamentalistische
Umverteilung. Aber im Rahmen des
Machbaren, ein Schritt, um die Vermögenskonzentration nicht noch weiter ausufern zu lassen. Oder, wie es in
einem Sondervotum des Verfassungsgerichts zum Erbschaftsteuer-Urteil
heißt, dafür zu sorgen, dass Reichtum
nicht weiterhin „in den Händen weniger kumuliert“ wird.
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BILANZ / APRIL / 2016
VOM ORGAN ZUM ARBEITNEHMER
Bisher war es für Geschäftsführer schwer, sich gegen einen Rauswurf zu wehren.
Doch jetzt nimmt der Europäische Gerichtshof die Führungskräfte in Schutz.
Über die Frage, ob Fremdgeschäftsführer – also Geschäftsführer, die
selbst keine Gesellschafteranteile an
der von ihnen geführten GmbH halten
– Schutzbestimmungen des deutschen
Arbeitsrechts für sich in Anspruch
nehmen können, darüber wird vor Gerichten regelmäßig und hart gestritten.
Nach bisheriger Praxis haben sie diesen Schutz nur in sehr eingeschränktem Ausmaß.
Das liegt vor allem an Paragraf
14 des Kündigungsschutzgesetzes
(KSchG), wonach der Schutz dieses
Gesetzes nicht für Organe einer Gesellschaft gilt, die zu deren gesetzlichen Vertretung berechtigt sind. Im
Klartext: Ein Unternehmen (GmbH)
kann sich jederzeit von seinen Geschäftsführern trennen, ohne dafür
Gründe vorweisen zu müssen.
Die einzige „Lebensversicherung“
für einen solchen Geschäftsführer
war und ist ein langjährig befristeter
Anstellungsvertrag, zusätzlich zu der
Geschäftsführerbestellung. Viele Manager haben diese Besonderheit ignoriert. Sie haben sich von langen Bestellungsperioden blenden lassen, sich auf
unbefristete Anstellungsverträge eingelassen, die mit kurzen Fristen und
ohne Angabe von Gründen kündbar
waren – und dafür teuer bezahlt. Die sicher geglaubte Abfindung konnte sich
der Arbeitgeber in der Regel sparen.
Das dürfte künftig anders werden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH)
hat in einem Urteil vom 9.7.2015 (Az.:
C-229/14) entschieden, dass Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen sind. In dem Fall ging es um eine
Gesellschaft mit 19 Mitarbeitern, einem Geschäftsführer und einer Praktikantin. Nachdem die Eigentümerin
entschieden hatte, die Gesellschaft zu
schließen, kündigte sie allen Beschäftigten, ohne zuvor eine sogenannte
ARBEITSRECHT
Massenentlassungsanzeige vorgenommen zu haben. Einer der betroffenen
Mitarbeiter, ein Servicetechniker, klagte daraufhin mit der Begründung, dass
dieses Versäumnis zur Unwirksamkeit
der Kündigung führe. Gemäß Paragraf
17 KSchG müssen bei einem größeren Personalabbau Entlassungen vor
Ausspruch von Kündigungen bei der
zuständigen Bundesagentur für Arbeit
angezeigt werden. Unterlässt der Arbeitgeber das oder ist die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft, hat dies
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine fatale Konsequenz: Alle Kündigungen sind nach
Paragraf 134 BGB nichtig und damit
unwirksam.
Entscheidend für den Fall war allerdings, dass die genannte Verpflichtung nur für Betriebe gilt, die mehr als
20 Beschäftigte haben. Maßgeblich für
den Prozesserfolg des Servicetechnikers war damit, ob die Praktikantin
und vor allem der Geschäftsführer bei
der Zahl der Beschäftigten mitzuzählen waren oder nicht. Beides bejahte
der EuGH, zur Überraschung vieler
Prozessbeobachter. Danach erfüllt
auch ein Geschäftsführer, der „seine
Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht
eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für
seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an der
Gesellschaft besitzt“ den Arbeitnehmerbegriff im Sinne des Paragrafen
17 KSchG. Voraussetzungen, die bei
Fremdgeschäftsführern immer vorliegen. Im hier zu entscheidenden Fall
waren damit alle Kündigungen der
Gesellschaft nichtig und unwirksam.
Die Entscheidung des EuGH dürfte
weitreichende Konsequenzen haben.
Zum einen muss sie bei Massenentlassungsanzeigen beachtet werden. Zum
anderen führt sie dazu, dass Fremdgeschäftsführer künftig einen erhöhten
Schutz genießen.
Mehr noch: Ich erwarte, dass ein
schwerbehinderter Geschäftsführer
künftig unter den Schutz des Schwerbehindertengesetzes zu stellen ist.
Und ich bin davon überzeugt, dass das
Kündigungsschutzgesetz bald auch bei
der Entlassung von Fremdgeschäftsführern zur Anwendung kommt.
Und das völlig zu Recht, denn
die tatsächlichen Verhältnisse in den
GmbHs hierzulande bieten keinen
Anlass dafür, diese Gruppe von Arbeitnehmern aus dem Schutzbereich
herauszunehmen. In der Praxis sind
viele Geschäftsführer nicht viel mehr
als bessere Abteilungsleiter, die an der
mehr oder weniger kurzen Leine ihrer
Gesellschafter hängen.
Allerdings sollte kein Geschäftsführer jetzt allzu leichtfertig darauf
vertrauen, dass der Arbeitsrichter
im Falle eines Falles schon zu seinen
Gunsten entscheiden werde. Wer auf
Nummer sicher gehen will, sollte auf
einen robusten Anstellungsvertrag
wert legen. Es lohnt sich.
U
PETER RÖLZ
gilt als einer der renommiertesten
Arbeitsrechtler Deutschlands.
Der 50-Jährige ist geschäftsführender
Gesellschafter der Sozietät
Ulrich Weber & Partner mit Büros in
Frankfurt/Main, Köln und Stuttgart.
ILLUSTRATION:
ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER
FÜR BILANZ
27
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
BRÄCHE
DIE WELT
BEI EINEM
BREXIT
ENTZWEI?
–
PROBABLY
NOT
28
„Wir wollen ein Teil
der Welt sein,
nicht nur ein Teil
von Europa“
–
Gespräch mit dem
britischen Fondsmanager
und EU-Kritiker
Jim Mellon.
Jim Mellon ist ein großer, blonder, netter, reicher Typ, wahrscheinlich über
eine Milliarde Euro schwer. Ich treffe
ihn im Café des Connaught-Hotels in
Mayfair, dem feinen Mittelpunkt Londons. Kaum noch ein Stuhl frei. Mellon
quetscht und drängelt sich zwischen
den Tischen und Stühlen hindurch.
„Etwas eng hier“, sagt er. „Aber macht
nichts, oder?“ Er grinst.
Mellon ist einer von diesen Kapriolen-freien Managern, erfolgreich bis
zur Leutseligkeit, stets umgänglich
Interview
NINA TRENTMANN
und ohne jeden Anflug von Hochmut.
Sehr angenehm.
No nonsense, please, das ist die
Botschaft des 58-Jährigen. Weil er an
den gesunden Menschenverstand appelliert, ist er für die Anhänger der britischen EU-Mitgliedschaft besonders
gefährlich: Mellon ist für den Brexit,
ganz klar, und er pflegt einen freundlichen Plauderton.
B
Herr Mellon, Sie haben 100.000
Pfund Ihres Vermögens für die
„Leave“-Kampagne gespendet, in
der sich parteiübergreifend Europa-Skeptiker versammeln, von
Labour bis zu den Tories. Warum
wollen Sie, dass Großbritannien
aus der EU austritt?
Die EU ist wie die „Titanic“, bevor sie
in den Eisberg krachte. Anstatt sitzen
zu bleiben und mit der „Titanic“ unterzugehen, sollten wir lieber in einem Rettungsboot das Weite suchen.
Das ist vielleicht etwas drastisch ausgedrückt, zeigt aber, was ich meine.
BILANZ / APRIL / 2016
29
Am 23. Juni stimmen die
Briten darüber ab, ob sie in
der EU bleiben oder nicht.
Wenngleich ich natürlich zugeben
muss: Die britische EU-Mitgliedschaft
ist keine Entscheidung über Leben
und Tod. Dementsprechend muss die
Debatte auch nicht gleich in einen Bürgerkrieg münden. Aber das geschieht
sozusagen gerade.
B
Vor allem das „Leave“-Lager
hat in den vergangenen Wochen
einen bissigen, herausfordernden
Ton angeschlagen.
Das Problem ist, dass Premierminister David Cameron versucht, Londons
Bürgermeister Boris Johnson und Justizminister Michael Gove auszusondern. Denn beide sind für den Austritt
und haben das auch sehr deutlich gemacht. Damit riskiert Cameron weitere
Abspaltungen von seiner Tory-Partei.
Das ist in Großbritannien sehr gefährlich: Wenn Sie zu sehr in eine Richtung
drängen, gewinnt meist der Underdog.
B
Warum sind Sie für den Brexit?
Nicht weil ich Angst um die Britishness hätte, die britische Wesensart.
Das ist Bullshit . Nein, was mich zum
Austrittsbefürworter macht, ist die
Krise der Euro-Zone, die nicht erkannt
und nicht diskutiert wird. Italien und
Frankreich sind beide auf dem Weg in
die Pleite, eine teuflische Situation, die
auf die Schnelle nicht zu lösen ist. Ich
erwarte, dass Italien noch in diesem
Jahr in eine Finanzkrise geraten wird,
mit einem Sturm auf die Banken.
Nun übertreiben Sie mal nicht!
B
Die Europäische Zentralbank wird
die italienischen und die französischen Schulden aufkaufen müssen,
FOTO: GETTY IMAGES
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
30
ein Schritt, der in Deutschland wenig
Anhänger finden wird.
B
Das muss nicht Ihre Sorge sein:
Großbritannien will ja nicht der
Euro-Zone beitreten.
Premier Cameron und Finanzminister
Osborne versichern uns das, ja. Trotzdem mussten wir im vergangenen Jahr
1,7 Milliarden Pfund in den EU-Haushalt nachzahlen. Erst hieß es, man
würde nicht zahlen. Nach dem Wahlsieg der Konservativen wurde dann
doch bezahlt. Weder Cameron noch
Osborne sind vertrauenswürdig, was
ihre Politik angeht. Ich bin mir sicher:
Großbritannien als inzwischen zweitgrößte Wirtschaft der EU würde sich
finanziell an der Rettung italienischer
oder französischer Banken beteiligen
müssen. Ich glaube nicht, dass man
Italien oder Frankreich ohne uns aus
der Patsche helfen könnte. Wenn ich
mir Mario Draghi und seine Geldpolitik anschaue, dann habe ich den
Eindruck, je mehr Werkzeuge er einsetzt, desto weniger helfen sie. Das
Euro-Schiff wird sinken, keine Frage.
Um die Euro-Krise zu bewältiB
gen, heißt es gebetsmühlenartig,
brauche es mehr, nicht weniger
Integration.
Ja, genau, das ist das, was uns die Bürokraten in Brüssel glauben machen
wollen. Dabei zeigen uns die Wahlen
und Referenden in Polen, Ungarn und
in Dänemark, dass die Leute eben
nicht mehr Integration wollen.
Sie sagen, dass Sie in dieser
B
Debatte nicht dem Gefühl, sondern dem Verstand folgten.
Natürlich. Es geht für mich nicht um
eine Ideologie, sondern um praktische
Gründe. Ich glaube nicht, dass die EU
in dieser Form auf Dauer überleben
kann. Ein Europa der drei Geschwindigkeiten – mit Deutschland an der
Spitze, Frankreich in der Mitte und
Italien als Schlusslicht – kann nicht
funktionieren. Der deutschen Bevölkerung wird es nicht gefallen, wenn
sie auch noch für die Schulden der
Italiener oder der Franzosen aufkommen muss. Ich habe 2006 ein Buch
über die amerikanische Immobili-
Zur Person
Jim Mellon hat in Oxford studiert
und ging später als Fondsmanager
nach Hongkong. Er investierte
unter anderem in Bergbaukonzerne
und verdiente so seine ersten
Millionen, machte mit seiner
Charlemagne Capital gute Geschäfte
im Russland der 90er-Jahre.
Mit seiner Firma Burnbrae beteiligte
er sich später in großem Stil
an Immobilien- und BiotechnikUnternehmen. Der 58-Jährige
ist in der Reichenliste der „Sunday
Times“ mit rund 850 Millionen
Pfund notiert, umgerechnet
1,1 Milliarden Euro. Er lebt auf der
Isle of Man, hat etwa 365.000
Anhänger auf Twitter und führt
den Spitznamen „Großbritanniens
Warren Buffett“.
FOTO: DDP IMAGES
enblase geschrieben, noch bevor es
offensichtlich war, dass das nicht gut
gehen würde. Ich hatte damals recht
behalten, und ich werde wieder recht
behalten. Die Deutschen werden sich
einer Rechnung gegenübersehen, die
sie nicht bezahlen können. Das ist das
Ende des Euro.
B
Der Zustand italienischer Banken
weckt auch in deutschen Finanzkreisen wachsende Befürchtungen: In keinem Land sind so
viele Banken bei Stresstests und
Bilanzprüfungen durchgefallen
wie in Italien. Der Bestand an
Problemkrediten soll eine Höhe
von 360 Milliarden Euro erreicht
haben, ein Fünftel des gesamten
Kreditbestands.
Die Funktion des italienischen Bankensektors ist gestört. Die EZB hat
zwar die Schulden der Regierung monetarisiert, aber sie kann die grundlegenden Strukturprobleme nicht lösen.
Ein Wachstum von fast null Prozent
reicht nicht aus, um auf Dauer genug
zu erwirtschaften. Dazu kommen einige Italien-spezifische Faktoren, wie
zum Beispiel der Mangel an einem robusten Zwangsvollstreckungssystem.
20 Prozent aller italienischen Kredite
werden nicht bedient, doch die Banken haben praktisch keine Handhabe,
um die Sicherheiten einzutreiben. Es
dauert im Schnitt neun Jahre, bis eine
Zwangsvollstreckung vollzogen ist.
Das macht jedes Bankensystem kaputt.
Aus welchem Grund sollte die
B
zugegeben schwierige Lage die
gesamte Euro-Zone gefährden?
Weil es noch viele andere Probleme
gibt. Das Wachstum in jenen Schwellenländern, in die Deutschland in der
Vergangenheit viel exportiert hat, wie
z.B. nach China, hat sich verlangsamt.
Die deutsche Produktivität ist seit der
Finanzkrise nicht mehr gestiegen. Die
Negativzinsen der EZB machen die
Banken kaputt, gleichzeitig gehen die
Immobilienpreise durch die Decke.
Hätten die Europäer doch niemals mit
diesem Euro angefangen!
Wann, meinen Sie, wird die Krise
B
akut?
BILANZ / APRIL / 2016
Morgen noch nicht, aber mit Sicherheit innerhalb der nächsten drei Jahre. Italien wird das erste Problem sein,
Frankreich das zweite.
B
Ein Austritt aus der EU bewahrt
Sie nicht vor den wirtschaftlichen
Folgen einer solchen Krise.
Ja, das stimmt. Das europäische Problem wird fortbestehen – egal, ob wir
innerhalb oder außerhalb der EU sind.
Wir wären in jedem Fall betroffen.
Aber das ist ja kein Grund, in der EU
zu bleiben.
B
Vor allem der Handel könnte
unter einem britischen Austritt
leiden.
Warum? Wenn wir austreten, können
wir doch trotzdem weiterhin mit der
EU Handel treiben. Selbst wenn es
kein neues Abkommen gäbe, könnten
wir Handel treiben nach den Regeln
der Welthandelsorganisation WTO.
Dann kämen vier Prozent Steuern
obendrauf. Na und? Großbritannien
vertreibt nicht im Ansatz so viel an
physischen Gütern wie Deutschland.
Und, mal ganz ehrlich: Ich halte es
für eine Farce, zu behaupten, dass
Deutschland und Frankreich nicht
mehr mit Großbritannien handeln
würden. Warum sollten Volkswagen
oder Siemens ihre Produkte nicht
mehr hier verkaufen wollen?
B
Im Falle eines Austritts könnte
Großbritannien voraussichtlich
kein vorteilhaftes Handelsabkommen mit der EU verhandeln. Brüssel muss es den Briten so schwer
machen wie möglich, um AustrittsNachahmer abzuschrecken.
Ich glaube, dass die Leute weiterhin
mit uns handeln werden. Wir sollten
Freihandel mit allen Ländern der Welt
haben, nicht nur mit Europa. Wir wollen ein Teil der Welt sein, nicht nur ein
Teil von Europa.
B
Der Finanzplatz wird einen Teil
der Geschäfte an Frankfurt oder
Paris verlieren.
Auch das glaube ich nicht. Für die City
of London ist es kein Unterschied, ob
wir EU-Mitglied sind oder nicht. Es
kann sein, dass es etwas schwieriger
wird, britische Finanzprodukte auf
dem Kontinent zu verkaufen. Dafür
würden wir aber viel Geschäft hinzugewinnen aus dem internationalen
Ausland. London würde mehr wie Singapur, vielleicht hätten wir sogar mehr
Geschäft als vor dem Austritt.
B
Großbritannien ist seit über 40
Jahren Mitglied der EU. Eigentlich Zeit genug, um sie von innen
zu erneuern und umzugestalten.
Zumindest in den vergangenen 15 Jahren ist der britische Einfluss in Brüssel sehr gering gewesen. Erst jetzt,
da die Probleme so dramatisch sind
und ein Brexit möglich erscheint, ist
die Bereitschaft zu mehr Reformen
da. Ich glaube, Europa wird erst nach
einer massiven Krise den Willen für
ernsthafte Reformen aufbringen. Das
Problem ist, dass jedes einzelne Mitgliedsland zustimmen muss, bevor es
vorangeht. Also passiert nichts.
B
Es geht den Briten vor allem
darum, ob sie einen „guten Deal“
machen.
Großbritannien zahlt jedes Jahr rund
zehn Milliarden Pfund an die EU; darüber kann man nicht die Nase rümpfen, das ist eine Menge Geld. Wir geben sehr viel mehr, als wir bekommen.
Viele Straßen in Ungarn, Polen und
der Tschechischen Republik sind von
deutschen und britischen Steuerzahlern bezahlt worden.
B
Die Flüchtlingskrise hat die
Beliebtheitswerte der EU nicht
erhöht, obwohl Großbritannien
bislang nur wenige Tausend
Flüchtlinge aufgenommen hat.
Es sind viele Leute hierher gekommen.
Das sind meistens keine Flüchtlinge,
das stimmt. Es sind aber Leute, die
zu unserem Migrationsproblem beitragen. Ich möchte nicht wissen, wie
viele Osteuropäer hier leben, die nicht
registriert sind.
B
Frankreich hat kürzlich angekündigt, im Falle eines Brexit die
britische Grenzstation in Calais
zu schließen und die Flüchtlinge
durchzulassen, die nach Großbritannien wollen.
Das erhöht lediglich den Druck. Die
Pflicht wird dann bei den Betreibern
des Eurotunnels und bei den Spediteuren liegen. Wir haben den großen
Vorteil, als einziges Land Europas von
allen Seiten vom Meer umgeben zu
sein. Das ist ein echter Pluspunkt.
B
Sie sind auf der Isle of Man
gemeldet, die der britischen
Krone untersteht, ohne Teil des
Vereinigten Königreichs zu sein.
Die britische Presse hält Ihre
Meinungsäußerungen deshalb für
unpassend.
Selbst wenn ich beim Referendum
nicht wählen darf, so habe ich doch
das Recht auf eine eigene Meinung.
Wenn Großbritannien austritt, dann
gilt das auch für die Isle of Man.
B
Sie sind Unternehmer und Investor, haben unter anderem in Biotech-Unternehmen, Hotels und
Restaurants investiert. Welche
Folgen könnte ein Brexit für Ihre
Firmen haben?
Unsere Vermögensverwaltung Charlemagne Capital investiert vor allem in
Schwellenländern in Asien und in Osteuropa, wir wollen bald auch im Iran
aktiv werden. Die EU spielt für Charlemagne nur eine untergeordnete Rolle.
B
Geld angelegt haben Sie auch in
Deutschland.
Ja, in Immobilien. Ich habe für 200
oder 300 Millionen Euro gekauft,
der Wert ist seitdem dramatisch gestiegen. Das ist meine nächste große
Wette: Wenn Deutschland Teil einer
neuen Währungsunion wird oder man
die Deutsche Mark wieder einführt,
geht die neue Währung deutlich nach
oben, um 50 Prozent oder sogar noch
mehr. Das zahlt sich für mich dann
richtig aus.
Anders als Sie hat sich ein großer
B
Teil der börsennotierten FTSE100-Unternehmen für einen Verbleib in der EU ausgesprochen.
Das sind ja alles Angestellte dieser
Firmen, die denken wie Beamte. Diese
Leute haben wenig Glaubwürdigkeit
auf diesem Gebiet. Sie müssen echte
Unternehmer fragen, Leute wie mich
oder James Dyson, den Staubsaugerhersteller. Sie sind alle für den Brexit,
aus gutem Grund.
U
31
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
DER HERR
32
DER LAGE
FOTO: MAREIKE FOECKING
BILANZ / APRIL / 2016
G
egen 22 Uhr an diesem Montagabend
im Oktober stieg eine
Frau im goldfarbenen,
hautengen Einteiler
auf eine Bühne der Münchener Feintanzdiele P1, und man hatte gleich
so das Gefühl, dass jetzt kein Theaterstück des klösterlichen Mädchenpensionats zur Aufführung gebracht
werden würde. Dann rumorte die
Filmmelodie von „James Bond“ los,
und im Strahl von Scheinwerferkegeln verbog, verwickelte, verschnürte, verschlang sich die Frau zur
Schlangenfrau, was wahrscheinlich
irgendwas mit „Goldfinger“ zu tun
haben sollte.
Um sie herum stierten, schwitzten,
gafften, fotografierten so an die 150
oder 200 Männer in Hemd und Jackett,
die Krawatten gelockert oder schon abgelegt; auch Frauen standen dabei, gut
aufgedonnert, aber naturgemäß etwas
weniger interessiert – Maklertypen allesamt, die von der Expo Real herübergekommen waren, der größten Immobilienmesse des Kontinents. Hinter einer VIP-Kordel saß Kraftmensch Ralf
Moeller in Jeans und Lederjacke und
zählte seine Daumen. Wenn er irgendeinem Gedanken nachhing, dann ließ
er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Uwe Reppegather, der Mann mit
dem Pferdeschwanz, stand etwas
abseits, ein Lächeln ins Gesicht geschraubt. Er ist groß wie ein Leuchtturm, knapp zwei Meter. Aber er wirkte wie drei Meter zehn. Er war nicht
der Rausschmeißer. Rausschmeißer
tragen keine Brillen.
Er war der Gastgeber. Es war seine Party. Er hatte Geburtstag, und er
hatte die Schlangenfrau engagiert,
Champagner, Garnelen und Steaks
auffahren und später eine Tanzkapelle aufspielen lassen. Außer den 200
Gästen drinnen standen noch ein paar
Hundert vor der Tür. Beim Lächeln
musste Reppegather niemand helfen.
Er ist ja groß genug.
Seit 15 Jahren zieht der Riese sein
Wiegenfest in großem Stil auf. Es fällt
immer in die Expo-Real-Zeit bezie-
Vom Hauptschüler
zum Milliardär:
der erstaunliche Aufstieg
des Düsseldorfer
Immobilienmagnaten
Uwe Reppegather.
Text
STEPHAN KNIEPS
hungsweise umgekehrt, und er kommt
ja aus der Branche. Man ist dann mehr
oder weniger unter sich, das passt.
Zur intellektuellen Elite sollte man
Reppegather nicht zählen. Er tut’s ja
auch nicht. Und seine Freunde ebenso
wenig. Sein Hauptschulabschluss gibt
das einfach nicht her. Und wer will
schon ein schmaler, hängeschultriger
Intellektueller sein, wenn man viel lieber Partys im P1 schmeißt.
Reppegather ist ein Mann der
Grundsätze: Zopf trägt er aus Prinzip
(„Den habe ich schon, seit ich 18 bin“).
Sein Vermögen hat einen Umfang von
schätzungsweise 1,2 Milliarden Euro
(BILANZ 9/2015). Sein Ruf unter Immobilienhaien ist großkalibrig. Aber
auch seriösere Geschäftsleute halten
ihn für einen ganz heißen Feger, für
einen der Branchenbesten.
Reppegathers Firma trägt den treffenden Namen „Centrum“, entwickelt
und kauft und verkauft und vermietet
Gebäude in den Zentren der Großstädte: H&M, Zara, Esprit, Mango,
S.Oliver, das sind so seine Mieter.
Reppegather trägt mattes Zeug,
nichts Glitzerndes, keine Disco-Klamotten, aber trotzdem, sagen Makler
und Immobilienmanager, sei er eine
geradezu „schillernde Persönlichkeit“, wenn sie es mal vornehm ausdrücken wollten.
In der Tat hat der Mann eine Ausstrahlung, um die ihn die meisten
Schauspieler beneiden würden. Es ist
eine Mischung aus Erfolg und Hemdsärmeligkeit und Zwielicht. Irgendwas
Verdächtiges und Bedenkliches umfängt ihn.
Einer erzählt was über eine angebliche Rotlicht-Vergangenheit. Keine
Ahnung, wie der darauf kam. Und früher hätten seine Party-Tänzerinnen
auch weniger Textil getragen. Aber
Zeugen dafür gibt es keine. Vorsichtshalber wollen die Leute auch inkognito bleiben. Man weiß ja nie, ob Uwe
einen nicht möglicherweise aus den
Socken haut.
Ein paar Wochen nach der Party,
vierter Stock, Blick auf den Rhein: die
Centrum-Zentrale am Düsseldorfer
33
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
34
Medienhafen. In Reppegathers Büro
stehen polierte Art-déco-Möbel, in
der Schreibtischplatte spiegelt sich
sein Gesicht. Er hat’s offenbar gern
glänzend. Ein aufgeschlagener Helmut-Newton-Bildband, Fotografien
seiner Töchter, 26 die eine, ein Jahr alt
die andere. Gerahmt auch seine Freundin, das Mannequin Vanda Dadras.
Zwei Büros weiter sitzt Bruder Wolfgang (56), auch ein Centrum-Aktivist.
Aus seinen Geschäftserfolgen
macht Reppegather keine große Sache. „Ach“, sagt er in dieser coolen
Reppegather-Sprechweise, „wenn
man bei klarem Verstand ist und einfach schaut, was richtig und was falsch
ist, entwickelt man sich relativ schnell
weiter in diesem Bereich.“
Aber bevor wir hier in medias res
gehen, wolle er kurz mal was klarstellen: Er habe ja nichts gegen einen ordentlichen, sachlichen Artikel. Aber
auf Reißerisches, Rufschädigendes
könne er verzichten. Er ahnt offenbar
was, schöpft irgendeinen Verdacht.
Er stehe lieber im Grundbuch als in
der Zeitung. Er sei ja kein René Benko.
Das ist der Tiroler Immobilienhallodri
und Karstadt-Eigentümer. Seit zwei
Jahren liegen die beiden im Clinch:
seit sie vergeblich versucht hatten,
sich die Kaufhöfe anzueignen.
Reppegather mag zwar ein schräger Vogel sein, sagen Standesvertreter
(anonym), aber er stehe zu seinem
Wort: immer verbindlich, immer klar,
immer unmissverständlich. Und vom
Markt verstehe er mehr als die meisten anderen. Er sei ein Meister im Beseitigen von Leerständen. Das Wort
Leerstand gibt’s für ihn gar nicht.
Reppegather macht, wie gesagt,
kein Aufhebens von sich. Es reicht,
wenn man in einer Sache richtig gut
ist bzw. „schaut, dass man besser ist
als andere, so funktioniert’s dann am
Ende“. Aber nur, wenn man auch immer „ziemlich geradlinig“ ist.
Im August hat er für ziemlich geradlinige 350 Millionen Euro auf dem
Berliner Kurfürstendamm die Gloria-Galerie in Beschlag genommen.
Die oberen Geschosse des früheren
Zwei von Reppegathers Häusern:
das ehemalige Kino Gloria-Galerie
auf dem Ku’damm (oben)
und der Düsseldorfer Einkaufspalast
Kö-Bogen II. Seine Privatimmobilien
sind 1,5 Milliarden Euro wert.
In den nächsten vier Jahren möchte
er weitere hinzufügen – bis zu
einem Wert von drei Milliarden Euro.
FOTOS: ULLSTEIN, PICTURE ALLIANCE
Lichtspielhauses stehen seit Jahren
leer. Aber Leerstand macht ihm bekanntlich keinen Kummer: „Weil wir
in der Lage sind, die Potenziale einer
Immobilie zu erkennen – im Gegensatz zu vielen anderen.“
Schon vorm Kauf müsse man den
möglichen Mietern, Nutzern, Teileigentümern oder sonstwem eine
Entwicklungsidee präsentieren, einen
Plan für eine traumhafte Zukunft. Und
er weiß genau, was Ladenbesitzern
oder Filialmanagern so vorschwebt.
Reppegather hat das Prinzip des
Incentive zur Vollendung gebracht.
In der Szene versteht man darunter
jenen Anreiz-Effekt, der einen Mieter, der fackelt oder kneifen will, dazu
bringt, den Vertrag doch noch zu unterschreiben.
Baukostenzuschüsse sind solche
Incentives, ein paar Hunderttausend
Euro. Gut funktionieren auch mietfreie Monate. Um einen großen Einzelhändler einzuquartieren, habe
Reppegather schon mal bis zu sechs
Monate spendiert. Reppegather kann
sich das leisten bei Mietverträgen
über zehn oder 15 Jahre.
„Der Unterschied zu den anderen ist, dass ich zuhöre“, sagt Reppegather. „Ich versetze mich in die Rolle
des Händlers, um das, was er braucht,
genau so zu liefern.“ Nehmen wir
doch mal Männer als solche: Gehen
beim Klamottenkaufen grundsätzlich
nicht in die zweite Etage. „Die fahren
da nicht hoch!“ Kinder- und Babysachen dagegen – überhaupt kein Problem. Die bringt Reppegather überall
unter.
Wenn seine Centrum so ein Einkaufszentrum mit Geschäften belegt,
dann schiebe er jeden Mieter gedanklich so lange hin und her, bis das Puzzle passt. Bis alle glücklich sind, sagt
Reppegather. Es sei „wie ein Maßanzug: Der kostet auch mehr als ein Anzug von der Stange. Aber er sitzt eben
besser“.
Mit der Zeit kamen nicht nur größere Häuser und Händler in Reppegathers Leben, sondern auch bekannte
Gesichter. Til Schweiger steckte er ein
BILANZ / APRIL / 2016
paar Scheinchen zu, damit der seinen
Streifen „One Way“ bezahlen konnte. Dafür durfte Reppegather dann
im Schweiger-Film „1 1/2 Ritter“ den
Türsteher Mario spielen.
In seinem Büro steht ein FC-Bayern-Trikot hinter Glas an die Wand
gelehnt mit den Unterschriften der
Spieler; auch Boris Becker, Jens Lehmann und Arnold Schwarzenegger
zählen zu seinen Kumpels. Arni hat
er im Sommer in sein Haus auf Ibiza
eingeladen. Kontakte? Beziehungen?
„Das sind Freunde.“
In Reppegathers Büro fällt viel
Licht, die Fensterfront reicht vom
Boden bis zur Decke. In den beiden
Stockwerken darüber hat er seine Stadtwohnung, in der auch sein
„Mercedes 300SL“ parkt. Den Wagen
fährt er im Autolift von der Straße ins
Wohnzimmer.
Manchmal erstaunt vom eigenen
Erfolg, so als Hauptschüler? „Tja, erstaunt er mich...?“ Reppegather lässt
einen Philosophenseufzer hören
und schaut gedankenschwer auf den
Rhein, der ständig in dieselbe Richtung fließt. Er reibt sich das Kinn.
Manchmal nimmt die Natur einfach
ihren Lauf. „Man muss immer wieder
mal stehen bleiben und zurückschauen, darf nie vergessen, wo man herkommt. Wobei ich nicht sagen kann,
dass mein früheres Leben schlechter
war. Mein Bruder und ich sind zwar in
einfachen Verhältnissen aufgewachsen, aber wir haben eine wunderschöne Zeit gehabt.“
Groß geworden ist Reppegather
in Langenfeld, einer Stadt zwischen
Düsseldorf und Köln. 57.000 Einwohner. Sein Vater war Mess- und Regelungstechniker bei Henkel, seine Mutter Datenverarbeiterin. Er sei kein guter Schüler gewesen, sagt er. Aber das
wissen wir ja schon. Ab und zu habe er
mal in einer Düsseldorfer Tanzschule
den DJ gegeben, ein Berufsziel aber
eigentlich nicht verfolgt.
Mit 14 Jahren hätte er zumindest
einen Wunsch verspürt, nämlich den,
„so viel Geld zu verdienen, dass ich
selbst entscheiden kann, wann ich
Uwe und seine Buddies:
Til Schweiger gab er ein paar Scheine
für dessen Film, mit
Kraftdarsteller Ralf Moeller feiert er
regelmäßig im Münchener P1.
FOTOS: AGENCY PEOPLE IMAGE, IMAGO
aufstehe und was ich tue“. Aber so
ein Wunsch allein bringt einen nicht
voran. Sein Vater hat dann gemeint,
dass er erst mal eine Lehre machen
solle, und Uwe ging zur örtlichen
Spar-Großhandelszentrale und wollte
ein Großhandelskaufmann werden. Er
machte auch fixe Fortschritte, fand
dann aber, dass der Spar-Markt doch
nicht die richtige Bühne für ihn wäre.
Jetzt muss, auch wenn’s schwerfällt, die Frage nach seiner Vergangenheit als Gebrauchtwagenhändler
im Rotlichtmilieu kommen. Und wirklich: Rechte Freude über diese Frage
leuchtet in seinem Gesicht nicht auf.
Reppegather wedelt das nonchalant weg. „Nee, nee...“, weder das
eine noch das andere. Klar, Autos habe
er „schon immer“ gern gefahren und
auch gekauft (auch mal einen Maybach), aber nie damit gehandelt.
„Nee, nee“, er habe sein Geld in
das Restaurant Casablanca gesteckt,
hier in Düsseldorf. „Gehobene Küche,
hat sich angeboten.“ 1989 hatte der
damalige Besitzer die Immobilie verkauft, und Reppegather seine Ersparnisse aus sieben Jahren dafür hingelegt. Sein erstes Geschäft. „Immobilien interessierten mich schon immer.“
Entscheidend sei dann gewesen,
„Anfang der 90er-Jahre nach Ostdeutschland zu gehen“. Die Brüder
wollten da ein paar offene Vermögensfragen regeln. Reppegather sagt,
Wolfgang und er hätten sich dort mit
Restitutions- und Erbansprüchen
enteigneter Bürger auseinandergesetzt. Nach der Wiedervereinigung
waren Abertausende von Rückforderungsansprüchen auf enteignetes
Vermögen, Grundstücke und Häuser
eingereicht worden. Die Reppegathers
kauften den Leuten ihre Ansprüche ab
und reprivatisierten sie.
Das war ein gutes Geschäft gewesen. Zwischen 1991 und 1998 kauften,
sanierten und verkauften sie in den
neuen Bundesländern etwa 200 Wohnungen. Bis Reppegather feststellte,
dass der Westmarkt viel einträglicher war als der Ostmarkt und ein
Kaufhaus viel mehr einbringt als eine
35
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
36
Wohnung. Er zog zurück nach Düsseldorf, gründete die Centrum und richtete fortan seine gesamte Energie und
Schaffenskraft auf Einzelhandelshäuser. „Einfach machen. Bei dem, was
man tut, lernt man. Mir hat nie einer
gesagt: ‚Das geht nicht.‘ Also hab ich’s
gemacht.“
Sein erstes Großprojekt im Westen war ein H&M-Laden in Neumünster. Das war 1998. Dabei hatte ihm die
Firma Comfort geholfen, ein kontaktund kenntnisreicher Makler mit dem
Spezialgebiet: Einzelhandel.
Das H&M-Geschäft gelang, Comfort und Centrum bündelten ihre
Kräfte, und 2002 stieg Reppegather
bei Comfort als Hauptgesellschafter
ein. Die Büros von Comfort belegen
heute die Etagen unter Centrum.
Reppegather ist auf Gebäude in
A-Lage in A-Städten spezialisiert.
München statt Hannover. Innenstadt
statt Randlage. Das Beste vom Besten. Düsseldorfer Kö’, Frankfurter
Zeil, Hamburger Mönckebergstraße,
Kölner Schildergasse, Münchener
Leopoldstraße. Das kostet alles eine
Stange mehr, wirft aber auch mehr
ab, und wenn mal wieder „ein Markt
zusammenbricht oder sich eine Blase bildet, ist man in der A-Lage am
wenigsten betroffen“. Schon allein
deshalb, weil heute auch Textilhändler in die A-Lagen ziehen, die eigentlich nicht dort hingehören, wie H&M
oder Zara.
Und wenn tatsächlich mal nichts
geht, dann klappt er sich auf seine
ganze Höhe auf und schaltet sich persönlich ein. Zum Beispiel, ist noch
nicht lange her, da hatte die spanische Modekette Mango dreimal sein
Angebot abgelehnt, ins ehemalige
Vattenfall-Gebäude in die Hamburger
Spitalerstraße einzuziehen.
Also setzte sich Reppegather ins
Flugzeug nach Barcelona, um die
Mango-Leute mal persönlich in Augenschein und in den Schwitzkasten
seiner Überredungskunst zu nehmen.
Folge: Wenn das Haus im Herbst neu
eröffnet wird, dann wird Mango dort
ein Repräsentationsgeschäft eröff-
Aus Reppegathers Fotoalbum:
mit Tochter Bianca vor 22 Jahren in
heimeliger Umgebung (oben),
mit Modelfreundin Vanda Dadras
krügehebend auf der Wiesn.
FOTOS: PRIVAT, AGENCY PEOPLE IMAGE
nen mit einer Ladenfläche von etwa
2.200 Quadratmetern.
Die Händler vertrauen Reppegather: „Wenn ein Unternehmen zehn
Esprits oder zehn Zaras gebaut hat,
dann weiß der Mieter, dass es auch
beim elften Mal klappt“, schrieb Frank
Wenzel, Chef der Aachener Grundvermögen, in der „Immobilien-Zeitung“.
Auch der langjährige Esprit-Chef
Heinz Krogner (74) erinnert sich gern
an die späten 90er-Jahre, als da eines
Tages dieser lange Kerl unangekündigt in seinem Vorzimmer gestanden
und verkündet habe: Er hätte da eine
tolle Immobilie für Esprit. „Ich habe
Uwe Reppegather als äußerst vertrauenswürdigen und fokussierten
Unternehmer kennengelernt. In einer
Branche, von der es heißt, sie sei voller Haie, ist er einer der wenigen, auf
die man sich verlassen kann.“
Freilich stößt der rheinische Parvenü auch immer mal wieder auf
Skepsis bei den alten Herren der
Zunft. Wie 2004, als die Gebrüder
Reppegather die feine Repräsentanz
eines Hamburger Investors in fußknöchellangen Lederkutten betraten, die
schwarzen Sporttaschen geschultert.
Mit einem frischen „Moin!“, erinnert sich ein Zeuge, hätten sie ihre
schweren Aktentaschen – wumm! –
auf den Tisch gewuchtet. Der Hanseat
hatte urplötzlich Angst um seine Gesundheit. Das Projekt, ein Kaufhaus in
Braunschweig, gelang in Rekordzeit.
Reppegather sagt, er könne sich an
die Szene so nicht erinnern, „aber ich
habe natürlich gemerkt, dass manche
Leute, gerade in meiner Anfangszeit,
irritiert waren, weil ich eben anders
aussehe als Absolventen einer European Business School oder der typische Immobilienmanager. Aber mein
Aussehen ändert ja nichts an meiner
Qualität als Geschäftsmann oder als
Mensch. Am Ende hat es nicht geschadet. Ich möchte mich nicht verbiegen,
sondern bleibe mir treu.“
Nächsten Oktober wird Reppegather 52, so Gott will. Vorsorglich
ist das P1 schon mal für das Ereignis
reserviert.
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UNTERNEHMEN / MÄRKTE
WIR HABEN DA EIN PAAR FRAGEN
S
38
oll einer noch mal sagen, dass Deutschlands
Konzernchefs nicht
genug für ihre Aktionäre täten! 31 Milliarden
Euro wollen allein die 30 im Börsenindex Dax notierten Unternehmen für das vergangene Geschäftsjahr ausschütten, eine neue
Bestmarke.
Wer jedoch glaubt, dass die
Hauptversammlungen in rauschende Feste mündeten, auf denen die
Vorstände bejubelt würden, der
irrt. Nicht alle Firmenchefs haben
auf eine Weise gewirtschaftet, wie
sich die Eigentümer dies gewünscht
hätten. RWE-Premier Peter Terium
und sein scheidender Oberaufseher
Manfred Schneider dürften sich
bei der Hauptversammlung am
20. April heftige Kritik ausgesetzt
sehen. Ein beispielloser Kursverfall
der früher als Witwen-und-Waisen-Papiere geltenden Aktien verärgert die Aktionäre.
Auch die Anteilsscheine der
Deutschen Bank bereiten ihren
Eignern nur geringes Vergnügen. Bei der Vollversammlung am
19. Mai müssen die Chefs mit Unmut rechnen.
Den weitaus größten Unterhaltungswert bietet aber das Jahrestreffen der Volkswagen AG am
22. Juni in Hannover. Der Abgasskandal und die Klagewelle von
Kunden und Aktionären haben das
Unternehmen in die tiefste Krise
seiner Geschichte gestürzt. Für die
Begegnung mit den VW-Lenkern
sollten die Teilhaber Zeit mitbringen: Volkswagen hat die Messehalle
vorsorglich auch noch für den Folgetag gebucht.
Falls Sie Aktionär sind: Hier
sind ein paar Fragen, die Sie den
Chefs Ihrer Unternehmen stellen
sollten.
BASF
LUFTHANSA
VORSTANDSVORSITZENDER:
KURT BOCK
VORSTANDSVORSITZENDER:
CARSTEN SPOHR
1.
Wie viel Umsatz und
welches Ergebnis erzielt
BASF mit seinem
Weinkeller? Welchen
Erlös könnte BASF
mit einem Verkauf dieser
Aktivität erzielen?
1.
Wie ist der Stand
beim vom „Handelsblatt“
angekündigten
Rechtsstreit gegen die
Lufthansa:
Gibt es künftig noch
Bordexemplare?
2.
Welche Auswirkungen haben der
Zusammenschluss von Dow Chemical
und Dupont zur neuen globalen
Nummer eins der Chemie und die
anschließend geplante Aufteilung
des neuen Verbundes in drei spezialisierte Börsenunternehmen für den
bisherigen Branchenprimus BASF?
3.
Mit welchen konkreten kostensenkenden- und effizienzsteigernden
Maßnahmen will der Vorstand den
Rückgang bei Umsatz und Ergebnis
in diesem Jahr kompensieren?
4.
Bietet der von der BASF verfolgte
Gedanke des Verbundkonzepts
trotz der verstärkten und
kostengünstigen asiatischen
Konkurrenz noch genügend
Potenzial für Wertsteigerungen?
2.
Wie hoch sind die Anlaufkosten
für die Langstrecken-Angebote
der Tochtergesellschaft
Eurowings ausgefallen? Wie hoch
waren sie ursprünglich geplant?
3.
Welche Kosten verursacht die
Multimarken-Strategie
des Konzerns? Welche Rolle und
Positionierung bleibt langfristig
für die Marke „Lufthansa“?
4.
Lufthansa-Aufsichtsrat Karl-Ludwig
Kley hat sich über die Presse selbst
für den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden ins Spiel gebracht, obwohl Wolfgang Mayrhuber noch bis
2018 amtiert. Ist ein Unternehmenskontrolleur, der öffentlich über
wichtige Konzernpersonalien redet,
für diesen Posten überhaupt geeignet?
BILANZ / APRIL / 2016
Welchen Mehrwert bringt BASF der Weinkeller?
Was Sie auf den wichtigsten Hauptversammlungen fragen sollten.
DEUTSCHE BANK
RWE
VOLKSWAGEN
VORSTANDSVORSITZENDE:
JOHN CRYAN, JÜRGEN FITSCHEN
VORSTANDSVORSITZENDER:
PETER TERIUM
VORSTANDSVORSITZENDER:
MATTHIAS MÜLLER
1.
Wie teuer ist die
juristische Aufarbeitung
der zweifelhaften
Geschäfte des
Investmentbankings
im vergangenen Jahr
gewesen?
1.
Die Aufteilung
von RWE verursacht
zunächst zusätzliche
Kosten. Wie will
der neue Vorstand mit
der neuen Aufstellung
Wert schaffen?
1.
Bis zu welcher
Schadenshöhe
sind die Mitglieder im
Vorstand
und im Aufsichtsrat
der Volkswagen AG
haftpflichtversichert?
2.
Wie hoch ist das Kredit-Engagement
der Deutschen Bank bei FrackingUnternehmen in den USA
und gegenüber dem gesamten
ölfördernden Gewerbe? Mit
welchen Ausfällen bei diesen Krediten
rechnet die Deutsche Bank?
2.
Der Aktienkurs von RWE ist nicht
zuletzt durch die politisch verordnete
Energiewende auf einem historischen
Tief angekommen. Wäre es da nicht
folgerichtig, den Konzern gleich zu
verstaatlichen?
2.
Keine AG in Deutschland zahlt
seinen Aufsichtsräten so viel wie VW:
mehr als zwölf Millionen Euro 2014.
Ist angesichts des Kontrollversagens
der vergangenen Jahre eine Reform
des Vergütungssystems geplant?
3.
RWE hat die Bundesregierung
auf Schadenersatz in Milliardenhöhe
verklagt. Wenn RWE diesen
Rechtsstreit gewinnt: Wie will der
Vorstand das Geld verwenden?
3.
In wie viele Rechtsstreitigkeiten ist
Volkswagen involviert? Wie hoch
waren die Kosten für Rechtsberatung
im vergangenen Geschäftsjahr? Wie
viel Honorar kassierten die Anwaltskanzleien Jones Day und Freshfields?
3.
Der Niedergang des internationalen
Kapitalmarktgeschäfts erschwert
eine Fortsetzung des alten Geschäftsmodells. Wie werden Geschäftsmodell und Strategie angepasst?
4.
Welche Rolle in der Strategie spielt
der US-Markt? Macht es für die
Deutsche Bank tatsächlich Sinn, dass
der für große Unternehmenskunden
und das Investmentbanking
zuständige Vorstand Jeff Urwin sein
Ressort von New York aus steuert?
4.
Laut Vergütungsbericht wird ein
Viertel der Tantiemen an die Vorstände erst ausgezahlt, wenn eine
Prüfung belegt, dass sie das Unternehmen nachhaltig geführt haben.
Was haben die letzten drei Überprüfungen ergeben? Wie hoch waren
die Zahlungen an die Vorstände?
FOTOS: BASF, DEUTSCHE BANK (2),
LUFTHANSA, RWE, VW
4.
Warum hat VW bei den Dieselmotoren nicht die 2005/2006 von
dem damaligen Vorstandsmitglied
Wolfgang Bernhard vorgeschlagene
Technologie der Abgasreduzierung
verwendet, einschließlich der angedachten Kooperation mit Daimler?
39
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
40
BILANZ / APRIL / 2016
41
AUS DER MODE
Text / SOPHIE CROCOLL
und STEPHAN KNIEPS
Deutsche Modehersteller verlieren an Glanz und Ansehen.
Was machen Hugo Boss, Gerry Weber, Strenesse und Escada falsch?
FOTO: JEAN-PAUL GOUDE
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
A
42
m 5. April findet auf der
Düsseldorfer Königsallee eine Modenschau
statt, die in der Szene
mit äußerster Aufgewühltheit erwartet wird. Joops Jette
(48) führt ihre neue Kollektion vor,
und zwar genau dort, wo sie hingehört: in einer Filiale von Aldi Süd.
Kein Jetteteil soll mehr als 19,99 Euro
kosten. Ihren Abstieg zum Ramschanbieter verklärt sie zur „frechen
Herausforderung“.
Design beim Discounter: Symbol
und Symptom für den traurigen Zustand, in dem sich die deutsche Mode
derzeit befindet. Vorzeige-Einkleider
Hugo Boss (Umsatz: 2,8 Milliarden
Euro) setzte im Februar – nach Gewinnwarnungen und Kurssturz – seinen Chef Claus-Dietrich Lahrs (52)
vor die Tür; die Modefirma Gerry
Weber (Umsatz: 920 Millionen Euro)
muss jede zehnte Stelle streichen.
Die einstigen Luxusmarken „Escada“, „Strenesse“ und „Laurèl“ haben
den Anschluss an die Konkurrenz
verloren, das Modehaus Rena Lange
musste nach erfolgloser Investorensuche im Januar 2015 seinen Betrieb
gleich ganz einstellen. Und auch die
Mittelklassemarken „Esprit“ und
„Tom Tailor“ müssen sparen, um über
die Runden zu kommen.
Dabei sah es vor nicht allzu vielen
Jahren noch so aus, als könnten sich
die hiesigen Konfektionäre mit den
Modemächten in Italien und Frankreich durchaus messen. 1985 hatte der
in Modedingen freilich unerfahrene
„Spiegel“ gar die Behauptung vorgebracht, Deutschland werde „zur Mode-Nation“, seine Konfektionäre seien
„die erfolgreichsten der Welt“.
Die Kreationen von Caren Pfleger
und Reimer Claussen, von Manfred
Schneider und natürlich Wolfgang
Joop (71) und Jil Sander (72) fanden
weltweite Beachtung. Doch vom Glanz
vergangener Tage ist nichts geblieben.
Die deutsche Mode-Industrie steckt in
einer tiefen Krise.
Haben Branchenskeptiker recht
mit ihrer Feststellung, dass die Deutschen vom Zeitgeschmack so gut wie
gar nichts verstünden, Trends weder
Als Claus-Dietrich Lahrs (52), ein eleganter, weltläufiger Herr,
2008 zu Hugo Boss gewechselt war, geschah dies in der löblichen Absicht, mit dem Herrenkonfektionär aus Metzingen in
die Weltliga jener Luxusmarken aufzusteigen, für die er, Lahrs,
zuvor gearbeitet hatte: Cartier, Louis Vuitton, Dior. Es schien
lange Zeit, als würde der Plan aufgehen: Angestachelt und aufgepeitscht vom damaligen Großaktionär Permira, hatte Lahrs
einen extremen Wachstumskurs eingeschlagen, die Anzahl
der Verkaufsstellen von 390 auf mehr als 1.100 erhöht und den
Börsenwert bis 2015 verfünffacht; auch Lahrs selbst profitierte
angeblich mit einer Prämie in zweistelliger Millionenhöhe.
Doch kurz nachdem Permira im März 2015 ausgestiegen
war, ging den Schwaben die Luft aus. Im Oktober und Februar musste Lahrs zwei Gewinnwarnungen ausstoßen, dann
wurde ihm das Handwerk gelegt. Denn auch die Aussichten
fürs laufende Jahr sind schlecht. Finanzvorstand Mark Langer sagt: „Es ist sinnvoller, sich am Kern der Marke zu orientieren, als sich auf Experimente einzulassen.“
erspüren noch setzen und Stile allenfalls kopieren, aber nicht kreieren
könnten?
Thomas Rasch vom Modeverband
German-Fashion in Köln warnt davor,
„von Einzelschicksalen auf die gesamte
Branche zu schließen“. Aber dass sich
„schlechte Nachrichten von Vorzeigeunternehmen“ häufen, das hat auch er
registriert und ist versucht, den Niedergang der Modezunft auf die Mächte
ungünstiger Umstände zurückzuführen: zwei milde Winter in Folge, Eurokrise, Ölkrise, Russlandkrise.
Dazu kommen, wie Rasch sagt,
die „entsetzlichen Preis- und Rabattschlachten“ – Einkaufsportale wie
Net-a-porter, Stylebop, Mytheresa
und natürlich Zalando verschärfen die
Lage und gewinnen an Einfluss. Laut
einer Umfrage der Wirtschaftsprüfer
von KPMG soll der Anteil der im Netz
gekauften Mode von derzeit 21 Prozent auf 36 Prozent 2025 steigen.
Während der hiesige Einzelhandel 2015 die größte Umsatzzunahme
seit über 20 Jahren kontierte, gingen
die Einnahmen der deutschen Beklei-
In Europa, wo man die Männermarke „Boss“ nur zu den Massenherstellern gehobener Güte zählt, aber durchaus nicht als
Edelmarke, gelingt es ihr nicht, ähnliche Begehrlichkeiten zu
wecken wie die Kreationen von Gucci oder Dolce & Gabbana.
Vor allem die Damenherzen wurden nicht erobert: Designer
Jason Wu (33) habe „am Markt vorbeidesignt“, sagt Ex-„Instyle“-Chefredakteurin Annette Weber. Wer rückenfreie Kleider an die Zielgruppe Geschäftsfrauen verkaufen wolle, liege
„komplett falsch“. Auch habe Boss „seine Dachmarke mit
immer mehr Untermarken verwässert“, sagt der Wormser
Vertriebsprofessor Jörg Funder.
Zu all den Unannehmlichkeiten, die sich Boss selbst bereitet hat, kommen weitere Begleitumstände nachteiliger Art
wie die mit äußerster Verkniffenheit geführten Preiskämpfe in
den USA und die sinkende Nachfrage in China, wo es nicht verborgen geblieben ist, dass Boss in Europa nur halb so teuer ist
– weshalb sich die Chinesen lieber auf ihren Europareisen eindecken. In China will Boss nun die Preise senken.
U
BILANZ / APRIL / 2016
dungsindustrie um o,3 Prozent zurück.
Ein Aldi-Auftritt wie der von Jette
Joop kann Rasch nicht recht sein.
Annette Weber, langjährige Chefredakteurin der Modezeitschrift „Instyle“, benennt ein weiteres Problem
deutscher Mode: „Du musst für etwas
stehen, musst die Influencer auf deiner Seite haben: Blogger, Leitwölfe,
Meinungsführer, Markenbotschafter.
Vielen deutschen Marken gelingt das
nicht: Sie sind gesichtslos, ihnen fehlen die Coolness , die Modernität, die
Einzigartigkeit.“
Dass es auch anders geht, beweist
der Münchener Designer Philipp Plein:
Sein gleichnamiger Betrieb (Umsatz:
über 200 Mio. Euro) hat sich in Mailand
zwischen Prada, Versace und Armani
angesiedelt, die „New York Times“ ernannte ihn zum „Impresario Deluxe“.
Pleins Kreationen, oftmalig mit
Totenkopf-Symbolen oder Nieten versehen, werden von Madonna, Beyoncé
oder Lionel Messi getragen – was Plein
stolz auf der Foto-Plattform Instagram
dartut, wo er über 220.000 Anhänger
verfügt (Strenesse über deren 1.500).
„Deutsche Modemarken haben es total verschlafen, einen Grund zu finden,
warum man sich mit ihnen identifizieren soll“, sagt Weber. Philipp Plein habe
Fans, Hugo Boss bestenfalls Kunden.
Ins gleiche Horn stößt Tobias Ulmer (45), Chef der Stuttgarter Agentur
Werbewelt, die viele Modemarken betreut: „Die deutsche Mode ist insofern
in der Krise, als sie sich im internationalen Wettbewerb nicht positioniert.“
Die Digitalisierung hätten viele
Hersteller schlichtweg „verschlafen“,
im Gegensatz zu einer Luxusmarke
wie Burberry (Umsatz: 3,5 Mrd. Euro).
Die Briten seien die Ersten gewesen,
sagt Ulmer, die ihre Vermarktung nach
den Erfordernissen des Internets ausgerichtet hätten.
Auf der Foto- und Video-Plattform
Snapchat zeigte Burberry im September Ausschnitte der Frühjahrskollektion, noch bevor diese auf dem Laufsteg
präsentiert wurde. Escada, Strenesse,
Gerry Weber und Hugo Boss sucht
man auf Snapchat bislang vergebens.
Louis Vuitton, Hermès, Chanel
und Prada stellten die Inspiration ih-
Das Unheil hatte man seit Monaten kommen sehen, der stetig fallende Aktienkurs hatte es angekündigt. Von 32 Euro
im März 2015 waren die Papiere der im S-Dax registrierten
Gesellschaft auf nur noch 13 Euro gefallen. Ende Februar
erklärte Firmenchef Ralf Weber (52), dass der westfälische
Bekleidungskonzern vor der größten Herausforderung seiner
Geschichte stehe: „Wir haben Fehler gemacht.“
Gewiss, Weber konnte zuletzt einen um ansehnliche acht
Prozent gestiegenen Umsatz (920 Mio. Euro) bekannt machen. Aber der Zuwachs geht allein auf die Übernahme der
Marke „Hallhuber“ zurück, die eine beachtliche Lebendigkeit zeigt. Der Konzerngewinn lief hingegen um ein Viertel
ein. „Wir waren erfolgsverwöhnt“, sagte Ralf Weber, der die
Firmenleitung Anfang 2015 von seinem Vater, dem Gründer
Gerhard Weber (74), übernommen hatte.
Der Senior war in seinen letzten Amtsjahren vorgegangen, als hätte ihn der Hafer gestochen. In jeder Kleinstadt zog
er Filialen auf, nicht selten in Nachbarschaft zu Boutiquen
rer Mode an den Anfang, sagt Ulmer,
„die Deutschen denken zuerst: Wie organisieren wir den Vertrieb? Und wie
produzieren wir? Erst dann kommt
vielleicht die Inspiration. Das steigert
womöglich den Umsatz, weckt aber
wenig Gefühl“.
Früher hätten Autoritäten wie Jil
Sander, Wolfgang Joop und Werner
Baldessarini noch Aufsehen erregt:
„Solche Persönlichkeiten erzeugen eine ganz andere Wucht, einen Wert für
ihre Marke, den die Leute heute größtenteils vermissen.“
Auch die Modejournalistin Annette Weber beklagt fehlende „Identifikationsfiguren, die die Marke sexy
machen“. Stattdessen beobachte sie
partout ein typisch deutsches Verhalten: „Heerscharen von Managern,
die einen Business- Plan aufstellen
und die Möglichkeiten der Kreativen
einschränken. Das geht nicht gut. Es
geht nur über Emotionen, welche
die Marke bei den Kunden auslösen
muss. Um Sexyness . Und die bittere
Wahrheit ist: Entweder du hast sie –
oder du hast sie nicht.“
U
oder Kaufhäusern, die ebenfalls Gerry-Weber-Kleidung führen. Gleichzeitig vernachlässigte man den Großhandel mit
den selbstständigen Modegeschäften. 103 der 987 Weber-Filialen sollen nun geschlossen werden, betroffen davon sind
rund 460 Arbeitsplätze im Aus- und Inland. Weitere 250 Stellen stehen in der Verwaltung zur Disposition.
In den verbleibenden Läden will man sich künftig feiner
darstellen, die Kunden zuvorkommender bedienen und das
Sortiment vor Ort mit dem Internetverkauf verknüpfen. Vor
allem aber ist man entschlossen, die Schlüsselmarke „Gerry
Weber“ zu überholen, aufzufrischen, mit dem Lack des Erhabenen oder doch wenigstens Besonderen zu versehen und
anschließend blank zu wienern.
Volker Bosse von der Baader-Bank rät Anlegern dennoch
dringend vom Kauf der Anteilsscheine ab: „Der Umfang der
bevorstehenden Aufgaben hat uns doch überrascht. Gerry
Weber hat derzeit einfach zu viele Bälle in der Luft. Aus unserer Sicht besteht eine gewisse Exekutionsgefahr.“
U
EIN AUSFÜHRLICHES INTERVIEW MIT GERRY-WEBEREINZELHANDELSVORSTAND NORBERT STEINKE FINDEN
SIE AM 1. APRIL AUF WWW.BILANZ.DE
43
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
44
Ende der 90er-Jahre stelzten Mannequins, die Milla Jovovich,
Amber Valletta und Christy Turlington hießen, über die Strenesse-Laufstege. Die Schneidereien aus Schwaben standen
„auf einer Höhe mit denen von Gucci, Donna Karan, Calvin
Klein, Prada“ („Der Spiegel“). Tempi passati. Die glamouröse Gabriele Strehle (65), 37 Jahre lang Chefdesignerin und
kreativer Kopf des Hauses, verließ 2012 nach Streitereien
um Stil und Preise sowohl das Unternehmen als auch ihren
Mann Gerd (75), der in jenem Jahr vom Vorstands- in den
Aufsichtsratsvorsitz gewechselt war.
Damals hatte sich der Umsatz bereits von 125 Millionen
(2001/2002) auf 76 Millionen Euro (2010/2011) zusammengezogen, nachdem der Versuch, in der Männermode Fuß zu
fassen, missglückt und auch der Trend zu mehr Lässigkeit im
Auftritt leichtfertigerweise versäumt worden war. Seitdem
halbierten sich die Einnahmen weiter auf zuletzt gemessene
38 Millionen Euro.
Personell geriet in der Folge alles durcheinander. Die
ehemalige Deutschland-Chefin von Prada, Gabriella Schnitzler, hielt es als Verkaufsdirektorin 2013 nur vier Monate bei
Strenesse aus. Im selben Jahr konnte die Firma eine Mittelstandsanleihe in Höhe von zwölf Millionen Euro nicht zu-
rückzahlen. Seit Mitte 2014 läuft ein Insolvenzverfahren in
Eigenverwaltung. Was das bedeutet, weiß Werber Tobias Ulmer: Die letzte Rechnung seiner Werbeagentur über 60.000
Euro muss Strenesse dank des Verfahrens nicht mehr bezahlen. „Die Angst, etwas falsch zu machen, ist bei Strenesse
zu groß. Es fehlt der Mut, wirklich etwas zu verändern. So
inspiriert man niemanden. Dabei ist das doch das Wichtigste:
Eine Modemarke muss mich und andere inspirieren, sie muss
mir ein gutes Gefühl vermitteln. Für mich sind ,Escada‘ und
,Strenesse‘ Handelsmarken.“
Das Bemühen, einen Geldgeber zu finden, blieb bislang
ohne Erfolg. Im Oktober drängten Gerd und sein Sohn Luca
Strehle, der bis zur Pleite die Geschäfte geführt hatte und
heute im Aufsichtsrat sitzt, den Chefsanierer Michael Pluta aus dem Unternehmen. Pluta stand damals kurz vor dem
Verkauf des insolventen Unternehmens an eine Investorengruppe um den Modekonzern S.Oliver. Der Vertrag war unterschriftsreif, der Kaufpreis sollte etwa zwölf Millionen Euro betragen. Doch sowohl die Familie als auch die Gläubiger
machten Pluta einen Strich durch die Rechnung. Gerd Strehle
und Michael Pluta waren für eine Stellungnahme nicht zu
erreichen.
U
„Bei Escada fehlt eine Idee“, sagt Tobias Ulmer, Chef der
Agentur Werbewelt, die für viele Modeunternehmen arbeitet. „Was wollen wir in Zukunft sein? Antwort: bloß nicht
mehr die Marke mit den Goldknöpfen. Verstanden. Aber
was stattdessen?“ Seinen Gipfelpunkt hatte der Münchener Modebetrieb in den 80er-Jahren (Umsatz damals über
1,2 Milliarden D-Mark) erklommen, Stars wie Kim Basinger
und Demi Moore trugen stolz die Kollektionen des Unternehmers Wolfgang Ley und seiner schwedischen Frau und
Chefdesignerin Margaretha.
Doch der Erfolg machte übermütig: Escada führte allerlei neue Marken ein oder kaufte sie hinzu („Laurèl“, „Biba“,
„Crisca“, „St. John“), erweiterte Sortiment (Schmuck, Schuhe, Parfums) und Filialnetz und mutete sich überhaupt viel
zu viel zu. Der Ruf litt, Escada beklagte erste Verluste. Es folgten Inhaberwechsel, weitere Rückschläge und Unterschüsse.
Ex-Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer (58) wurde mit der
Instandsetzung beauftragt. Doch 2009 ging Escada erst ein-
mal in die Insolvenz. Drei Monate später kaufte die Investmentbankerin Megha Mittal (39), Schwiegertochter des
indischen Stahlmilliardärs Lakshmi Mittal, das Unternehmen für 60 Millionen Euro. 2012 hatte sich der Umsatz auf
300 Millionen Euro verengt, im vergangenen Jahr soll er
auf 270 Millionen Euro gefallen sein. Sälzer betrachtete
den Umbau ungeachtet dessen 2014 als „abgeschlossen“ und
ging zur britischen Modemarke „Bench“.
Ruhiger wurde es seitdem nicht. Dutzendweise stoben
Führungskräfte davon. Die Ökonomin Mittal agiert plan-, hilfund glücklos, vor allem in der Personalpolitik: Die Geschäfte
führt derzeit kommissarisch ein früherer Villeroy&Boch-Manager, der von Keramik mehr, von Mode weniger versteht.
Gegenüber BILANZ gibt ein Sprecher zu Protokoll: „Obwohl
Escada in der Vergangenheit schon Restrukturierungsprogramme durchlaufen hat, zeigt sich, dass diese in der Realität
nicht ausreichend waren, um das Unternehmen optimal an
die heutigen Marktbedingungen anzupassen.“
U
BILANZ / APRIL / 2016
„
EINE MARKE MUSS
EINE AURA HABEN
“
Der ehemalige Hugo-Boss-Chef Peter Littmann über
die verblasste Strahlkraft deutscher Modemarken.
Herr Littmann, der deutschen
Modebranche geht es schlecht.
Welche Fehler wurden gemacht?
Zunächst mal: Einige deutsche Modemarken haben in den letzten Jahren
ja vieles richtig gemacht. Wenn, dann
klagt man auf hohem Niveau. Es ist
besser, über einzelne Marken spezifisch zu sprechen.
B
Ihr Ex-Arbeitgeber Hugo Boss...
...hat sich über die Jahre gut entwickelt. Trotzdem: Versprechungen
wurden nicht eingehalten, das ist
immer ärgerlich für alle Beteiligten.
Die Gründe sind bekannt: die viel zu
schnelle Expansion, der Rückgang der
Frequenz in den Städten und die damit
verbundene zunehmende Bedeutung
des Online-Geschäfts.
B
Die hat man bei Boss verkannt?
Möglicherweise. Aber es ist auch
schnell gesagt: Wir machen jetzt mehr
online. Aber wie stellt man es an, mit
dem Online- Verkauf Geld zu verdienen? Wie findet man ein Multichannel-System, das dem Verbraucher den
Einkauf erleichtert und angenehmer
macht? Online und Offline sind zwei
sich ergänzende Kanäle. Das Zusammenspiel muss man beherrschen.
B
Wie erklären Sie die Krisen von
Escada und Strenesse?
Den beiden ist es leider nicht gelungen, ihre Marken wieder attraktiv zu
machen. Wenn ich eine Marke beurteile, helfe ich mir immer mit der einfachen Frage: Würden wir etwas vermissen, wenn es sie ab morgen nicht mehr
gäbe? Dann weiß ich, ob die Marke gut
am Markt steht, ob sie eine Legitimation hat. Hat sie nur Ab-und-zu-Käufer,
oder hat sie echte Fans? Bezogen auf
Escada und Strenesse lautet die Antwort: Wir würden nichts vermissen.
B
PETER LITTMANN
(68), studierter Maschinenbauer,
kennt sich aus mit Marken: Nach
Stationen bei Rosenthal und Vorwerk führte er von 1992 bis 1997
Hugo Boss, danach zwei Jahre lang
Joop. 2000 gründete er die Beraterfirma Brandinsider; er sitzt im
Aufsichtsrat von Marc O’Polo.
B
Woran liegt das?
Bei Modemarken ist die Alleinstellung
wichtig: Sie müssen sich ja irgendwie
differenzieren. Ich wüsste nicht, wodurch sich Escada oder Strenesse von
anderen Marken unterscheiden. Und
die Marke muss eine Aura haben, im
Gegensatz beispielsweise zu Elektrogeräten. Es ist ja etwas anderes, ob wir
über die Aura eines Staubsaugerbeutels reden oder über die eines Damenkostüms.
Interview / STEPHAN KNIEPS
FOTO: OBS RODENSTOCK
B
Was verstehen Sie unter Aura?
Insbesondere im Luxus- und Premiumsektor wollen die Käufer nicht nur das
nackte Produkt haben, sondern ein
damit verbundenes Gefühl. Wenn Sie
es nicht schaffen, dieses Gefühl zu vermitteln, müssen Sie davon ausgehen,
dass die Marke nicht relevant ist. Das
ist der Fall bei Escada und Strenesse.
B
Klingt nach einer Aufgabe für die
Kreativabteilung.
Ja, es ist eine kreative Aufgabe – es ist
aber auch eine Management-Aufgabe.
Starke Marken wie „Armani“, „Versace“, „Louis Vuitton“, „Dior“ haben alle
diese Aura. Es ist mühsam und kostspielig, eine solche Aura aufzubauen,
aber sehr leicht, sie zu zerstören. Oft
ist die einzige Antwort, die Manager
unter Druck finden: Machen wir noch
mehr Geschäfte auf. Kurzfristig bringt
das mehr Umsatz, vielleicht auch mehr
Gewinn. Aber mittel- bis langfristig fügen sie damit der Marke Schaden zu.
Boss habe am Markt vorbeigestalB
tet, heißt es. Bei Gerry Weber misslang die Verjüngung der Marke.
Bei Hugo Boss mache ich mir keine Sorgen, das kriegen die hin. Die
Mannschaft macht ihren Job gut, ganz
gleich, wer da oben führt. Man darf denen nur nicht am einen Tag dieses und
am nächsten Tag jenes erzählen. Gerry
Weber hat lange Zeit von der Dame in
den besten Jahren gelebt, also 50 plus.
Das ist gefährlich, weil diese Dame
nicht jünger wird. Man muss schauen,
dass jüngere Kundinnen nachwachsen.
Und wenn man, wie bei Gerry Weber,
über eine Modemarke als altbacken
spricht, dann ist das fast schon ein
Todesurteil.
B
Herr Littmann, vielen Dank für
dieses Gespräch.
U
45
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
BOB LUTZ
46
Wie geht’s
eigentlich… ?
EDZARD REUTER
BILANZ / APRIL / 2016
Mit seiner dritten Ehefrau Denise,
fünf weißen Enten, vier Hunden, zwei
Katzen und Hausschwein Rosie (30
Kilo schwer) lebt Bob Lutz (84) auf
seinem Anwesen in Ann Arbor, eine
Autostunde von Detroit entfernt. Die
Pferde, die er früher auch noch hatte,
sagt Lutz, habe seine zweite Frau bei
der Scheidung mitgenommen, „wofür
ich ihr sehr dankbar bin“.
Schließlich hat er genug zu tun, seit
er sich 2010 als Vorstands-Vize von General Motors mit 78 Jahren, von denen
er 47 in der Automobil-Industrie verbracht hat, in den „Quasi-Ruhestand“
versetzen ließ. Lutz ist Aufsichtsrat
des Autozulieferers Nanosteel, Beirat
der Beratungsfirma Proudfoot und
der U.S. Marine Corps University
Foundation ; er steht für CNBC als
Auto-Experte vor der Kamera, leitet
die Firma Via Motors, die Geländeund Lieferwagen mit Elektromotoren
ausstattet, und gründete VLF Automotive, eine Firma, die ihrerseits die
Luxus-Hybrid-Limousine „Fisker Karma“ mit einem 640-PS-Corvette-Motor ausgerüstet, umbenannt und für
230.000 Dollar auf den Markt gebracht
hat. Gerade haben Lutz und Kompagnons ihren ersten „VLF Destino“ an
Carlos Santana ausgeliefert.
Lutz ist noch immer viel unterwegs
und lässt sich durch nichts mehr aus
der Ruhe bringen. Er schläft zehn, elf
Stunden, steht nicht vor acht Uhr auf
und fühlt sich „herrlich“. Seine Frau,
knapp 30 Jahre jünger als er, begleite
ihn oft: „Eine weit jüngere Gattin hilft,
dass man selbst jünger bleibt.“
An freien Tagen fährt Lutz Motorrad, „etwas konservativer als noch
vor fünf Jahren“, oder jagt mit seiner
einstrahligen „Aero L-39“ durch den
Himmel. Er sei der älteste Pilot eines
solchen Jets, sagt der frühere Marineflieger. Der Fluginspektor habe Lutz
erst kürzlich bescheinigt, außerordentlich erfahren und begabt zu sein.
Zudem arbeite er an seinem fünften Buch, seinem ersten Roman.
Genaues verraten will Lutz nicht, nur
so viel: Es werde „in groben Zügen natürlich eine Liebesgeschichte“.
U
Robert „Bob“ Lutz, geboren in Zürich, ist das, was die Branche
einen echten Car Guy nennt. Er war nacheinander im Vorstand von
vier Autokonzernen: bei BMW, Ford, Chrysler und General
Motors, wo er seine Karriere 1963 begonnen hatte. Das Foto zeigt
ihn 1977 mit dem ehemaligen Formel-1-Champion Jackie Stewart.
47
Der gebürtige Berliner Edzard Reuter verbrachte die NS-Zeit im Exil
in Ankara. Später studierte er Mathematik, Physik und Jura.
1964 kam er zu Daimler-Benz, dessen Vorstandschef er von 1987 bis
1995 war. Im Bild sehen wir ihn (r.) 1995 mit seinem Nachfolger
Jürgen Schrempp (M.) und Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper.
Wer Ende März Fernsehen schaute,
stieß in einer Dokumentation über
Nachkriegs-Berlin auf den Zeitzeugen Edzard Reuter (88), den Sohn des
denkwürdigen SPD-Bürgermeisters
Ernst Reuter („Völker der Welt...schaut
auf diese Stadt...“), der Westberlin von
1948 bis 1953 regierte. Ganz und gar
nicht gefallen habe ihm übrigens die
vorgeschaltete ZDF-Serie „Ku’damm
56“ – an deren Entstehen er aber, wie
er spottet, kein „Verschulden“ trage.
Der Mann sagt, was er denkt. Gedanken macht er sich um die Demokratie in Europa. Angesichts „der großen Fülle der Probleme, die über uns
hereinstürzen“, seien die Regierungen
gezwungen, „jeden Tag politische Feuerwehrarbeit zu leisten“. Für die Menschen sei aber nicht mehr sichtbar, „zu
welchen Zielen Politik betrieben wird“.
In mehreren Büchern wie „Stunde
der Heuchler“ hat er sich als Autor mit
den großen gesellschaftlichen Themen
beschäftigt. Reuter bleibt Optimist: „Es
wird noch viele Umbrüche geben, aber
zum Schluss auch eine Lösung“, sagt er.
Unter Beschäftigungsmangel leidet Reuter nicht. Gemeinsam mit seiner Frau Helga hat er eine Stiftung zur
Förderung der Völkerverständigung
gegründet, deren Leitung er alsbald in
jüngere Hände übergeben will. Zudem
sitzt er in diversen Beiräten und Ku-
FOTOS: BERND KAMMERER, PICTURE ALLIANCE (2),
PICTURE ALLIANCE/AFP/ BOB FORAN
ratorien. Unternehmerisch ist er nicht
mehr tätig, „das ist nichts für mein Alter“. Stolz ist er aber auf die Schweizer
U-Blox AG, die hauptsächlich Schaltkreise für GPS-Systeme herstellt und
die er erst als Teilhaber, jetzt als Aktionär begleitet. Inzwischen setzt sie fast
320 Millionen Euro im Jahr um.
In der Autoindustrie hat Reuter
Spuren hinterlassen als jener Mann, der
Daimler zum „integrierten Technologiekonzern“ ausbauen wollte – vergeblich. „Glücklich“ sei er, dass es Daimler
gut gehe. Sorge bereite ihm die Entwicklung der deutschen Autoindustrie
im Zeitalter der Digitalisierung. „Das
bewegt mich jeden Tag.“
U
BILANZ / APRIL / 2016
Text /
JAN VOLLMER
Fotos / TOBIAS KRUSE
und DAWIN MECKEL
REVOLUTION!
In der Banken- und Börsenwelt redet man zurzeit über nichts anderes.
Die sogenannte Blockchain ist das ganz, ganz große Ding.
Die neue Technik könnte das globale Finanzsystem völlig verändern.
Eine Überweisung per
BLOCKCHAIN
A will Geld an B
überweisen.
Das Geld kommt
bei B an.
Die Rechner im System
laden sich den Block
herunter und speichern ihn
mit den älteren Blöcken.
Es entsteht eine Blockkette,
die nachträglich
nicht veränderbar ist.
49
Die Überweisung wird in
eine verschlüsselte
Transaktion verwandelt.
?
?
Die Transaktion wird
als Anfrage an die Rechner
im Netzwerk gesendet.
Die Netzwerkteilnehmer überprüfen
die Transaktion und nehmen
sie in den aktuellen Block auf.
?
?
?
IDEEN / INNOVATIONEN
C
50
hristoph Jentzsch (30)
hält ein programmierbares Vorhängeschloss
in der Hand: ein schönes
Ding; rund, ebenmäßig,
polierter Edelstahl. Man kann das
Schloss mit einem Morse-Code oder
mit einer Telefonanwendung öffnen.
Christoph ist Physiker, er sitzt zwischen bunten Kissen, auf einer Sofaecke in einem weitläufigen
Büro in Kreuzberg. Er ist vielleicht 1,75 Meter groß, hat
dunkle Haare, buschige Augenbrauen und trägt ein kariertes Hemd.„Wir machen ein
Schloss, das man durch Bezahlen öffnen kann“, sagt er.
Man könnte auch sagen,
dass Christoph Jentzsch
alles vermietbar machen will,
was den modernen Menschen
umgibt: Wohnungen, Autos,
Waschmaschinen, Fahrräder,
Rasenmäher. Eine Wirtschaft
des Teilens. Airbnb für alles,
nicht nur für Wohnungen,
und eben ohne Airbnb. Das
ist ganz wichtig: Ohne jene
zentrale Firma, ohne jenen
zentralen Rechner, ohne jene
zentrale Datensammelstelle,
die für andere Systeme in dem
Netzwerk bestimmte Aufgaben erledigt.
Was man für die Vermietbarkeit von allem braucht, ist,
was Jentzsch eine „Revolution
am Backend“ nennt, im Maschinenraum unserer Infradigitalstruktur. Diese Revolution ist schon ausgebrochen:
Sie wird „Blockchain“ genannt.
Jentzsch wiegt das silberne Schloss
in der Hand. Er hat sich in den vergangenen Monaten daran gewöhnt, die
Blockchain und das, was er macht, in
einfachen Worten darzulegen: Neulich
erst hat er in dieser Angelegenheit bei
der Bundesbank vorgesprochen und
die Dinge erklärt.
Er mag das Beispiel vom Rasenmäher: „Wie viele Rasenmäher stehen in
Kellern herum? Und wie viele bräuch-
te man, wenn man sich Rasenmäher
einfach in der Nachbarschaft teilen
könnte?“ Christoph spricht mit einem
leichten sächsischen Einschlag. Er
kommt aus Mittweida.
Ein Rasenmäher in der Nachbarschaft reicht, eine Heckenschere, ein
Spaten. Bisher hatte diese Wirtschaft
des Teilens immer einen Nachteil:
Man musste sich vertrauen können.
CHRISTOPH JENTZSCH
Der Gründer will alles vermietbar machen, was uns umgibt.
Dabei soll die Blockchain der
Mittelsmann zwischen Vermieter
und Mieter werden. Auf dem
Weltwirtschaftsforum in
Davos wollten ihm Investoren
den Sieben-Mann-Laden
für Millionenbeträge abkaufen.
Oder man brauchte jemanden, der
klare Regeln aufstellt und die nachbarliche Rasenmähernutzung organisiert
und überwacht. Man braucht einen
Mittelsmann, so wie Airbnb oder Uber.
Die Blockchain-Technik umgeht
dies alles, sie ist die kommende Umwälzung, auf die Christoph Jentzsch
mit seiner Firma Slock-It (https://
slock.it) wettet:
Es ist ein System, das Transaktionen (wie Anmietungen oder
Verkäufe) von Rechner zu Rechner ermöglicht und ohne einen
Vermittler auskommt, der sie
prüft, genehmigt oder verwirft
und dafür ein stattliches Honorar
verlangt. Airbnb und Uber etwa
beanspruchen 13 bis 20 Prozent
der Umsätze für ihre Dienste.
Die Blockchain ähnelt so
gesehen einem dezentral geführten, allumfassenden, begreiflich-nachvollziehbaren,
gläsernen Kontobuch, das alle
Aktionen zwischen Nutzern registriert und die gespeicherten
Daten blockweise aneinanderreiht wie eine Kette. Alle Nutzer
haben gleichermaßen Zugriff auf
dieselben Daten, und zwar in
Echtzeit. Dadurch, heißt es, sei
ein besserer Schutz sowohl vor
Cyberkriminalität als auch vor
Manipulationen gewährleistet.
Es ist ein radikales Konzept,
das die Finanzwelt verständlicherweise in Aufregung versetzt.
Denn es wird das Bankgeschäft
dramatisch verändern.
Jentzsch will aber noch die
Rasenmähergeschichte zu Ende
erzählen: Frau Müller geht also
zum Nachbarn Krause und öffnet mit
ihrem Telefon das Schloss von Krauses Rasenmäher. Krause schaut aus
dem Fenster und nickt zum Gruße.
Er weiß, dass Frau Müller beim Öffnen des Schlosses 500 Euro Kaution
hinterlegt hat und ihm an diesem
Sonnabendnachmittag für das Rasenmähen zehn Cent pro Minute überweist. Die Sonne lacht, und Krause
lacht mit. Weit und breit kein Mit-
BILANZ / APRIL / 2016
telsmann in Sicht. Auch keiner nötig.
Die Blockchain-Technik selbst, für
sich genommen, ist kein Spektakel:
vergleichbar mit einer modernisierten
Form der Buchführung. „Ich nenne
die Blockchain gerne einen Permission
Ledger“, sagt Jentzsch.
Das Besondere an diesem „Geschäftsbuch“ ist, dass viele Rechner
gleichzeitig in ihm blättern können
und Betrügereien dadurch praktisch ausgeschlossen sind: Wenn
Frau Müller den Rasenmäher
nicht zurückbringt, dann verliert
sie die Kaution. Daran können
weder der Chef von Airbnb noch
Chuck Norris etwas ausrichten.
Die Blockchain diskutiert nicht.
UBS, Goldman Sachs, die
Deutsche Bank, nahezu alle großen Geldhäuser, aber auch viele
Börsen in Europa und Übersee
experimentieren inzwischen
entweder selbst mit der neuen
Technik oder sie beteiligen sich
an Firmen, die die Blockchain
für ihre Geschäftsziele nutzbar
machen sollen.
Auch die Aufmerksamkeit
von Risikokapitalisten ist gefesselt: 2015 steckten sie 474 Millionen Dollar in das junge Gewerbe, fast 60 Prozent mehr als im
Jahr zuvor. Dass Microsoft, IBM,
Cisco, Samsung, Intel, die Linux
Foundation und wie sie alle heißen, dabei sind, versteht sich
von selbst.
Reizvoll ist die Einfachund Schlichtheit des Systems.
Eine Blockkette entsteht, sobald jemand nur ein Programm
schreibt, zum Beispiel für die
Buchhaltung, und es im Internet veröffentlicht. Wenn sich neun Personen
dieses Programm herunterladen, dann
entsteht ein kleines Netzwerk von
zehn Rechnern, die denselben Regeln
folgen.
Fünf Eigenschaften verwandeln
dieses Buchhaltungsprogramm nun in
eine Blockchain:
1. Wenn einer der zehn Rechner eine Transaktion verbuchen will, muss
diese von den anderen Rechnern bestätigt werden. Eine Buchung, die den
Regeln des Buchhaltungsprogramms
widerspricht, wird nicht vollzogen:
Rechner 1 hat kein Geld auf dem Konto,
will aber 100 Euro an Rechner 2 schicken? Das Netzwerk stellt fest, das geht
nicht. Die Buchung findet nicht statt.
2. Hat das Netzwerk eine Transaktion akzeptiert, wird sie von einem
THOMAS DAPP
Der Volkswirtschaftler denkt
für die Deutsche Bank über
die Blockchain nach. Noch
haben die Banken eine Chance,
die Technologie zu nutzen.
Auf lange Sicht müssen sie
aber aufpassen, dass die
Blockchain sie als Mittelsmann
nicht überflüssig macht.
der Rechner mit anderen, gleichfalls
akzeptierten Transaktionen zu einem „Block“ zusammengerechnet. Er
funktioniert ähnlich wie Rubiks Zauberwürfel: Es ist aufwendig, ihn zu errechnen, aber einfach zu kontrollieren,
ob er stimmt.
3. Alle Rechner des Netzwerks laden sich diesen neu errechneten Block
herunter. So entsteht eine Chronik der
Transaktionen, gespeichert
auf dem ersten Block, dem sogenannten Genesis-Block.
4. Alle Blöcke greifen mathematisch ineinander und
spiegeln die Regeln des Netzwerks wider. Wenn jemand
aus falschen Transaktionen
einen Block errechnet, passt
er nicht zum vorangegangenen und wird vom Netzwerk
abgelehnt.
5. Die Mehrheit der Rechner (bei zehn also mindestens
deren sechs) legt schließlich
fest, welchen Regeln das Netzwerk folgt. Gebühren an eine
Vermittlungszentrale, sei es
eine Bank oder Airbnb, fallen
nicht an.
Welche Vorgänge man
in diesem System verbucht,
spielt keine Rolle. Die virtuelle Währung Bitcoin, die ohne
etablierte Banken und Währungshüter auskommt, ist beispielsweise eine Blockchain;
echtes Geld bietet sich ebenfalls an, aber auch Eigentumsund Nutzungsrechte. Kurzum:
alles, was eine herkömmliche
Buchführung umfasst.
Goldman Sachs spricht in
einer Studie von einem „Megatrend“,
der die „Zukunft des Finanzwesens“ prägen würde. Ähnlich sieht es
Michael Bodson, Chef der Depository
Trust&Clearing Corporation, die unter anderem den Wertpapierhandel
an der New Yorker Börse überwacht:
Er bezeichnet die Blockchain als jene
„Gelegenheit, die Infrastruktur einer
Industrie neu zu denken und zu modernisieren, die man nur einmal in
51
IDEEN / INNOVATIONEN
52
einer Generation hat“. Kurz, die Wall
Street werde früher oder später auf die
Blockchain umsteigen.
Ihren Zauber übt die anonyme
Welt der Bitcoins auch auf Dunkelmänner und Drogenhändler aus, weshalb die Staatsgewalt großen Wert
darauf legt, dass etwa der Programmcode nicht mit anwendbarem Recht in
Konflikt gerät.
Das Kreuzberger Büro, in
dem Jentzsch auf der Couch
sitzt, gehört der Ethereum
Foundation. Ethereum ist, nach
Bitcoin, die bekannteste Blockchain.
Man muss wissen, dass Bitcoin technisch schon veraltet
ist, weil Modernisierer nicht
die Mehrheit für Systemaktualisierungen hinter sich bringen
können. Vitalik Buterin, 22 Jahre
alt, hat deswegen in einer Kreuzberger Drei-Zimmer-Hinterhofwohnung kurzerhand eine neue
Digitalwährung erfunden bzw.
ihr Programm geschrieben: jenes Ethereum, dessen Name an
den „Äther“ erinnern soll.
Mit Ethereum sollen sich
vielschichtige Geschäftsvorgänge ausführen lassen, zum
Beispiel vermöge sogenannter
Smart Contracts.
Intelligente Verträge sind
Programme, die das Verhalten der Vertragspartner und
die Einhaltung der Vertragsbedingungen kontrollieren und
Zahlungen beispielsweise nur
dann freigeben, wenn diese erfüllt sind.
Rechtsgelehrte können
durch diese Verfahren vor bemerkenswerte Herausforderungen gestellt werden, wenn etwa Willenserklärungen
über Transaktionen zu einem Vertragsabschluss führen. Wie bewertet man juristisch, wenn eine Waschmaschine mit
einem Waschpulver(-hersteller) einen
Smart Contract schließt, dessen Inhalt
sich nicht aus einem schriftlichen Dokument, sondern aus dem Programmcode einer Transaktion herleitet?
Christoph Jentzsch war eine Art Cheftester von Ethereum gewesen, bevor
er mit seinem Bruder und einem Partner Slock.it gegründet hat.
Im Januar ist Jentzsch auf Einladung des Weltwirtschaftsforums nach
Davos gereist. Buterin selbst war gerade in China. Laut Coindesk, einer der
wichtigsten Nachrichtenseiten der
Szene, will der chinesische Autobauer
Wanxiang 50 Millionen Dollar in einen
Fonds stecken, der sich mit Blockchain
beschäftigt. Also ließ sich Buterin in
Davos per Skype zuschalten.
„Da waren die ganz hohen Tiere“, sagt Jentzsch: „Regierungschefs,
der Chef von McKinsey, der Dekan
der Oxford University, Head of Google Europe, ziemlich viele aus Moskau und Kiew. Bei der Frage, wer das
Wort ‚Blockchain‘ schon mal gehört
In der Bar Room 77 stand
Berlins erster Bitcoin-Automat.
hat, haben sich zwei, drei Leute gemeldet.“
Jentzsch scheint sich in Davos
amüsiert zu haben. „Ich habe gesagt:
Eigentlich brauchen wir als Firma kein
Konto bei einer Bank. Wir könnten
auch ohne Bank weltweit Anteile verkaufen. Ich könnte das jetzige System
komplett umgehen. Wir machen das
natürlich nicht. Damit wollte ich die
nur ein bisschen wachrufen“,
erzählt er mit einem Lächeln im
Gesicht. Ein paar private Investoren wollten ihm in Davos für
ein paar Millionen gleich seine
Firma abkaufen.
Blockchain dreht sich aber
nicht nur um Geld. Ein Berliner
Start-up will geistiges Eigentum damit sichern und handelbar machen; in Honduras wird
mit der Technik für Grundbuch-Einträge experimentiert,
auch Griechenland interessiert sich dafür. Für Länder, die
anfällig sind für Korruption und
Misswirtschaft oder in denen
Kataster in Kladden geführt
werden, ist die neue, billige,
unbestechliche Infradigitalstruktur noch interessanter als
in gut arbeitenden Bürokratien.
Auch die Deutsche Industrie
interessiert sich für die Technik. RWE baut mit Slock.it an
einer Ladestation für E-Autos,
die sich über die Blockchain
an E-Tankstellen identifizieren
und für den gezapften Strom
bezahlen. Slock.it soll mit einem Kleincomputer die Verbindung der E-Ladestation mit der
Blockchain herstellen. Für RWE
geht es darum, eine Infrastruktur für
den dezentralen Handel mit Energie
aufzubauen.
Christoph Jentzsch und ich steigen
ins Taxi, fahren in die Graefestraße.
Wir wollen ein paar Fotos im Room 77
schießen, einer Kneipe in Kreuzberg.
Der Room 77 ist die bekannteste deutsche Bitcoin-Bar.
In der Gegend gibt es so einige
Läden, die die neue und schon alte
BILANZ / APRIL / 2016
Kryptowährung akzeptieren. Der Bitcoin hat wahrscheinlich nicht nur deshalb eine relativ überschaubare Zukunft, weil er technisch veraltet und
nicht aktualisierbar ist, sondern auch,
weil sich mit seiner Blockchain nur
ein begrenztes Datenvolumen verarbeiten lässt – im günstigsten Fall sieben Transaktionen pro Sekunde. Das
System des Kreditkartenunternehmens Visa schafft im selben
Zeitraum bis zu 10.000 Transaktionen.
Die begrenzte Leistungsfähigkeit bedroht auch die Ethereum-Blockchain. Sicher ist,
dass die Größenordnung, von
der Christoph Jentzsch heute
träumt (alle vermieten alles auf
der Blockchain), mit der heutigen Technik nicht machbar ist.
Klassische Datenbanken
würden zwar „komplett zentral“
arbeiten, sagt Jentzsch, aber sie
hätten „alles im Griff“, zeigten „eine gute Performance“ .
Jedenfalls im Vergleich zum
dezentralen Blockchain-Ansatz. Er hoffe, dass sich das
Problem spätestens in fünf Jahren durch eine Technik namens
„Sharding“ erledigt, eine spezielle Datenbank-Architektur.
Übrigens, wirft er ein, sei
„Google der Mega-Middleman,
der viele andere Mittelsmänner aufgekauft hat, und Amazon und Facebook versuchen
dasselbe“. Tja, deren Geschäft
würde langfristig auch durch
die Blockchain infrage gestellt:
„Die Disrupter disrupten…“
In Davos, fällt Jentzsch
jetzt ein, hätte übrigens auch Christine Lagarde, die Chefin des Weltwährungsfonds, über die Blockchain
gesprochen: Der IWF glaube, dass die
Blockchain dazu beitragen könne, den
2,5 Milliarden Menschen auf der Welt,
die kein Bankkonto haben, die Teilnahme am Finanzsystem zu ermöglichen.
In einem anderen Café im Bitcoin-Kiez sitzt Thomas Dapp (37)
vor einem Ikea-Glas mit Heißwas-
ser, Honig und ein paar Krümeln frischer Minze. Dapp ist Researcher bei
der Deutschen Bank und trägt einen
Strickpullover in Blau und eine Brille
mit blauem Rahmen.
Eine der letzten Studien, die er für
die Deutsche Bank geschrieben hat,
handelte davon, welche Auswirkungen
die Blockchain-Technik für die Finanzbranche hat. Es heißt dort, die Technik
sei in der Lage, Banken im Wettbewerb
„wieder nach vorne zu katapultieren“;
Finanzinstitute könnten „versuchen,
ihre Geschäftsmodelle dadurch zu verteidigen“, und es sei „durchaus denkbar“, dass sich die Banken dabei „gut“
positionierten.
Dapp ist Volkswirt, kein Informatiker. Er hat die Blockchain durchdrungen, so weit dies eben ohne Informatik-Hintergrund geht. „Der Einsatz der
Jentzsch will dieses E-Schloss
an die Blockchain hängen.
ursprünglich angedachten Blockchain
könnte für die Banken sein, was das
Peer-to-Peer Sharing vor 20 Jahren für
die Musikindustrie war“, also die gute
alte Dateifreigabe, die einen gemeinsamen Zugriff erlaubt.
Wenn die Banken plötzlich die Bitcoin-Blockchain einsetzten, dann würden sie sich mit einem Schlag selbst
überflüssig machen. Um in Dapps
Beispiel zu bleiben: Das wäre
so, als hätte Universal Music
selbst die Musiktauschbörse
Napster veröffentlicht, um die
Urheberrechte der Industrie zu
plündern.
42 der weltgrößten Banken
haben sich deshalb in New
York zu dem „Konsortium 3“
(R3) zusammengeschlossen:
Sie wollen den Nutzen der
Blockchain-Technik für Banken ergründen und Standards
entwickeln. Auch die Deutsche
Bank ist dabei, außerdem die
Commerzbank und UBS.
Natürlich forscht R3 nicht
an einem frei zugänglichen
Blockchain-Netzwerk, sondern
an einem, das autorisierten
Teilnehmern vorbehalten ist:
ein Blockchain-Netzwerk für
Banken. Einerseits löst das das
Problem des Datenvolumens.
Andererseits ist es eine Möglichkeit für die Banken, länger
im Spiel zu bleiben. Zumindest
so lange, bis die öffentliche
Blockchain wie Ethereum das
Problem der Skalierbarkeit, des
Datenvolumens, gelöst hat.
„Wenn es um Effizienz, also um schlankere Prozesse mit
Kosteneinsparungspotenzial geht, ist
eine öffentliche Blockchain einer privaten Blockchain überlegen, weil Mittelsmänner eingespart werden können“,
sagt Dapp. „Aber am Ende spielt auch
der politische Wille eine große Rolle“
beim Einsatz neuer Techniken: „Transaktionsprozesse im Finanzwesen ohne
institutionelle Aufsicht und Kontrolle?
Welcher Regulator der Welt würde dem
denn zustimmen?“
I
53
IDEEN / INNOVATIONEN
Automaten und Rechner sollen bald einen Gutteil
der Anwaltsarbeit übernehmen. Wie die Digitalisierung
das Geschäft mit dem Recht verändert.
54
Text / SOPHIE CROCOLL
Illustrationen / DOC ROBERT
BILANZ / APRIL / 2016
D
ie Technisierung beginnt gerade erst, ihre
Wirkungsmacht zu entfalten“: Leo Staub (59)
ist hin- und mitgerissen,
wenn er an das Geschehen denkt, das
sein Gewerbe ergriffen hat. Als Anwalt in Gossau praktizierend sowie als
Rechtsprofessor und Akademiedirektor an der dortigen Universität tätig,
sieht er die bestehenden Geschäftsmodelle der internationalen Anwaltschaft akut bedroht, wenn nicht gar
als durchaus existenzgefährdet.
Die Technisierung werde die Arbeit der Juristen „revolutionieren“,
sagt Staub. „Wenn traditionelle Kanzleien sich dieser Einsicht verschließen,
werden neue Anbieter sie überrollen.“
Mit der Technisierung meint Staub
natürlich die Aufrührerin aller Branchen: die Digitalisierung, wen sonst,
und die durch das Internet hervorgebrachte Möglichkeit, Daten jederzeit,
allerorten und in immer größeren Mengen zu gewinnen und zu verarbeiten.
Wie nahezu alle Erwerbszweige, nur vielleicht etwas später als die
meisten anderen, sieht sich zunehmend auch das Geschäft mit dem
Recht, bislang streng reglementiert
und keinem klassischen Anbieterwettbewerb unterworfen, den kaum
zu steuernden Einflüssen der Digitalisierung ausgesetzt.
Der britische Jurist und Autor
Richard Susskind (55) erwartet, dass
sich „in den kommenden zwei Jahrzehnten in der Welt des Rechts mehr
verändern wird als in den vergangenen
zwei Jahrhunderten“ zuvor. In 20 Jahren würden Automaten viele Anwälte
überflüssig machen (s. S. 57).
Ein beträchtlicher Prozentsatz
– meist internationaler – Kanzleien
speichert schon heute Informationen in der Wolke, nutzt Programme,
die Texte verarbeiten, Bücher führen,
Rechnungen stellen und bei großen
Projekten die Arbeitsabläufe oder den
Austausch mit Mandanten steuern.
Anwälte besprechen sich mit ihren Mandanten in Videokonferenzen,
tauschen sich in Facebook-Gruppen
aus oder „twittern“ wichtige Urteile.
Doch dies sind nur die Vorboten der
einschneidenden Veränderungen, die
der Branche bevorstehen. Besonders
das Auswerten großer Datenmengen
und ihre Verwendung in Systemen der
sogenannten Künstlichen Intelligenz
werden das Rechtsgeschäft von Grund
auf verändern.
Dabei geht es zum einen um die
herkömmliche Beratung: Neu-Anbieter
wie Advocado stellen künftigen Mandanten auf ihrer Internetseite mehrere
Anwälte vor und vergleichen die jewei-
DIE GRÖSSTEN WIRTSCHAFTSKANZLEIEN IN DEUTSCHLAND*
1
FRESHFIELDS
BRUCKHAUS
DERINGER (GB)**
355
2
CMS HASCHE SIGLE
265
3
HENGELER MUELLER 205
4
CLIFFORD
CHANCE (GB)
188
5
LINKLATERS (GB)
185
6
NOERR
178
7
GLEISS LUTZ
172
8
HOGAN LOVELLS
(GB/USA)
141
9
ALLEN & OVERY (GB) 135
10
TAYLOR WESSING
122
ligen Kosten; bei Smartlaw wiederum
lassen sich im Netz ganze Vertragswerke aufsetzen, die auf die eigenen
Vorgaben zugeschnitten sind; andere
Anbieter schließlich haben sich auf
bestimmte Rechtsfragen spezialisiert,
Flightright auf Entschädigungsforderungen gegenüber Fluggesellschaften.
Derlei Dienstleistungen lassen
sich normieren und standardisieren
und sind aufgrund dessen verständlicherweise nicht nur schneller, sondern
auch günstiger im Netz in Anspruch zu
nehmen als ein Anwalt
Seit 2013, sagt Staub, seien in Großbritannien über tausend Kleinkanzlei-
* UMSATZ IN MILLIONEN EURO
** FIRMENSITZ
QUELLE: JUVE
en verschwunden. Auch in Deutschland, sagt der Schweizer voraus,
würden nicht wenige Anwälte in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen:
„Das untere Kanzlei-Segment wird
noch viel stärker unter Druck geraten.“
Betroffen von den Umwälzungen
ist neben der Individualberatung vor
allem das Geschäft mit Unternehmen.
Ein Beispiel von vielen: Derzeit durchkämmen Anwälte der US-Kanzlei
Jones Day im Auftrag von Volkswagen
Hunderttausende Schriftstücke, Textdateien, E-Mails, Quellcodes, Messund Kontrollwerte, die Aufschluss
geben könnten über Gesetzesverstöße
beim Abgasskandal.
Sachkenner halten es für wahrscheinlich, dass die Anwaltskosten, die
VW für diese Ermittlungen zu tragen
hat, weit höher zu Buche schlagen als
jene, die etwa Siemens im Zuge der
Korruptionsaffäre 2007 übernehmen
musste: Damals stellte die Kanzlei
Debevoise & Plimpton den Münchnern
eine Rechnung über 200 Millionen Euro aus. Doch möglicherweise sind in
Bälde günstigere Tarife zu erwarten.
Die Aufbereitung von Akten ist für
Anwälte bislang noch ein sehr einträgliches Geschäft, zumal in den USA, wo
die Rechtsprechung auf richterlichen
Entscheidungen einzelner Fälle beruht und jene Präzedenzfälle häufig
erst mühsam gesucht werden müssen.
Auch in Deutschland, besonders in
Kanzleien mit weltweit tätigen Konzernmandanten, gehört Aktenstudium
zu den lohnenswertesten Tätigkeiten.
„Jahrzehntelang haben Kanzleien
die Berufsanfänger Akten wälzen lassen und sich so den Stundenzettel gefüllt“, sagt Leo Staub. Doch damit sei
es bald vorbei: „Unternehmen werden
Kanzleien auch danach auswählen, zu
welchem, am besten festen Preis sie
ihre Leistung anbieten.“
In einer Untersuchung der Beratungsfirma Boston Consulting und der
Bucerius Law School in Hamburg kommen die Forscher zu dem Schluss, dass
sich mit der Digitaltechnik ein Drittel,
wenn nicht gar die Hälfte der Arbeitszeit in Kanzleien einsparen ließe.
55
IDEEN / INNOVATIONEN
56
Nicht alle Vertreter der Gilde erwarten freilich gleich eine Revolution,
dazu ist man von Berufswegen viel
zu skeptisch. „Umstürzende Veränderungen wird es nicht geben“, meint
Markus Hartung von der Bucerius Law
School: „Ein Anwalt muss dem Mandanten mit der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in ihn einzufühlen, durch den
Prozess helfen. Dies kann eine Maschine nicht.“ Gleichwohl stellt sich auch
Hartung darauf ein, dass es für Kanzleien künftig weniger zu tun gebe.
Seit einigen Jahren bekommen es
Anwälte mit immer neuen Konkurrenten zu tun. In Australien wurde der
Rechtsmarkt liberalisiert, in Großbritannien dürfen heute auch Nicht-Anwälte Kanzleien betreiben, Supermärkte sogar Rechtsdienste feilbieten.
In den USA, in Asien, aber in wachsendem Maße auch in Europa übertragen immer mehr Konzerne gewisse
Routineaufgaben wie Risikoprüfungen
oder das Ausstellen von Verträgen an
sogenannte Legal Process Outsourcer
(LPO), die weniger teure Fachangestellte oder Anwälte in Niedriglohnländern beschäftigen – und daher mit
günstigeren Preisen aufwarten.
Die amerikanisch-indische Firma
Pangea 3 zum Beispiel, die zum Informationsunternehmen Thomson Reuters gehört, beschäftigt 1.400 ihrer
1.800 Anwälte in Mumbai und Delhi.
„Wir LPOs machen vielleicht erst zwei
Milliarden eines 200-Milliarden-Dollar-Markts aus“, sagt Pangea-3-Manager Friedrich Blase: „Aber das wird
sich mehren, und wir werden deutlich
mehr Tätigkeiten übernehmen.“
Nachdem man bislang vor allem
versucht hatte, Vorteile gegenüber
Kanzleien durch niedrigere Lohnkosten zu erzielen, spielten nun auch
„technische Prozesse eine immer
wichtigere Rolle“.
Zu den neuen Wettbewerbern, die
den Traditionskanzleien das Geschäft
streitig machen, gehören auch Firmen
wie Axiom Law in New York, die Anwälte projektweise vermittelt, oder
Ravel Law in San Franzisko, die ihrerseits Algorithmen entwickelt hat, mit
deren Hilfe sich angeblich nicht nur
Verbindungen zwischen Fällen herstellen, sondern sogar Richter finden
lassen, die zugänglich für bestimmte
Argumentationsmuster sind.
Solche Programme können die Arbeit von Anwälten, die sich in den USA
bislang vor allem auf Datenbanken wie
Lexis Nexis und Westlaw (Thomson
Reuters) verlassen, deutlich beschleunigen. „Die Mächtigkeit dieser Software deutet heute schon darauf hin,
welche Möglichkeiten es in Zukunft
geben wird“, sagt Leo Staub.
Kein Wunder, dass Anleger auf die Szene aufmerksam geworden sind. Allein
in den USA steckten sie 2014 mehr als
80 Millionen Dollar in junge Rechtsfirmen, allein Google pumpte zwischen 2009 und 2014 fast 40 Millionen
Dollar in den Online-Rechtsdienstleister Rocket Lawyer.
Auch in Deutschland gerät die
Branche langsam in Bewegung. Die
Berliner Firma Leverton, eine Ausgründung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz,
hat ein Programm entwickelt, das
Verträge ausliest – und sogar versteht:
Sucht ein Anwalt in Tausenden Ver-
ILLUSTRATION: DOC ROBERT
tragsseiten nach Informationen, zeigt
ihm der Robo-Gehilfe die entscheidenden Stellen. „Ein Partner einer
Großkanzlei meinte zwar, dass ihm
unsere Software Stunden für simple
Reviews nimmt“, sagt Leverton-Chef
Emilio Matthaei: „Aber die meisten
Kanzleien haben verstanden, dass mit
unserem Programm im Tandem eine bessere Leistung möglich ist.“ Zu
Matthaeis Kunden gehören bereits die
Kanzlei Clifford Chance, die Deutsche
Bank und Union Investment.
Doch nicht alle Anreize kommen
von außen. Verschiedene Großkanzleien versuchen ihrerseits, neuen
Konkurrenten zuvorzukommen. „Dass
die Technisierung in unser Geschäft
Einzug erhält, ist keine Frage“, sagt
Alexander Bissels, Partner der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle: „Also muss man sich Gedanken machen.“
Aus Bissels’ Überlegungen entstand ein Programm, mit dem Kunden
der Kanzlei zu einem Festpreis prüfen,
ob etwa die Verträge ihrer Leiharbeiter der Gesetzeslage entsprechen. Ein
geschulter Mitarbeiter, sagt Bissels,
brauche 15 Minuten für eine Prüfung,
die zuvor einen der CMS-Anwälte zwei
bis drei Stunden beschäftigt habe.
Manche Kollegen, gibt Bissels zu,
hätten zwar gemurrt, ob man sich nun
selbst abschaffen wolle: „Aber wir generieren mit unserem Tool auch zusätzlichen Beratungsbedarf, erbringen
andere Leistungen, die unsere Mandanten anfragen.“
Es ist das, was Leo Staub seinen
Studenten in Weiterbildungsprogrammen beibringen will: „Anwälte brauchen unternehmerisches Rüstzeug!
Wie sollen wir uns sonst auf dem
Markt positionieren?“ Angehende Juristen müssten deshalb bereits an der
Universität neben Zivil- und Strafrecht auch Big Data-Analysen lernen.
Das Studium der Rechtswissenschaft hält Staub dennoch nach wie
vor für erfolgversprechend: „Die Ordnung im Kopf nimmt Ihnen keiner
mehr.“ Sein jüngster Sohn werde im
Übrigen Anwalt. Um dann Unternehmer zu werden.
I
BILANZ / APRIL / 2016
E-JUSTIZ UND ALGORITHMUS
Roboter sprechen Recht, Automaten ersetzen Advokaten: Gespräch
mit dem britischen Anwaltsschreck Richard Susskind.
Interview / SOPHIE CROCOLL
Herr Susskind, Sie sagen das
Ende des Anwaltsberufs voraus:
Wer, bitte, soll künftig Erbverträge aufsetzen, Eheleute und
Mörder vor Gericht vertreten?
Bis Anwälte überflüssig werden, wird
es ja noch 30, 40 Jahre dauern. Aber
schon 2030 wird das Rechtswesen
nichts mehr mit jener Welt gemein
haben, wie wir sie aus Grisham-Romanen kennen oder aus Fernsehserien
wie „Suits“ und „The Good Wife“…
B
…die mit der Wirklichkeit auch
wenig zu tun haben.
Die Digitalisierung und die Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen
Intelligenz werden den Anwaltsberuf
von Grund auf verändern und den Bedarf an Anwälten selbst erheblich senken. Nicht Köpfe, sondern Programme
werden Rechtsprobleme lösen.
B
Um Gottes willen, kommt jetzt
auch noch der Google-Advokat?
Es werden jedenfalls nicht mehr nur
Anwälte Rechtsdienste anbieten, sondern auch Technikunternehmen.
B
Aber die müssten sich, weil sie
weder von Sozial- und Rechtsnormen noch von Moral und Ethik
etwas verstehen, auf standardisierte Prozesse beschränken, wie
Bußgeldverfahren.
Ich kenne diesen Einwand, Anwälte
sagen mir auch immer: „Online -Gerichtsverfahren könnten bei einfachen
Delikten vielleicht funktionieren, aber
nicht bei wirklich großen Fällen.“
B
Denn vor Gericht zählen auch
Einfallsreichtum, Erfahrung und
Überzeugungskraft.
Wie gesagt, Ihre Argumente kommen
mir bekannt vor – und in allen Branchen wurden sie widerlegt. Zunächst
hat sich die Technik bei wenig komplexen Aufgaben durchgesetzt, um dann
doch alle Teile zu erfassen. Und letztB
57
Gilt, je nach Geisteshaltung, in der Rechtsberatergilde als Avantgardist
oder Albtraum: der Jurist, Buchautor und Berater Richard Susskind (55).
endlich geht es ja auch darum, was die
Kunden wollen: Technik macht Rechtsberatung billiger, sie demokratisiert
den Zugang zum Rechtssystem und
bietet Konzernen fortschrittlichere Lösungen. Warum sollte man einen Anwalt bezahlen, dessen Tagessatz höher
ist als der Streitwert, um den es geht?
B
Weil es ums Recht geht?
Und warum sollte ein Unternehmen
30 Anwälte dafür bezahlen, Hunderttausende Dokumente zu prüfen, wenn
ein gutes Programm und ein einziger
Anwalt das für ein Zehntel der Kosten
übernehmen könnten?
B
Weil es auch darum geht, Dokumente zu interpretieren. Und selbst
wenn Maschinen dies eines Tages
könnten, würden Kanzleien dieses
Geschäft selbst machen wollen.
Aber vielleicht werden nicht mehr nur
sie es können. Auch wenn Start-ups in
FOTO: PAUL STUART
der Rechtswirtschaft noch ziemlich unbedeutend sind, werden ein oder zwei
von ihnen diese doch von Grund auf
verändern – wie es in allen Branchen
der Fall war, die die Digitalisierung ergriffen hat. Vielleicht ist Ihre Fantasie
in dieser Hinsicht auch nur begrenzt
– ich möchte niemandem zu nahe treten –, aber Londoner Kanzleien sind
den deutschen, was den Einsatz von
Technik angeht, um fünf Jahre voraus.
B
Inwiefern?
Allen & Overy bietet z.B. einen Internetdienst an, den viele Banken für die
Regeleinhaltung nutzen. Das bringt im
Jahr schon zwölf Millionen Pfund ein.
B
Die klassische Kanzlei hat sich
überlebt?
Sagen wir so: Anwälte, die einfallsreich
sind, unternehmerisch denken und
moderne Technik einsetzen, haben
tolle Aussichten.
I
IDEEN / INNOVATIONEN
„ EIN SUPERLATIV MUSS SEIN “
Der Investor Carsten Maschmeyer sucht allenthalben nach Beteiligungen an
vielversprechenden Gründungen. Wichtigstes Kriterium: Das Team muss stimmen.
58
Herr Maschmeyer, was zeichnet
einen guten Firmengründer aus?
Er oder sie braucht vor allem eine richtig gute Geschäftsidee, eine originelle
Erfindung. Jeder Gründer muss sich
auch darüber im Klaren sein, dass er
ein Unternehmen nicht im Alleingang
entwickeln kann. Ich habe oft genug
erlebt, wie technisch orientierte Gründer an Schwächen in den Disziplinen
Marketing und Vertrieb gescheitert
sind. Jeder Gründer braucht deshalb
ein Team, das seine Stärken komplettiert und seine Schwächen ausgleicht.
Nach diesen Kriterien entscheiB
den Sie über Investitionen?
Ich investiere in Innovationen. Irgendein Superlativ muss da sein: erster, bekanntester, schnellster oder günstigsB
Carsten Maschmeyer:
Im Silicon Valley wird auch
nur mit Wasser gekocht.
ter. Ich mag keine Copycats, das ist mir
zu fantasielos. Entscheidend aber ist
für mich das Team. In der Immobilienbranche sagt man: Lage, Lage, Lage.
Bei Gründern sage ich: Team, Team,
Team. Für mich gibt es kein gutes Unternehmen, nur gute Unternehmer.
B
An wie vielen Jungfirmen sind Sie
inzwischen beteiligt?
Die Zahl ist zweistellig, und die erste
Ziffer ist keine Eins. Manche sind bekannt, manche nicht.
B
Welche Beteiligungen machen
sich besonders gut?
Interview / ARNO BALZER
FOTO: CHRISTIAN O. BRUCH/LAIF
Wir sind sehr stolz, dass Barzahlen.de
mit dem Digital Banking Award ausgezeichnet wurde. Das ist ein Portal,
über das Sie online kaufen können,
aber offline bezahlen. Ich habe auch
große Freude an meiner Beteiligung
an Blacklane, der Limousinen-Plattform. Sie hat den Preis für das am
schnellsten wachsende Tech-Start-up
gewonnen. Und natürlich Nu-3, die
Nahrungsergänzungsmittel-Experten,
die ja auch bei „Gründerszene“ unter
den Top Ten platziert sind.
B
Und an welchem Unternehmen
wären Sie gern beteiligt, bei dem
Sie den Einstieg verpasst haben?
Wenn man am 31. Dezember liest, welche Aktien sich in einem Jahr am besten entwickelt haben, kommt schon
BILANZ / APRIL / 2016
mal der Gedanke: Schade, dass ich da
oder dort nicht dabei war. Facebook
ist ein Beispiel dafür. Doch ich blicke
lieber nach vorne, entscheide am 2. Januar, woran ich glaube.
B
Wie viele Unternehmen schauen
Sie sich dabei näher an?
Ungefähr tausend pro Jahr. Meine
Mannschaft und ich versuchen, alle
interessanten Start-ups zu sichten,
leider schaffen wir das nicht immer.
Ich habe auch schon Investments
abgelehnt, weil ich an das Geschäftsmodell nicht geglaubt habe. Ein paar
Monate später hat die Firma dann ihr
Geschäftsmodell geändert – und auf
einmal waren sie erfolgreich.
B
Für die Vox-Gründershow „Die
Höhle der Löwen“ haben Sie
extra die Investmentfirma Seed
& Speed gegründet. Warum eine
weitere?
Wir gehen jetzt auch sehr frühphasige
Investments ein. Da geht es zwar nicht
um die ganz großen Summen – aber dafür ist der Hebel sehr groß. Wir haben
gemerkt, dass wir zu oft gesagt hatten:
Das ist ein ganz nettes Team, aber die
sind noch nicht weit genug. Da habe
ich mir gesagt: Etwas Gutes kann nicht
nur dadurch schlecht sein, dass es zu
früh ist. Ich wäre ja auch gerne bei
Facebook sehr früh drin gewesen.
Sie sind ein Mann der FinanzB
industrie. Welchen Eindruck
machen auf Sie die vielen jungen Fintech-Unternehmen, die
in Deutschland aus dem Boden
sprießen?
Historisch ist das Finanzgewerbe ja
eine sehr verschlafene, fast gemütliche
Branche. Banken und Versicherung
sind fast schon traditionell nicht sehr
innovativ...
B
...die einzige echte Erfindung in
20 Jahren, sagte der ehemalige
Chef der US-Notenbank Fed,
Paul Volcker, vor einiger Zeit, sei
der Geldautomat gewesen...
...ein bisschen mehr ist schon noch
gekommen, Online-Banking beispielsweise. Aber wir haben es mit
bürokratischen Tankern zu tun, die in
Regulierung und immer mehr Com-
DER GRÜNDERWETTBEWERB
pliance machen. Da hilft eine gewisse
Unbefangenheit, mit der diese jungen
Gründer denken.
B
Ist Naivität nicht gefährlich beim
Geschäftemachen?
Ein Gründer braucht Optimismus,
allein schon, um die Risiken zu überwinden. 90 Prozent werden scheitern,
weil sie die Branche unterschätzen. Ab
einer gewissen Größe oder bestimmten Nähe zum Zahlungsverkehr muss
Unbefangenheit durch Professionalität ergänzt werden, müssen Sie die
Regeln und Bafin-Richtlinien einhalten. Kommentare wie „Bafin-Themen
interessieren mich nicht“ sind natürlich der Untergang.
B
Welche Fintechs werden Ihrer
Meinung nach also die Branche
aufrütteln können?
Ich glaube, am Ende läuft es auf eine
Kombination hinaus: Wir werden diese großen Tanker oder Flugzeugträger
haben, also Banken oder Versicherungen, und die kleinen Fintechs, die
Schnellboote sein können, die für Furore in manchem Finanzhafen sorgen
können.
B
Sehen das die etablierten Konzerne auch so? Oder müssten sie
mehr tun, um die deutsche Gründerszene voranzubringen?
Viele Großunternehmen sind auf einem guten Weg, haben ihre eigenen
Inkubatoren – natürlich mit strategischer Ausrichtung; sie wollen das auch
für ihr Geschäft nutzen können. Den
jungen Start-ups will ich allerdings
sagen: Gründen Sie lieber in Freiheit,
und fokussieren Sie sich nicht zu früh
darauf, welche Synergien Sie dem
möglichen Mutterkonzern bringen.
B
Warum nicht?
Wer unabhängig ist, kann kreativer
operieren. Mit einem Großen kann
sich ein Gründer später immer noch
zusammentun. In der Kombination
liegt der Reiz: diese frechen, mutigen, flexiblen, schnellen Gründer auf
der einen Seite und die Erfahrung
der Großen auf der anderen. Wenn
sich New and Old Economy verbünden, dann ist das eine unschlagbare
Kombination.
61
59
IDEEN / INNOVATIONEN
MEHR ZINSEN FÜR ALLE
Fintech „Made in Germany“: Das Jungunternehmen
Deposit Solutions hat ein Herz für Geldanleger.
60
Wie findet man die zündende Geschäftsidee? Abkupfern, im Fachjargon
Copy-and-paste, gilt als aussichtsreiche
Methode. Nach- und querdenken soll
hilfreich sein. Aber auch die Enttäuschung über bestehende Geschäftspraktiken soll schon originelle Lösungen hervorgebracht haben.
Tim Sievers (40) setzt eindeutig
auf die dritte Strategie. Vor ein paar
Jahren wollte der Hamburger Volkswirt ein paar Tausend Euro auf einem
Festgeldkonto anlegen. Weil seine
Bank aber nur lausige Zinsen zahlte,
schaute Sievers sich bei anderen Instituten um. Tatsächlich boten etliche
von ihnen höhere Zinsen – doch damit
ging die Arbeit für den Anleger Sievers
erst los. Um die reizvollsten Angebote wahrnehmen zu können, hätte er
ständig irgendwo Konten eröffnen
und kündigen müssen, jedes Mal ein
bürokratischer Aufwand. Dazu kam
Verwaltungsarbeit fürs Finanzamt und
eine ausufernde private Buchführung.
„Das muss im 21. Jahrhundert doch alles viel einfacher gehen“, sagte er sich
und suchte nach einer Lösung.
Inzwischen ist aus der Idee ein
Jungunternehmen namens „Deposit
Solutions“ entstanden, das in der internationalen Gründerszene als Hoffnungsträger gilt: ausgezeichnet mit den
Innovationspreisen der Europäischen
Union und der Stadt Hamburg, gefördert mit einem Preisgeld von 50.000
Euro, finanziert von Risikoinvestoren
wie E-Ventures (Familie Otto) und der
börsennotierten Fin-Lab AG, überdies
vor drei Monaten noch geadelt durch
den Einstieg der deutsch-amerikanischen Gründerlegende Peter Thiel.
Was Sievers und seine inzwischen
auf 60 Köpfe angewachsene Mannschaft bei Branchenprofis begehrt
macht, ist eine ausgeklügelte Platt-
form, von der Sparer genauso profitieren wie Banken.
Und so funktioniert Deposit Solutions (DS): Über seine Hausbank oder
über ein Konto bei den DS-Kooperationsinstituten Sutor und BIW Bank
legt der Kunde das Geld bei einem
Institut an, das Einlagen sucht und
deshalb bessere Zinsen bietet – ohne
ein Konto bei dieser Bank eröffnen zu
müssen. So kann er ohne den üblichen
Papierkram aus einem Konto heraus
die Angebote anderer Banken nutzen.
Auch die Hausbank gewinnt: Sie behält den Kunden, transferiert nur sein
Geld. Vor allem aber verbessert sie ihre Gewinnmarge. Statt Strafzinsen bei
der Notenbank für geparkte Einlagen
zahlen zu müssen, kassiert sie eine
Provision.
Mit neun Partnerbanken paktiert
Sievers derzeit, darunter Credit Plus
(Mutter: Credit Agricole), Aareal
Bank und neuerdings Close Brothers.
Text / ARNO BALZER
FOTO: DEPOSIT SOLUTIONS
Auf Tim Sievers und seine
Gründung Deposit Solutions setzen
prominente Investoren.
Sievers will die Zahl der Institute noch
kräftig steigern, denn das Potenzial sei
gewaltig. „Neun Billionen Euro Einlagen liegen bei den Banken in Europa“,
sagt Sievers, „und der Markt ist in
einem ständigen Ungleichgewicht.“
Institute wie die Postbank haben milliardenhohe Einlagenüberschüsse, die
Geld kosten und die Bilanzen aufpumpen. Andere Institute suchen Einlagen,
um zum Beispiel mehr Kreditgeschäft
machen zu können.
Dass Deposit Solutions über eine
Technologie verfügt, die diesen Ausgleich leicht und kostengünstig beschleunigen kann, genau das hat auch
Start-up- Profi Thiel angelockt. Der
Mann hat ein Gespür für smarte Geschäftsmodelle.
I
59
Sie sind jetzt häufiger im Silicon
Valley. Haben Sie sich dort schon
ein Büro eingerichtet?
Wenn ich in Amerika bin, brauche ich
nur meine digitalen Anschlüsse und
mich selbst. Aber im Valley zu sein,
ist sehr, sehr spannend. Denn dort
kriege ich natürlich frühzeitig Trends
mit. Man merkt aber auch schnell, dass
das Valley kein anderer Planet ist. Die
kochen auch nur mit Wasser. Es gibt
auch in Deutschland tolle Gründer,
herausragende Erfinder, Spitzen-Wissenschaftler und viele kreative Leute,
die sich nicht verstecken müssen.
B
Nur ist die Gründerszene hierzulande nicht so lebendig wie in den
USA, auch finanziell nicht so gut
ausgestattet.
Stimmt, und auch die mediale Begleitung ist anders. Wenn in den USA einer zehn Beteiligungen hat, stürzen
sich Reporter auf die Aktivitäten, die
gut laufen. In Deutschland haben
manche Medien Spaß daran, die in
den Vordergrund zu stellen, die nicht
gut laufen. Das heißt, viele hier haben Angst, hinterher mit Häme überschüttet zu werden, falls sie falsch
investiert haben. Dabei geht es ja
darum, dass mehr Sieger-Start-ups
herauskommen als Verlierer. Der Umgang mit dem Scheitern, das ist für
mich der größte Unterschied.
B
Mangelt es hierzulande nicht
auch an einer besseren Förderung durch den Staat? Müsste
die Politik mehr tun, um die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen zu verbessern?
Durchaus. Generell gilt: Sie sollte
in einem Land das fördern, wovon
dieses Land etwas hat. So wie man
den Wohnungsbau fördert, um Wohnungen zu schaffen, müsste man
innovative Unternehmen fördern,
die neue Arbeitsplätze schaffen, die
den Standort stabilisieren. Dazu
gehört aber auch, dass Investitionen in solche Aktivitäten steuerlich
entlastet werden müssten. Schließlich geht es hier um die Zukunft
unserer Volkswirtschaft und unserer
Gesellschaft.
I
BILANZ / APRIL / 2016
B
Deutschland braucht mehr Unternehmertum!
Gemeinsam mit seinen Partnern startet
BILANZ deshalb eine Gründeroffensive. Teil davon
ist ein Gründerwettbewerb mit dem
höchstdotierten Hauptpreis der Republik:
Der Sieger bekommt 100.000 Euro.
Alles Nähere: www.bilanz.de/der-wettbewerb
Unsere Partner
61
UHREN
SPEZIAL
Seite 63
VINTAGE-UHREN – Der Absatz
neuer Uhren geht zurück, gebrauchte
Klassiker legen zu. Ein Querschnitt.
Seite 68
EVA-LOTTA SJÖSTEDT – Als KarstadtChefin glücklos, poliert die Schwedin jetzt die
dänische Traditionsmarke Georg Jensen auf.
Seite 72
UHRWERKE – Warum bald (fast)
jeder Hersteller seine eigenen baut.
Seite 75
KENGELBACHS FÜNF MINUTEN
Der Experte fordert mehr Offenheit
von einer verschwiegenen Branche.
Seite 76
SANDRINE STERN – Madame kreiert
bei Patek Philippe auch für Monsieur.
Seite 78
SCHRÄGE MODELLE – Sechs Uhren,
die nicht jedermann gefallen.
Seite 80
CAROLE FORESTIER-KASAPI
Wie eine Pariserin auf den Schweizer Bergen
Cartier neuen uhrmacherischen Glanz verleiht.
BILANZ / APRIL / 2016
Im Windschatten des Aufschwungs neuer mechanischer Uhren gedieh
der Sammlermarkt für alte Zeitmesser. Ein Branchen-Querschnitt.
Von Jägern
und Sammlern
Text /
JÖRN KENGELBACH
Fotos /
MYRZIK UND JARISCH
63
Das Internet hat die Uhrenwelt entdeckt (oder umgekehrt),
im Dezember notierte das Netzmagazin „Gründerszene“:
„Noch ein Uhren-Start-up mit Millionen-Investment.“ Der
Beitrag handelte von der Verkaufsplattform Watchmaster,
die knapp fünf Millionen Euro von erwartungsfrohen Geldgebern einernten konnte. Kurz zuvor hatte die Kölner Gründung
Chronext einen fast ebenso großen Betrag entgegennehmen
dürfen, und im Juli 2015 war es die E-Uhrenbörse Chrono 24
gewesen, die rekordnahe 21 Millionen Euro eintreiben konnte.
Sie alle greifen ein in ein Marktgeschehen, das noch vom
Kaufladen geprägt ist: „Uhren will man nicht im Internet kaufen“, behauptete vor zwei Jahren Jean-Claude Biver (66), Leiter der Uhrensparte des LVMH-Konzerns, Uhren seien wie
Schuhe, die müsse man anprobieren. Seitdem hat sich der
Handelsaustausch gründlich verändert: Die Smartwatch von
Apple stellt die Widerstandskräfte der Gilde ebenso auf die
Probe wie die ausbleibende Kundschaft aus China und Russ-
land. Die Einnahmen der Schweizer Uhrenindustrie sind im
Rückgang begriffen, die Ausfuhr dezimierte sich um 3,3 Prozent auf gut 20 Milliarden Euro; die Vertriebskartelle verlieren an Durchsetzungskraft, nicht zuletzt, weil der Markt mit
Gebrauchtuhren überreich bedacht ist und weil wertstabile
sogenannte Vintage-Modelle in Zeiten von Nullzinsen keine
uninteressante Anlagealternative darstellen.
Der mit Luxusuhren erzielte Weltumsatz beträgt gut und
gerne 35 Milliarden Euro, wohlgemerkt in Endkundenpreisen gerechnet. Die Industrie geht davon aus, dass der Markt
der Gebrauchtuhren einen Umfang von zehn bis 15 Milliarden Euro erreicht. Doch wie gestaltet sich das Geschäft mit
Jahrgangsuhren, und kann der Uhrenkäufer auf längere Sicht
seinen Vorteil ziehen aus den Preiskämpfen, die unter Internetanbietern toben? Wir haben nachgefragt bei einem Auktionator, bei Händlern und beim Netz-Weltmarktführer aus
Deutschland.
UHREN
SPEZIAL
DER EINZELKÄMPFER
UND KUNSTKENNER
Hubertus Reygers (59),
Galerist und Uhrenhändler
aus München.
64
„Ich bin über meine private Sammellust zum Uhrenhandel
gekommen. Es fing mit alten silbernen Taschenuhren an. In
den 80er-Jahren interessierte sich kein Mensch für Armbanduhren. Während meines ersten Jura-Staatsexamens erzählte
mir 1983 ein Freund, dass die Royal Airforce alte Fliegeruhren
verkaufen würde. Da haben wir uns für 150 Mark 40 Exemplare der ‚Mark 11‘ von IWC gekauft und die für je 200 Mark an
Freunde weiterverkauft. Heute liegt eine grob bei 6.000 Euro.
Eigentlich wollte ich einen reinen Uhrenhandel aufmachen. Aber es wurde eine Fotogalerie mit Uhren. Mir kam
die Idee, Uhren und Kunst miteinander zu verbinden. Meine
erste Ausstellung hieß 1993 ‚Uhren und Huren‘. Ein reines
Wortspiel, ich hatte Bilder des Aktfotografen Günter Blum
ausgestellt, zusammen mit Uhren. Der Unterschied zu heute?
Die Preise. Mitte der 80er hatte ich mal eine ‚Rolex Daytona‘
Handaufzug für 1.800 Mark gekauft, die wollte keiner. Als die
Produktion eingestellt wurde, ging die Preisrallye los: 10.000,
20.000 Mark. Sie liegt heute mindestens bei 25.000 Euro.
Meine Spezialität sind originale Zifferblätter. Das hat Anfang der 90er keinen interessiert, ist heute aber das Thema
der Stunde. Damals wurde die Patina radikal entfernt, die
Blätter wurden getauscht. Die Sammler von mir, die Uhren
nach Wertsteigerungs-Gesichtspunkten kaufen, setzen auf
Qualität statt auf Masse. Die haben vielleicht nur 20 Uhren,
aber dann jede im sechsstelligen Bereich. Mein Credo für Einsteiger: Eine alte Uhr sollte beim Kauf in der Regel die Hälfte
eines vergleichbaren neuen Modells kosten.“
Hubertus Reygers trägt
eine „Datejust“ von Rolex
aus dem Jahr 1958.
Kunst an den Wänden,
Uhren im Regal: Der Jurist
Reygers verbindet beides.
BILANZ / APRIL / 2016
DER
SERIENGRÜNDER
DER INHABER
UND AUKTIONATOR
Tim Stracke (40) hält
mit zwei Partnern die Mehrheit an
Chrono 24 in Karlsruhe.
Stefan Muser (53),
Chef des Auktionshauses
Dr. Crott in Mannheim.
„Ich bin kein Uhrenfreak, auch wenn ich Uhren toll finde.
Wir sind ein dreiköpfiges Gründerteam, kennen uns seit über
zehn Jahren. Unsere Leidenschaft ist es, Online-Marktplätze aufzubauen und zu betreiben. 2010 haben wir Chrono
24 von den Gründern gekauft und aus einer Webseite ein
Unternehmen geformt. Heute sind wir Weltmarktführer im
Online-Angebot von Luxusuhren, unser einziger Rivale ist
Ebay. Die sind aber in einem anderen Preissegment unterwegs, im Luxussegment sind wir unangefochten führend.
Wir verlangen niedrige, einstellige Prozentsätze für das
Einstellen von Uhren und bekommen im Verkaufsfall eine
Provision von 2,5 Prozent. Bei Privatverkäufern geben wir
zusätzlich eine Verkaufsgarantie ab. Die durchschnittliche
Uhr, die bei uns gekauft wird, liegt bei zirka 6.000 Euro.
Wir haben 2015 Uhren im Wert von 750 Millionen Euro
umgesetzt, im Vergleich zu 2014 mit 550 Millionen Handelsvolumen. Was die Nutzerzahlen angeht, wachsen wir mit
30 bis 35 Prozent pro Jahr. Seit mehreren Jahren schreiben
wir schwarze Zahlen. 90 Prozent der Uhren kommen von
gewerblichen Händlern, wir listen gut 235.000 Uhren.
Monatlich suchen über zwölf Millionen Benutzer bei uns.
Und wir wachsen. Wir haben zuletzt 21 Millionen Euro von
einem Private Equity- Investor aus den USA bekommen.
Dennoch halten wir drei eine deutliche Mehrheit am Unternehmen. Soeben haben wir Büros in New York und Hongkong
aufgemacht; es geht um Vertrieb, Kundenbetreuung und Support. Weltweit haben wir derzeit 85 Mitarbeiter.“
„Der Markt, in dem ich seit über 30 Jahren tätig bin, ist zunächst einmal sehr stabil. Wir sind ein kleines Unternehmen,
setzen mit zehn Leuten im Jahr inzwischen ein Volumen von
zehn bis 15 Millionen Euro um. Wir haben früh die Chance
ergriffen und behandeln eben nicht nur Armbanduhren, sondern vornehmlich Taschenuhren bis zurück zur Renaissance
oder Gotik. Häuser wie Christie’s oder Sotheby’s haben sich
in den letzten Jahren immer mehr in Richtung Armbanduhren entwickelt und machen damit heute bis 90 Prozent
ihres Geschäfts. Der historische Teil der Chronometer, Taschen-, Tisch- und Standuhren ist komplett vergessen worden von vielen. Dadurch leidet deren Expertise.
Bei uns haben sich die vier Mitarbeiter, die die Auktionskataloge aufbereiten, ihr extrem tiefes Wissen in weit über
zehn Jahren Berufserfahrung angeeignet. Und das kann man
sich ab einer bestimmten Stufe nicht mehr anlesen, man
muss dazu die Objekte selbst in der Hand haben. Sie müssen
von einem bestimmten Typ Uhr einfach sehr viele gesehen
haben, um die einwandfreie Originalität bestätigen zu können. Denn darum dreht sich heute in Sammlerkreisen alles.
Vor 15 Jahren war es völlig nebensächlich, in welchem Zustand sich die Ware befunden hat; es wurde so gut wie alles
verkauft. Heute muss eine Vintage-Uhr, und damit meine ich
in der Regel Modelle vor 1985, im perfekten Zustand sein, um
einen guten Preis zu erzielen. Perfekt bedeutet: eine 50 Jahre
alte Armbanduhr, die ungetragen ist. Das ist das Ideal, das
eben immer seltener wird.“
Stracke trägt eine neue „Rolex
Milgauss“, ein Geburtstagsgeschenk
von Frau und Freunden.
Muser trägt einen
Minerva-Fliegerchronografen
aus den 40er-Jahren.
65
UHREN
SPEZIAL
DER UHRMACHER
ALS HÄNDLER
Ralf Meertz (47), Meister und
Uhrenhändler aus München mit
Kunden in aller Welt.
66
„Mein Geschäft habe ich 2003 eröffnet. Mit Vintage- und antiken Uhren beschäftige ich mich seit Anfang der 90er-Jahre.
Hier in München kann man sich bei sieben Vintage -Händlern umsehen, nirgendwo in Deutschland gibt es eine größere
Dichte. Unter Vintage fasse ich alle Uhren mit Plexigläsern
zusammen, also bis in die 80er-Jahre.
Wir sind drei Uhrmachermeister. Man muss zwar keiner
sein, um mit Uhren zu handeln, aber wir wissen, wovon wir
reden, weil wir alles selbst machen. Unsere angebotenen Uhren reparieren wir, auch die teuren. Wir schauen ins Werk
und ins Gehäuse, dann wissen wir, wie die Uhr gealtert ist.
Das ist uns wichtiger, als Champagner auszuschenken.
Natürlich hat das Internet die Dinge verändert. Liebhaber
wie Stammkunden informieren sich im Netz. Dann kommen
sie zu uns. Das Internet hat eine globale Kundschaft gebracht.
Die seltene Uhr, die in München keiner will, verkaufe ich an
einen Kunden in New York oder in London – oder umgekehrt
er an mich. Anfragen kommen aus Singapur, Malaysia, Kanada oder Südamerika. Die Sammler wissen: Deutschland ist
ein sicheres Kaufland. Jede Uhr, die ich auf meiner Webseite
anbiete, muss ich zwei Wochen lang zurücknehmen, auch
wenn sie 70.000 Euro kostet. Es gilt, vorher alles ehrlich zu
erklären.
Den Boom der Vintage-Armbanduhren erkläre ich immer
so: Sie eröffnen eine andere Dimension im Sammeln. Die Uhren waren auf dem Mount Everest und im Marianengraben.
Die Menschen erkennen ihren Wert als Kulturgut.“
Meertz trägt eines der ersten
„Speedmaster“-Modelle
(Referenz 2915) von Omega.
Text / JÖRN KENGELBACH
Alles findet Platz: Das Universum
von Ralf Meetz umfasst große und kleine
Preziosen, Ersatzteile und Kartons.
Anregungen für den Einstieg
in den Kosmos der Klassiker.
Sammelwerte,
Uhrenwerte
Der Ambitionierte
Für ihn kommen fast nur Rolex und Patek Philippe in Betracht. Die Preise sind mittlerweile allerdings sehr hoch.
Im Prinzip kommen nur noch ungetragene Modelle infrage
oder solche, die nie aufgearbeitet wurden. Bei beiden Marken sind ausgerechnet Stahlmodelle begehrt. Bei Rolex,
weil sie von Militärs, Abenteurern und Tauchern getragen,
bei Patek, weil aus dem früher als minderwertig betrachteten Material nur wenige Exemplare gebaut wurden. In der
Luxusklasse handelt es sich hierbei fast ausschließlich um
Chronografen: Bei Rolex sind es frühe Handaufzugsmodelle
der „Daytona“, bei Patek Philippe solche, die vor allem mit
der Zusatzfunktion eines Ewigen Kalenders ausgestattet
sind. Wer nicht über 100.000 Euro erübrigen möchte, sucht
sich bei Rolex eine seltene Variante der Taucheruhr „Submariner“, bei Patek Philippe eine alte „Nautilus“.
Der Einsteiger
Wer 2.000 bis 5000 Euro anlegen möchte, sollte sich jetzt
einen Stahlchronografen aus den 70er-Jahren sichern.
Modelle von Heuer (heißt heute „Tag Heuer“ und gehört
mittlerweile zum LVMH-Konzern) haben in den vergangenen Jahren an Wert zugelegt. Der Jackpot ist eine goldene
„Carrera“ mit Blutgruppe hintendrauf: Die bekamen die
Formel-1-Fahrer von Ferrari vom Firmenchef persönlich.
Der Kernige
Ihren Durchbruch erlebte die Armbanduhr im Ersten Weltkrieg, mit dem Zweiten wurde im Prinzip ihre heutige Gestalt festgelegt. Da wundert es nicht, dass Sammler Militärarmbanduhren suchen. Klassiker sind zum Beispiel die
schätzungsweise 5.000 bis 7.000-mal gebaute „IWC Mark
11“ der Royal Air Force. Viele Jahrgangsmodelle sind mit 34
bis 36 Millimetern Gehäusedurchmesser heutigen Trägern
aber oft zu klein. Dafür gibt es eine Lösung: zum Beispiel
die große Fliegeruhr von IWC von 1940 mit 55 Millimetern
Durchmesser.
Die kompletten Porträts
und mehr Tipps finden Sie unter
www.bilanz.de/uhren
75 Jahre lang die Größte:
Kürzlich kam eine
Nachfolgerin der Fliegeruhr „Kaliber 52T S.C.“
von IWC heraus, die die
Rekordgröße des hier
gezeigten Originals einstellt.
67
UHREN
SPEZIAL
DIE FRAUEN
68
Mehr als schmuck: Die frühere Ikeaund Karstadt-Managerin
Sjöstedt will es noch einmal wissen.
BILANZ / APRIL / 2016
Nach ihrem kurzen Gastspiel bei Karstadt hat Eva-Lotta Sjöstedt
beim dänischen Designer Georg Jensen angeheuert.
Zum
Zungeschnalzen
Text / STEPHAN KNIEPS
und MARK C. SCHNEIDER
Als sie noch ein junges Mädchen war,
fuhr Eva-Lotta Sjöstedt mit ihren Eltern regelmäßig von daheim in Helsingborg mit der Fähre nach Kopenhagen. 20 Minuten dauert die Fahrt.
In Dänemarks Hauptstadt spazierte
das Mädchen schnurstracks in das
Geschäft von Georg Jensen: betrachtete staunend die Silberteller und
-schalen, Messer und Gabeln, Kerzenständer, Ohrringe und Uhren.
Das bemerkenswert frühe Interesse an der Firma hat einen tieferen
Grund: Sjöstedt liebte die Arbeiten
von Vivianna Torun Bülow-Hübe
(1927–2004), deren Biografie sie verschlungen hatte. Als die Hausdesignerin von Georg Jensen starb, galt sie als
erste Silberschmiedin mit Weltruhm.
Sie hatte mit Picasso und Matisse gearbeitet; ihr Werk wird im New Yorker
Museum of Modern Art ausgestellt.
„Georg Jensen ist schon lange ein
Teil von mir, ich bin geradezu besessen von dieser Designsprache“, sagt
Eva-Lotta Sjöstedt (49) heute, als wir
sie auf der Baselworld treffen, der
größten Luxusuhrenmesse der Welt.
Foto / CHRISTIAN
GRUND
Die Managerin sitzt auf einem tiefen,
weichen Stuhl in Halle 2, erster Stock,
Stand B65. Es ist der Auftritt ihres
neuen Unternehmens.
Sjöstedt, ozeanblaues Kleid, dunkelblauer Nagellack, ist seit dem
5. Januar die Chefin des Kopenhagener Schmuck- und Uhrenherstellers.
Sie strahlt Freude aus und sagt: „Es
ist wunderbar, hier zu sein.“ Ihr Äußeres hat sie verändert. Die dicke
dunkle Brille ist passé, die Haare trägt
sie wieder lang. Sjöstedt hat sich neugestaltet.
Die Nachricht von ihrer neuen
Anstellung kam selbst für Kenner der
Branche überraschend. Fünf Monate
lang, von Februar bis Juli 2014, hatte sie
als Vorstandsvorsitzende das schwer
versehrte Warenhaus-Unternehmen
Karstadt geführt. Ohne genaue Angabe von Gründen hatte sie ihr Amt niedergelegt, angeblich enttäuscht und
zermürbt vom damaligen KarstadtEigentümer Nicolas Berggruen. Danach verschwand die Schwedin, die
vorher für Ikea gearbeitet hatte, aus der
Öffentlichkeit.
Nun also: Schmuck, Bestecke und
Uhren in kleiner Stückzahl statt unübersichtliches Vollsortiment von
AEG-Waschmaschine bis Zinfandel-Rosé, nun also Kopenhagen statt
Essen, 1.300 Mitarbeiter statt 17.000.
„Meine Fähigkeit zu führen ist
nicht durch bestimmte Szenarien beschränkt“, sagt Sjöstedt. „Ich liebe Herausforderungen – Krise hin oder her.“
Was sie mit der „Krise“ meint?
Das 1904 gegründete Unternehmen
erwirtschaftete 2014 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) einen ins
Stocken geratenen Umsatz von etwa
135 Millionen Euro. Einen Gewinn
suchten die Buchhalter vergeblich,
der Verlust betrug ärgerliche 1,9 Millionen Euro, was umso schmerzhafter war, nachdem sie schon im Jahr
zuvor deren zwei Millionen kontiert
hatten.
Vor drei Jahren war der Georg-Jensen-Kreativchef David Chu, der bis zu
Sjöstedts Amtsantritt einstweilig auch
die Geschäftsführung übernommen
hatte, gemeinsam mit Investcorp, einem Investmentfonds aus Bahrain, in
69
UHREN
SPEZIAL
„
Ich höre
sehr gern zu.
Aber
wenn ich
entscheide,
ist es
entschieden.
“
70
den Besitz des Unternehmens gelangt.
Mit der Verpflichtung von Sjöstedt ist
ihm ein Coup gelungen.
Die Erwartungen, die sich mit ihrer
Verpflichtung verbinden, sind freilich
hoch. Vor allem soll sie der Uhrensparte Schwung und Dynamik verleihen
Fünf Jahre lang waren die Dänen der Uhren- und Schmuckmesse
ferngeblieben. Was kein allzu kluger
Schachzug war: In Basel werden die
Einkäufe für das ganze Jahr getätigt.
Erst 2015 kehrten sie zurück. Und
selbst wenn sich der Auftritt der Dänen etwas bescheiden ausnimmt im
Vergleich zu Rolex, Omega und Breitling, deren Messestände vier- oder
fünfmal so groß sind und in der wichtigeren Halle 1 stattfinden, so setzt
Georg Jensen mit seiner Anwesenheit
doch ein bedeutungsvolles Zeichen.
Wie hoch der Anteil des Uhrengeschäfts am Umsatz ist, fällt unter die
Betriebsgeheimnisse. Man geht aber
nicht fehl in der Annahme, dass die
Einnahmen eine überschaubare Größenordnung haben. „Ich würde sagen:
Wir sind keine Uhrenfirma.“ Sjöstedt
schaut ernst drein, aber dann muss sie
lachen, herzlich, ehrlich. In der Tat
sind die Dänen in der Uhrenbranche
von geringer Geltung.
Sie setzen nun darauf, dass sie
mit ihrem Angebot, die meisten Uhren liegen in der Preisklasse zwischen
1.000 und 3.000 Euro, die Ermattung
ausnutzen können, die die etablierte
Schweizer Uhrenindustrie ergriffen
hat: In den vergangenen Monaten gingen die Ausfuhren beständig zurück.
Die Nachfrage nach kostspieligen
mechanischen Zeitmessern lässt derzeit zu wünschen übrig. Besonders die
Chinesen, aber nicht nur die, üben sich
in Zurückhaltung.
Zudem bietet das Uhrengeschäft
für Sjöstedt auch die Gelegenheit,
männliche Kundschaft vertraut zu machen mit der Marke „Georg Jensen“,
die bislang hauptsächlich bei Frauen
Gefallen findet.
Georg Jensen, sagt Sjöstedt, setze
auch bei Uhren auf eine Besonderheit, die für möglichst alle Produkte
des Hauses gelten möge: „Wir sind
bekannt für das skandinavische De-
sign, für Reduktion, für ein Weniger-ist-Mehr.“
Tatsächlich sind die neuen Uhrenmodelle sehr schlicht, sehr klar und
sehr übersichtlich; zerbrechlich-dünne Zeiger, wenig Zierrat, kein Chichi,
oftmals keine Ziffern. Damit passen sie
gut zu den schnörkellosen Armreifen,
den schnörkellosen Siegelringen und
den schnörkellosen Halsketten aus
gehämmertem Silber, die die schnörkellosen Dänen auch noch feilbieten.
Das Design spielt für Sjöstedt eine
entscheidende Rolle. Sie hat, angeregt
von der damaligen Jensen-Gestalterin Bülow-Hübe, an der Stockholmer
Kunst- und Designhochschule Konstfack Modedesign studiert und ihre
Ausbildung 1988 abgeschlossen.
Anschließend entwarf sie für den
Hongkonger Bekleidungskonzern
Wellglow Fashions Damen- und Herrenmode, schloss dann ein dreijähriges
Wirtschafts- und Marketingstudium in
Schweden an und ging zu Ikea, wo sie
nun ihre Liebe zur Logistik entdeckte.
2005 wurde sie nach Yokohama
geschickt, wo sie die Leitung eines
BILANZ / APRIL / 2016
Georg-Jensen-Flaggschiff in München.
Zur Eröffnung im Mai 2015
kam das dänische Kronprinzenpaar.
Möbelhauses und in der Folge weitere
Aufgaben übernahm und schließlich
über die Niederlande wieder bei Ikea
Schweden landete, wo man sie 2012
mit der Digitalstrategie für den Gesamtkonzern betraute.
Schließlich wurde Berggruen auf
sie aufmerksam, und im Dezember
2013 wählte sie der Karstadt-Aufsichtsrat zur neuen Vorstandsvorsitzenden:
Am 24. Februar 2014 fing sie in Essen
an, am 7. Juli 2014 erklärte sie, „dass
die Voraussetzungen für den von mir
angestrebten Weg nicht mehr gegeben
sind“, und hörte wieder auf.
„Ich habe nie eine lineare Karriere
verfolgt“, sagt Sjöstedt. Sie sei keine
von denen, die ihre Laufbahn nach
präzise aufeinander aufbauenden Positionen vorantrieben. Kann sie denn
nun, mit dem Abstand von eineinhalb
Jahren, die wahren Gründe für ihre
Karstadt-Flucht erzählen? Sjöstedts
sonst so offener Blick verschließt sich
kurz. Ernstes Kopfschütteln. „Nein.“
Die Zeit zwischen dem alten und
dem neuen Job, sagt sie, habe sie größtenteils reisend verbracht: USA, Euro-
pa, und sie habe sich gefragt: „Was will
ich machen?“ Schließlich erhielt sie
die Anfrage von Georg Jensen und war
„sehr glücklich darüber“, für jenes Unternehmen arbeiten zu dürfen, dessen
Produkte ihr Jugend-Idol Bülow-Hübe
geprägt hatte. Es sei eine Herzensentscheidung gewesen, sagt Sjöstedt.
„Ich habe Erfahrung darin, ein Geschäft aufzubauen und eine Marke
groß und global zu machen. Und diese
Möglichkeit ist bei Georg Jensen...“,
sie schnalzt mit der Zunge, „...atemberaubend.“
Sicher, Georg Jensen unterhält
Niederlassungen in Taipeh, New York,
Peking, München; die Uhren werden
in der Schweiz zusammengebaut, sodass sie mit dem Hinweis „Swiss made“ versehen werden dürfen. „Aber
wir könnten noch internationaler
sein, wir müssen globaler werden.“
Zudem kann sie sich gänzliche neue
Produkte vorstellen, sofern die zur
Marke passen. Aber das ist ja immer
die Voraussetzung.
Große Chancen bietet möglicherweise der Markenschmuck: In Zeiten
FOTO: GEORG JENSEN
wirtschaftlicher Unsicherheit, hoffen
die Strategen, greifen Kundinnen auf
bekannte und bewährte Marken zurück. Hier bekommt es Georg Jensen
allerdings mit Branchengrößen wie
Cartier oder Tiffany zu tun, und die
verstehen wenig Spaß.
Aber auch Sjöstedt ist bekannt dafür, nicht lange zu fackeln. „Das Wichtigste in den kommenden Wochen“
werde zwar sein, „möglichst viele
Mitarbeiter kennenzulernen“. Dies sei
fundamental für ihre Art, zu arbeiten:
„Denn wie kann ich etwas verändern,
wenn ich nicht die Leute kenne, die die
Arbeit machen?“
Aber, sagt sie, „ich mache es nicht
jedem recht, Konsens ist nicht immer
das zwingende Ziel, wie bei vielen
skandinavischen Führungskräften. Ich
höre sehr gern zu. Aber wenn ich entscheide, ist es entschieden“.
Aber was will sie erreichen? „Ich
wäre froh, wenn die nächste Generation einmal über uns sagt: Diese
Guys haben die Ära geprägt, die haben das Unternehmen nach vorn gebracht.“
71
UHREN
SPEZIAL
Uhrwerk-Konzern ETA muss andere Hersteller nur noch bis 2020 beliefern.
Die Branche denkt um, die Vielfalt wächst, die Preise steigen.
Frisch ans
WERK
Text / MARTIN HÄUSSERMANN
72
Chopard betreibt zwei Manufakturen
für Uhrwerke. Das Regulierorgan
des Acht-Hertz-Kalibers entstammt
der Nobellinie „L.U.C“.
Foto: L.U.C
BILANZ / APRIL / 2016
Blick in die Maschinenhalle:
Nomos stellt heute die meisten
Einzelteile der Uhrwerke im
eigenen Haus in Glashütte her.
Im Sommer 2002 geriet die Welt der
Uhrenhersteller in Aufruhr: Der Werkeproduzent ETA, zur Swatch-Gruppe
gehörig, hatte angekündigt, der Kundschaft außerhalb der eigenen vier Wände nur noch mindere Mengen und ab
2006 überhaupt keine mechanischen
Werke mehr zu liefern. Man brauche
alle Kraft, um den Bedarf der eigenen
Marken zu decken, unter anderem von
Tissot, Longines, Certina und Mido.
Gefühle der Auflehnung und Empörung ergriffen die Männer und Frauen der Horlogerie, dazu kam die Lust
auf Krawall und Erhebung. Schließlich
und endlich waren zu jener Zeit gut
drei Viertel aller europäischen Uhrenmarken von den Lieferungen des
Marktführers ETA abhängig. Der angekündigte Lieferstopp hätte vielen
Kleinmarken den Garaus gemacht.
So weit ist es nicht gekommen: Die
Schweizer Wettbewerbskommission
zog andere Saiten auf, stellte jene
marktbeherrschende Stellung der ETA
fest, die sie unzweifelhaft für sich beanspruchte, und verpflichtete die in
Grenchen ansässige Firma (ca. 8.000
Beschäftigte), ihre Kundschaft zumindest in geringeren und dann weiter abnehmenden Mengen zu beliefern, aber
wenigstens doch bis 2020. Dann muss
jeder Hersteller sehen, wo er bleibt
bzw. woher er seine Kaliber bezieht.
Viele Unternehmen haben in der
Zwischenzeit vorsorgliche Maßnahmen
ergriffen, wie etwa die nicht mehr ganz
kleine Uhrenmarke „Nomos Glashütte“.
In ihren Anfängen hatten die Sachsen
noch ausschließlich ETA-Handaufzugswerke (Kaliber „Peseux 7001“) in
ihren Uhren eingepasst, sich aber rasch
einige ausschlaggebende Fertigkeiten
und Befähigungen der Uhrwerkstechnik angeeignet (siehe Interview S. 74).
Klugerweise, muss man anfügen, denn
mit der Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ darf aus guten Gründen nur
werben, wer mindestens die Hälfte
der Wertschöpfung bzw. Produktionsleistung in der sächsischen Kleinstadt
selbst erbringt.
2014 stellte Nomos eine eigene in
Serienproduktion gehende Hemmung
und Unruh vor. Sieben Jahre lang hatte man mit der TU-Dresden an dem
Wunderwerk gearbeitet, dem sogenannten Nomos-Swing-System, das
die „FAZ“ mit den Worten pries: Es sei
„nichts weniger als eine Sensation“.
Neun von zehn Marken beziehen
ihre Werke oder zumindest das Assortiment, also die Steuereinheit, bis
heute von der ETA oder ihrer Schwesterfirma Nivarox. Aber auch dieses
Swatch-Unternehmen möchte sich
gern seiner Lieferverpflichtungen ent-
Foto: MARTIN HÄUSSERMANN
ledigen. Anders als viele Konkurrenten
ist Nomos also vorbereitet.
Gewiss, der Markt bietet einige
Ausweichmöglichkeiten: Atokalpa, ein
Unternehmen der Sandoz-Gruppe (u.a.
Parmigiani), Technotime oder Precision Engineering können Assortiments
herstellen – jedoch weder zu den Preisen noch in den Stückzahlen, die die
Kundschaft von Nivarox gewohnt ist,
was zu Kummer und Verdruss führt.
Gleiches gilt für die Uhrwerke-Hersteller außerhalb der Swatch-Gruppe.
So ist etwa die Firma Sellita zu einem
bedeutenden Anbieter aufgeblüht,
nachdem der Patentschutz einiger
beliebter ETA-Werke abgelaufen war
und sich der Sellita-Inhaber Miguel
Garcia (49) dazu entschlossen hatte,
diese Uhrwerke unter eigener Kaliberbezeichnung nachzubauen.
Die Nachfrage ist groß. Jedoch
können auch hier die vergleichsweise
jungen Kaliber-Fabrikateure weder so
billig noch so viel wie die ETA produzieren. Die im Übrigen derzeit, so ist
aus Branchenkreisen zu hören, wieder
in vergleichsweise großzügiger Manier
an Dritte verkauft, weil der Bedarf in
China durchaus abnimmt.
Aber was geschieht, wenn die
Nachfrage wieder steigt? Alternativen
bieten sich in Japan, wo Seiko und
Citizen zu guten Konditionen zuverlässige Uhrwerke bauen. Allerdings
birgt der Einsatz von Uhrwerken aus
Fernost auch die Gefahr, dass die Uhren, die sie in sich tragen, nicht mehr
74
73
UHREN
SPEZIAL
73
Nomos-Boss Uwe Ahrendt über die wachsende
Unabhängigkeit von Lieferanten.
„Wir sind doch Uhrmacher“
Herr Ahrendt, immer mehr
Marken fertigen ihre Uhrwerke selbst. Welche Vorteile
bietet das?
Grundsätzlich begrüßen wir die
Entwicklung natürlich – dies ist
ja auch unser Weg. Für uns stand
schon bei der Gründung 1990 fest:
Nomos Glashütte soll unabhängig
sein. Alles selbst zu machen war immer schon unser Ziel. Und an sich
gehört dies in meinen Augen auch
zum Handwerk von uns Uhrenherstellern: den Motor unserer Uhren,
das Kaliber, selbst zu fertigen. Wir
sind doch Uhrmacher.
B
Selbst entwickelte und gebaute
Uhrwerke sind teurer als
Großserienwerke, weshalb
auch die Uhren an sich teurer
werden. Bekommt der Kunde
für den aufgewendeten Mehrpreis auch einen Mehrwert?
Was millionenfach gebaut wird,
muss günstiger sein als die Kleinserie. Allerdings müssen wir hier
genau hinsehen, der von Ihnen
angedeutete Widerspruch ist nicht
immer einer. Wir haben unsere
zehn eigenen Uhrwerke selbst entwickelt und bauen sie selbst. Für
unsere Verhältnisse ist das Großserie, denn wir kombinieren traditionelles Handwerk mit neuen Hightech-Fertigungsmethoden. Und nur
in großen Stückzahlen können wir
Manufaktur-Uhren von der Qualität
wie etwa unserer „Neomatik“-Serie
zu Preisen unter 3.000 Euro anbieten – bis dato galt ein solcher Preis
für eine Manufaktur-Uhr als Ding
der Unmöglichkeit. Doch muss ich
zugeben, dass wir einen riesigen
Vorteil haben: Wir fertigen in Glashütte nicht zu Schweizer, sondern
zu deutschen Preisen.
B
74
Nomos ist inzwischen in der
Lage, eine eigene Reglage zu
bauen – die Feinregulierung zur
Verringerung des Gangfehlers.
Werden Sie andere beliefern?
Wir könnten andere mit unserem
Nomos-Swing-System beliefern,
doch tun wir dies nicht. Was wir
bauen, verbauen wir selbst: Derzeit
verkaufen wir lieber ganze Uhren an
unsere Kunden als einzelne Teile an
Mitbewerber. Doch will ich eine Belieferung ausgewählter Dritter nicht
für alle Zeit ausschließen.
B
Nomos könnte sich einen
zweiten Geschäftsbereich als
Rohwerke-Hersteller aufbauen.
Ist das für Sie eine Option?
Ja, theoretisch könnten wir Werke
an Dritte verkaufen. Aber es ist wie
beim Assortiment, also unserem
Swing-System: Wir wollen lieber Uhren verkaufen. Wir sind in der glücklichen Lage, mehr verkaufen als bauen zu können, sodass ein Verkauf von
Rohwerken für uns wirtschaftlich
derzeit nicht sinnvoll ist.
B
UWE AHRENDT
Der Wirtschaftsingenieur, geboren
1969, wurde nach Stationen bei
Uhrenfirmen erst Geschäftsführer,
dann geschäftsführender Gesellschafter von Nomos Glashütte.
Interview und Foto:
MARTIN HÄUSSERMANN
als Swiss made gelten und ein wichtiges Verkaufsargument verlieren.
Viele Hersteller gehen deshalb wie
Nomos zu Werke. Und das nicht erst
seit gestern.
Einer von ihnen ist Karl-Friedrich
Scheufele (58), Mitinhaber von Chopard. Im Familienrat setzte er durch,
dass das Unternehmen eigene Uhrwerke herstellt. Das erste Fabrikat von
Chopard Manufacture präsentierte er
1996 unter der Nobellinie „L.U.C“. Das
Kürzel ehrt Louis-Ulysse Chopard,
den Mann, der die Firma 1860 im Jura-Dorf Sonvilier gegründet hatte.
Seither stellte Chopard neun Manufakturkaliber in mehr als 50 Varianten vor – vom aufwendig gefertigten
Automatikwerk bis zu Tourbillon und
Ewigem Kalender.
Die nicht ganz so kostspieligen
Sportuhren der Linie „Mille Miglia“
dagegen wurden eine Zeit lang weiter
von ETA-Werken angetrieben. Denn
einen ähnlich einfachen und dennoch
erprobten und verlässlichen Antrieb
hatte Chopard Manufacture noch
nicht zu bieten. Dazu bedurfte es anderer Produktionsstrukturen und -einrichtungen.
Diese schuf Scheufele erst in der
Folge, als er 2012 die eigene Uhrwerkefabrik Fleurier Ebauches eröffnete. Sie
stellte 2015 immerhin schon 15.000
Uhrwerke in verschiedenen Ausführungen her, die Leistungsfähigkeit der
Anlage soll nun weiter erhöht werden.
Auch Breitling und Hublot nahmen
erfahrene Techniker unter Vertrag und
bauten eigene Chronografen-Kaliber
(die ihnen den prestigeträchtigen Titel „Manufaktur“ einbrachten), vermittels derer sie ihre Unabhängigkeit
von ETA vergrößerten.
Beides beschäftigt auch die Firma
IWC, die zwar seit 2000 wieder eigene Werke, doch das Gros ihrer Produktion immer noch mit ETA-Exemplaren
ausstattet. IWC entwickelt fleißig und
zeigte bereits Musterbeispiele neuer
Automatik- und Chronografenwerke,
die ETA-Produkte ersetzen können.
Keine Frage: Die Branche macht sich
unabhängig.
BILANZ / APRIL / 2016
Warum die Geheimnistuerei der Uhrenhersteller unnötig ist
und ihren eigenen Interessen zuwiderläuft.
Ticken die noch richtig?
Das Fass zum Überlaufen brachte die
E-Mail einer Pressedame: keine Fotos
von Mitarbeitern. Fragen an die Beschäftigten? Ebenfalls tabu. Und bloß
keine Bilder davon, was sie mit ihren
Händen machen. Auch keine von den
Maschinen oder dem Arbeitsplatz. Die
Nachricht endete sinngemäß mit den
Worten: Zeigen Sie uns bitte alle Fotos,
die Sie veröffentlichen wollen – vorher.
Dabei ging es nicht um einen Besuch in Apples Forschungszentrum,
sondern um den bei einer Schweizer
Uhrenfirma, die aus Anlass der Neueröffnung eines restaurierten Gebäudes
ihre Handwerks- und Herstellungstechniken vorstellen wollte – nur ohne
Gebäude, Personen und, nun ja, Hände.
Zwei Wochen zuvor hatte der Chef
eines der größten börsennotierten
Schweizer Uhrenkonzerne mir durch
seine Assistentin mitteilen lassen, dass
er auf der Baselworld keine Interviews
geben werde.
Die Baselworld ist die wichtigste
Uhrenmesse der Welt. Wer hier nicht
spricht, ist entweder unwichtig oder
kein Uhrenchef. Und ich rede hier
nicht von jenem Manager, mit dem
man bis vor Kurzem noch herrlich
über jedes Zifferblatt streiten, über jede Aufzugskrone fachsimpeln konnte.
Doch seit er der wohl bekanntesten
Uhrenmarke der Schweiz vorsteht,
ist der Mann wie vom Erdboden verschluckt. Lapidare Auskunft der Pressestelle: Wir lassen lieber die Uhren
sprechen.
Ja, liebe Uhren, dann sagt mal etwas. Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet eine Branche mauert, die jeden Grund hat, zu sprechen. Und zwar
laut und deutlich. Zum Beispiel darü-
Kengelbachs fünf Minuten
ber, dass die mechanische Uhrenwelt
teilweise so aussieht, als schrieben wir
das Jahr 1986 und nicht 2016.
Eure vermeintlichen Firmengeheimnisse fühlen sich da draußen für
30-jährige Laien an, als würde uns
Sony im Jahr 2016 durch die Produktionsstätten seines „Walkman“ führen.
Als würden die nächsten großen Uhrentrends in holzgetäfelten Hinterzimmern beim Cognac-Schwenken gemacht – während längst auf Facebook,
Instagram und Co. entschieden wird,
was cool ist und was nicht.
Glauben die Hersteller wirklich,
das kontrollieren zu können? Sie glauben es. Warum sonst rätseln Fachjournalisten seit Jahren über die wahren
Stückzahlen der Firmen? Sind es nun
eine Million, die eine berühmte Genfer Marke mit Krone im Jahr herstellt,
oder nur 600.000?
Wir sollten es wissen. Und wir sollten wissen, wohin Manager ihre Marken
steuern, wenn Kunden ein Vermögen
in deren Produkte investieren, weil sie
es für stabile Wertanlagen halten. Wir
sollten wissen, welche Handwerkstechniken Firmen wirklich beherrschen und
ILLUSTRATION:
ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ
wie sich die in den vergangenen zehn
Jahren exorbitant steigenden Gewinne
erklären lassen, wenn man angeblich
doch kaum mehr Uhren verkauft als zu
Beginn der großen Uhrensause.
Wir müssen es wissen, weil wir
nur so unseren Lesern ehrlich darüber
Auskunft geben können, ob sich die
Anschaffung einer 10.000 Euro teuren
mechanischen Uhr lohnt – oder ob es
vor allem ein wunderbares Geschäft für
Hersteller und Verkäufer ist.
Die Uhren können nämlich nur
so lange sprechen, solange da draußen Menschen sind, die ihre wahre
Geschichte erzählen und anschaulich
begründen können, dass man mit fast
jeder mechanischen Uhr ein Stück
menschlicher Kultur- und Technikgeschichte in seinen Händen hält.
Dass man anhand einer mechanischen Uhr die Mondlandung (Omega),
die Erstbesteigung des Mount Everest
(Rolex), die französische Revolution
(Breguet) oder die Anfänge der Formel
1 (Heuer) lebendig werden lassen kann.
Wenn die Firmen nicht laut und
deutlich über die Werte sprechen, die
in jeder mechanischen Uhr stecken,
wird es ihren Produkten in Zeiten der
Smartwatch nicht anders ergehen wie
einst in den 70er-Jahren, als Quarzuhren plötzlich lässiger waren als das
komplizierteste Modell mit Handaufzug. Die Zeit wird knapp.
JÖRN KENGELBACH
Der 42-Jährige ist studierter Architekt
und schreibt seit vielen Jahren
über Uhren. Er ist Autor bei „Icon“,
„Welt am Sonntag“ und BILANZ.
75
UHREN
SPEZIAL
DIE FRAUEN
76
„Es ist spannend, maskuline
Uhren zu entwerfen“:
Juwelierstochter Sandrine Stern.
FOTO: CHRISTOPHER STURMAN
BILANZ / APRIL / 2016
In Genf spricht die Chefdesignerin der Luxusuhrenfirma Patek Philippe
über Tradition und Technik, störrische Kinder und das weibliche Auge.
Mutter
der Marke
Interview / JÖRN KENGELBACH
Um ihr Studium zu finanzieren, ging
Sandrine Stern (43) 1995 zu Patek Philippe, blieb dort und heiratete später
Firmeneigner Thierry Stern (45). Seit
2009 leitet sie die Kreativabteilung.
Frau Stern, um die Zeit abzulesen, schauen die meisten Menschen heute auf ihr Mobiltelefon.
Eine Armbanduhr braucht doch
niemand mehr wirklich, oder?
Ich denke, eine Armbanduhr ist vielleicht der persönlichste Gegenstand
eines Menschen, etwas Intimeres und
viel Privateres, als man gemeinhin
denkt. Menschen, die unsere Uhren
kaufen, kaufen die in der Regel für
sich. Sie wollen diese Objekte für viele
Jahre tragen und sie aufheben.
B
Ihr Unternehmen wirbt damit,
dass man eine Patek Philippe
„schon für die nächste Generation“ bewahre. Haben Sie keine
Sorge, dass die nächste Generation sich nicht mehr für Uhren
interessieren könnte?
Warum sollten sich gerade Jüngere
nicht für Uhren interessieren? Sie lieben ja Hightech-Produkte wie Handys
auch. Und ich sage Ihnen, es ist extrem
viel moderne Technik nötig, um eine
perfekte mechanische Uhr zu bauen.
B
Sie nennen Ihre Firma „Manufaktur“, verweisen auf Ihre Handwerkskunst. Wie passt das mit
moderner Technik zusammen?
Mein Schwiegervater hat in den 70erund 80er-Jahren persönlich dafür geB
sorgt, dass viele der Handwerkstechniken nicht ausstarben. Wir führen weiter, was wir seit Jahrzehnten machen.
Man sollte aber nie neue Technologien
verteufeln, die brauchen wir auch.
Nehmen Sie allein die Computer, um
Uhrwerke und das Zusammenspiel mit
dem Gehäuse zu visualisieren.
B
Die nächste Generation brauchen
Sie auch auf andere Weise, um
Ihren Mythos aufrechtzuerhalten: Er funktioniert nur, wenn
Ihre zwei Kinder später einmal
die Leitung des Familienunternehmens übernehmen. Dürften
die sich dem entziehen?
Der beste Weg der Erziehung ist nicht
Zwang. Das kennen Sie von Kleinkindern, die werden ja auch besonders
störrisch, wenn man sie zwingt, etwas zu tun. Dann lenken Sie die mal
ab, und sie kommen ganz von alleine
darauf.
B
Noch einmal: Leicht kann es nicht
sein, in ein solches Erbe hineingeboren zu werden.
Es geht darum, sie für die Marke zu
begeistern. Da ist der Unterschied
zwischen den Mitarbeitern und
den eigenen Kindern gar nicht so
groß. Sie müssen allen beibringen,
das zu mögen, was sie tun. Aber die
Wahl müssen sie immer haben. Sonst
können sie keine Motivation daraus
ziehen.
B
Die Firma als Familie – Hand
aufs Herz: Ist das nicht ein übertrieben romantisches Bild?
Wir sind wirklich eine Familie. Wie
die Führung tickt, tickt der Rest. In
jedem Atelier helfen die Älteren den
Jüngeren, die Marke zu verstehen. Im
Entwurfsprozess ist es meine Aufgabe,
Patek zu erklären. Das ist nicht viel
anders als eine Mutter, die ihr Kind
erzieht.
B
Wie läuft dieser Entwurfsprozess
ab?
Er beginnt meistens mit einem weißen
Blatt Papier. An die 20 Zeichnungen
entstehen so. Vorher haben wir aber
mit dem Uhrwerk die Richtung vorgegeben: Ist es ein sportliches Modell
oder eher ein klassisches, das man
abends trägt?
B
Sie entwerfen die Schmuckuhren
für Frauen, und Ihr Mann kümmert sich um die Herrenmodelle?
Ich bin gleich stark in beide Kollektionen involviert. Als Frau ist es
spannend, maskuline Uhren zu entwerfen. Gerade bei Herrenuhren bin
ich in den Details viel heikler als so
mancher Mann. Die Herrengehäuse
sind in der Regel deutlich größer, da
geht es vielmehr um Nuancen in der
Größe oder den Farben. Und gerade
bei Herrenuhren geht es ja durchaus
um das weibliche Auge, das sie betrachtet.
Setzen Sie sich wirklich durch mit
B
Ihren Ideen?
Glauben Sie mir, wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich das auch, wenn mir
etwas nicht passt, und schlage Änderungen vor.
Das komplette Interview finden Sie unter
www.bilanz.de/uhren
77
UHREN
SPEZIAL
Die Liebe zu Uhren entfachte bei Experte Jörn Kengelbach eine Certina zur
Konfirmation, die er auf dem Tennisplatz verlor. Was er heute empfiehlt.
Seltene Stücke für
selbstbewusste Sammler
78
ECHTE KUNST
GEHT IMMER
EIN KLASSIKER,
NEU ERFUNDEN
VERGESSENE
SCHÖNHEIT
Kunst am Handgelenk:
die „Classic Fusion Tourbillon
Cruz-Diez“ von Hublot.
Dünner denn je: „Reverso
Tribute Gyrotourbillon
Hybris Mechanica“.
Uralte Marke für Kenner:
„222“ von
Vacheron Constantin.
Vergessen Sie das Image einer Uhr,
wenn Sie sie in Hinsicht auf ihre
Wertsteigerung sammeln. Bestes Beispiel ist die Marke „Hublot“ aus Nyon
bei Genf. Die nehmen Mitteleuropäer meist als Rapper -Basketballer-Kicker-Bling-Bling-Uhren wahr und
übersehen: Sie prägen unsere Zeit.
Hublot hat mit dem venezolanischen
Künstler Carlos Cruz-Diez ein Modell mit rotierendem Zifferblatt entwickelt, dessen Farbspektrum sich
alle zwölf Stunden verändert. Wer
beim Kaufpreis von 125.000 Euro für
die „Classic Fusion Tourbillon CruzDiez“ meckert, sollte sich die Preise
anschauen, die die Werke des Künstlers kosten.
CAD-Konstruktion, Rapid Prototyping
und Laserschneideverfahren haben die
Herstellungsmöglichkeiten und Formgebung mechanischer Uhren vervielfacht. Mit ihrer Hilfe entstanden komplizierteste Mechanismen, fabriziert
aus den erstaunlichsten Materialien.
Auf Form und Tragbarkeit achteten
die Gestalter weniger. Das ändert sich
jetzt. Der schönste Trend in diesem
Frühjahr: Ultrakomplizierte Uhren
schrumpfen auf tragbare Größen. Zum
85. Jubiläum seiner Wendeuhr hat
Jaeger-LeCoultre die „Reverso Tribute
Gyrotourbillon Hybris Mechanica“
überarbeitet. Sie ist gegenüber dem
Vorgänger fünf Millimeter dünner bei
anspruchsvollen Komplikationen.
Die älteste durchgängig betriebene
Uhrenfirma, Vacheron Constantin aus
Genf, steht im Schatten der Sammlermarken Rolex und Patek Philippe. Das Unternehmen hat bisher nur
gut eine Million Uhren gefertigt. So
viele baut Rolex in einem Jahr, Casio
in zwei Monaten. Wer sich die Anzahl
gebrauchter Modelle auf Plattformen wie Chrono 24 ansieht, merkt
schnell, wie selten sie sind. Etwa jenes
zum 222. Geburtstag der Manufaktur 1977, das die Bezeichnung „222“
trägt. Von der Stahlsportuhr wurden
nur 500 Stück gefertigt. Während ein
neues Modell von Vacheron bei
21.300 Euro anfängt, ist die „222“
günstiger zu haben – noch.
Exklusiv erhältlich in den
Hublot-Boutiquen in Caracas und
Miami für 125.000 Euro (UVP).
75 Exemplare zu je 321.300 Euro,
z.B. über die einzige deutsche
Jaeger-LeCoultre-Boutique in Frankfurt.
Derzeit findet man eine
Bicolor-Variante bei Worldoftime.de
in München für 14.500 Euro.
BILANZ / APRIL / 2016
Am Handgelenk trägt er eine IWC, ein ungewöhnlich filigranes Modell.
Klassiker, die es BILANZ-Chefredakteur Klaus Boldt angetan haben.
Besondere Uhren
für besondere Männer
ENTDECKER-UHR
AUS DER EISENZEIT
ZEITKAPSEL FÜR
SPACE COWBOYS
LETZTES UHRWERK
„MADE IN ENGLAND“
Unter Forschen so beliebt
wie unter Forschern:
die „Explorer“ von Rolex.
Die „Pulsar P2“ war in
den 70ern die Uhr für
Astronauten und Agenten.
Was ist schöner als eine Uhr
mit arabischen Ziffern
und weißem Sekundenzeiger?
Klassische Schönheit adligster Abstammung, von Rolex 1952 in vornehmer Einzelstück-Auflage hergestellt
für die Mount-Everest-Expedition von
Edmund Hillary und Tenzing Norgay.
Sieben Jahre später hat Rolex das Modell mit der Referenznummer 1016 aufgelegt: Sie gilt unter Sachverständigen
als „Entdecker-Uhr“ schlechthin. Im
Gegensatz zu anderen Rolex-Sportuhren verfügt die „Explorer“ über keine
Lünette, was ihr ein schlichtes, schmales Aussehen verleiht. In Anbetracht
ihres Durchmessers von nur 3,6 Zentimetern und versehen mit einem Lederarmband lässt sich die Uhr durchaus
zum Anzug tragen. Die Verarbeitung ist
Rolex-gemäß von erheblicher Bravour.
Unter dem Namen „Pulsar“ kam in
den frühen 70er-Jahren eine ganze
Reihe dieser sogenannten Computer- oder Astronauten-Uhren auf den
Markt. Besondere Attraktion der „P2“:
Ein Druck auf den Gehäuseknopf ließ
die LED-Dioden leuchten. Die Uhr
sieht aus wie eine Posse und Narrheit,
aber vor 45 Jahren war sie spacig wie
nur irgendetwas. James Bond trug sie
in „Live and Let Die“.
Artefakte wie die „Pulsar P2“ sind
kleine Zeitkapseln aus jener Epoche,
als Tradition und Moderne ihre Stellung zueinander noch nicht geklärt
hatten. Erhältlich war die Uhr beim
Juwelier, und zwar als Fabrikat von
Tiffany & Co.
Es gibt drei Sorten von Entdeckeruhren: die fürs All, die für die See und
die für den Himalaja. Normaler- und
gerechterweise erntet hier die „Rolex
Explorer“ allen Ruhm. Edmund Hillary
trug eine beim Erstaufstieg 1953. Aber er
hatte auch eine Smiths dabei, die zum
Lässigsten gehört, was man am Handgelenk tragen kann. Das Modell „w10“
(Foto), angefertigt von Mitte der 60erbis Anfang der 70er-Jahre, gehörte zur
Grundausrüstung der British Army. Ihr
Kaliber „60466E“ ist bzw. war das letzte serienmäßig in England hergestellte
Uhrwerk überhaupt. Heute von Time
Factors in Sheffield angeboten, haben
ihre Schweizer Uhrenwerke mit dem
Original aber nichts mehr zu tun.
Das abgebildete „Explorer“Modell kostet 9.500 Dollar bei
www.10pastten.com.
www.casowatches.com
bietet es in der Originalverpackung
für rund 2.220 Euro an.
Militäruhren sind teuer, die „W10“
ist relativ preiswert. Erhältlich für
1.650 Dollar bei www.analogshift.com.
79
UHREN
SPEZIAL
Carole Forestier-Kasapi, Chefentwicklerin der Pariser Prestigefirma,
leitet eines der fortschrittlichsten Uhrenlabore der Welt.
Kultfigur von Cartier
Text / JÖRN KENGELBACH
80
Ein abgelegenes Hochtal im Jura, des
Vallée de Joux, ungefähr anderthalb
Autostunden nördlich von Genf. Dieser Gegend wohnt ein Zauber inne,
hier finden sich die ersten Adressen
der Uhrmacherkunst: Jaeger-LeCoultre, Audemars Piguet, Breguet, Vacheron Constantin und – in einem Gebäude, wie man es in dieser Gegend noch
nicht gesehen hat: Cartier.
Es ist ein von hellem Beton eingefasster Glasquader mit goldglänzenden, raumhohen Fenstern, der auf den
Kopf gestellt genauso aussehen würde
und mit seiner Arbeitsfläche von etwa
30.000 Quadratmetern zu den beeindruckendsten und fortschrittlichsten
Luxusuhrenfabriken auf Erden gehört.
Das Vallée de Joux ist der verzauberte
Ort der Horlogerie.
„Und dabei ist das hier nur einer
von sechs Standorten in der Schweiz,
an dem wir Uhren herstellen“, sagt Carole Forestier-Kasapi (48). Sie ist die
oberste Uhrenentwicklerin des Hauses und Chefin von mehr als 1.000
Leuten, die in diesem 2006 errichteten
Werk arbeiten, das eher an eine Chipfabrik erinnert als an den drittgrößten
Luxusuhrenhersteller der Schweiz.
Forestier-Kasapi soll die für Damenschmuck bekannte Luxusmarke
in eine solche für Herren nicht umbilden, aber doch erweitern. Man solle mit dem Namen „Cartier“ künftig
auch großartige mechanische Uhren
verbinden.
Forestier-Kasapi ist Französin,
Uhrmachertochter aus Paris. Mit 16
ging sie auf die höchst respektable
École d’Horlogerie und trat später
ihre erste Stellung bei dem Uhrenlieferanten Conseilray an, danach wechselte sie zu Renaud & Papi. 1999 kam
sie zu Cartier.
Auch wenn das Unternehmen in
erster Linie den Ruf eines Schmuckfabrikateurs genießt, hat es doch eine
lange Tradition als Uhrenhersteller:
Bereits sechs Jahre nach Firmengründung baute Louis Cartier 1853 die erste
Uhr; für den Luftfahrtpionier Alberto
Santos-Dumont (1873–1932) aus Brasilien entwarf Cartier 1904 die erste
sogenannte Fliegeruhr. Das Modell ist
noch heute erhältlich.
In den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte das Unternehmen erste Uhren mit aufwendigen
Zusatzfunktionen her, Komplikationen genannt. Allerdings, betont Forestier-Kasapi, stammten diese Uhren
nicht aus eigener Fertigung. Man hatte
nur gelieferte Teile zusammengesetzt,
war also nur „Établisseur“, wie es im
Zunftjargon heißt.
Heute ist das anders. Und dass es
anders ist, hat viel mit Forestier-Kasapi zu tun. Denn nach sechsjähriger
Betriebszugehörigkeit (unter anderem
in der Fertigung und als Leiterin der
Uhrwerkentwicklung) war sie vom damaligen Firmenchef Bernard Fornas
2005 zur Chefin der Cartier-Entwicklungsabteilung befördert worden und
hat in dieser Rolle seither kraftvolle
Wirkung entfaltet.
Hier im Vallée de Joux beschäftigt
sie die Vertreter von 175 verschiedenen Berufen. Sieben Jahre dauerte
die Umstellung der Produktion vom
Établisseur zum Entwickler eigener
Uhrwerke, zum Gehäusekonstrukteur
und Hersteller aller wichtigen Teile
einer Armbanduhr, von der kleinsten
Schraube über das Uhrenglas bis zu
den über Feuer gebläuten Zeigern.
Das Uhrwerk, mit dem ForestierKasapi 2008 debütierte, hatte Fachleute auf der ganzen Welt entzückt: Aus
den für Cartier typischen, römischen
Ziffern hatte sie eine neuartige, durchsichtige Werksplatine konstruiert,
an der sich zugleich alle Zahnräder
befanden.
So konnte man sowohl die Zeit
ablesen als auch dem aufwendigen
Mechanismus des Uhrwerks bei der
Arbeit zusehen. „Heute ist Cartier eine der wenigen Vollmanufakturen der
Welt“, sagt die Uhrenchefin.
Was aber bedeutet bei Cartier die
schmückende Bezeichnung „Vollmanufaktur“? Um das herauszufinden,
betreten wir einen Raum im dritten
Stock, der nicht im Entferntesten an
Uhren erinnert: den Think Tank (so
steht es an der Tür). Durch eine lange Glaswand voneinander getrennt,
sitzen etwa 70 Mitarbeiter, im Schnitt
nicht viel älter als 35 Jahre, vor schwarzen Dell-Rechnern. Manche Mitarbeiter starren gleich auf zwei Bildschirme. Von Uhren keine Spur.
Wir befinden uns in der Entwicklungsabteilung: „Hier sitzen unsere
schlauesten Köpfe.“ Einer von ihnen
ist der 30-jährige Laurent, der am
Rechner Uhrengehäuse wie das des
„Tourbillon Mystère“ entwirft: einer
Uhr, bei der man zwar Zeiger sieht, die
sich bewegen, aber kein Uhrwerk, da
es so verkleinert wurde, dass es sich
DIE FRAUEN
BILANZ / APRIL / 2016
In Fachkreisen gilt Forestier-Kasapi
als Vordenkerin der eidgenössischen Feinuhrmacherei.
im Gehäuse versteckt. In
diesem Raum werden der
Kraftfluss von Zahnrädern
gemessen und die Frequenz
von Tonfedern simuliert;
hier fertigen 3-D-Drucker
Kunststoffmodelle von Uhrengehäusen an; selbst die
Glieder des Armbands sind
beweglich.
Vollmanufaktur, das
heißt: Die Fertigungstiefe
liegt bei fast 100 Prozent.
Lediglich die Zifferblätter
fertigt ein Tochterbetrieb
des Richemont-Konzerns.
„Wir bauen selbst die Werkzeuge für
unsere Armbandschließen“, erklärt
Forestier-Kasapi den Unterschied zu
anderen, die ebenfalls „Manufaktur“
im Namen führen (wie Zenith oder
Nomos). Jedes Uhrwerk benötigt andere Teile. Da kommt eine ganze Menge zusammen: „Wir kontrollieren hier
zirka drei Millionen Komponenten.“
Pause. „Pro Monat.“
Forestier-Kasapi lächelt. „Die
Kunst in der Feinuhrmacherei ist es
nicht, ab und zu mal eine tolle Uhr zu
machen, wie es andere Hersteller auch
können“, sagt sie. „Die Kunst ist es, jedes Jahr eine tolle Komplikation auf
den Markt zu bringen.“
Das ist der Grund, warum Forestier-Kasapis Schaffen in Sammlerkreisen geradezu Bewunderung widerfährt
und die Firma laut Experten ungefähr
400.000 Uhren im Jahr verkauft; nur
Omega und Rolex bauen mehr mechanische Uhren in der Schweiz. Die sehr
einflussreiche Uhren-Internetseite
„Wir kontrollieren
hier zirka
drei Millionen
Komponenten.
Pro Monat.“
Hodinkee.com nennt Cartiers Think
Tank „eines der beeindruckendsten
Uhrmacher-Labore der Welt“.
Forestier-Kasapis bisheriges Meisterstück gelang ihr nach Ansicht der
Fachwelt im vergangenen Jahr mit der
ersten Cartier-Armbanduhr mit sogenannter großer Komplikation, also der
Verbindung von mehr als drei komplizierten Funktionen in einem Gehäuse.
Die Entwicklung der „Rotonde de Cartier Grande Complication“ mit Ewigem
Kalender, Minutenschlagwerk und frei
fliegendem Tourbillon – einem Drehgestell, das bewirkt, dass die mit der
Foto: Cartier
Erdanziehungskraft verbundenen Gangabweichungen
kompensiert werden – verschlang fünf Jahre Arbeit.
Kein Wunder, dass Forestier-Kasapi bei dieser langwierigen Geburt ihre Arbeiten ihre „Babys“ nennt.
Die besten Geburtshelfer arbeiten abseits der modernen Fabrik in einem früheren Bauernhof aus dem
18. Jahrhundert: „Maison
des Métiers d’Art“ (deutsch:
Haus des Handwerks) nennt
Cartier das dreistöckige weiße Landhaus mit den Fensterläden.
Wohl aus Vermarktungsgründen
lässt Cartier nicht in der modernen
Fabrik, sondern in diesem Bauernhaus die besonders traditionellen, ja,
beinahe ausgestorbenen Handwerksberufe (wie Steinsetzer und Graveure)
wieder aufleben. Hier werden Rosenblätter-Mosaiken zu Papageienköpfen
gelegt und Holzfurniere zu Löwenporträts, alles im Mikrometerbereich, um
es auf Zifferblättern unterzubringen.
Die Tische sind mit riesigen Mikroskopen ausgestattet, Mitarbeiter fräsen,
es summt wie ein Zahnarztbohrer, beobachtet von vier Kameras.
„Beim Vibrating Setting setzen
wir unter jeden Diamanten eine kleine
Feder“, erklärt die Chefin. „So bewegen sich die Steine auf dem Zifferblatt
mit den Bewegungen des Trägers. Die
Kunst besteht darin, dass die Diamanten nie herausfallen.“ Bei einer Uhr,
die über eine Million Euro kostet, wäre
das auch recht peinlich.
81
PRIVAT
82
Badehandtuch: gestaltet vom
Fotografen und Filmemacher
Ryan McGinley.
BILANZ / APRIL / 2016
DAS WERK ALS HANDTUCH
Was ist davon zu halten, wenn Kunst frevelhafterweise als Lifestyle-Produkt
vermarktet wird? Bisweilen sehr viel. Hier ein paar Empfehlungen.
Wem originale Kunstwerke zu teuer,
klassische Druckgrafiken und Multiples in Hunderterauflagen aber zu
altbacken sind, der wird von einer
neuen Künstlergeneration und von
schicken Verkaufsplattformen mit
Kunstwerken bedient, die wie Lifestyle-Produkte aussehen und genauso
vermarktet werden.
In dieser Verbindung aus künstlerischer Manifestation und marktwirtschaftlicher Unverblümtheit steckt
dann auch schon die subversive Note: dass Kunst – wenn sie schon als
ultimatives Prestigeobjekt zur gesellschaftlichen Überhöhung seines Eigentümers herhalten muss – als neue,
geschmackvolle und erschwingliche
Produktkategorie wieder sozialisiert
werden soll. Ein paar der interessantesten Anbieter und Produkte habe ich
Ihnen hier zusammengestellt:
Wer will nicht ein modisches
Kunstwerk des New Yorker Künstlerkollektivs DIS haben? Noch dazu, wenn
man sich dabei als besonderer Kenner
ausweisen kann, indem man sich nicht
nur den Starphilosophen und Kunsttheorie-Liebling Slavoj Žižek zu Herzen nimmt und überzieht, sondern damit auch eine Arbeit der diesjährigen
Kuratoren der Berlin Biennale trägt –
das Žižek-Hightech-T-Shirt. Erhältlich
auf dem von DIS selbst betriebenen
Onlineshop „DIS own“.
http://disown.dismagazine.com
Wenn Sie Ihre kunstsinnigen Freunde
beim Abendessen beeindrucken wollen, dann servieren Sie einfach nur auf
Tellern von Maurizio Cattelan: Der
gefeierte Kunstpoet, -provokateur und
-magier hat zwar offiziell – nach seiner
großen Guggenheim-Retrospektive im
Jahr 2011 – seine Arbeit als Künstler eingestellt, gemeinsam mit dem Fotogra-
HOLLEINS KUNSTWELT
fen Pierpaolo Ferrari produziert er nun
aber eifrig Kunst für die Massen und als
Gebrauchsartikel. Erhältlich etwa über
www.artwareeditions.com
Die It-Bag ist nicht nur das wichtigste
Modeaccessoire, sondern auch einer
der bedeutendsten Gewinnbringer
von Prada, Louis Vuitton u.a. Schon
vor Jahren wurden Künstler mit der
Gestaltung von Luxustaschen beauftragt. Wie immer unterwanderte
Damien Hirst die Erwartungen und
brachte eine der besten, lustigsten und
auffallendsten – und auch billigsten –
Tragebeutel heraus: Mit dieser Tasche
aus der Pharmacy -Motivreihe können Sie zeigen, dass es zwischen dem
Versprechen auf Selbsterhalt, Selbstverbesserung und Selbstbehauptung
keinen Unterschied mehr gibt.
www.othercriteria.com
Von einer der derzeit angesagtesten
Multimedia-Künstlerinnen gibt es die
perfekte Büropflanze für das hippe
Mobile Office von heute. Schon allein
der Verkaufstext für dieses Objekt
von Lizzie Fitch hat die Qualität von
Neo-Dada: „Functional mobile planter
for an idealized office world. Redefine
photosynthesis beyond the limitations
of light and chemical energy through
the synthesis of inorganic kinetic
energy. Increase chloroplast production while sprucing up a new corner
of the office – it’s a win-win for every
organism!“ Die Eames-Stühle können
Sie in die Ecke schieben, das Büro von
morgen finden Sie im „Dismagazine“.
http://disown.dismagazine.com
FOTO: ART PRODUCTION FUND
ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ
Nachdem alle Welt von der Kunstszene in Los Angeles spricht, braucht
man für den Besuch an der sonnigen
West Coast natürlich nicht nur irgendeines der dort allgegenwärtigen
Nahverkehrsmittel, sondern das vom
Doyen der L.A . Art Scene selbst gestaltete: das „Yellow Skateboard“ von
John Baldessari – gibt es sogar schon
bei Amazon.
www.amazon.co.uk
Zum Abschluss benötigen Sie noch
das passende Handtuch für den
Strand in Venice Beach, und hier erregen Sie mit Ryan McGinleys Towel
ausreichend Aufsehen: Der Fotograf
und Filmemacher ist einer der beeindruckendsten Subkultur-Porträtisten
seiner Generation – mit dem Kauf
seines Handtuchs erwirbt man nicht
nur eine besonders poetische, surrealistische Arbeit, sondern unterstützt
auch noch die gemeinnützige, auf die
Förderung von großen Kunstprojekten ausgerichtete Verkaufsplattform.
Noch nie hat sich Shopping so gut und
kultiviert angefühlt.
www.artproductionfund.org
MAX HOLLEIN
ist der berühmteste und einflussreichste Museumsdirektor des Landes
und womöglich der beste Manager
Frankfurts. Er hat das Städel, die Schirn
Kunsthalle und das Liebieghaus
zu internationaler Geltung geführt.
83
PRIVAT
BAADERS BESTE
KNOCHEN MIT LOCH
Speisen in der Kassenhalle und eine Flasche „Y“ für 200 Euro.
DIE BANK
Hohe Bleichen 17, 20354 Hamburg,
www.diebank-brasserie.de
84
Das vor zehn Jahren gegründete Restaurant wirkte von Anfang an betagt,
bewährt, hamburgisch gewachsen.
Das hat nicht nur mit der Örtlichkeit
zu tun, einer veritablen „Kassenhalle“
von 1897, sondern fraglos auch mit
den gut gemachten Lieblingsgerichten
vieler Hamburger: Tuna sashimi (17
Euro), Rindertatar (18), Maispoularde
(22), Kutterscholle (28) usw.
ZEIK
Sierichstraße 112, 22299 Hamburg,
www.zeik-hh.de
„Axel Henkel zurück in Hamburg“
klingt für mich wie „Harald Schmidt
zurück in der ARD“. Der Koch, der vor
rund 40 Jahren, zusammen mit Josef
Viehhauser und Heinz Wehmann, die
moderne Hamburger Küche begründete, steht hier seit einigen Wochen
wieder am Herd: in Winterhude, wo
gastronomisch zurzeit am meisten
passiert. Das Restaurant heißt „Zeik“,
wie damals, und es gibt Blockbuster wie
Königsberger Klopse (22 Euro) oder
Arthouse wie Biryani Hühnchen (24).
komplett verzichtet. Die Trauben werden dann für die trockene Variante,
den „Y“, verwendet. So kommt es, dass
einer der bestschmeckenden Weißweine der Welt als Beifang entsteht. Die
0,75-Liter-Flasche kostet um die 200
Euro. Aber dafür trägt sie auch diesen
unglaublich puristischen Namen, von
dem man meinen könnte, Apple hätte
ihn erfunden.
KRONENHALLE
Rämistraße 4, 8001 Zürich,
www.kronenhalle.com
Hier saßen schon Picasso, James Joyce
und Coco Chanel zu Tisch. Seit 1924
sind Restaurant und Bar Treffpunkt
der Zürcher Bourgeoisie, vieler Literaten und Künstler. Sie alle schätzen die
verfeinerte bürgerliche Küche, in der
Rösti (z.B. mit Kalbsgeschnetzeltem,
56 Franken) in etwa die Bedeutung hat
wie Popcorn im Kino. Hinzu kommt
die Melange aus Kunstausstellung, gediegenem Interieur und kultiviertem
Service. En Guete (zu deutsch: „Einen
guten Appetit“)!
MILLÉSIMA, 87 QUAI DE
Paludate, 33050 Bordeaux,
www.millesima.com
Das Château d’Yquem ist berühmt für
seine edelsüßen Weißweine. Der Qualitätsanspruch ist so hoch, dass man in
schlechten Jahren auf die Herstellung
FOTOS: DIE BANK, HEINER BAYER, ZEIK
ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ
OSSOBUCO MIT GREMOLATA
Mein Rezept mit Einkaufsliste
und Anleitung finden Sie auf
www.bilanz.de
Wieder eines dieser famosen Schmorgerichte, wie geschaffen für die Bewirtung von Gästen: gut vorzubereiten,
fehlerverzeihend, großes Zeitfenster
zum Servieren ohne Qualitätsverlust.
Und je schmuddeliger das Wetter,
desto besser schmeckt der „Knochen
mit Loch“.
P
FRED BAADER
war mit seiner Agentur Baader Lang
Behnken einer der Großen
in der deutschen Werbewirtschaft.
2013 veröffentlichte der Hamburger
Genussmensch sein erstes Kochbuch.
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
AKTIV & GESUND
Xxxx 1
APRIL 2016
Der erste
Schritt
Welche Sportart passt zu mir?
Raus!
Bewegung an
CDQÓEQHRBGDMÓ+Tȓ
Portrait
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DIRK NOWITZKI
Die Highlights einer Karriere
6iÀÜ>˜`i˜-ˆi1ÃiÀ}i˜iÀˆiÀÌi˜…>ÌiâՓi˜ÌÃV…iˆ`i˜`i˜*ÕÃvØÀ…Ài>ÀŽi°
œ˜Ì>ŽÌˆiÀi˜-ˆi՘Ã\³{£{{ÓxnnÈää
flowbox
}iÌyœÜLœÝ°Vœ“
„FAILURE I CAN LIVE
WITH. NOT TRYING IS
WHAT I CAN’T HANDLE!“
S!.9!¨ 2)#(!2$3̬2/33¨ 53!¨ "2/.:%¨ -%$!,)34¨ !4¨ ¨ -%4%23
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
Einleitung 3
Lesen Sie mehr...
Digitale Technologien im Fokus
oder
parallel in zehn Hallen statt-
und Prävention (Deutscher
welche Erkenntnisse von Fit-
schon Realität? Was es mit
finden. In diesem Jahr stehen
Sportärztebund) e.V. mit dem
nessprogrammen
E-Health, Bio-Tracking und
mit Big Data und Bio-Tracking
Thema «Kardio-Check-up vor
Profi-Sportbereich
Big Data auf sich hat und wel-
zentrale Zukunftsthemen der
und während des Fitness-Trai-
werden können und welche
che Rolle die Digitalisierung
Branche im Fokus des vier-
nings? Welche Untersuchun-
Vorteile sich aus der Daten-
05
Functional Training
der Medizin heute spielt, das
ten FIBO MED KONGRESS.
gen sind notwendig vor Be-
speicherung in der Cloud für
06
Jogging
zeigt der FIBO MED KON-
Erwartet werden rund 250
ginn des Fitnesstrainings?»
den Anwender im Amateur-
08 Gesunde Ernährung
GRESS am 9. April 2016 im
Ärzte,
Krankenkassen-Mit-
Zentrales Thema des FIBO
bereich ergeben. Abgerundet
09
Outdoor-Sport
Rahmen der Internationalen
glieder und gesundheitsori-
MED KONGRESS ist Bio-Tra-
wird der große Themenblock
10
Dirk Nowitzki im Portrait
Leitmesse für Fitness, Well-
entierte Sportler, die sich am
cking. In den Vorträgen «Sport-
von Manuel Guarrera (Per-
12
Wearables
ness und Gesundheit. Unter
9. April über die aktuellen
medizinische
zum
sonal-Trainer und Ausbilder
14
5GQQCLQAF?̃Ð1CFCL
der Fragestellung «Quo vadis
Entwicklungen der moder-
Fitness-Training – Einsatz von
Holmes Place, Düsseldorf),
15
Medical Wellness
moderne
nen
informieren.
Bio-Trackern» und «Big Data
der in seinem Vortrag «Ausbil-
die FIBO und die MEDICA
Im Rahmen des Kongresses
& Bio-Tracking: Chancen und
dung oder Weiterbildung zum
16
Wellness & Spa
e.V. – Gesellschaft für inter-
werden die Teilnehmer durch
Risiken» beleuchten der Kar-
Fitness-Trainer, Nutzen von
18
Burnout
disziplinäre Medizin – ge-
ein umfassendes Rahmenpro-
diologe Prof. Dr. Malte Kelm
Bio-Trackern»
meinsam zum vierten Mal in
gramm geführt. Eröffnet wird
(Direktor der Universitätskli-
berichte und Ausführungen
Folge in den Rheinsaal des
der Kongress traditionell vom
nik für Kardiologie, Düssel-
berufspolitischer Aspekte aus
Congress-Centrum Nord auf
Präsidenten der MEDICA e.V.,
dorf) und HNO-Arzt Dr. Peter
der Sicht eines Personal Trai-
dem Kölner Messegelände,
Prof. Dr. Jörg Schipper. Im An-
von Saß (HNO-Klinik am Uni-
ners gibt. (sma)
wo vom 7. bis 10. April die
schluss beschäftigt sich Prof.
versitätsklinikum Düsseldorf)
Messen FIBO EXPERT, FIBO
H. Löllgen von der Deutschen
das Thema aus verschiedenen
Weitere Informationen unter
PASSION und FIBO POWER
Gesellschaft für Sportmedizin
Sichtweisen. Besprochen wird,
www.fibo.de
Noch
Zukunftsmusik
Medizin?»
laden
Medizin
Aspekte
[email protected]
Verantwortlich
Nino Jannasch
Produktionsleitung
Matthias Mehl
Text
Smart Media Agency (SMA)
Titelbild
Thinkstock
Design
Smart Media Agency AG
$O>̪HàRKAà)>VLRQ
Anja Cavelti
Distributionskanal
BILANZ, April 2016
Druck
Leykam Druck GmbH & Co. KG, Neudörfl
dem
gezogen
Erfahrungs-
ÜBER SMART MEDIA
FOKUS AKTIV & GESUND
Projektleiter
Julien Pantleon
aus
Smart Media ist der Spezialist für Content
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Kampagnen werden sowohl online als
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Inhaltlich setzen wir einen Fokus auf aktuelle und relevante Fachthemen innerhalb
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04
16
04 Fitness-Typen
Viel Spass
beim Lesen!
Julien Pantleon
Projektleiter
0J>OQà*BAF>àDBK@Và$
Gerbergasse 5, 8001 Zürich, Schweiz
Tel.
044 258 86 00
E-Mail
[email protected]
Web
www.smartmediaagency.ch
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
4 Sport
4BI@EBOà#FQKBPP1VMà?FKàF@E
Am Anfang einer jeder
Fitness-Reise steht das
individuelle Ziel. Und dieses
unterscheidet sich von Mensch
zu Mensch: Die einen wollen abnehmen, die anderen
wollen
ANZEIGE Muskelmasse aufbauen, wieder andere wollen
einen Halbmarathon laufen
können. Deshalb müssen Sie
sich vor allem eines fragen:
4>PàTFIIàF@EàBFDBKQIF@E
Körper ist also an sich schon ein
ziemlich beeindruckendes Konstrukt. Und dennoch ist ein Großteil der Menschen, zumindest in
der westlichen Welt, unzufrieden.
Leider oft zu Recht: Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen etwa, dass
Deutschland das «fetteste» europäische Land ist.
TEXT MARCEL SCHNEIDER
!5&34%(%.¨˺.$%2.
Das sind die Statistiken. Diese muss
man natürlich nicht einfach akzeptieren, schließlich entscheiden Sie
selber darüber, was mit Ihrem Körper geschieht. Gesunde Ernährung
und Sport können Abhilfe schaffen
– wenn beide in Kombination betrieben werden. Doch welche Sportart
eignet sich? Zur ersten Orientierung
kann man sich die «Drei Körpertypen» anschauen: ectomorph, mesomorph und endomorph. Diese sind
Der menschliche Körper ist nicht
weniger als ein biologisches
Wunderwerk. Aus Platzgründen
beschränken wir uns auf drei
Fakten: Unser Körper umfasst
210 Knochen. 650 verschiedene
Muskeln treiben ihn an. Und unsere Lungen können mit einem
großen Atemzug unser Gewebe
für durchschnittlich fünf Minuten mit Sauerstoff versorgen. Der
natürlich nur als grobe Richtmesser
zu verstehen, aber generell kann man
sagen, dass ectomorphe Menschen
eher dünn sind, mesomorphe Körpertypen sich durch hohe Muskelausprägung auszeichnen und der endomorphe Typ zu Übergewicht neigt.
Der Körpertyp gibt in vielen Fällen bereits vor, in welche Richtung das
Training gehen soll. Dürre Menschen
wollen oft Muskelmasse ansetzen,
während zu Übergewicht neigende
eher abnehmen wollen. Mesomorphe
Köpertypen haben es hier am einfachsten, beide Ziele zu erreichen.
DRAUSSEN ODER DRINNEN?
Nach der Definition des Fernziels
müssen Sie sich für eine grundlegende Sportart entscheiden, mit
der sie dieses Ziel zu erreichen
versuchen. Generell – und wieder
etwas vereinfacht gesagt – lässt
sich folgende Kategorisierung
vornehmen: Für das Abnehmen
eignen sich Cardio Sportarten
wie Schwimmen, Laufen, Biken,
Walken sowie Intervalltrainings.
Diese verbrennen nicht nur Fett,
sondern erhöhen auch die Ausdauer und lassen sich sowohl
in- wie auch outdoor betreiben.
Kraft- und Muskelaufbau erreicht man durch Gerätetraining,
Functional Training (siehe gegenüberliegende Seite) sowie Mischformen aus beiden. Natürlich
lassen sich Kraft- und Ausdauersportarten kombinieren, man
sollte es sogar.
Nachdem Sie sich für eine
Sportart entschieden haben, gibt
es nur eines: ausprobieren. Wichtig
ist in jedem Fall, dass Sie sich fachmännische Beratung holen. Denn
bei aller Motivation, wer zu schnell
und zu kraftvoll aufbricht, bricht
auch schneller zusammen.
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
Functional Training Kooperation 5
Dreidimensionale Bewegung für echte Fitness
Sie wollen in Form kommen, aber monotones
$BOeQBQO>FKFKDàFJà0QRAFLàP@EOB@HQà0FBà>?à">KKà
ist Functional Training genau das Richtige für Sie.
«Aktiv und Gesund» sprach mit einem Experten über Leistung, Spaß an Bewegung – und wie
einfach der eigene Körper zum Fitnessgerät wird.
TEXT MATTHIAS MEHL
Noch drei Wiederholungen, noch zwei, noch eine...
fertig. Jetzt eine Minute Pause, dann folgt der zweite Satz
à zehn Wiederholungen für
den Bizeps. Dann wieder
kurze Pause, bevor der dritte
Satz beginnt.
Auf diese Weise arbeiten
sich täglich tausende Sportler im Fitness-Center durch
ihre Muskelgruppen. Der
Kraft- und Muskelzuwachs
wird dabei durch isolierte
Bewegungen mit steigendem
Widerstand erzielt. Ein bewährter, klassischer Ansatz.
«Die Herangehensweise des
Functional Trainings ist aber
eine gänzlich andere», erklärt Stefan Liebezeit, Sportwissenschaftler und Personal Trainer bei der Munich
Personal Training Lounge
(www.munich-pt-lounge.de).
Functional Training setze auf
dreidimensionale Bewegung,
in vielen Fällen wird mit dem
eigenen Körpergewicht gearbeitet. Anders als beim Gerätetraining werden mehrere
Muskelgruppen, sogenannte
Muskelketten,
gleichzeitig
trainiert. «Dadurch entsteht
eine Fitness, die wirklich
alltagstauglich ist, weil sich
nebst Ausdauer und Kraft
auch die Koordination verbessert», so Liebezeit.
!,,%3¨)-¨,/4
Ganz ohne Hilfsmittel kommt
aber auch das Functional
Training nicht aus. Eines der
bekanntesten Tools ist das
TRX-Band. Dabei handelt es
sich um einen sogenannten
«Suspension Trainer». Dieser
wird in einer gewissen Höhe
angebracht und ermöglicht es,
die Muskeln mit dem eigenen
Körpergewicht zu trainieren. «Das Training mit dem
TRX regt den Stoffwechsel
deutlich stärker an als andere
Trainingsgeräte», führt Stefan
Liebezeit aus. Da man sich
konstant in einer stehenden
oder hängenden Position befindet, wird die Rumpfpartie
des Körpers, der «Core», konstant trainiert. «Das ist entscheidend, denn ein starker
Core ist die Voraussetzung
für Stabilität und eine richtige
Haltung – auch im alltäglichen Leben.»
Ein großer Vorteil des
TRX, welches ursprünglich
aus dem Militär stammt, ist
seine Skalierbarkeit. Liebezeit:
«Für einen Anfänger kann das
kleinste Gewicht im Studio
bereits zu schwer sein, was
eine falschen Ausführung der
Übung zur Folge hat und Verletzungsgefahr birgt.» Beim
TRX dient der eigene Körper
als Gewicht und durch das
Verändern des Winkels, in
welchem man eine Übung
Das Training
mit dem
TRX regt den
2SNǼVDBGRDKÒ
RS{QJDQÒ@MÒ@KRÒ
andere Trainingsgeräte.
durchführt, kann man den
Widerstand quasi stufenlos
regulieren. Das führt zu einem Ganzkörper-Workout
mit bis zu 300 verschiedenen
Übungen in hoher Intensität.
Dabei sind 20 Minuten bereits
ausreichend, um einen positiven Effekt zu erzielen. Und da
der TRX ein echtes Leichtgewicht ist, kann er problemlos
auf Reisen mitgenommen
und überall – daheim oder
auch in der freien Natur – verwendet werden.
"%(543!-¨5.$
+/22%+4¨"%')..%.
Und dennoch betont Stefan
Liebezeit, dass Functional
Training eine seriöse Einführung voraussetzt. «Da der
potenzielle Bewegungsradius
viel grösser ist als beim Training mit Maschinen, ist auch
die Verletzungsgefahr höher»,
erklärt der Personal Trainer.
Die Einführung sollte darum
durch einen geschulten Trainer erfolgen. Zudem gebe es
beim Kauf eines TRX ausführliches Videomaterial, das
sehr genau in die einzelnen
Übungen einweist.
Zum Training (nicht nur
mit dem TRX) empfiehlt Liebezeit die Anwendung eines
Foam Rollers. Mit diesen Rollen werden die Faszien durch
eine Eigenmassage bearbeitet
- um den Körper auf das Training vorzubereiten oder nach
dem Training die Regeneration zu unterstützen.
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EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
6 Jogging
Laufen – wenn der Weg zum Ziel wird
Regelmäßiges Laufen trainiert Ausdauer und Kreislauf
und ist – wenn richtig betrieben – ein guter Fatburner.
Doch gerade Anfänger sollten
darauf achten, sich zu Beginn nicht zu übernehmen.
Eine kleine Einführung.
TEXT MATTHIAS MEHL
Jim ist Jogger. Seit Jahren schon. Am
liebsten läuft Jim nachts, so gegen 22
Uhr, wie der 32-jährige gegenüber
«Aktiv und Gesund» erzählt. «Dann
herrscht mehr Ruhe und ich kann
mich beim Laufen voll auf mich konzentrieren», betont er. Tagsüber arbeitet Jim am Schreibtisch, Laufen
ist für ihn ein wichtiger, körperlicher
Ausgleich. «Was mit besonders daran
gefällt ist die Tatsache, dass kein Run
gleich ist – immer herrscht anderes
Wetter, eine andere Stimmung und
es kommt zu anderen Begegnungen.» Selbst schlechtes Wetter kann
Jim nicht schrecken. Im Gegenteil:
«Es ist sehr erfrischend, wenn es ein
wenig regnet, man muss sich mit der
Situation einfach arrangieren.»
Dass Joggen eine gesundheitsfördernde Wirkung hat, ist unbestritten
– wenn es denn richtig ausgeführt
wird. Denn beim Laufen ist Vorsicht
geboten, gerade für Anfänger. Wer
sich zu Beginn übernimmt oder eine
falsche Lauftechnik annimmt, läuft
Gefahr, sich zu verletzten. Dies kann
gemäß Laufexperten sehr schnell
geschehen, denn die meisten Leute
laufen falsch. Doch wo liegt der Fehler? Ein Großteil der Leute tritt beim
Joggen zu stark auf der Ferse auf. Ein
Unding für Spezialisten. Denn damit
werde die natürliche Stoßdämpfung
unseres Bewegungsapparats ausgehebelt. Die Anatomie des menschlichen Körpers ist eigentlich so ausgerichtet, dass das Abrollen beim
Laufen auf dem Vorderfuß erfolgen
sollte. Schwer zu glauben? Rennen
Sie mal ein paar Meter barfuß – da
hören Sie automatisch auf, mit der
Ferse zuerst aufzutreten.
genauso wenig wie es den Jogger
gibt.» Aus diesem Grund sei es entscheidend, dass man sich die eigenen
Ziele vor Augen führt. «Freizeitsportler, die zweimal die Woche auf
einem Waldweg laufen, haben andere Voraussetzungen als Athleten, die
sich auf ihren ersten Marathon vorbereiten», so Wilbers. Und auch die
persönlichen Vorlieben spielen bei
der Schuhauswahl eine Rolle: Will
ich eine weiche Sohle, die möglichst
stark dämpft? Oder doch eine elastische, die mir bei jedem Schritt ein
bisschen zusätzlichen Schwung verleiht? «Die Frage nach dem richtigen
Schuh ist eine komplexe, aus diesem
Grund bieten wir auf unserer Homepage einen Online-Schuhberater
an», erklärt Wilbers. Dort geben die
Jogger ihre Laufvorlieben und Ziele
ein und werden so zum passenden
Schuh geführt.
Für Anfänger gilt aber auch mit
dem Idealschuh an den Füssen: Lassen Sie es langsam angehen. Walken
Sie, oder tasten Sie sich ans Joggen
heran, indem Sie drei- bis sechsmal
die Woche kurze Läufe von fünf bis
zehn Minuten absolvieren. So bauen
Sie Ihren Körper auf und eignen sich
die für Sie ideale Lauftechnik an.
7%,#(%2¨3#(5(¨0!334¨:5¨-)2
Neben einer geeigneten Lauftechnik
sind er vor allem die Schuhe, welche das Joggen beeinflussen. Und
damit kennt sich Christian Wilbers
vom Laufschuh-Hersteller Brooks
(www.brooksrunning.de) bestens aus.
«Es gibt nicht einfach den Laufschuh,
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EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
8 Ernährung
Gesund ist lecker
Werden ein paar Regeln beachtet, ist gesunde Ernährung
ganz einfach. Die richtige Wahl
der Lebensmittel hält aber
KF@EQàKROà̪QàPLKABOKàH>KKà
auch Krankheiten vorbeugen.
Ernährung weiterhin beim Fußball-Gucken zum Bier gegriffen oder
bei der Grillparty das Steak auf den
Grill geschmissen werden.
Männer lieben Schnitzel, Steaks
und fette Wurst, Frauen bevorzugen
eher Salat und Gemüse. Das ist nicht
nur ein Vorurteil, sondern Realität.
Vergleicht man den jährlichen ProKopf-Verbrauch bei bestimmten
Lebensmittelgruppen, so zeigt sich:
Deutsche Männer konsumieren im
Durchschnitt weniger Obst und Gemüse als Frauen, dafür mehr Fleisch
und Wurstwaren, erheblich mehr
Alkohol und auch vor fettigem Essen
schrecken Männer weniger zurück.
$)%¨2)#(4)'%¨!537!(,¨-!#(43
Basis für eine gesunde Ernährung
sind Getreideprodukte: Gerne mehrmals am Tag, dafür aber Vollkornstatt Weißbrot und Reis statt Nudeln.
Auch Kartoffeln sollten auf ihrem
wöchentlichen Speiseplan reichlich
anzutreffen sein. Fleisch gehört zu
einer gesunden Ernährung unbedingt
dazu. Nur fettarm soll es sein. Das gilt
auch für den Aufschnitt. Gönnen Sie
sich einmal pro Woche eine leckeres
Forellenfilet oder leckeren Lachs.
Fisch ist die reichhaltigste Quelle für
Omega-3-Fettsäuren. Sie schützt das
Herz und regt die Hirnfunktionen an.
5.'%35.$¨')"4¨%3¨.)#(4
Das wichtigste Vorweg: Gesunde
Ernährung ist kinderleicht. Denn
im Grunde gibt es keine «gesunden»
oder «ungesunden» Lebensmittel. Es
ist immer die Menge, Auswahl und
Kombination, auf die es ankommt.
Hält man sich an gewisse Grundregeln, darf auch bei einer gesunden
Auch mit Käse tun Sie ihrem Körper
etwas Gutes und deshalb dürfen Sie
ruhig etwas häufiger zugreifen.
Zucker ist Gift für die Figur sagt
frau. Mann muss aber nicht auf Süßes verzichten, auch wenn er gesund
essen will. Ein Stück Schokolade
schlägt gleich drei Fliegen mit einer
Klappe – vorausgesetzt sie ist nicht
hell, sondern dunkel: Sie senkt den
TEXT %#0-*"Ð 0`21!&͑.0^4Đ2
Cholesterinspiegel, beugt Herzkrankheiten vor und schützt vor Entzündungen. Und jetzt zum Grünzeug:
Klar Steak schmeckt besser als Kohl.
Aber wenn Sie am Gemüseregal im
Supermarkt ein gutes Händchen beweisen, wird ihnen ihr Körper applaudieren: Paprika, Ingwer, Brokkoli, Tomaten, Fenchel – um nur einige davon
zu nennen – haben positive Effekte auf
Herz, Cholesterinspiegel und Co.
GESUND KANN AUCH LECKER SEIN
Auch wenn es nichts kalorien-ärmeres gibt als Wasser, auch bei einer
gesunden Ernährung müssen andere
Getränke nicht untergehen: Naturtrüber Apfelsaft für einen gesunden
Darm, grüner Tee gegen die Körperfett-Zunahme, Kaffee – der Studien zu
Folge Alzheimer und Parkinson vorbeugt –, ein Glas Wein für eine bessere
Sauerstoffversorgung oder Kirschsaft
um späteren Muskelkater zu vermeiden – Wasser ist durchaus nicht das
einzige Getränk, das in Frage kommt.
Aber immer in Massen genießen.
Zum Abschluss sei noch gesagt: Eine
gesunde Ernährung ist nur das halbe
Rezept für ein gesundes Leben: Bleiben Sie in Bewegung und tun Sie regelmäßig etwas für Ihre Fitness.
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Outdoor 9
Der Frühling ist im
Anmarsch und das
bedeutet: Es ist wieder
Outdoor-Saison. Neben
Skaten, Schwimmen
oder Biken gibt es aber
auch neue Sportarten,
die darauf warten,
ausprobiert zu werden:
Geocaching, Slacklining
oder Trailrunning.
TEXT %#0-*"Ð 0`21!&͑.0^4Đ2
Wenn es um Outdoorsport
geht, gehört ganz klar Biken
zu den Favoriten. Aber auch
das Wandern über Stock
und Stein darf während den
sonnigen Monaten auf keinen Fall fehlen. Noch nicht
zu den Top-Anwärtern des
Outdoorsports gehören diese
drei: Geocaching, Slacklining
oder Trailrunning. Noch nie
gehört? Dann wird es Zeit,
dass sie die neuen Trends der
Outdoor-Branche kennenlernen:
NUR FÜR TRAINIERTE
Trailrunning bedeutet Laufen auf schmalen, möglichst
naturbelassenen Pfaden oder
querfeldein. Hauptmotivation
vieler Sportler: die bekannten,
meist stadtnahen Laufrunden
zu verlassen und den Körper
durch die veränderten Bedingungen neu zu fordern. Die
Länge der Strecke ist dabei oft
weniger entscheidend als ihr
Profil. Denn wechselnder Untergrund, Steigungen und Gefälle sowie natürliche Hindernisse stellen deutlich höhere
Anforderungen an Bein- und
Rumpfmuskulatur, Kondition und Lauftechnik; deshalb
wird Trailrunning auch nicht
für Einsteiger empfohlen.
Trailrunning hat wegen
des häufigen Tempowechsels und der komplexeren
Bewegungen einen hohen
Fitness-Faktor. Das ständige
Beobachten der Strecke schult
Konzentration und Koordination – bei dieser Art des Laufens läuft der Kopf mit.
Wer Trailrunning ausprobieren möchte, braucht
vor allem eins: Den richtigen
Schuh. Er sollte sehr gute
Anti-Rutsch-Sohlen haben,
die auch vor durchdrückenden Steinen und Feuchtigkeit schützen.
SLACKLINING SORGT
&̍2¨"!,!.#%
Besser kann man seine Balance kaum schulen: Slackling,
also das Balancieren auf gespannten Seilen oder Gurten,
kommt aus der Kletterszene.
Die Slackline, ein 25 bis 35
Millimeter schmales Band,
wird mithilfe von Schlingen
und Ratschen ungefähr in
Hüfthöhe zwischen zwei stabilen Fixpunkten wie Bäume oder Geländer gespannt.
Achtung: Für die ersten Stehund Gehversuche unbedingt
jemanden zu Hilfe nehmen,
an dem man sich festhalten
kann. Weicher Untergrund
ist ebenfalls empfehlenswert.
Wenn man das Ausbalancieren mit Beinen und Armen
beherrscht, fängt man an zu
gehen und kann sich – wenn
man sich sicher genug fühlt,
an ersten Tricks versuchen.
!5&¨3#(!4:35#(%
Geocaching lässt sich beschreiben als eine Art Schatzsuche mit GPS. Ziel des Sportes ist es, einen Schatz, oder
eben «Cache», zu finden, der
von jemandem deponiert
wurde. Die geografischen
Koordinaten des Verstecks
sind im Internet veröffentlicht. Andere Personen mit
GPS-Empfänger
suchen
diesen, tragen sich in ein
Logbuch ein und dokumentieren ihre Suche im Netz.
Hört sich simpel an, ist in
der Praxis aber je nach Lage,
Größe und Schwierigkeitsgrad des Caches ein echte
Herausforderung: Bei sogenannten Multi-Caches etwa,
muss man mehrere Stationen
ablaufen, um überhaupt die
Koordinaten des eigentlichen
Verstecks bestimmen zu können. Und selbst dann: Vielleicht ist es ein Cache in der
Größe einer Filmdose mitten
im Unterholz. Na dann, viel
Spaß beim Suchen!
(www.geocaching.com)
© Haberland
Fitness einmal anders
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ÍRPMAICLCPÍ
JIMFMJGICPÍSLBÍ1AFGPKFCPPÍ
BCPÍ,#1!30#|
.PGT?RIJGLGIÍ?KÍ1CC
Neue Wege aus
der Sucht
Er gehörte zu den besten
Fußballern seiner Zeit:
Deutscher Meister, Pokalsieger und Nationalspieler.
Doch nicht nur der Fußball
hatte ihn im Griff, sondern
auch der Alkohol. Noch
während seiner aktiven
Profikarriere hatte er
mehrere Abstürze und
Zusammenbrüche, konnte
seinen Alkoholkonsum
nicht mehr kontrollieren.
Erst nach einem Selbstmordversuch kam im Jahr
2000 die Erkenntnis, dass
ihn nur ein Alkoholentzug
und totale Abstinenz retten
können.
Heute ist Uli Borowka seit
über 15 Jahren trocken.
Er engagiert sich intensiv
in der Suchtprophylaxe.
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|
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EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
10 Portrait
Das Ende der Karriere
KL@EàBFKàTBKFDàEFK>RPP@EFB?BK
"FOHà+LTFQWHFàPQBEQàFKàPBFKBOàà0>FPLKà>IPà+ -OL̪àRKAàFJJBOàKL@EàDBEsOQàBOàWRà
den Stars der besten Basketball-Liga. Er denkt darüber nach, bis 2018 zu spielen.
TEXT PATRICK HUNKELER BILD ',%͑"' ÐPRESSEBILD
Dass er ein bisschen anders tickt,
bewies Dirk Nowitzki, als er im
Juli 2010 seine Unterschrift unter
den neuen Vertrag mit den Dallas
Mavericks setzte. Er verzichtete
auf einen Wechsel als Free Agent,
was ihm viel Geld eingebracht
hätte und unterschrieb bei den
«Mavs» einen neuen, tiefer dotierten Kontrakt über vier Jahre. Er
war in Dallas heimisch geworden.
Als Gegenleistung erhielt Nowitzki eine «no trade» Klausel. Somit
konnte er nicht gegen seinen Willen zu einem anderen Team verschoben werden. Die Abmachung
mit den Klubbossen sah auch vor,
das eingesparte Geld für die Ergänzung des Kaders auszugeben.
Vor der Saison wurde zusätzlich
der überbezahlte Erick Dampier
abgeben, wodurch man Tyson
Chandler für die Centerposition
verpflichten konnte. Während der
Saison stieß auch noch der dreimalige All-Star Peja Sojakovic zur
Mannschaft. Endlich hatte man,
auch dank der Geste von Nowitzki, genug Breite im Kader, um einen ernsthaften Angriff auf den
Titel zu starten.
KEIN EINFACHER START
).3¨."!¨!"%.4%5%2
Nowitzkis Verbundenheit mit
Dallas erklärt sich vielleicht mit
seinem nicht einfachen Start in
der NBA. Die Mavericks hatten
ihm großes Vertrauen geschenkt.
Es war Zeit etwas zurückzugeben.
Der junge Deutsche wurde von
den Milwaukee Bucks 1998 an
neunter Stelle gedraftet und dann
direkt nach Dallas weiter getradet.
Während seiner ersten Spielzeit
1998/99 bezahlte Nowitzki viel
Lehrgeld. Er konnte sich gegen
die kräftigeren NBA-Spieler nur
schlecht durchsetzen, insbesondere in der Verteidigung sah er oft
schlecht aus, was ihm den Übernamen «Irk Nowitzki» eintrug.
Das D, welches nach Logik der
Beobachter für «Defense» stehen
sollte, wurde einfach entfernt.
Mit knapp 8 Punkten pro Spiel
war er so schlecht, dass der junge
Spieler darüber nachdachte, zu seinem Verein Würzburg, den er in die
erste Bundesliga geführt hatte, zurückzukehren. Der Sprung von der
zweiten Division in Deutschland
in die beste Liga der Welt erschien
einfach zu groß. Erst zum Ende
der Saison konnte er einige Male
zweistellig punkten. Im zweiten
Jahr gab ihm der Trainer Don Nelson mehr Verantwortung. Nowitzki
sollte mit seinen guten Pässen das
Spiel der Mavericks beschleunigen.
Mit 17.8 Punkten pro Spiel übertraf
er die Erwartungen. Damit begann
sein unaufhaltsamer Aufstieg. Drei
Jahre später, 2002, nahm er an seinem ersten All Star Game teil.
¨̬¨%.$,)#(¨'%7)..%.
$)%¨-!6%2)#+3¨$%.¨4)4%,
Lange galten Nowitzki und seine Mavericks als Playoff-Versager.
In der Regular Season zwischen
Top-Klasse und unwiderstehlich
schafften es die «Mavs» nur 2006 bis
ins Playoff Finale. In den folgenden
vier Saisons schied man dreimal als
besser klassiertes Team in der ersten Runde aus. Die Saison 2010/11
sollte nun endlich den großen Erfolg bringen. Der Saisonstart gelang.
Doch Nowitzki verletzte sich mitten
in der Saison. Trotz der daraus folgenden längsten Niederlagenserie
seit über zehn Jahren lag man am
Ende auf dem dritten Rang.
Die meisten Experten sahen die Mavericks in den Playoffs als chancenlos
an. Zu stark waren die Erinnerungen
an das Versagen der Mannschaft in
den Jahren zuvor. Der Start misslang, doch die Mannschaft konnte
sich nach einem vergebenen 2:0 Vorsprung gegen die Portland Trail Blazers auffangen und gewann die Serie
doch noch. Nach weiteren Siegen
über die LA Lakers und die Oklahoma City Thunder erreichte Dallas
den NBA-Playoff Final. Der Gegner
hieß, wie bei der letzten Finalqualifikation im Jahre 2006, Miami Heat.
Das Team aus Florida wurde favorisiert, denn es hatte mit Dwayne
Wade und LeBron James gleich zwei
absolute Superstars in ihren Reihen.
Doch Nowitzki war ganz einfach auf
dem Höhepunkt seines Schaffens
und entschied die Serie zu Gunsten
der Mavericks. Das lässt sich gut an
den Statistiken für das letzte Spielviertel ablesen: In den sechs Spielen
erzielte der Deutsche insgesamt 64
Punkte, während beim Gegner die
beiden Stars Wade und James zusammen auf dieselbe Punkteausbeute kamen. Dallas gewann das Finale mit
4:2 und der Würzburger war
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
Portrait 11
Dass er ein bisschen anders tickt, bewies Dirk Nowitzki, als er im Juli 2010
seine Unterschrift unter
den neuen Vertrag mit
den Dallas Mavericks setzte. Er verzichtete auf einen
Wechsel als Free Agent,
was ihm viel Geld eingebracht hätte und unterschrieb bei den «Mavs» einen neuen, tiefer dotierten
Kontrakt über vier Jahre.
Er war in Dallas heimisch
geworden. Als Gegenleistung erhielt Nowitzki eine
«no trade» Klausel. Somit
konnte er nicht gegen seinen Willen zu einem anderen Team verschoben werden. Die Abmachung mit
den Klubbossen sah auch
vor, das eingesparte Geld
für die Ergänzung des Ka-
ders auszugeben. Vor der
Saison wurde zusätzlich
der überbezahlte Erick
Dampier abgeben, wodurch man Tyson Chandler für die Centerposition verpflichten konnte.
Während der Saison stieß
auch noch der dreimalige All-Star Peja Sojakovic
zur Mannschaft. Endlich
hatte man, auch dank der
Geste von Nowitzki, genug
Breite im Kader, um einen
ernsthaften Angriff auf
den Titel zu starten.
KEIN EINFACHER START
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Nowitzkis
Verbundenheit mit Dallas erklärt
sich vielleicht mit seinem
nicht einfachen Start in
der NBA. Die Mavericks
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@ADQÒL@MÒVHQCÒG@KSÒDQRSÒRBGK@TDQÒVDMMÒL@MÒ{KSDQÒHRS
hatten ihm großes Vertrauen geschenkt. Es war
Zeit etwas zurückzugeben.
Der junge Deutsche wurde
von den Milwaukee Bucks
1998 an neunter Stelle gedraftet und dann direkt
nach Dallas weiter getradet. Während seiner ersten
Spielzeit 1998/99 bezahlte
Nowitzki viel Lehrgeld. Er
konnte sich gegen die kräftigeren NBA-Spieler nur
schlecht durchsetzen, insbesondere in der Vertei-
digung sah er oft schlecht
aus, was ihm den Übernamen «Irk Nowitzki» eintrug. Das D, welches nach
Logik der Beobachter für
«Defense» stehen sollte,
wurde einfach entfernt.
Mit knapp 8 Punkten
pro Spiel war er so schlecht,
dass der junge Spieler darüber nachdachte, zu seinem
Verein Würzburg, den er in
die erste Bundesliga geführt
hatte, zurückzukehren. Der
Sprung von der zweiten
Division in Deutschland
in die beste Liga der Welt
erschien einfach zu groß.
Erst zum Ende der Saison konnte er einige Male
zweistellig punkten. Im
zweiten Jahr gab ihm der
Trainer Don Nelson mehr
Verantwortung. Nowitzki
sollte mit seinen guten Pässen das Spiel der Mavericks
beschleunigen. Mit 17.8
Punkten pro Spiel übertraf er die Erwartungen.
Damit begann sein unauf-
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
12 Wearables
Mit moderner Technik am Handgelenk
zum persönlichen Erfolg
Sportuhren, Smartwatches
und Fitnessbänder starten
durch. Sie gesellen sich als
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«Wearables»
neben Computer, Smartphones und Tablets. Ihnen wird eine große
7RHRK̮àSLO>RPDBP>DQ
TEXT PATRICK HUNKELER
«Wearables» – tragbare Computer
– sollen dereinst alle Entwicklungen, die sich beim Wachstum der
IT-Branche bisher gezeigt haben, in
den Schatten stellen. Dies prophezeiten die Analysten von Morgan
Stanley vor knapp zwei Jahren. Die
tragbaren Geräte kommen in vielen
Formen daher: als Smartwatch, Armbänder, Kopfhörer oder als Bestandteil von Kleidern. Richtig angekommen bei den Kunden sind bisher nur
die Smartwatches, Sportuhren sowie
die Fitness-Armbänder. Wir konzentrieren uns auf die beiden Letzteren.
30)4:%.30/24,%2¨3).$¨!5&¨
SPORTUHREN ANGEWIESEN
Heute kommen Spitzenathleten, welche nach einer wissenschaftlichen
Trainingslehre in Ausdauer-Sportarten arbeiten, ohne moderne Sportuhren nicht mehr aus. Laufen, Radfahren, Schwimmen, Langlauf sowie
Bewegungen aller Art können mit einer Sportuhr aufgezeichnet werden.
Nach einer Trainingseinheit schlagen
sie vor, wie lange der Sportler pausieren sollte, um sich optimal zu erholen
und liefern verschiedene Anhaltspunkte über die Leistungsfähigkeit
des Athleten. Neben der Herzfrequenz und dem Kalorienverbrauch
kann zum Beispiel auch die Dauer
und die Qualität des Schlafes gemessen werden. Über ihre Internetportale bieten die jeweiligen Hersteller
Trainings- und Auswertungssoftware
an, die ein vollständiges Leistungsmonitoring erlauben.
&)4.%33!2-"˺.$%2¨!,3
IDEALES EINSTEIGERPRODUKT
Fitnessbänder sollen nicht nur informieren, sondern auch dazu motivieren, sich mehr zu bewegen.
Allein mit den Armbändern ist es
jedoch nicht getan: Wichtig sind
die zugehörigen Smartphone-Apps,
mit denen die Daten synchronisiert
werden. Einige Geräte bieten die
Möglichkeit, die Daten auch mit
dem eigenen Computer auszuwerten. Wichtig: Man muss beim Kauf
darauf achten, welches Gerät mit
welchem Smartphone oder Computer kompatibel ist.
Die meisten Armbänder arbeiten
mit dreiachsigen Beschleunigungssensoren, um die Bewegungen zu erfassen. Diese Mikroprozessoren werden auch in Airbags verwendet und
messen etwa 1500 Mal pro Sekunde
die Beschleunigung. Spezielle Algorithmen errechnen dann, ob man
tatsächlich einen Schritt gemacht hat
oder ob das Band sich nur beim Händewaschen mitbewegt hat. Einige
Armbänder tun sich schwer, tatsächliche Fortbewegung zu erkennen,
und zählen beispielsweise beim Händewaschen fleißig Schritte. Grundsätzlich gilt: Fitnessarmbänder mit
Beschleunigungsmessern sind für
Radfahrer nur bedingt geeignet.
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14 Kooperation Sehen
Blindheit – bald kein unabwendbares Schicksal mehr
Das Retina-Implantat Argus® II wurde zum ersten Mal im Jahre 2007 in den Vereinigten Staaten
BFKDBM̫>KWQàRKAàBOJsDIF@EQàBPàPBE?BEFKABOQBKà
Patienten einen gewissen Grad an Sehvermögen zurückzugeben. Die Technologie gewinnt
in Europa an Boden und erfährt schrittweise
von der Schweiz aus Verbreitung. Hier arbeitet
das Unternehmen Second Sight Medical Products an der Verfeinerung der Komponenten.
TEXT THOMAS .$#$$#0*^
Die von Second Sight entwickelte Technologie ist für
Patienten bestimmt, die unter Erkrankungen leiden, die
Schädigungen der Fotorezeptoren zur Folge haben – der
Zellen, die das Licht erfassen
und es an den Sehnerv weiterleiten. Die Technologie
ermöglicht es diesen Patienten, etwa zehn Prozent eines
normalen Sehvermögens wiederzuerlangen. Das Unternehmen, das seinen Sitz auf
dem Gelände der EPFL, der
Eidgenössischen Technischen
Hochschule von Lausanne hat
und seit 2011 in Deutschland
sowie seit 1998 auch in den
Vereinigten Staaten vertreten
ist, arbeitet kontinuierlich an
der Verbesserung seines Gerätes. Geplant ist, dieses zukünftig einer größtmöglichen
Anzahl von Patienten zur
Verfügung stellen zu können.
«Unser Retina-Implantat funktioniert über eine
Stimulation der Netzhautoberfläche», erklärt Grégoire
Cosendai, Vice President von
Second Sight. Eine an einem
Brillengestell
angebrachte
Miniatur-Videokamera erfasst zunächst die Lichtinformationen der Außenwelt.
Anschließend werden diese
Informationen von einer
kleinen Computereinheit in
elektrische Impulse umgewandelt, die drahtlos an ein
Implantat übermittelt werden,
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und Energie tanken
Willkommen in der Gesundheitslandschaft OberschwabenAllgäu!
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– Die Angebotsbroschüre „Erholen & Wohlfühlen“
ist kostenlos erhältlich bei der:
Oberschwaben-Tourismus GmbH
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D-88427 Bad Schussenried
Tel. +49 (0)7583 3310-60
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www.oberschwaben-tourismus.de
das von einem Chirurgen im
Augenhintergrund, auf der
Retina, platziert wird. Dieses
leitet diese Impulse schließlich an den Sehnerv weiter,
der die Information an die
Sehrinde im Gehirn sendet.
Auf diese Weise erlangen die
Patienten etwa einen Zehntel
des normalen Sehvermögens
zurück. «Dies mag recht wenig erscheinen, aber für blinde
Menschen, die über keinerlei
Sehvermögen mehr verfügen,
stellen zehn Prozent bereits
einen enormen Gewinn dar.»
&̍2¨$)%¨342!33%¨̱
UND DIE SKIPISTE
Dank Argus II wird ein blinder Patient mit Retinitis pigmentosa beispielsweise in die
Lage versetzt, sich auf der
Straße durch das Erkennen
von Zebrastreifen und Bordsteinkanten zu orientieren, zu
kochen oder auch in einem
Raum seine Angehörigen zu
lokalisieren. «Uns sind sogar
besonders mutige Patienten
bekannt, die mit Begleitung
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UDQE‡FDMÒRSDKKDMÒ
YDGMÒ/QNYDMSÒADreits einen enorLDMÒ&DVHMMÒC@Q
Skifahren gegangen sind»,
berichtet Grégoire Cosendai
begeistert.
Derzeit ermöglicht das
Gerät ein Schwarz-Weiß-Sehen. Das Mitarbeiterteam von
Second Sight arbeitet jedoch
aktiv an der Entwicklung einer Version, die das Sehen
von Farben ermöglicht, und
bemüht sich zudem um eine
Optimierung des chirurgischen Eingriffs, durch den das
Retina-Implantat eingesetzt
wird. Aktuell profitieren weltweit mehr als 180 Patienten
von diesem System, 30 davon
in Deutschland. In Frankreich, Deutschland, Italien
sowie in bestimmten Staaten
der USA werden die Kosten
für die Operation und das Gerät von dem jeweiligen Sozialversicherungssystem erstattet.
Das Mitarbeiterteam von Second Sight setzt sich hierfür
aktiv in den anderen Ländern,
u. a. der Schweiz, ein.
Zukunftsperspektiven:
Entwicklung der Technologie,
die eine direkte Stimulation
der Sehrinde im Gehirn erlaubt. Einer Technik, die es
ermöglichen wird, Patienten,
die von egal welcher Form
von Blindheit betroffen sind,
Sehvermögen zu schenken.
«Wir erhalten täglich um die
100 Anfragen von Kunden,
die an einem solchen System
interessiert sind. Bei 90 Prozent von ihnen ist eine Stimulation des Sehnervs allerdings
nicht möglich, da die Nervenzellen nicht mehr arbeiten.
Die Stimulation der Sehrinde
stellt eine Lösung für dieses
Problem dar.»
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
Medical Wellness Kooperation 15
Wo Wellness und Medizin zusammen kommen
Menschen um die 50 setzen
sich vermehrt mit ihrer eigenen Gesundheit auseinander.
Ein entscheidendes Thema
ist die Krankheitsprävention sowie die Rehabilitation.
Aufenthalte in Kurhotels und
Kliniken ermöglichen es, sich
zu entspannen, hervorragenden Service zu geniessen
und gleichzeitig etwas für die
Gesundheit zu tun. Ein Einblick.
TEXT SMA
Die Generation 50plus misst der körperlichen Gesundheit einen hohen
Stellenwert bei. Aber nicht nur der
Körper, sondern auch der Geist muss
bei einer ganzheitlichen Betrachtung miteinbezogen werden. Diesem
Bedürfnis kommen verschiedene
Institutionen nach: Sie verbinden
medizinisches Know-how mit den
gehobenen Serviceleistungen von
Wellness-Hotels. Früher nannte man
Aufenthalte in solchen Einrichtungen
«Kuren», heute ist eher von «Medical Wellness» die Rede. Das Angebot
zeichnet sich vor allem durch hohe
Individualität und Flexibilität aus, mit
der auf die unterschiedlichen Bedürfnisses der Gäste eingegangen wird.
Gerade die Schweiz weist eine lange
Kur-, bzw. Medical Wellness-Tradition auf und ist in diesem Segment stetiger Innovationstreiber. «Dies liegt
in unserem Fall neben der intakten
Natur und der einzigartigen Thermalquelle vor allem an der hohen medizinischen Kompetenz», weiss Prof.
Dr. med. Beat A. Michel, Ärztlicher
Direktor im Grand Resort Bad Ragaz.
Er führt ein Team von über 30 Ärzten
im Medizinischen Zentrum und der
Rehabilitationsklinik des Ostschweizer Fünf-Sterne-Resorts.
Im Zentrum der Medical Wellness stehen einerseits medizinische
Check-ups, die der Vorbeugung von
Erkrankungen dienen. Kernthemen
sind dabei Ernährung sowie ein gesundes Gewicht. Andererseits eignen
sich Kuraufenthalte ideal zur Rehabilitation, um zum Beispiel nach
einer Operation schneller wieder
zu genesen. Im Rahmen der Medical Wellness wird Gästen also eine
medizinische Versorgung und sowie ein Monitoring zuteil. Ergänzt
werden diese Behandlungen mit unterschiedlichen Therapieangeboten
wie z.B. Elektrotherapien, Wärmepackungen, Lymphdrainagen sowie
medizinische Massagen. Für Personen, die nach operativen Eingriffen
am Bewegungsapparat therapiert
werden, können sich überdies verschiedene Formen der Wassertherapie im Besonderen eignen.
KÖRPER UND GEIST
ENTSPANNEN
Von Medical Wellness profitieren
aber nicht nur Menschen mit körperlichen Leiden. Ein immer größer werdendes Problem vieler Gäste ist Stress, wie Fachleute betonen.
Der Begriff «Burn-out» ist heute
fester Bestandteil des Business-Vokabulars und die Fälle mehren sich
von Jahr zu Jahr.
Betroffene können nicht mehr richtig abschalten, leiden unter Schlafstörungen oder sind von Tinnitus
geplagt. Für stressgeplagte Personen
kann Medical Wellness darum ebenfalls Wunder wirken, da der ideale
Rahmen geschaffen wird, um sich
aus dem stressigen Arbeitsalltag
auszuklinken. Gespräche mit medizinischen Fachleuten helfen bei der
Bewältigung der Stressoren und im
Rahmen der mannigfaltigen Wellness-Behandlungen kommen Körper
und Geist zur Ruhe. Da der Service
vergleichbar ist mit hochstehenden
Hotels, muss sich der Gast während
des Aufenthalts um nichts sorgen
und kann tatsächlich entschleunigen.
PUBLIREPORTAGE
Kuren im besten Wellnesshotel der Schweiz
Früher wurde der Begriff Kur meist
mit «gesund werden» in Verbindung
gebracht, heute geniessen Gäste ihre
Kur als Präventions- und Regenerationsaufenthalt. Dies unter anderem
im führenden Wellbeing und Medical Health Resort Europas: Am
Tor zu Graubünden liegt mit dem
Grand Resort Bad Ragaz einer jener
Flecken an dem sich die Natur von
ihrer schönsten Seite zeigt und mit
36,5 °C warmen, heilendem Thermalwasser ein besonderes Heilmittel freigibt.
Im «besten Wellnesshotel der Schweiz»
(SonntagsZeitung, 2015) ist es die Basis für ein Spa-Erlebnis auf 12‘800 m2.
Im zugehörigen interdisziplinären
medizinischen Zentrum stehen bei
Bedarf mehr als 70 Ärzte und Therapeuten zur Verfügung. Zahlreiche
Restaurants und eine eigene Gesundheitsküche sorgen für kulinarische
Vielfalt. Golfplätze, ein vielfältiges
kulturelles Angebot und ein Casino
ergänzen den Aufenthalt vor Ort.
Mit der Schnupperkur, der Ragazer Quell-Kur und Präventions-
modulen zur Burnout-Vorbeugung,
für Weight-Loss oder Detox bietet
das Gesundheitsresort ein breites
Spektrum für die individuelle Kur.
Für die Rehabilitation nach Krankheit
oder Operation verfügt das Resort
über eine eigene Rehaklinik.
Weitere Informationen
www.resortragaz.ch
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
16 Entspannung
Im feuchtwarmen Klima die Seele baumeln lassen
Hin und wieder vom stressigen Alltag etwas Abstand
zu nehmen, tut Körper und
Geist gut. Ein erholsames
Wellness-Wochenende bietet
sich da förmlich an – doch
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TEXT NICOLAS BRÜTSCH
Stress ist schädlich und sollte wenn
immer möglich vermieden werden.
Doch manchmal geht das einfach
nicht. Die Erholung von den Alltagsstrapazen ist deshalb umso wichtiger.
Um richtig abzuschalten, eignen sich
Wellness- und Spa-Aufenthalte optimal. Doch worauf ist bei den verschiedenen Angeboten zu achten?
Und welche passen zu einem?
Nach einem Saunabesuch sollte
man sich wohl fühlen: entspannter
Körper, weiche Haut und der Schlaf
besonders tief. Gerade im Winter
ist ein Saunabesuch sehr gesund, da
sind sich alle einig. Im Winter ist der
Körper großen Strapazen ausgesetzt:
Von der eisigen Kälte in die geheizte
Wohnung und wieder zurück – solche Temperaturunterschiede sind
nicht einfach zu verkraften. Ein Saunabesuch trainiert das Immunsystem
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auf genau diese Umstände und beugt
so Erkältungen vor. Daneben tut das
Schwitzen dem Stoffwechsel, dem
Herz-Kreislauf-System und dem
Blutdruck gut. Die angeregte Durchblutung und das Schwitzen nützen
auch der Haut: Sie wird bis in die Poren gereinigt. Vorsichtig sollte man
jedoch im Krankheitsfalle sein: Es
ist ein viel verbreiteter Irrtum, dass
ein Saunabesuch bei einer Erkältung wieder gesund machen würde.
Der extreme Wechsel von Hitze und
Kälte kann eine Krankheit gar verschlimmern, zudem verbreiten sich
Keime im feuchtwarmen Saunaklima
besonders gut – nicht gerade angenehm für die anderen Besucher
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Der Effekt eines Dampfbades ist ähnlich wie derjenige einer Sauna, allerdings um einiges sanfter. Da die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist, wird ein
Dampfbad als sehr heiß empfunden,
dabei ist die Temperatur nur halb so
hoch wie in einer Sauna. Viele Experten meinen, dass der Gesundheitsfaktor wegen der geringeren Kreislaufbelastung noch höher sei. Besonders für
ältere Leute bietet sich ein Dampfbad
an, es wirkt nämlich blutdrucksenkend. Das orientalische Hamam ist
ein sehr besonderes Wellness-Erlebnis. Hier sollen das Zusammenspiel
von Wärme, Feuchtigkeit, Schaum,
Düften und Massagen zu einer optimalen Entspannung führen.
"!$%.¨)34¨'%35.$¨̱¨
!"%2¨7/2).
Wellnessanlagen warten heutzutage
mit einem riesigen Spektrum an verschiedenen Bädern auf. Das warme
Wasser, angereichert mit den unterschiedlichsten Mineralien, kann
gegen Stress sehr wirksam sein. Ein
heißes Mineralbad entspannt den
Körper und reduziert den Stress,
es hilft aber auch gleichzeitig gegen
Entzündungen und Schmerzen. Einige Mineralstoffe wirken besonders
gut gegen Stress: Informieren Sie
sich, bevor Sie ein Mineralbad aufsuchen, zuerst über dessen Inhaltsstoffe. Immer gut ist Magnesium, es
unterstützt den Körper beim Abbau
von Stress. Daneben wirkt es entspannend, beruhigend und verbessert die Schlafqualität und die Konzentrationsfähigkeit.
So richtig
abschalten.
EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
18 Burnout
4FBàSBOEFKABOQàJ>KàA>PàJBKQ>IBàRP?OBKKBK
Chronische Müdigkeit, seelische Erschöpfung, körperliche
Beschwerden wie Schlafstörungen und Kopfschmerzen
LABOàMPV@EFP@EBà3BOeKABORKgen wie Gereiztheit oder Rastlosigkeit – immer mehr Menschen in Deutschland leiden
an emotionalen Erschöpfungszuständen, einem Burnout.
TEXT SMA
Wer kennt das nicht? Man hat das
Wochenende durchgearbeitet, da
im Betrieb Not am Mann war. Eine
Freinacht eingelegt, weil am nächsten
Tag eine wichtige Projektarbeit abgegeben werden musste oder weil der
Nachwuchs die ganze Nacht durch
geschrien hat. Erschöpfung nach harter körperlicher oder geistiger Arbeit
ist völlig normal. Was aber, wenn diese Erschöpfungszustände chronisch
werden und die Batterien nicht mehr
aufgeladen werden können? Dann
wird es gefährlich.
Unter «Burnout» versteht man
eine emotionale, körperliche, psychische und soziale Erschöpfung
über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Die Erledigung
der täglichen Pflichten ist mit immer
mehr Anstrengungen verbunden.
Häufig gelingt es nicht mehr, sich
am Wochenende oder in den Ferien
zu erholen. Viele Patienten beklagen
Schlafstörungen oder körperliche
Beschwerden erklären Fachleute. Die
Ursachen für ein Burnout sind vielfältig: Zunahme an Arbeitsvolumen und
–belastung, hoher Leistungs- und Termindruck, fehlende soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte,
die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder auch Stress mit dem
Partner sind externe Stressoren. Aber
auch individuelle Faktoren wie Perfektionismus begünstigen ein emotionales Ausbrennen. Nicht umsonst
wird das Burnout oftmals als das «Leiden der Tüchtigen» bezeichnet, denn
«ausbrennen» kann nur, wer vorher
für seine Arbeit «gebrannt» hat.
körperliche Reaktionen wie Verspannungen und Schmerzen – dies
alles können Warnzeichen für ein
Burnout sein. Sobald man solche
Anzeichen bei sich feststellt, sollte man handeln. Spezialisten raten:
Schaffen Sie sich bewusst Erholungsphasen. Gehen Sie mit Freunden weg
oder treiben Sie Sport. Lenken Sie
sich von Ihrer Arbeit ab, damit Sie
sich entspannen und Ihre Batterien
wieder aufladen können. Und: Verabschieden Sie sich von Ihren perfektionistischen Vorstellungen.
Doch nicht nur der Betroffene
selbst, sondern auch der Arbeitgeber
kann bei der Burnout-Prävention
unterstützen. Führungskräfte sollten
darauf achten, dass sie ihren Mitarbeitern genügend Erholungsphasen
gönnen. Regelmäßiger Ferienbezug,
Pausen und die Vermeidung von
Überstunden sowie Regeln betreffend
der Erreichbarkeit via Firmenhandy
können helfen. So kann vereinbart
werden, dass das Geschäftstelefon
ab einer gewissen Tageszeit nicht
mehr auf sich getragen werden muss
oder Wochenend-Erreichbarkeiten
abwechselnd durch mehrere Mitarbeiter abgedeckt werden. Gemäß
den Experten vom Internetportal
burnout.info sollen Führungskräfte
zudem ihre Anforderungen an die
Möglichkeiten ihrer Mitarbeiter anpassen. Und das Wichtigste: Bauen
Sie als Chef eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihren Mitarbeitern auf
und seien Sie ihnen gegenüber aufrichtig, offen und gerecht.
3#(,%)#(%.$%2¨02/:%33
Ein Burnout entsteht meist nicht von
heute auf morgen, sondern schleichend. Deshalb ist es wichtig, Anzeichen von Erschöpfung und hoher
Stressbelastung ernst zu nehmen.
Reduziertes Engagement, negative
Einstellung zum Job, Abflachen von
Emotionen und Sozialleben oder
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63
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19
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J
Jaeger-LeCoultre
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78
50
29
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Karstadt
KLEY, KARL-LUDWIG
KNIRSCH, STEFAN
KOBERG, ANN-KRISTIN
KROGNER, HEINZ
Kronenhalle
K+S
69
38
14
22
36
84
10
K
L
M
FDP
FITCH, LIZZIE
FITSCHEN, JÜRGEN
FORESTIER-KASAPI,
CAROLE
H
LAGARDE, CHRISTINE
LAHRS, CLAUS-DIETRICH
LANG LANG
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LEY, WOLFGANG &
MARGARETHA
LITTMANN, PETER
LOHR, BURKHARD
Lufthansa
LUTZ, ROBERT
53
42
19
56
Chefredakteur: KLAUS BOLDT (v.i.S.d.P.)
Artdirektion: KATJA KOLLMANN
Chefreporter: VOLKER TER HASEBORG
Rolex
RWE
S
44
45
10
38
46
MASCHMEYER,
CARSTEN
21, 58
MATTHAEI, EMILIO
56
MAYRHUBER, WOLFGANG 38
MCGINLEY, RYAN
82
McKinsey
20
MEERTZ, RALF
68
GARCIA, MIGUEL
Georg Jensen
Gerry Weber
GOVE, MICHAEL
73
69
41
29
HARTUNG, MARKUS
Heuer
56
75
67, 75, 78, 79
39
SÄLZER, BRUNO
44
SAMWER, OLIVER
21
SCHEUFELE,
KARL-FRIEDRICH
74
SCHMÖLDERS, GÜNTER
26
SCHNEIDER, MANFRED
38
SCHNITZLER, GABRIELLA 44
SCHULTE-NOELLE,
HENNING
22
SCHWEIGER, TIL
33
Sellita
73
SIEVERS, TIM
60
SIXT, ERICH
12
SJÖSTEDT, EVA-LOTTA
68
Slock.it
50
S.Oliver
44
SPOHR, CARSTEN
38
STAUB, LEO
55
STEINER, NORBERT
11
STERN, SANDRINE
76
STERN, THIERRY
77
STRACKE, TIM
65
STREHLE, GABRIELE
& GERD & LUCA
44
Strenesse
41, 45
SUSSKIND, RICHARD
55, 57
Redaktion: SOPHIE CROCOLL,
VIRGINIA KIRST, STEPHAN KNIEPS,
MELANIE LOOS, DR. ANNETTE PAWLU,
MARK C. SCHNEIDER
Bildredaktion: ULRICH MAHN
Autoren: FRED BAADER,
THOMAS DELEKAT, MAX HOLLEIN,
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Freie Mitarbeit: JASMIN DOEHL,
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Geschäftsführer: JOHANNES BOEGE,
DR. STEPHANIE CASPAR
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Leiter Premiumvermarktung:
STEPHAN MADEL
Objektleitung Anzeigen BILANZ:
FLORIAN REINARTZ
([email protected])
Druck: Leykam Druck GmbH & Co. KG,
Neudörfl
MELLON, JIM
MITTAL, MEGHA
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MOELLER, RALF
MÜLLER, MATTHIAS
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80
42
BILANZ Deutschland
Wirtschaftsmagazin GmbH,
Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg
Tel.: (040) 347 234 47
Fax: (040) 347 234 50
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14
83
39
FUNDER, JÖRG
46
64
Herausgeber: DR. ARNO BALZER
17
25
41, 45
72
52
60
N
NAIDOO, KUMI
Nomos Glashütte
O
Omega
ORLOPP, BETTINA
Osram
P
G
REUTER, EDZARD
REYGERS, HUBERTUS
83
78
41, 45
23
I
DAPP, THOMAS
51
Deposit Solutions
60
Deutsche Bank
19, 38, 51
Deutsche Börse
11
Die Bank
84
DIEKMANN, MICHAEL
19
DIS
83
DRAGHI, MARIO
30
Dr. Crott
65
DYSON, JAMES
31
ENDERS, THOMAS
Erbschaftsteuer
Escada
ETA
Ethereum Foundation
E-Ventures
IMPRESSUM
R
Pangea 3
Patek Philippe
Permira
Pimco
PLEIN, PHILIPP
PLUTA, MICHAEL
28
44
19
33
39
65
BILANZ erscheint als Beilage der WELT
am ersten Freitag im Monat und danach
im ausgewählten Zeitschriftenhandel.
T
Tag Heuer
TERIUM, PETER
THIEL, PETER
67
38
60
U
UBS
ULMER, TOBIAS
53
43
V
Vacheron Constantin
Volkswagen
78
38
W
Watchmaster
WEBER, ANNETTE
WEBER, RALF & GERHARD
WEMMER, DIETER
WHITEHOUSE, SHELDON
WU, JASON
63
43
43
23
19
42
Y
Y
84
Z
Zeik
ZIMMERER, MAXIMILIAN
ŽIŽEK, SLAVOJ
84
23
83
19
73, 74
75
106
16
56
67, 77, 78
42
23
43
44
RADMACHER, ANDREAS
RALPH, JAY
RASCH, THOMAS
REHLINGER, ANKE
REPPEGATHER, UWE
REPPEGATHER, WOLFGANG
10
23
42
26
32
33
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3 für
BILANZ Deutschland, gültig ab 1.1.2016.
Unsere Standards der Transparenz
und der journalistischen Unabhängigkeit
finden Sie unter:
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Die Rechte für die Nutzung von
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Leserservice und Heftbestellungen:
BILANZ – das deutsche
Wirtschaftsmagazin,
Leserservice, 20583 Hamburg
E-Mail: [email protected]
Tel.: (0800) 888 66 30
E-Paper erhältlich unter:
www.lesershop24.de und www.ikiosk.de
105
PRIVAT
BETTINA ORLOPP
BILANZGEWINNERIN
Exkollegen sagen von ihr, sie sei fix und
helle und gründele tief: Deshalb soll
Firmenstrategin Bettina Orlopp (45) bald
in den Commerzbank-Vorstand.
MÄRZ 2016
Die Commerzbank verkündet, dass
Bettina Orlopp zur ersten Frau im
Vorstand von Deutschlands zweitgrößter Bank werden soll. Die Bankenaufsicht muss noch zustimmen.
Nur eine Formalität, dann soll Orlopp das neue Ressort „Regeltreue,
Personal und Recht“ anführen.
MAI 2014
Die Commerzbank ruft: Mit Mann
und zwei Kindern zieht sie nach
Frankfurt und übernimmt die Leitung der Konzernentwicklung.
2002
Nach dem Titel „Dr.“ darf sich Orlopp auch mit der Bezeichnung
„Partnerin“ schmücken: Sie rückt
bei McKinsey nun in die oberste
Riege auf.
ANFANG 2002
Orlopp schließt ihre Dissertation
ab. Doktorvater Jochen Drukarczyk
erinnert sich auch 14 Jahre später
noch an ihre „auffällige Persönlichkeit“, die man nicht so schnell
vergesse: Sie habe die anspruchsvolle Arbeit „mit Bravour“ gemeistert.
106
„Wichtig,
den Druck aufrechtzuerhalten“: Als
McKinsey-Partnerin
leitete Orlopp
die Studie „Women
Matter“.
1997
Orlopp bewährt sich und nimmt an
dem Fellowship-Programm ihres Arbeitgebers teil, das sie zeitweise für
die Forschung freistellt. Sie beginnt
ihre Doktorarbeit an der Universität
Regensburg.
DEZEMBER 1994
Sie beendet ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und steigt im
folgenden Jahr bei McKinsey ein.
Spezialgebiet: Bankenberatung.
1970
Bettina Orlopp erblickt das Licht
in Solingen.
ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER
FOTOS: MCKINSEY, GETTY IMAGES (2),
UNIVERSITÄT REGENSBURG, DLD CONFERENCE
Neue Heimat:
Bankenstadt Frankfurt.
„
SIE HAT EINEN SEHR
REALISTISCHEN BLICK DAFÜR,
WAS MACHBAR IST – DAS IST
BEI BERATERN EHER UNÜBLICH.
“
FRANK MATTERN
Ex-Chef von McKinsey
Deutschland hält seine Berater
für realitätsfern.
Die Uni Regensburg
bewertete Orlopps Doktorarbeit „Abfindungen
von Minderheitsaktionären“
mit magna cum laude.
Ihr Stil: elegant,
aber nicht auffällig,
zum Beispiel
im mit Ornamenten
bedruckten Rock.
Stolze Mutter: Zur Geburt
von Tochter (11) und Sohn (10)
verschickte Orlopp Fotos
an Familie und Bekannte.
R E G U L AT E YO U R T I M E