BB II LL AA N N ZZ April 2016 April 2016 Das deutsche Wirtschaftsmagazin MODE Wirtschaftsmagazin Blockchain UHREN-SPEZIAL Das deutsche / / / Niedergang Frauen Die nächste der deutschen übernehmen das Revolution Marken Kommando im Internet // AA PP RR II LL MODE-INDUSTRIE / Niedergang der deutschen Marken Blockchain / Die nächste Revolution im Internet UHREN-SPEZIAL / Frauen übernehmen das Kommando // 22 00 11 66 U H UR H E R N E N/ /S P SE PZ EI ZA IL A L Der Der Verunsicherer Verunsicherer Wie Konzernchef Oliver Bäte die reformieren will – und seine Mitarbeiter versetztwill – Wie Konzernchef Oliver Bätedabei die in Verwirrung reformieren und seine Mitarbeiter dabei in Verwirrung versetzt PREIS 5,00 € OYS TER PERPE TUAL E X PLORER II Deutsche INHALT Bank Wir unterstützen Start-ups GROSSESocial ÜBERSCHRIFT Fremde werden Freunde – unter diesem Motto wird in Berlin seit zweielit, Jahren Dorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing sed diam gemeinsam gekocht. 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Man kann sich vorstellen, welche Irritationen in dieser herrisch-steifen Aktiengesellschaft ein Manager wie Bäte hervorruft, der einen lockeren Umgangston pflegt, E-Mails an Stabsstellen und Hierarchen vorbei selbst beantwortet, auch gern persönlich zum Telefon greift und von den mehr als 140.000 Beschäftigten erwartet, dass sie künftig schneller und kundennäher arbeiten und dass der ganze Konzern überhaupt und vor allen Dingen digitaler, dezentraler und multikultureller werden solle. In die Kohle-Industrie will die Allianz nicht mehr investieren. Der frühere McKinsey-Berater Bäte sei „grün in seinem Herzen“, sagen seine Presseleute. Er habe „Kinder, die an Wale und Regenwälder denken, das bestimmt sein Denken“. Wenn Bäte umsetzt, was er plant, wird man in fünf Jahren den Erkennungsdienst rufen müssen, wenn man die Allianz finden will. Die Lust auf Veränderung im Hause ist groß, aber die Verunsicherung auch. BILANZ-Autor Bernd Ziesemer hat sich mit Oliver Bäte über seine Pläne unterhalten. Am 23. Juni stimmen die Briten über den Verbleib ihres Landes in der EU ab. Wir sprachen darüber in London mit dem Fondsmanager und Milliardär Jim Mellon, der ein entschiedener Gegner der Brüsseler Politik ist und unbedingt für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stimmt. Seine Landsleute, sagt Mellon, wollten nicht mehr, sondern weniger Bürokratie, nicht mehr, sondern weniger Integration. Sie wollten nicht nur ein Teil Europas, sondern ein Teil der ganzen Welt sein. Man mag dazu stehen, wie man will. Aber zweifellos ist Mellons Haltung erfrischend frei von jenem schwülen Pathos, mit dem die Wächter der europäischen Idee hierzulande über die EU sprechen – die Erosion der nationalen Souveränität aber zur Bagatelle herunterspielen und das strukturelle DemokratieDefizit der EU gleich ganz zum Tabu erklären. In der Uhren-Industrie spielen Frauen eine immer größere Rolle. In unserem Uhren-Spezial stellen wir drei wichtige Vertreterinnen der Branche vor, darunter die frühere KarstadtChefin Eva-Lotta Sjöstedt, die heute Georg Jensen führt. KLAUS BOLDT / Chefredakteur UNSERE KOLUMNISTEN AUF WWW.BILANZ.DE THOMAS PIKETTY FRANK DIEVERNICH LUDOVIC SUBRAN „Für Deutschland und Frankreich wird es höchste Zeit, die Initiative zu ergreifen und Europa und seinem Integrationsmodell neue Impulse zu geben.“ „Ordnung ist das Paradigma der Neuzeit und findet sich in der organisationalen Form der Bürokratie wieder. Sie entpuppt sich jedoch als der falsche Freund des 21. Jahrhunderts.“ „Die Metallbranche muss sich im Triathlon aus Nachfrage, Preisen und Verschuldung messen. Der Energiesektor tritt im Marathon der niedrigen Ölpreise an.“ DER FRANZÖSISCHE ÖKONOM KRITISIERT IN SEINER KOLUMNE DIE ZUNEHMENDE ISLAMFEINDLICHKEIT IN EUROPA. DER PRÄSIDENT DER FRANKFURT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES ÜBER ORDNUNGSLOGIK IM MANAGEMENT. DER CHEFVOLKSWIRT DES KREDITVERSICHERERS EULER HERMES VERGLEICHT DEN WETTBEWERB DER WIRTSCHAFT MIT EINEM OLYMPISCHEN WETTKAMPF. FOTOS: ULRICH MAHN, LE MONDE, EULER HERMES, FRANKFURT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES 5 BILANZ / APRIL / 2016 AUS DER REDAKTION Eva-Lotta Sjöstedt war freundlich, aber kurz angebunden: Ich hatte nur zehn Minuten, um sie auf der Baseler Uhrenmesse zu fotografieren. Meine erste Idee, sie ins Treppenhaus zu stellen, lehnte sie ab: Die dunkelgrüne Wandfarbe passe nicht zum dezenten Image ihres neuen Arbeitgebers Georg Jensen. Dreimal traf ich mich mit dem Düsseldorfer Immobilien-Manager Uwe Reppegather, zuletzt in seinem Büro in Düsseldorf. Zum Ende hin verspürte er immer weniger Lust, meine Fragen nach seiner Biografie zu beantworten, dabei ist sein Aufstieg vom Hauptschüler zum Milliardär doch sehr erzählenswert. Für meine Blockchain-Recherchen habe ich 0,05 Bitcoin gekauft und damit einen Tee und einen Kaffee bezahlt. 0,003 Bitcoin habe ich versehentlich an ein falsches Portemonnaie überwiesen. Der Rest hat zwar drei Prozent an Wert verloren, reicht aber hoffentlich noch für ein Mittagessen... CHRISTIAN GRUND STEPHAN KNIEPS JAN VOLLMER INHALT N 14 Gesunken: Deutschlands einzige Segelreederei ist insolvent. Warum? NAMEN & NACHRICHTEN 10 KALI+SALZ Börsenwert halbiert, jetzt reicht’s: Der Aufsichtsrat will einen neuen Vorstandschef 11 DEUTSCHE BÖRSE Der Widerstand gegen die geplante Fusion mit der Londoner Börse wächst – aber jetzt kommt Achleitner 12 AUF EIN WORT Mietwagen-König Erich Sixt sagt, warum er sich bei der Arbeit besser amüsiert als in der Freizeit und weshalb er Elektroautos skeptisch sieht 14 SEGELSCHIFF-REEDEREI Warum ist die „Undine“ abgesoffen? 14 CARGOBEAMER Prominente Finanziers und der Genosse der Bosse als Berater U UNTERNEHMEN & MÄRKTE 18 ALLIANZ Eitler Egomane oder mutiger Neuerer? Der neue Chef Oliver Bäte wirbelt mächtig Staub auf 24 KOLUMNE Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Kaden über Deutschland als Niedrigsteuerland 24 27 Da stirbt man gern: Die Erbschaftssteuern sind konkurrenzlos niedrig. ARBEITSRECHT Fachanwalt Peter Rölz beschreibt, wie sich Geschäftsführer gegen den Rausschmiss wehren können 28 INTERVIEW „Die EU ist wie die ,Titanic‘“ – der britische Manager Jim Mellon erklärt, warum er für den EU-Ausstieg ist FOTOS: CHRISTIAN GRUND, MAREIKE FOECKING, SAMUEL ZUDER ILLUSTRATIONEN: MATHIS REKOWSKI, STEVEN WILSON 7 ist, wenn du es selbst in der Hand hast. Das Direkt-Depot Jetzt anlegen beim Onlinebroker des Jahres! So macht Handeln richtig Spaß: ■ Kostenlose Depotführung ■ Über 5.000 Fonds und ETFs gebührenfrei kaufen ■ Bei Eröffnung des ersten Direkt-Depots bis 30.04.2016: 20 Euro Gutschrift ab 2.500 Euro Depotbestand innerhalb von 4 Wochen nach Eröffnung oder 20 Trades ohne Orderprovision – gültig 6 Monate ab Eröffnung www.ing-diba.de 20 € Gutschrift 20 oder Free Trades BILANZ / APRIL / 2016 INHALT Schnitt: zeitlos. 32 KARRIERE M illiardär werden? Ganz einfach, sagt Uwe Reppegather – versuch’s mal mit Immobilien. Bei ihm hat’s geklappt 38 HAUPTVERSAMMLUNGEN So wird’s nicht langweilig: Was Aktionäre die Vorstände fragen sollten 40 MODE-INDUSTRIE Die deutschen Marken sind out – was machen Boss, Strenesse, Escada und Gerry Weber falsch? 46 WIE GEHT’S EIGENTLICH... Bob Lutz und Edzard Reuter? I Mit Software von DATEV. IDEEN & INNOVATIONEN 48 FINANZWIRTSCHAFT W issen Sie, was Blockchain ist? Das nächste große Ding im Geldgewerbe 54 JUSTIZ Automaten statt Advokaten: Bald übernehmen Rechner viele klassische Anwaltsarbeiten 58 START ME UP! BILANZ-Gründerwettbewerb: Investor Carsten Maschmeyer über seine Einstiegskriterien/Besuch bei Deposit Solutions U Kaufmännische Prozesse: up to date. UHREN-SPEZIAL 63 INVESTIEREN Auch bei Uhren gibt es wertvolle Oldtimer – welcher Kauf lohnt 68 KARRIERE Eva-Lotta Sjöstedt – die gescheiterte Karstadt-Chefin verkauft jetzt Uhren 72 TECHNIK Jede Marke will eigene Werke 75 EXPERTE Jörn Kengelbach über die Geheimnistuerei der Hersteller 76 MANAGERINNEN I Sandrine Stern kreiert für Patek Philippe 78 UHREN-AFICIONADOS Sechs ganz persönliche Lieblingsstücke 80 MANAGERINNEN II Kult bei Cartier: Carole Forestier-Kasapi Für perfekt geschneiderte Kleidung muss man sein P PRIVAT 82 KUNST Max Hollein über Kunstwerke, die als Lifestyle-Produkte daherkommen 84 KOCHEN Fred Baader probiert den Weißwein „Y“: kostet 200 Euro und hat eine Geschichte 106 BILANZ-GEWINNERIN 20 Jahre McKinsey, jetzt ab in den Commerzbank-Vorstand: die Karriere von Bettina Orlopp 105 Register, Impressum Handwerk verstehen. Genau wie für die Unternehmensführung. Ihr Steuerberater und die kaufmännische Software von DATEV sorgen für einfache und zuverlässige Prozesse in Ihrem Unternehmen. Mehr Infos unter 0800 1001116 oder auf www.datev.de/up-to-date. NAMEN / NACHRICHTEN K+S VOR DER HACKE IST ES DUSTER Norbert Steiner hat den Düngerkonzern K+S in die Krise hinein- und aus dem Dax hinausmanövriert. Finanzvorstand Burkhard Lohr soll den Unglücksritter jetzt ablösen. 10 Wie man die Darbietungen von Norbert Steiner (61), Chef des Düngerund Salzfabrikateurs K+S, zu bewerten hat, darüber sind durchaus unterschiedliche Meinungen im Umlauf. Die Einnahmen des Kasseler Unternehmens kletterten im vergangenen Jahr um ordentliche neun Prozent auf 4,2 Milliarden Euro, der Vorsteuergewinn wölbte sich gar um ein gutes Fünftel auf 782 Millionen Euro. Doch das Urteil der Aktionäre ist vernichtend: Der Börsenwert von K+S hat sich in den vergangenen neun Monaten Das Geschäftsmodell von K+S bröckelt, der Aktienkurs auch. Jetzt muss ein neuer Chef ran. fast halbiert; im März wurde K+S des obersten Börsenindexes Dax verwiesen; über ein halbes Dutzend Führungskräfte hat das Haus verlassen, und zu allem Überfluss läuft gegen Steiner auch noch eine Klage wegen angeblicher Umweltsünden des Konzerns. Im Aufsichtsrat erhebt sich Protest, tonangebende Mitglieder wollen Steiner das Handwerk legen, am liebsten Illustration / MATHIS REKOWSKI noch vor der Hauptversammlung am 11. Mai. Als Nachfolger ist Finanzvorstand Burkhard Lohr (53) ausersehen. Mit dem neuen Mann, dahin geht ihr psychologisches Kalkül, würden die aufgebrachten Aktionäre beim Zusammentreffen nicht nur über das Debakel des vergangenen Jahres sprechen wollen, sondern lieber über die Aussichten, die die Zukunft bietet. Doch warum will K+S den Altmeister Steiner unbedingt loswerden, trägt er die Schuld am Börsen-Fiasko? BILANZ / APRIL / 2016 Angesichts der Tatsache, dass sich alle K+S-Aktien in Streubesitz befinden und kein Hauptgesellschafter für Ordnung sorgt, hat sich der Jurist Steiner – seit 2000 bei K+S, seit 2007 ihr Vorstandschef – angewöhnt, das Unternehmen wie ein Junker auf die herrische Art zu führen. Demonstrationen gegen sein Regime werden von ihm zwar nicht gewaltsam niedergeschlagen, Widerstandsnester aber ausgeräuchert, und bei Kritik wird auf fiese Weise weggehört. Vieles hat man ihm verziehen, aber eines eben nicht: dass er vor einem halben Jahr den Übernahmeversuch des kanadischen Konkurrenten Potash vereitelt hat. Die Kanadier waren auf die Ertragsstärke der Deutschen aufmerksam geworden und bereit gewesen, stolze 41 Euro je Aktie zu bezahlen. Steiner lehnte ab: Das sei zu wenig. Er wollte sich das, was er für sein Lebenswerk hält, nicht für einen Appel und ein Ei aus der Hand nehmen lassen. Heute kosten die K+S-Papiere an der Börse noch gut 20 Euro. Im K+S-Vorstand hatte es nur einen gegeben, der die informelle Potash-Offerte für durchaus überlegenswert hielt: Kali-Chef Andreas Radmacher (50). Er soll die Behauptung, dass die Kanadier hiesige Arbeitsplätze zernichten würden, für wenig sachkundig gehalten haben: Potash hätte eigene Produkte gar nicht wettbewerbsfähig nach Europa liefern können, sondern wäre auf K+S angewiesen gewesen. Das war ein etwas zu selbstbewusster Auftritt. Radmacher, der schon als möglicher Steiner-Nachfolger galt, wurde klargemacht, dass er nur noch eine übersichtliche Zukunft bei K+S hätte. Im Februar verließ er die Firma. Auch andere ergriffen die Flucht: darunter der Chefkontrolleur, der IT-Leiter und der Vorsteher der Unternehmensentwicklung. Sie alle kamen nicht aus dem K+S-Nachwuchs, sondern von anderen Vereinen – und hielten es nicht lange bei K+S aus. Steiner muss sich derweil mit Umweltproblemen herumschlagen. Zum einen hat die Staatsanwaltschaft Meiningen Anklage gegen ihn selbst, seinen Vorgänger und Aufsichtsratschef Ralf Bethke (73) und zwölf weitere K+S-Manager erhoben: K+S habe salzhaltige Abwässer in den thüringischen Boden versenkt und sich die Genehmigung dafür durch illegale Machenschaft bei der Aufsichtsbehörde ergaunert, was K+S bestreitet. Die Staatsanwälte fordern 325 Millionen Euro Schadenersatz. Doch auch in Hessen hat Steiner Abwasserprobleme: Das Regierungspräsidium Kassel erteilte nur eine vorübergehende und stark beschränkte Genehmigung für die Versenkung von Salzlaugen in den Untergrund. Das Verfahren für die Genehmigung einer Rohrleitung, die Abwasser in die Oberweser leiten soll, wurde ausgesetzt. Ehemalige K+S-Leute sagen, dass man die Konflikte politisch hätte lösen können. Doch Steiner verfüge nicht über die Beziehungen ins Ministerium. Die Folgen sind ernst: Schon jetzt muss das Unternehmen seine KaliProduktion wegen der Auflagen der Behörden drosseln. Bleibt es dabei, droht der Verlust von mehreren Hundert Arbeitsplätzen. Ohne Versenkgenehmigung, heißt es intern, seien über 1.000 Stellen bedroht. Die Geschäftsaussichten sind alles andere als rosig. Wettbewerber aus Nordamerika sowie Russland und Weißrussland machen K+S das Leben schwer. Steiners Vertrag läuft im Mai 2017 aus. Erfüllen dürfen wird er ihn nicht. Sein designierter Nachfolger Lohr, der 2012 von Hochtief zu K+S gewechselt war, ist in den vier Jahren im Vorstand kein Freund von Steiner geworden. Vertraute berichten, dass er sein Amt aus Groll über den sturen und gebieterischen Steiner schon niederlegen wollte – nur mit Mühe soll ihn der Vize-Aufsichtsratschef, Gewerkschaftsleiter (IG BCE) Michael Vassiliadis (52), zum Bleiben überredet haben. Sein bestes Argument: Geduld zahlt sich aus. N DEUTSCHE BÖRSE PLATZANGST Immer Ärger mit der LSE – doch nun kommt Achleitner. Als Carsten Kengeter (49) im Juni 2015 Chef der Deutschen Börse wurde, legte er los wie ein Hochfrequenzhändler unter Starkstrom: Er fädelte Kooperationen ein, startete eine neue Handelsplattform, ließ das Management in eine neue Vorstandsstruktur kreiseln, trennte sich von 200 Mitarbeitern – und erntete in Mainhattan respektvollen Beifall. So viel Schwung an ihrer Börse hatten die Mitglieder der Finanzgemeinde lange nicht erlebt. Die Wertschätzung hat sich freilich ins Gegenteil verkehrt, seit Kengeter im Februar mit seinem Plan vorstellig wurde, die Deutsche Börse mit der London Stock Exchange (LSE) zusammenzulegen. Die Deutschen sollen an der neuen Obergesellschaft zwar die Mehrheit erhalten und mit Kengeter den Chef stellen, als juristischer Hauptsitz der Superbörse ist allerdings London vorgesehen. Das Vorhaben hat eine Gegenbewegung mobilisiert, wie man sie sonst nur aus Kreisen des Wutbürgertums kennt. Gewiss, die Kritik von DZ-Bank-Primus Wolfgang Kirsch über Privatbankier Friedrich von Metzler bis hin zum hessischen Sparkassenchef Gerhard Grandke richtet sich nicht gegen das Bündnis als solches. Der Hauptsitz aber müsse, bitte schön, in Frankfurt sein, im Zentrum der größten Volkswirtschaft Europas, bei der Euro-Zentralbank, und nicht auf einer Insel, die womöglich bald aus der EU austrete. Sonst, fürchtet man, sei der Niedergang des Finanzplatzes Frankfurt vorgezeichnet, das tragische Ende einer 500-jährigen Börsentradition. Kengeter und sein Oberaufseher Joachim Faber (65) könnten die Kritik locker nehmen, denn ihre Aktionäre befürworten den Handel. Das Problem ist: Die hessische Landesregierung kann 11 NAMEN / NACHRICHTEN 12 den Zusammenschluss blockieren. Und sie nimmt die Kritik ernst. Deshalb blies Kengeter zur Charmeoffensive. Allein drei PR-Agenturen werben für seinen Plan, dazu noch Berater und Anwälte. Zeitweise hieß es, der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (58) gehöre zu den Helfern, was dieser aus dem Urlaub in Neuseeland dementieren ließ. Die Herren kennen sich zwar gut, Koch ist auch als Anwalt für eine Beteiligungsgesellschaft tätig, in der Kengeter Großgesellschafter sei. Er, Koch, werde aber niemals als Lobbyist für die Börse arbeiten. Derweil doziert Kengeter in Interviews und Hintergrundgesprächen, warum das Bündnis für Frankfurt keine Bedrohung, sondern von Vorteil sei. Auf einer Betriebsversammlung listete er alle Pro-Argumente auf und bilanzierte schließlich, die Fusion sei „gottgewollt“. Die Kritiker reagierten prompt. In der „Börsenzeitung“ wetterte der frühere Deka-Chef Manfred Zaß, die Beschwichtigungen klängen „wie eine Investmentbanker-Märchenstunde“, und diagnostizierte eine „Schieflage zulasten Frankfurts“. Doch bald bekommt Kengeter Verstärkung: Zur Hauptversammlung rückt Ann-Kristin Achleitner (50) für Gerhard Roggemann (68) in den Aufsichtsrat der Börse und kommt ihrem Gatten, der das Kontrollgremium der Deutschen Bank moderiert, beruflich damit näher. Paul Achleitner (59), seit besseren Investmentbanker-Zeiten bei Goldman Sachs ein Spezi von Kengeter, teilt sich in München ein Büro mit Faber. Seine Frau kennt die handelnden Akteure also bestens, ist aber auch mit Börsenthemen vertraut. Mit dem legendären Oberbörsianer (1993 bis 2005) Werner G-Punkt Seifert, einem ihrer frühen Förderer, ist sie per du. Seifert (66), der sich zweimal vergeblich um ein Bündnis mit der LSE bemüht hatte, darüber den Job verlor und (steuer-) fluchtartig Frankfurt in Richtung Irland verließ, kann ihr sicher wertvolle Tipps für den Posten geben. N Deutschlands MietwagenKönig Erich Sixt über das „Modewort“ Mobilität und die Elektro-Illusion. Herr Sixt, Ihre Firma hat mit 1,94 Mrd. Euro einen Rekordumsatz verbucht; Sie sind 71, könnten Ihren Hobbys nachgehen, dem Wandern, der Fliegerei. Wieso arbeiten Sie noch? Ein Unternehmer geht nicht in den Ruhestand, weil er ein bestimmtes Alter erreicht hat. Er möchte sein Unternehmen in jedem Alter weiter voranbringen. Sixt hat sich gerade in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich entwickelt und ein Rekordjahr nach dem anderen verzeichnet. Das ist eine Entwicklung, die mir größere Freude bereitet, als dies jede Freizeitbeschäftigung könnte. Mit BMW betreiben Sie B den Gemeinschaftsauto-Vermieter Drive Now, Ihr ChauffeurService My Driver macht Uber Konkurrenz. Planen Sie weitere Mobilitätsangebote? Mobilität ist heute fast ein Modewort geworden. Jeder will Mobilität anbieten. Wir bei Sixt verstehen darunter zunächst einmal eine Dienstleistung. Wir machen unsere Kunden mobil, indem wir ihnen maßgeschneiderte Produkte mit Top-Service anbieten. Mobilität für wenige Minuten in der Stadt, Mobilität für ein paar Tage oder für mehrere Jahre. Gemein ist all unseren Angeboten: Der Kunde zahlt nur B für die konkrete Nutzung eines Autos, er muss und will auch oftmals kein Fahrzeug mehr besitzen. Das ist der große Trend. B In absehbarer Zeit werden Autos wohl selbstständig fahren. Was bedeutet das für das SixtGeschäftsmodell? Das ist gut für uns, denn das Mobilitätsbedürfnis der Kunden wird dadurch ja nicht geringer. Allerdings glaube ich, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bevor das autonome Fahren in großem Stil Wirklichkeit wird. B Trägt Sixt als Deutschlands größter Autovermieter eine Verantwortung, die Elektromobilität zu fördern? Autovermieter verhalten sich opportunistisch. Wir bieten jene Modelle und Antriebe an, die die Kunden nachfragen. Sollten dies eines fernen Tages wider Erwarten Elektroautos sein, dann werden wir eben viele Elektroautos kaufen. B Wider Erwarten? Die eine Million Elektroautos, die die Bundesregierung bis 2020 auf die Straße bringen will, sind komplett illusorisch. Das wird dauern, sofern sich der Elektroantrieb überhaupt durchsetzt. B In Europa teilt sich Sixt mit Avis Budget Platz zwei hinter Europcar. Sie sagten, Sie hegten keine Ambitionen auf den Spitzenplatz. Warum? Ich habe immer gesagt, dass Sixt nur durch Akquisitionen in absehbarer Zeit die Nummer eins nach Umsatz in Europa werden kann. Es gibt jedoch derzeit kein Zielobjekt auf dem Markt, das uns interessieren würde. Außerdem geht es nicht nur um Größe. Viel wichtiger ist Profitabilität. Und in diesem Punkt ist Sixt nach unserer Kenntnis der profitabelste internationale Autovermieter weltweit mit einer Umsatzrendite vor Steuern von mehr als zehn Prozent. Unsere wesentlichen Wettbewerber schreiben entweder Verluste oder liegen deutlich unter dieser Rendite. N „Auf ein Wort“ ist eine Gesprächsreihe von BILANZ-Online. Das gesamte Interview mit Erich Sixt finden Sie auf www.bilanz.de/exklusiv/erich-sixt JETZT BESTELLEN AUF BAMIGO.COM BILANZ / APRIL / 2016 Nachhaltige Unterwäsche: Transpirationsfrei, bequem und modisch Bamigo: Unterwäsche, speziell für Männer. In Zusammenarbeit mit mehreren Top-Designern hat Bamigo eine nachhaltige Unterwäschekollektion herausgebracht, die samtweich, atmungsaktiv, bügelfrei und wirklich revolutionär ist! NO SWEAT! Bamigo ist Ihr bester Freund! Und zwar ein Freund, auf den Sie sich absolut verlassen können, weil er Sie niemals im Stich lassen wird. Unsere nachhaltige Unterwäsche hat Bambus als Grundlage der Viskoseherstellung und begeistert durch viele Vorteile. Sie bietet einen unerreichten Tragekomfort und fühlt sich angenehm weich auf der Haut an. Zudem ist sie antiallergisch und atmungsaktiv. Sie absorbiert mehr Transpiration XQGXQDQJHQHKPH7UDQVSLUDWLRQVŴHFNHQJHK¸UHQ damit zur Vergangenheit. 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Cargobeamer will die Lkw von der Straße holen: Schröder, Mehdorn, Wössner und Ischinger sollen helfen. Kapitän Torben Hass (41) zeigt Haltung: „Ich bleibe auf der Brücke, bis der Letzte sicher von Bord gekommen ist.“ Der Chef der einzigen deutschen Segelschiffreederei ist, bildlich gesprochen, auf Grund gelaufen: Das Unternehmen ist Leck geschlagen, es sinkt. Über Hass und seine „Undine“, einen 37 Meter langen Gaffelschoner, der 1931 vom Stapel lief und bis zu 70 Tonnen Ladung und acht Passagiere transportieren kann, war 2013 bundesweit berichtet worden: Damals nahm der Reeder den Liniendienst zwischen Hamburg und Sylt auf, transportierte Fracht wie Dünger oder Pflastersteine auf die Insel. Es war eine nette Story, aber ein lausiges Geschäftsmodell. Die Schuld am Untergang trage, Hass zufolge, sein früherer Steuerberater Thomas Götz: In einem Schreiben wirft er ihm „grobes Fehlverhalten“ und „kriminelle Energie“ vor. Götz soll gegenüber Bahn-See als Sozialversicherungsträger „falsche, fehlerhafte“ Meldungen abgegeben haben. Die Knappschaft forderte Beiträge nach, Hass konnte nicht zahlen, darauf stellte sie Insolvenzantrag. Der Steuerberater äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen. Am Ruder steht Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt, der auch das Traumschiff „MS Deutschland“ abgewickelt hat. N Logistiker finden den Laden spannend, Grüne mögen ihn sowieso: Cargobeamer, ein Unternehmen, das Lkw-Anhänger mit einer patenten Verlade-Idee schnell und einfach auf Güterwaggons setzt, ohne dass es dazu extra einen Container brauchte. Allerdings tut sich die in einem Leipziger Gewerbegebiet ansässige Firma mehr als schwer damit, die Kundschaft von der Wirtschaftlichkeit ihres Konzepts zu überzeugen. 13 Jahre nach der Gründung darf man Zweifel anmelden, ob es überhaupt noch gelingt. Die Finanziers üben sich derweil in Geduld. Sie können sich auch Langmut leisten, unter ihnen finden sich einige große, alte Namen des deutschen Industrieadels: In der Münchener Beteiligungsgesellschaft Nordwind, die 60 Prozent der Cargobeamer-Anteile hält, haben sich unter anderem die Familien Dornier, Flick und Wacker (Wacker-Chemie) formiert sowie Jan Klatten, Ehemann der BMW-Erbin Susanne Klatten. Die restlichen Kontingente befinden sich im Besitz der Altaktionäre, wie dem Chef und Erfinder des Cargobeamer-Systems Hans-Jürgen Weidemann (53). Auch der Beirat ist namhaft besetzt: mit Altkanzler Gerhard Schröder, ExBahn-Chef Hartmut Mehdorn, dem früheren Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner und Wolfgang Ischinger, dem Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz. Rat- sowohl wie Geldgeber führte Nordwind-Chef Hans Albrecht zu Cargobeamer. Die Sachsenfirma, sagt der Mann, sei sein Lieblingsprojekt: „Ich bin ja ein verkappter Grüner, und Cargobeamer ist die effizienteste Art, Kohlendioxid einzusparen.“ Illustration / MATHIS REKOWSKI Das Verfahren ist denkbar einfach, aber auch verwegen, es bildet eine Kombination aus Stahlwanne und Umschlaganlage: Ein Cargobeamer-Terminal kann einen Zug mit 36 Waggons in einer Viertelstunde be- und entladen – mit Kränen dauert es über vier Stunden. Der Clou des Systems sind die Stahlwannen: Sie können auch sogenannte Sattelauflieger fassen, jenen Anhänger-Typ, in dem der Großteil der Güter auf deutschen Straßen spediert wird, der aber zu instabil ist, um mit dem Kran verladen zu werden. Aber eine gute Idee allein genügt nicht, man muss sie auch verkaufen können. Bislang kommen die Wunderwannen nur auf zwei Strecken zum Einsatz: seit April 2015 im Gotthard-Tunnel und im VW-Werk in Wolfsburg, wo über ein Cargobeamer-Terminal Produktionsmaterialien angeliefert werden. Die Geschäfte haben bescheidenen Umfang: Der Cargobeamer-Umsatz beträgt fünf Millionen Euro. Es sind vor allem die hohen Investitionskosten, die die Kundschaft abschrecken: Ein Terminal kostet zehn bis 15 Millionen Euro. Die Stahlwannen schlagen mit 140.000 Euro pro Stück zu Buche. Und in Branchenkreisen weiß man, dass Spediteure sich erst dann für einen alternativen Transportweg interessieren, wenn der weniger kostet als die Expedition auf der Straße. Klatten und Konsorten lassen sich davon indes nicht entmutigen. Albrecht wagt eine Prognose: „Ende 2018 werden 50 Cargobeamer-Züge unterwegs sein, und spätestens dann ist das Unternehmen profitabel.“ N BILANZ / APRIL / 2016 'XUFKEOLFN LVWHLQIDFK 15 :HQQPDQIU,QYHVWLWLRQHQ HLQHQ3DUWQHUKDWGHUGLH $QIRUGHUXQJHQGHU%UDQFKH NHQQW VSDUNDVVHGH :HQQ·VXP*HOGJHKW OSRAM PRESENTS THIS SU LIGHT W ADVANC LEDVANCE.COM MMER, ILL E UNTERNEHMEN / MÄRKTE 18 BILANZ / APRIL / 2016 Verwirrend modern Erfrischend unkonventionell oder sprunghaft und selbstbezogen? Am Allianz-Gouverneur Oliver Bäte scheiden sich die Geister. Text / BERND ZIESEMER Einmal im Jahr, im Februar, schieben und drängen sich durch die Gänge und Gelasse des Hotels Bayerischer Hof am Münchener Promenadenplatz Nato-Generäle und kaukasische Potentaten, amerikanische Senatoren und russische Sicherheitsleute, als wär’s die Moosacher Kirchweih mit Freibier für alle. Wladimir Putin war schon da und Hillary Clinton gleich mehrfach, Angela Merkel und König Abdullah von Jordanien auch. Die Münchener Sicherheitskonferenz gilt als wichtigster Almauftrieb für auswärtige Angelegenheiten aller Art. Bezahlt wird der Konvent nicht zuletzt vom deutschen Versicherer Allianz, der sogar den Conférencier der Wehrkundetagung, Wolfgang Ischinger, bis ins vergangene Jahr hinein auf seiner Soldliste führte als Generalbevollmächtigter für Regierungsbeziehungen. Gegenleistungen verlangte die Allianz dafür nicht – bis Oliver Bäte (51) im vergangenen Mai den Vorstandsvorsitz übernahm. Während sein Vorgänger Michael Diekmann (61), der von 2003 bis 2015 seines Amtes gewaltet hatte, gewöhnlich und bescheiden in den mittleren Reihen des Konferenzsaals Platz nahm, drängte es Bäte mit Pep und Power auf die Bühne. Auf der vergangenen Wehrtagung zwängten ihn seine Mitarbeiter deshalb noch schnell in eine Podiumsrunde, wo sich der Allianz-Vertreter u.a. mit dem früheren Greenpeace-Ma- nager Kumi Naidoo, dem US-Senator Sheldon Whitehouse und dem zwielichtigen Präsidenten Ilham Alijew aus Aserbaidschan durch die Krisen in Syrien, Indonesien und jene des Klimas und der Energie parlieren konnte. Die Geschichte gilt Allianz-intern als bezeichnend für den Geltungsdrang, der Bäte bisweilen übermannt. Ob mit dem indischen Premierminister Narendra Modi, dem chinesischen Pianisten Lang Lang oder den Delegierten der Vereinten Nationen: Der neue Allianz-Chef liebt den großen Auftritt, anders als der fast Reh-scheue Hintergründler Michael Diekmann. Bätes Verlangen, sich in Szene zu setzen, irritiert viele Manager des Traditionsunternehmens. Denn dem neuen Chef fällt es nicht immer leicht, seine Worte und Auftritte zu portionieren. Wenn Bäte auf seinem „I-Pad“ die Nachrichten von Mitarbeitern persönlich – und an Stabsabteilungen und Rangstufen vorbei – beantwortet, was ja Ausdruck eines durchaus angenehmen, unprätentiösen Wesenszugs sein kann, zucken Empfänger und (übergangene) Vorgesetzte gleichermaßen zusammen. Mit seinen öffentlichen Bemerkungen über Finanzanalytiker („Gewinnschätzungen sind mir Wurscht“), Geldpolitiker („eine einzige Katastrophe“) oder Regulatoren („unsere Kunden sollten denen mal schreiben“) versetzt der Mann ganze AllianzAbteilungen in Aufregung. FOTO: WOLFGANG STAHR Größte Nervosität und Reizbarkeit im konservativen Hause jedoch löst das Thema Organisation aus: Bäte will flachere Über- und Unterordnungsverhältnisse durchsetzen, die Ränge schleifen, offiziell getarnt als „Vereinfachung überkomplexer Strukturen“. Bäte, der das Unternehmen ohne enge Vertraute mehr oder weniger im präsidialen Alleingang regiert, hat in den elf Monaten seiner Regentschaft eine Verunsicherung im Management ausgelöst, die beispiellos ist. Die Frage, die die Anleger so umtreibt wie die Angestellten, lautet: Weht hier ein frischer Wind durch einen in Selbstgefälligkeit erstarrten Konzern, oder dirigiert ein sprunghafter Solist ein Erfolgsunternehmen auf einen ungewissen Kurs? Mit 142.500 Mitarbeitern, einem Rekordumsatz von 125 Milliarden Euro und einem Rekordgewinn von nahezu elf Milliarden Euro ist Europas umsatzstärkster Versicherungskonzern immer noch eine Gewinnmaschine und, angesichts des krisenhaften Zustands der Deutschen Bank, das zurzeit bedeutendste Finanzunternehmen des Landes. Zuverlässigkeit, Ansehen und Herkommen – diese Werte bestimmen den Konzern, von dem man scherzhaft sagt, er könne es, was seinen unternehmensinternen Glaubenskanon angeht, mit der katholischen Kirche aufnehmen: Seit der Firmengründung 1890 verzeichnet die Allianz-Chronik 19 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 20 erst zehn Vorstandsvorsitzende, während es der Vatikan im selben Zeitraum auf elf Päpste gebracht hat. Warum machen wir nicht einfach weiter wie bisher?, fragen dieserhalb etliche Manager im Hause. So viel ist sicher, in der vierstöckigen Zentrale des Versicherers, eines Verwaltungsbaus aus den 50er-Jahren am Rand des Englischen Gartens, schätzt man keine Alleingänge. Bätes Vorgänger Diekmann war nachgerade öffentlichkeitsabgekehrt, der Mannschaftsgeist spielt eine große Rolle in der Königinstraße, fehlende Ausstrahlung ist fast eine Aufstiegsvoraussetzung. Doch Bäte ist von anderem Naturell, er sorgt beständig für Verwirrung. Offenbar muss er sich an seine neue Rolle erst gewöhnen und daran, dass man sehr genau hinhört, was er sagt, und hinsieht, was er tut. Als er im November vor Anlegern die Firmenstrategie vorstellte, tat er dies mit den Worten: „Wir sind kein Kapital- oder Gewinnproduzent, wir dienen der Gesellschaft.“ Allein, Gewinn und Kapital sind, was Investoren am meisten interessiert. Spielt er sich häufig gern in den Vordergrund, lässt er bei anderer Gelegenheit wieder den Kollegen den Vortritt. Auf dem Weltklimagipfel in Paris Ende November hat nicht er die überraschende wie publikumswirksame Beendigung der Allianz-Investitionen in die Kohle- und Ölindustrie verkündet, sondern Andreas Gruber, sein Chefanleger. Dass die Allianz weiterhin mit Kohle-Industriellen Geschäfte macht und sie versichert, gehört zu den Widersprüchen, die Bätes Geschäftspolitik innewohnen. Vor der Hauptversammlung, die am 4. Mai stattfindet, traf sich BILANZ mit Oliver Bäte in München, sprach mit ehemaligen und jetzigen Kollegen, mit Kundigen aus der Branche und mit Bätes Exkollegen bei der Unternehmensberatung McKinsey. Wir unterhalten uns im Besprechungszimmer auf der Vorstandsetage. Bäte im dunkelblauen Sakko, grauer Hose, hellblauem Hemd, alles modisch eng geschnitten, und dazu eine gestreifte Krawatte. Er spürt natürlich die Verunsicherung, die er im Hause auslöst, führt ihre Ursache jedoch auf äußere Umstände und nicht auf sich selbst zurück: „Alles ändert sich gegenwärtig in unserer Branche. Wir müssen viele fundamentale Fragen stellen. Das führt natürlich auch zu Verunsicherung.“ Auf den ersten Blick sieht im Münchener Hauptquartier alles aus wie gewohnt. Die Sessel stehen noch, und die minimalistischen Strich-an-StrichBilder der Regensburger Künstlerin Astrid Schröder hängen nach wie vor dort, wo sie Diekmann anbringen ließ. Doch Bätes Antrittsenzyklika, seine Renewal Agenda, liest sich über weite Strecken so aufrührerisch wie jene Bulle, die Diekmann 2003 als „Drei-plus-eins-Programm“ verkündet hatte. Noch heute reden sie im Konzern von den „Narben“ der damaligen Radikalkur. Bäte will unbedingt ein Trauma wie vor zehn Jahren verhindern, als der Konzern nach heftigen Kostensenkungen aus dem Tritt geriet. Er betont deshalb bei jedem Anlass, wie gut die Allianz heute im Vergleich zu damals dastehe. Aber die Ruhe, die er auszustrahlen glaubt, steht im Gegensatz zur Wirkung, die er entfaltet. Anders als seine Vorgänger, die sachlich bis zur Langweiligkeit waren, nutzt Bäte ausgiebig beide Gehirnhälften. Mag sein, dass ihn Weggefährten aus seiner Zeit bei McKinsey als „analytisch bis zum can’t get no“ in Erinnerung haben, er selbst sieht sich als „emotionaler Typ“. Einerseits durchdringt der ehemalige Musterschüler (in Mathematik immer eine Eins) die Herausforderungen, vor denen die Allianz steht, andererseits möchte der Opern-Liebhaber seine Lösungsideen am liebsten gleich hinausposaunen und -trompeten wie den Triumphmarsch Gloria all’Egitto aus Verdis „Aida“. Jedes Wort auf Tauglichkeit zu prüfen und als „ausgleichend zu wir- ken“ (Bäte über Bäte), strengt den Eildenker fast körperlich an. Nach nur anderthalb Jahren im Allianz-Vorstand fühlte sich der Neuling schon 2009 stark genug, um mit der ganzen Innung anzubinden („Arbeitsprozesse wie in den 50er-Jahren“) – im Konzern stöhnte man auf, und Bäte nahm sich vor, künftig mehr Zurückhaltung zu üben, zumal er wusste, dass er seine Chancen auf die Diekmann-Nachfolge durch unübliche Selbstdarstellerei nicht unbedingt erhöhen würde. Doch nun, als neuer Vorstandschef, gibt der Mann seinem Drang wieder nach. Im persönlichen Gespräch wirkt Bäte überaus charmant, und auf der Bühne – egal ob auf Deutsch oder im exzellenten Englisch – ist er hellwach, gewitzt und schlagfertig. Wo andere ihre Rede abspulen, spricht Bäte nicht zu, sondern mit seinem Publikum. Er kann Themen setzen und Stimmungen heben. Das leichte Falsett seiner Stimme, mit der er auch ein Ständchen bringen könnte, und der erhobene Zeigefinger stören kaum. Bei Belegschaftsrunden habe es schon „Standing Ovations“ gegeben, wie Mitarbeiter erzählen. Und man kann sich vorstellen, dass Bäte dies nicht missbehagt hat. Verwirrung entsteht immer dann, wenn die fixen Randbemerkungen des Chefs im Gegensatz zu früheren Äußerungen stehen. Einige Beobachter wollen erkannt haben, dass Bäte je nach Gesprächspartner mal dieses und mal jenes gesagt habe, obwohl es um die gleiche Sache geht. Um es freundlich zu sagen: Er operiert zuweilen aus dem Augenblick heraus. Sich selbst sieht Bäte selbstverständlich nicht als Impuls-getrieben, sondern als Mann des offenen Wortes. Was eine löbliche Eigenschaft, bei der Allianz aber unter allen Umständen noch gewöhnungsbedürftig ist. Bäte weiß auch um an die Kräfte der Symbolik, deshalb – wählte er als Dienstwagen einen bescheidenen Elektro-BMW, auch wenn in Köln, wo Frau, Sohn und Tochter leben, ein Porsche vor BILANZ / APRIL / 2016 Wo stehen die Fotografen? Bäte mit dem Pianisten Lang Lang… ...mit Indiens Premierminister Narendra Modi… …und mit dem US-Senator Sheldon Whitehouse. der Tür steht (dieser gehört angeblich seiner Gattin, die einem ungarischen Adelsgeschlecht entstammen soll, wie er, Bäte, die Freunde der Kölner Oper e.V. wissen ließ, als er sich dort um eine schließlich vergebliche Mitgliedschaft bemühte); – eilte er noch am Tag seiner Amtseinführung zu einer Betriebsversammlung nach Stuttgart, um Basisnähe zu beweisen; – traf er sich zum Interview mit einem Video-Blogger, um seine branchenuntypische Lässigkeit zu unterstreichen; – trank er ein Feierabend-Bier mit dem Internet-Unternehmer Oliver Samwer, um sich von der Schwermut der alten Allianz abzusetzen; – fliegt er demnächst mit dem Vorstand zum Board Meeting nach New York, um sich von der immer noch vorherrschenden Deutschtümelei in der Allianz-Zentrale zu distanzieren. Man weiß in München auch nach knapp einem Jahr noch nicht so recht umzugehen mit dem neuen Boss und den undeutlichen ausgeprägten Widersprüchen in seinen Aussagen – wobei es sich möglicherweise um unfertige Zwischenergebnisse der inneren Dialoge von Verstand und Gefühl handelt. Der Rheinländer ist ein Mann dialektischer Denkweise und des Plans B, ein Stratege der Parallelpermanenz. Diese Neigung reicht aus den Tiefen seiner Biografie in die Gegenwart hinein. Der junge Bäte hatte eine Lehre bei der West LB absolviert und teilweise gleichzeitig in Köln studiert, für die Bank anschließend in New York gearbeitet und nebenbei noch den akademischen Titel eines MBA an der Leonard Stern School of Business erworben. Noch heute hält Bäte diese Zeit der Dauerdoppelbelastung für die schönste seines Lebens. Sein Professor Thomas Copeland brachte ihn danach bei McKinsey unter, wo er schon bald als Insecure Overachiever zur Geltung kam, als Streber, der selbst bei Erfolgen nie zur Ruhe kommt. Stets dachte Bäte zweigleisig und, eigenem Bekenntnis zufolge, im FOTOS: ALLIANZ, PICTURE ALLIANCE, MSC Drei-Jahres-Rhythmus: Er machte sich schnell einen Namen als Versicherungsexperte und begabter Akquisiteur von Neugeschäft. Einerseits. Andererseits suchte er schon früh den Absprung. Der damalige Chef einer Kölner Versicherung erinnert sich gut an einen fast überehrgeizigen Bäte, der bei ihm schon bald Erkundigungen eingezogen hatte nach einem Posten im Vorstand. Auch mit dem Unternehmer und Gründer des Finanzvertriebs AWD Carsten Maschmeyer war Bäte im Gespräch über eine Führungsaufgabe. Daneben hat der Mann, dem man eine Gesinnung nicht abspricht, die den Grünen nahekommt, auch nach Feierabend dem Verdi-Funktionär Frank Bsirkse geholfen und den Ortspolitikern in Kampen auf Sylt, wo er in bester Lage ein gutes Haus besitzt. Erfolgreiche Unternehmensberater (und Bäte war sehr erfolgreich) müssen zwei Begabungen miteinander verbinden: Sie müssen vielschichtige Probleme schnell erfassen – und ein Gespür für die Wünsche ihrer Kun- 21 UNTERNEHMEN / MÄRKTE DIE GRÖSSTEN VERSICHERUNGSKONZERNE UMSATZ- UND KURSENTWICKLUNG DER ALLIANZ KURS 2008 BIS 2016 Axa (F) Allianz 11/2015: 168 EURO Metlife (USA) Japan Post Insurance (JPN) Prudential Financial (USA) Ping An Insurance (CHN) 7/2008: 116 EURO 3/2016: 146 EURO Aus einer Zeit, als es noch „Jawohl, Herr Generaldirektor!“ hieß: die Allianz-Zentrale in München. 3/2009: 49 EURO 770* 738 680 638 578 488 2008: 92,6 MRD. EURO * NACH DER BILANZSUMME IM JAHR 2014 (IN MILLIARDEN EURO) 22 2015: 125,2 MRD. EURO den entwickeln. Es geht immer auch um die richtige Mischung aus Tatkraft und Schneidigkeit sowie Anpassung und Prinzipienlosigkeit. Weniger trainiert wurde Bätes Teamgeist. Bei McKinsey verstellte ihm der damalige Deutschland-Chef Frank Mattern den Aufstieg an die Spitze: angeblich aus Sorge um Bätes Talent, Mitarbeiter einzubinden und sich an die strengen Regeln der Beratersekte zu halten. Nach fast 15 Jahren wechselte der McKinsey-Direktor (und engste Berater des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Henning Schulte-Noelle und des Konzernchefs Michael Diekmann) als sogenannter Chief Operating Officer in den Vorstand der Allianz. 2008, im Alter von 42 Jahren, musste sich der McKinsey-Star erstmals in einer Konzernbürokratie mit ihren Rangordnungen und Regelwerken bewähren. Auf die Ehemaligen von McKinsey konnte er sich stets verlassen, in Sonderheit auf die ehrgeizige Ann-Kristin Koberg, mit der er vor seiner Beraterzeit ausgiebig liiert gewesen war und die 1996 den früheren Finanzvorstand der Allianz und heutigen Deutsche-Bank-Chefaufseher Paul Achleitner heiraten sollte. Vorbilder fand Bäte in Deutschland nicht. Noch heute fallen ihm vor allem Männer aus der angelsächsischen Wirtschaftswelt ein, wenn man nach seinen Förderern und seinem Netzwerk fragt. Bei McKinsey gehören dazu der frühere Nordamerika-Koordinator Peter Walker oder der zeitweilige Asien-Chef Dominic Barton. In der akademischen Welt beeindruckte ihn ausgerechnet ein Nicht-Betriebswirt: der Entwicklungspsychologe Robert Kegan. Der Harvard-Professor forscht über die Fähigkeit moderner Menschen zu Selbstreflexion und Wandel. Auch Bäte selbst hielt Vorlesungen über wertorientierte Unternehmensführung an der Uni Köln – auf Englisch. Damit ist jetzt Schluss, weil es der Aufsichtsrat nicht erlaubt. Aber wie steht es mit Bätes eigener Wertewelt? FOTO: ALLIANZ QUELLE: STATISTA, UNTERNEHMEN, ONVISTA UMSATZ 2008 BIS 2015 Bei der Allianz monieren manche Kollegen seinen Hang zum Selbermachen und zum Besserwissen. Noch immer fühlt sich Bäte nach Meinung eines Managers am wohlsten, wenn er auf einem großen Schreibtisch viele Blätter Papier auslegen und mit Ideen und angedeuteten Grafikskizzen bekritzeln kann, um eine Präsentation zu entwerfen. Seinen Sachverständigen in der Allianz traut Bäte nicht immer zu, die Antworten auf die Herausforderungen der Branche zu finden: Nach seinem Gefühl muss sich die Allianz in den kommenden zwei Jahren schneller wandeln als in den 20 Jahren zuvor. Drei Themen werden nach seinem Dafürhalten die nächsten 24 Monate bestimmen: die Digitalisierung, die Beteiligungs- und Investitionspolitik sowie der Umbau der Organisation. Die Allianz muss sich nach Meinung Bätes viel konsequenter auf digitale Standardprodukte und Prozesse besinnen, wenn sie das Feld nicht den Fintechs und Vergleichsportalen für Versicherungen überlassen will. BILANZ / APRIL / 2016 Die neue Netz-Strategie der Allianz muss berücksichtigen, dass Internetmultis wie Google, die die Grenzen ihrer Geschäftsbereiche ständig neu ziehen, oder Konkurrenten, die aus dem Nichts entstehen, mit ihren Algorithmen, die der Assekuranz-Mathematik vielleicht überlegen sind, auch ins Versicherungsgewerbe eindringen. Selbst ein Wettbewerber wie Generali ist im Internet weiter als die Münchener. Nur ein gutes Drittel der AllianzVertreter in Deutschland ist in den sozialen Medien aktiv, nicht einmal jeder sechste bietet eine Videoberatung im Internet an. Ein „Digital Accelerator“ soll nun neue Ideen entwickeln – außerhalb der normalen Ränge und zur Not auch an den Befehlshabern in der Zentrale vorbei. In 300 Vertriebsagenturen erprobt der Konzern jetzt eine Telefonanwendung, um die Bearbeitung von Sachschäden zu vereinfachen. Mit aller Macht will Bäte das „Not Invented Here Syndrome “ im Konzern brechen, „das einen schnellen Wandel behindert“. Durch die Digitalisierung sollen die Kosten sinken, Erlöse steigen. Bätes Maßstab ist BMW, wo die Produktivität in der Vergangenheit um runde zehn Prozent pro Jahr zulegte. Wiederherstellen muss die Allianz das gestörte Gleichgewicht unter den Einzelgesellschaften. Bäte beschäftige sich, wie er sagt, „gegenwärtig sehr stark“ mit diesem Thema: „Wir müssen unser Kapital noch effizienter einsetzen.“ Sechs Landesgesellschaften sorgen für 90 Prozent der Erlöse – die anderen gut fünf Dutzend Länder erwirtschaften den Rest. Die Region Asien/ Pazifik liefert in der Kranken- und Lebensversicherung nicht einmal so hohe Erlöse ab wie Frankreich allein. Vielen Allianz-Firmen außerhalb Europas und der Vereinigten Staaten fehlt die Größe für eine nachhaltige Strategie. Bäte will hoffnungslose Kandidaten abstoßen, andere Länder durch Zukäufe oder Partnerschaften stärken. Regionen, die es mittelfristig nicht auf mindestens eine Milliarde Euro Umsatz bringen, könnten intern zur Disposition gestellt werden. Selbst aus großen Ländern wie China oder Indien, die unter Diekmann noch als Zukunftsmärkte gefeiert wurden, könnte sich die Allianz zurückziehen. Bei der Organisation gerät vor allem das immer noch sehr einträgliche Deutschland-Geschäft ins Visier, das 2015 ein Viertel zum Gesamtumsatz der Allianz beigetragen hat. Mit einem Betriebsergebnis von 2,7 Milliarden Euro brachte die Deutschland AG mehr Geld in die Kassen als die teuer eingekaufte US-Fondstochter Pimco, die seit dem Abgang ihres Gründers Bill Gross ständig an Bedeutung verliert. Bäte plant offenbar, die deutschen Strukturen weiter zu verschlanken. Das ganze System einer gesondert auftretenden Deutschland AG mit angeschlossener Vertriebs AG nebst zahlreichen üppig besetzten Vorständen und Aufsichtsräten passt ihm nicht mehr in die Zeit. Die Branche redet sowieso schon lange über den „systemischen Konflikt“ zwischen Gesamtkonzern und deutschem Vertrieb. Um ein Zeichen zu setzen, sagen Vertraute, wolle sich Bäte aus dem Aufsichtsrat der Allianz Deutschland AG zurückziehen. Was offiziell mit den Worten kommentiert wird: Personelle Veränderungen seien „immer möglich“. Das gilt zumal für die Konzernführung selbst, wo Bäte umgeben ist von Wertekonservativen wie Investment-Vorstand Maximilian Zimmerer oder Finanzchef Dieter Wemmer. Man pflegt ein entspanntes Verhältnis, siezt sich aber und hält sich auf vornehmen Kollegial-Abstand. Nun hat Zimmerer angekündigt, dass er zum Jahresende geht, und zwar in den Ruhestand. Verglüht und erledigt schon mit 57? Auch der Schweiz-Amerikaner Jay Ralph, zuständig für die Vermögensverwaltung und am Pimco-Desaster nicht unschuldig, entzieht sich dem Berufsverkehr, um Zeit für die Familie zu gewinnen. Auch er erst 57 Jahre alt, auch er ausgelaugt und aufgerieben? Wahrscheinlich ist, dass die beiden Manager das Tempo nicht mitgehen können oder wollen, das Bäte anschlägt, und deshalb von diesem, auch wenn’s offiziell anders dargestellt wird, hinauskomplimentiert wurden. Im Gegenzug führt Bäte deutlich jüngere Leute an die Firmenspitze heran mit Ideen, die er teilt, und Lebensläufen, die dem seinigen ähneln. Auf der zweiten Management-Ebene fanden bereits entsprechende Wechsel statt. Bäte führt das Personal-Ressort seit September selbst, um seine Ideen umzusetzen. Ein Vorstandsneuling muss die vielleicht schwerste Aufgabe stemmen: Am 1. Juli verstärkt Jacqueline Hunt die Führung, die zweite Frau im AllianzVorstand seit Gründung vor 126 Jahren. Die Südafrikanerin soll das Lebensversicherungsgeschäft in den USA und die Vermögensverwaltung managen und den ständigen Abfluss von Kundeneinlagen bei Pimco bremsen. Jüngst erst hatte der norwegische Staatsfonds, der weltweit größte seiner Art, die Zusammenarbeit mit der Allianz beendet. Bäte muss das Sonderproblem Pimco lösen, um seine Gesamtpläne nicht zu gefährden. Inwieweit die Bäte-Reformen an Tempo gewinnen, hängt nicht zuletzt von Bätes Vorgänger ab: Michael Diekmann übernimmt 2017 den Vorsitz des Aufsichtsrats. Bäte verdankt ihm vieles. Diekmann war es, der den gebürtigen Bensberger nach München holte, ihn mehrfach gegen seine Kritiker verteidigte und ihn schließlich als seinen Nachfolger durchsetzte. Traditionalisten im Hause hoffen darauf, dass sich Bäte dann wieder etwas mehr zurücknimmt. Aber dafür spricht wenig. Bäte ist zu machtbewusst, sein Reformeifer unbezähmbar. So wie die Allianz war, wird sie nicht bleiben. Ein altgedienter Aufsichtsratschef will nach einem Kennenlerngespräch mit Bäte bereits eine gewisse Distanz zu Diekmann festgestellt haben. Vielleicht ist auch dies ein Problem Bätes, dass es manchmal sehr einfach ist, ihn misszuverstehen. U 23 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 24 Illustration STEVEN WILSON BILANZ / APRIL / 2016 STEUER FÜR PECHVÖGEL Deutschland ist für Erben ein Niedrigsteuerland. Gerade einmal ein Fünfzigstel dessen, was jedes Jahr vererbt wird, schöpft der Fiskus ab. Erben ist schön. Ohne Arbeit wird das Konto kräftig aufgefüllt. Das vom Himmel gefallene Geld hilft beim Erwerb eines neuen Automobils, bei der Planung einer teuren Fernreise oder gar beim Bau eines Eigenheims. Im besten Fall, wenn der Nachlass aus einem dicken Aktiendepot oder einem Unternehmen besteht, ist genug Geld da für ein arbeits- und sorgenfreies Leben. Erben ist ganz schön…ärgerlich. Nicht nur, wenn sich die Erben jener rund 850.000 Deutschen, die jährlich das Zeitliche segnen, über den Nachlass unversöhnlich zerstreiten. Sondern vor allem dann, wenn der Staat miterben will. Je nach Höhe des hinterlassenen Vermögens und der verwandtschaftlichen Nähe zum Verstorbenen können sieben bis 50 Prozent für die Erbschaftsteuer draufgehen. Es gibt keine andere Abgabe, die so umstritten ist wie die Steuer auf die Güter, die der Mensch auf der Erde zurücklässt. Für die einen ist sie ein illegitimer Eingriff der Obrigkeit in das Privatvermögen: ein Akt der Doppelbesteuerung, da ja Einkommen oder Gewinne schon einmal vom Fiskus gerupft worden waren; ein Produkt der Neidgesellschaft und obendrein ein bürokratisches Monstrum, das hohen Verwaltungsaufwand erfordert. Für die anderen, die Befürworter, trägt die Erbschaftsteuer unverzichtbar zum sozialen Ausgleich bei, sorgt für eine bessere Balance der Startbedingungen, schleift die ungleiche Vermögensverteilung im Land. Sie ist die einzige Steuer auf Vermögen. Und sie wird es bleiben, weil eine Vermögensteuer nicht zuletzt an der Schwierigkeit scheitert, alljährlich die Besitztümer der Bürger neu zu bewerten. Nur eine Minderheit ist von der Erbschaftsteuer betroffen. Die meisten AUF KURS MIT KADEN WOLFGANG KADEN Der ehemalige Chefredakteur des „Spiegels“ (1991–1994) und des „Manager Magazins“ (1994–2003) gehört zu den renommiertesten Wirtschaftsjournalisten des Landes. Deutschen erben…nichts. Und jeder zweite Erbe darf sich über eine Hinterlassenschaft von höchstens 50.000 Euro freuen. Über eine halbe Million, also mehr als den Freibetrag für Eheleute, kassieren nur 1,5 Prozent der Erben. Die Erbschaftsteuer ist also eine Elitesteuer. Und eine, die gerechtfertigt ist? Immer wieder musste der Bundestag in den vergangenen Jahrzehnten das Erbschaftsteuergesetz anpassen. Meist deswegen, weil das Verfassungsgericht das Postulat der Gleichheit im Grundgesetz verletzt sah. Jetzt ist die nächste Veränderung fällig. 2014 hatten die Karlsruher Richter die Vergünstigung, die Unternehmenserben gewährt wird, für allzu vorteilhaft bewertet und eine Änderungsfrist bis Juni 2016 gewährt. Seither streiten Politiker und Lobbyisten, als wenn es um Sein oder Nichtsein des Industriestandorts Deutschland gehe. Vorneweg die Interessenwahrer der Familienunternehmen. Muss wohl sein. Es wäre indes geboten, nicht nur über die Besteuerung unternehmerischer Erbschaften neu ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ nachzudenken. Sondern darüber, ob die gesamte Erbschaftsteuer nicht so reformiert werden sollte, dass deutlich mehr Geld auf die Konten des Staats – hierzulande: der Länder – fließt. Gewaltige Werte sind im Spiel. Rund 250 Milliarden Euro werden jährlich hinterlassen, in den Jahren 2015 bis 2024 insgesamt 3,1 Billionen. Aber nur magere fünf Milliarden gehen im Jahr an den Staat, ein Fünfzigstel des Vererbten. Die Tabaksteuer bringt fast dreimal so viel ein. „Nur noch wenige Pechvögel“ zahlten Erbschaftsteuer, sagt Hermann-Ulrich Viskorf, ehemaliger Vizepräsident des Finanzhofs, ein intimer Kenner der Materie. Seit nunmehr 200 Jahren, seit der Ablösung des Feudalismus durch die bürgerlich-industrielle Wettbewerbsgesellschaft, wird in der volkswirtschaftlichen Theorie und in der Politik über die Belastung von Erbgängen gestritten. John Stuart Mill (1806–1873), einer der ersten Wirtschaftsdenker, spottete schon über die „Zufälligkeit der Geburt“, die für Reichtum oder Armut sorge; die Erberei, klagte er, schaffe eine „Gesellschaft von Taugenichtsen“. Der Münchener Publizist Carl Brater forderte im Revolutionsjahr 1848 in einer Streitschrift eine „Reform des Erbrechts zu Gunsten der Nothleidenden“. Unstrittig war zumeist, dass die Weitergabe von Vermögen qua Vermächtnis durchaus zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehört. Nur so kann Privateigentum erhalten werden. Einerseits. Andererseits lässt sich das Erben auch als systemwidrig einordnen. In einer offenen Wettbewerbswirtschaft wird derjenige belohnt, der etwas Ordentliches durch Leistung zustande bringt. Vermögen durch Erbschaft aber wird ohne Arbeit 25 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 26 erworben, es kommt in der Regel durch Heirat oder Geburt über die Verbliebenen. Diese Bescherung ist mithin ein „normativer Fremdkörper“ in einer auf Leistung orientierten Gesellschaft, wie der Soziologe Jens Beckert in seinem Buch „Unverdientes Vermögen“ schreibt. Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass die Ungleichheit bei materiellen Gütern, die unserer Gesellschaft innewohnt, einer Rechtfertigung bedarf. Und die sieht er in dem Umstand, dass die Arbeit je nach Einsatz und Qualität vom Markt unterschiedlich honoriert wird. Für Zugewinn qua Erbschaft aber entfällt diese Begründung – er wird ohne eigene Leistung erworben. Und passt daher irgendwie nicht in die marktwirtschaftliche Ordnung. Das Erbrecht ist in der historischen Betrachtung ein Paradox. Mit dem bürgerlichen Umbruch im 18. und 19. Jahrhundert wurden die von Generation zu Generation weitergegebenen Privilegien des Adels beseitigt. Doch bei den Vermögen blieb die „erbliche Startungleichheit“ erhalten, wie der liberale Sozialwissenschaftler Alexander Rüstow 1949 beklagte. Das Erben sei, so Rüstow, „das wesentlichste institutionelle Strukturelement, durch das der Feudalismus in der Marktwirtschaft fortlebt und sie zur Plutokratie, zur Reichtums-Herrschaft, macht“. Die einzige Möglichkeit, diesen Systemfehler ein wenig zu korrigieren, bietet die Erbschaftsteuer. Deswegen erscheinen mir die immer wiederkehrenden Forderungen, die Besteuerung des Nachlasses ganz abzuschaffen (wie in einigen europäischen Ländern, beispielsweise Schweden, geschehen), abwegig. Genauso absurd wäre eine konfiskatorische 100-Prozent-Steuer, wie von dem Luxemburger Ökonomen Guy Kirsch vorgeschlagen. Sie würde langfristig die auf Eigentum basierende Wirtschaftsordnung zerstören. Doch wie stark darf der Staat bei der Erbschaftsteuer zugreifen? Die Obrigkeit muss zwei Ziele verfolgen. Einerseits soll die Erbschaftsteuer, neben dem Füllen der Staatskonten, • eine zunehmende Konzentration von Vermögen in den Händen weniger verhindern; andererseits soll sie • den Bestand des Privateigentums nicht gefährden und den Erwerbstrieb nicht beeinträchtigen. Ein delikater Balanceakt, der mit der bisherigen Gesetzgebung nicht gelungen ist. Deutschland darf man für Erben ein „Niedrigsteuerland“ nennen; gerade im Vergleich zu den erzkapitalistischen USA, die Vermächtnisse deutlich stärker belasten, als dies der deutsche Fiskus tut. Nur rund ein Prozent der Staatseinnahmen stammen hierzulande aus der Erbschaftsteuer. Ein erster Schritt wird jetzt getan, wenn der Bundestag bis Juni die skandalös niedrige Besteuerung von Unternehmenserben verschärft. Es war ja wahrlich nicht einzusehen, dass insbesondere die ganz großen Unternehmensvermögen ungeschoren bleiben. Firmen, die über 20 Millionen wert waren, sind in den vergangenen Jahren zu über 90 Prozent von der Erbschaftsteuer verschont geblieben. Fachleute schätzen, dass dem Fiskus durch diese Subvention bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr entgehen. So sorgt das Privileg für Firmenerben dafür, dass die Erbschaftsteuer die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland nicht verringert, sondern sie verschärft. Die Reform, so weit sie bis jetzt ausgehandelt ist, wird an diesem Missstand nichts Grundsätzliches ändern. Wer einen ererbten Betrieb fortführt und die Jobs erhält, wird auch künftig von der Erbschaftsteuer weitgehend verschont bleiben. Nur die ganz großen Unternehmensvermögen werden etwas härter rangenommen. Mit der Nebenwirkung, dass die Erbschaftsteuer, jetzt schon arg kompliziert und eine ergiebige Ertragsquelle für die Beratergilde, noch ein bisschen komplizierter wird. Es wäre an der Zeit, dass sich die Gesetzesmacher einmal an die alte Weisheit erinnern, die mir einstmals der Kölner Finanzwissenschaftler Günter Schmölders beigebracht hat: Die besten Steuern sind die einfachen. Jene Abgaben, die der Bürger auf Anhieb versteht und die nicht den untauglichen Versuch machen, in einer überaus komplexen Gesellschaft jedem Einzelfall gerecht zu werden. Warum also nicht eine Vereinfachung mit einem Umbau verknüpfen, einem allerdings, der den Erben künftig mehr abknöpft? Wenig beachtet von der Öffentlichkeit, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung jetzt einen bedenkenswerten Systemwechsel vorgeschlagen. Die Politik sollte für Unternehmensübertragungen (Schenkungen oder Vererbung) alle komplizierten Vergünstigungen abbauen und den Tarif auf einheitliche 15 Prozent senken. Für alle anderen Erben sollte es oberhalb eines Freibetrags von 400.000 Euro eine „Flat Tax“ von zehn Prozent geben. Das brächte immerhin eine Milliarde Euro im Jahr mehr in die Staatskasse. Bei etwas höheren Sätzen – etwa 20 Prozent für Unternehmenserben und 15 Prozent für alle übrigen – entsprechend mehr. Wenn Unternehmenserben das Geld nicht flüssig haben, könnten sie die Steuerschuld über mehrere Jahre abstottern; je nachdem, wie viel Gewinn die Firma abwirft. Einen ähnlichen, ebenfalls diskussionswürdigen Vorschlag machte die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD): nur noch drei Steuersätze; 5, 10 und 15 Prozent; der höchste Satz soll für alle Erbschaften über einer Million gelten. Die Vorzugsbehandlung für Unternehmenserben soll ersatzlos gestrichen werden. Das alles wäre keine Enteignungsorgie, keine fundamentalistische Umverteilung. Aber im Rahmen des Machbaren, ein Schritt, um die Vermögenskonzentration nicht noch weiter ausufern zu lassen. Oder, wie es in einem Sondervotum des Verfassungsgerichts zum Erbschaftsteuer-Urteil heißt, dafür zu sorgen, dass Reichtum nicht weiterhin „in den Händen weniger kumuliert“ wird. 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Doch jetzt nimmt der Europäische Gerichtshof die Führungskräfte in Schutz. Über die Frage, ob Fremdgeschäftsführer – also Geschäftsführer, die selbst keine Gesellschafteranteile an der von ihnen geführten GmbH halten – Schutzbestimmungen des deutschen Arbeitsrechts für sich in Anspruch nehmen können, darüber wird vor Gerichten regelmäßig und hart gestritten. Nach bisheriger Praxis haben sie diesen Schutz nur in sehr eingeschränktem Ausmaß. Das liegt vor allem an Paragraf 14 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), wonach der Schutz dieses Gesetzes nicht für Organe einer Gesellschaft gilt, die zu deren gesetzlichen Vertretung berechtigt sind. Im Klartext: Ein Unternehmen (GmbH) kann sich jederzeit von seinen Geschäftsführern trennen, ohne dafür Gründe vorweisen zu müssen. Die einzige „Lebensversicherung“ für einen solchen Geschäftsführer war und ist ein langjährig befristeter Anstellungsvertrag, zusätzlich zu der Geschäftsführerbestellung. Viele Manager haben diese Besonderheit ignoriert. Sie haben sich von langen Bestellungsperioden blenden lassen, sich auf unbefristete Anstellungsverträge eingelassen, die mit kurzen Fristen und ohne Angabe von Gründen kündbar waren – und dafür teuer bezahlt. Die sicher geglaubte Abfindung konnte sich der Arbeitgeber in der Regel sparen. Das dürfte künftig anders werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 9.7.2015 (Az.: C-229/14) entschieden, dass Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen sind. In dem Fall ging es um eine Gesellschaft mit 19 Mitarbeitern, einem Geschäftsführer und einer Praktikantin. Nachdem die Eigentümerin entschieden hatte, die Gesellschaft zu schließen, kündigte sie allen Beschäftigten, ohne zuvor eine sogenannte ARBEITSRECHT Massenentlassungsanzeige vorgenommen zu haben. Einer der betroffenen Mitarbeiter, ein Servicetechniker, klagte daraufhin mit der Begründung, dass dieses Versäumnis zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Gemäß Paragraf 17 KSchG müssen bei einem größeren Personalabbau Entlassungen vor Ausspruch von Kündigungen bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit angezeigt werden. Unterlässt der Arbeitgeber das oder ist die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft, hat dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine fatale Konsequenz: Alle Kündigungen sind nach Paragraf 134 BGB nichtig und damit unwirksam. Entscheidend für den Fall war allerdings, dass die genannte Verpflichtung nur für Betriebe gilt, die mehr als 20 Beschäftigte haben. Maßgeblich für den Prozesserfolg des Servicetechnikers war damit, ob die Praktikantin und vor allem der Geschäftsführer bei der Zahl der Beschäftigten mitzuzählen waren oder nicht. Beides bejahte der EuGH, zur Überraschung vieler Prozessbeobachter. Danach erfüllt auch ein Geschäftsführer, der „seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an der Gesellschaft besitzt“ den Arbeitnehmerbegriff im Sinne des Paragrafen 17 KSchG. Voraussetzungen, die bei Fremdgeschäftsführern immer vorliegen. Im hier zu entscheidenden Fall waren damit alle Kündigungen der Gesellschaft nichtig und unwirksam. Die Entscheidung des EuGH dürfte weitreichende Konsequenzen haben. Zum einen muss sie bei Massenentlassungsanzeigen beachtet werden. Zum anderen führt sie dazu, dass Fremdgeschäftsführer künftig einen erhöhten Schutz genießen. Mehr noch: Ich erwarte, dass ein schwerbehinderter Geschäftsführer künftig unter den Schutz des Schwerbehindertengesetzes zu stellen ist. Und ich bin davon überzeugt, dass das Kündigungsschutzgesetz bald auch bei der Entlassung von Fremdgeschäftsführern zur Anwendung kommt. Und das völlig zu Recht, denn die tatsächlichen Verhältnisse in den GmbHs hierzulande bieten keinen Anlass dafür, diese Gruppe von Arbeitnehmern aus dem Schutzbereich herauszunehmen. In der Praxis sind viele Geschäftsführer nicht viel mehr als bessere Abteilungsleiter, die an der mehr oder weniger kurzen Leine ihrer Gesellschafter hängen. Allerdings sollte kein Geschäftsführer jetzt allzu leichtfertig darauf vertrauen, dass der Arbeitsrichter im Falle eines Falles schon zu seinen Gunsten entscheiden werde. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte auf einen robusten Anstellungsvertrag wert legen. Es lohnt sich. U PETER RÖLZ gilt als einer der renommiertesten Arbeitsrechtler Deutschlands. Der 50-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter der Sozietät Ulrich Weber & Partner mit Büros in Frankfurt/Main, Köln und Stuttgart. ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ 27 UNTERNEHMEN / MÄRKTE BRÄCHE DIE WELT BEI EINEM BREXIT ENTZWEI? – PROBABLY NOT 28 „Wir wollen ein Teil der Welt sein, nicht nur ein Teil von Europa“ – Gespräch mit dem britischen Fondsmanager und EU-Kritiker Jim Mellon. Jim Mellon ist ein großer, blonder, netter, reicher Typ, wahrscheinlich über eine Milliarde Euro schwer. Ich treffe ihn im Café des Connaught-Hotels in Mayfair, dem feinen Mittelpunkt Londons. Kaum noch ein Stuhl frei. Mellon quetscht und drängelt sich zwischen den Tischen und Stühlen hindurch. „Etwas eng hier“, sagt er. „Aber macht nichts, oder?“ Er grinst. Mellon ist einer von diesen Kapriolen-freien Managern, erfolgreich bis zur Leutseligkeit, stets umgänglich Interview NINA TRENTMANN und ohne jeden Anflug von Hochmut. Sehr angenehm. No nonsense, please, das ist die Botschaft des 58-Jährigen. Weil er an den gesunden Menschenverstand appelliert, ist er für die Anhänger der britischen EU-Mitgliedschaft besonders gefährlich: Mellon ist für den Brexit, ganz klar, und er pflegt einen freundlichen Plauderton. B Herr Mellon, Sie haben 100.000 Pfund Ihres Vermögens für die „Leave“-Kampagne gespendet, in der sich parteiübergreifend Europa-Skeptiker versammeln, von Labour bis zu den Tories. Warum wollen Sie, dass Großbritannien aus der EU austritt? Die EU ist wie die „Titanic“, bevor sie in den Eisberg krachte. Anstatt sitzen zu bleiben und mit der „Titanic“ unterzugehen, sollten wir lieber in einem Rettungsboot das Weite suchen. Das ist vielleicht etwas drastisch ausgedrückt, zeigt aber, was ich meine. BILANZ / APRIL / 2016 29 Am 23. Juni stimmen die Briten darüber ab, ob sie in der EU bleiben oder nicht. Wenngleich ich natürlich zugeben muss: Die britische EU-Mitgliedschaft ist keine Entscheidung über Leben und Tod. Dementsprechend muss die Debatte auch nicht gleich in einen Bürgerkrieg münden. Aber das geschieht sozusagen gerade. B Vor allem das „Leave“-Lager hat in den vergangenen Wochen einen bissigen, herausfordernden Ton angeschlagen. Das Problem ist, dass Premierminister David Cameron versucht, Londons Bürgermeister Boris Johnson und Justizminister Michael Gove auszusondern. Denn beide sind für den Austritt und haben das auch sehr deutlich gemacht. Damit riskiert Cameron weitere Abspaltungen von seiner Tory-Partei. Das ist in Großbritannien sehr gefährlich: Wenn Sie zu sehr in eine Richtung drängen, gewinnt meist der Underdog. B Warum sind Sie für den Brexit? Nicht weil ich Angst um die Britishness hätte, die britische Wesensart. Das ist Bullshit . Nein, was mich zum Austrittsbefürworter macht, ist die Krise der Euro-Zone, die nicht erkannt und nicht diskutiert wird. Italien und Frankreich sind beide auf dem Weg in die Pleite, eine teuflische Situation, die auf die Schnelle nicht zu lösen ist. Ich erwarte, dass Italien noch in diesem Jahr in eine Finanzkrise geraten wird, mit einem Sturm auf die Banken. Nun übertreiben Sie mal nicht! B Die Europäische Zentralbank wird die italienischen und die französischen Schulden aufkaufen müssen, FOTO: GETTY IMAGES UNTERNEHMEN / MÄRKTE 30 ein Schritt, der in Deutschland wenig Anhänger finden wird. B Das muss nicht Ihre Sorge sein: Großbritannien will ja nicht der Euro-Zone beitreten. Premier Cameron und Finanzminister Osborne versichern uns das, ja. Trotzdem mussten wir im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Pfund in den EU-Haushalt nachzahlen. Erst hieß es, man würde nicht zahlen. Nach dem Wahlsieg der Konservativen wurde dann doch bezahlt. Weder Cameron noch Osborne sind vertrauenswürdig, was ihre Politik angeht. Ich bin mir sicher: Großbritannien als inzwischen zweitgrößte Wirtschaft der EU würde sich finanziell an der Rettung italienischer oder französischer Banken beteiligen müssen. Ich glaube nicht, dass man Italien oder Frankreich ohne uns aus der Patsche helfen könnte. Wenn ich mir Mario Draghi und seine Geldpolitik anschaue, dann habe ich den Eindruck, je mehr Werkzeuge er einsetzt, desto weniger helfen sie. Das Euro-Schiff wird sinken, keine Frage. Um die Euro-Krise zu bewältiB gen, heißt es gebetsmühlenartig, brauche es mehr, nicht weniger Integration. Ja, genau, das ist das, was uns die Bürokraten in Brüssel glauben machen wollen. Dabei zeigen uns die Wahlen und Referenden in Polen, Ungarn und in Dänemark, dass die Leute eben nicht mehr Integration wollen. Sie sagen, dass Sie in dieser B Debatte nicht dem Gefühl, sondern dem Verstand folgten. Natürlich. Es geht für mich nicht um eine Ideologie, sondern um praktische Gründe. Ich glaube nicht, dass die EU in dieser Form auf Dauer überleben kann. Ein Europa der drei Geschwindigkeiten – mit Deutschland an der Spitze, Frankreich in der Mitte und Italien als Schlusslicht – kann nicht funktionieren. Der deutschen Bevölkerung wird es nicht gefallen, wenn sie auch noch für die Schulden der Italiener oder der Franzosen aufkommen muss. Ich habe 2006 ein Buch über die amerikanische Immobili- Zur Person Jim Mellon hat in Oxford studiert und ging später als Fondsmanager nach Hongkong. Er investierte unter anderem in Bergbaukonzerne und verdiente so seine ersten Millionen, machte mit seiner Charlemagne Capital gute Geschäfte im Russland der 90er-Jahre. Mit seiner Firma Burnbrae beteiligte er sich später in großem Stil an Immobilien- und BiotechnikUnternehmen. Der 58-Jährige ist in der Reichenliste der „Sunday Times“ mit rund 850 Millionen Pfund notiert, umgerechnet 1,1 Milliarden Euro. Er lebt auf der Isle of Man, hat etwa 365.000 Anhänger auf Twitter und führt den Spitznamen „Großbritanniens Warren Buffett“. FOTO: DDP IMAGES enblase geschrieben, noch bevor es offensichtlich war, dass das nicht gut gehen würde. Ich hatte damals recht behalten, und ich werde wieder recht behalten. Die Deutschen werden sich einer Rechnung gegenübersehen, die sie nicht bezahlen können. Das ist das Ende des Euro. B Der Zustand italienischer Banken weckt auch in deutschen Finanzkreisen wachsende Befürchtungen: In keinem Land sind so viele Banken bei Stresstests und Bilanzprüfungen durchgefallen wie in Italien. Der Bestand an Problemkrediten soll eine Höhe von 360 Milliarden Euro erreicht haben, ein Fünftel des gesamten Kreditbestands. Die Funktion des italienischen Bankensektors ist gestört. Die EZB hat zwar die Schulden der Regierung monetarisiert, aber sie kann die grundlegenden Strukturprobleme nicht lösen. Ein Wachstum von fast null Prozent reicht nicht aus, um auf Dauer genug zu erwirtschaften. Dazu kommen einige Italien-spezifische Faktoren, wie zum Beispiel der Mangel an einem robusten Zwangsvollstreckungssystem. 20 Prozent aller italienischen Kredite werden nicht bedient, doch die Banken haben praktisch keine Handhabe, um die Sicherheiten einzutreiben. Es dauert im Schnitt neun Jahre, bis eine Zwangsvollstreckung vollzogen ist. Das macht jedes Bankensystem kaputt. Aus welchem Grund sollte die B zugegeben schwierige Lage die gesamte Euro-Zone gefährden? Weil es noch viele andere Probleme gibt. Das Wachstum in jenen Schwellenländern, in die Deutschland in der Vergangenheit viel exportiert hat, wie z.B. nach China, hat sich verlangsamt. Die deutsche Produktivität ist seit der Finanzkrise nicht mehr gestiegen. Die Negativzinsen der EZB machen die Banken kaputt, gleichzeitig gehen die Immobilienpreise durch die Decke. Hätten die Europäer doch niemals mit diesem Euro angefangen! Wann, meinen Sie, wird die Krise B akut? BILANZ / APRIL / 2016 Morgen noch nicht, aber mit Sicherheit innerhalb der nächsten drei Jahre. Italien wird das erste Problem sein, Frankreich das zweite. B Ein Austritt aus der EU bewahrt Sie nicht vor den wirtschaftlichen Folgen einer solchen Krise. Ja, das stimmt. Das europäische Problem wird fortbestehen – egal, ob wir innerhalb oder außerhalb der EU sind. Wir wären in jedem Fall betroffen. Aber das ist ja kein Grund, in der EU zu bleiben. B Vor allem der Handel könnte unter einem britischen Austritt leiden. Warum? Wenn wir austreten, können wir doch trotzdem weiterhin mit der EU Handel treiben. Selbst wenn es kein neues Abkommen gäbe, könnten wir Handel treiben nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Dann kämen vier Prozent Steuern obendrauf. Na und? Großbritannien vertreibt nicht im Ansatz so viel an physischen Gütern wie Deutschland. Und, mal ganz ehrlich: Ich halte es für eine Farce, zu behaupten, dass Deutschland und Frankreich nicht mehr mit Großbritannien handeln würden. Warum sollten Volkswagen oder Siemens ihre Produkte nicht mehr hier verkaufen wollen? B Im Falle eines Austritts könnte Großbritannien voraussichtlich kein vorteilhaftes Handelsabkommen mit der EU verhandeln. Brüssel muss es den Briten so schwer machen wie möglich, um AustrittsNachahmer abzuschrecken. Ich glaube, dass die Leute weiterhin mit uns handeln werden. Wir sollten Freihandel mit allen Ländern der Welt haben, nicht nur mit Europa. Wir wollen ein Teil der Welt sein, nicht nur ein Teil von Europa. B Der Finanzplatz wird einen Teil der Geschäfte an Frankfurt oder Paris verlieren. Auch das glaube ich nicht. Für die City of London ist es kein Unterschied, ob wir EU-Mitglied sind oder nicht. Es kann sein, dass es etwas schwieriger wird, britische Finanzprodukte auf dem Kontinent zu verkaufen. Dafür würden wir aber viel Geschäft hinzugewinnen aus dem internationalen Ausland. London würde mehr wie Singapur, vielleicht hätten wir sogar mehr Geschäft als vor dem Austritt. B Großbritannien ist seit über 40 Jahren Mitglied der EU. Eigentlich Zeit genug, um sie von innen zu erneuern und umzugestalten. Zumindest in den vergangenen 15 Jahren ist der britische Einfluss in Brüssel sehr gering gewesen. Erst jetzt, da die Probleme so dramatisch sind und ein Brexit möglich erscheint, ist die Bereitschaft zu mehr Reformen da. Ich glaube, Europa wird erst nach einer massiven Krise den Willen für ernsthafte Reformen aufbringen. Das Problem ist, dass jedes einzelne Mitgliedsland zustimmen muss, bevor es vorangeht. Also passiert nichts. B Es geht den Briten vor allem darum, ob sie einen „guten Deal“ machen. Großbritannien zahlt jedes Jahr rund zehn Milliarden Pfund an die EU; darüber kann man nicht die Nase rümpfen, das ist eine Menge Geld. Wir geben sehr viel mehr, als wir bekommen. Viele Straßen in Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik sind von deutschen und britischen Steuerzahlern bezahlt worden. B Die Flüchtlingskrise hat die Beliebtheitswerte der EU nicht erhöht, obwohl Großbritannien bislang nur wenige Tausend Flüchtlinge aufgenommen hat. Es sind viele Leute hierher gekommen. Das sind meistens keine Flüchtlinge, das stimmt. Es sind aber Leute, die zu unserem Migrationsproblem beitragen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Osteuropäer hier leben, die nicht registriert sind. B Frankreich hat kürzlich angekündigt, im Falle eines Brexit die britische Grenzstation in Calais zu schließen und die Flüchtlinge durchzulassen, die nach Großbritannien wollen. Das erhöht lediglich den Druck. Die Pflicht wird dann bei den Betreibern des Eurotunnels und bei den Spediteuren liegen. Wir haben den großen Vorteil, als einziges Land Europas von allen Seiten vom Meer umgeben zu sein. Das ist ein echter Pluspunkt. B Sie sind auf der Isle of Man gemeldet, die der britischen Krone untersteht, ohne Teil des Vereinigten Königreichs zu sein. Die britische Presse hält Ihre Meinungsäußerungen deshalb für unpassend. Selbst wenn ich beim Referendum nicht wählen darf, so habe ich doch das Recht auf eine eigene Meinung. Wenn Großbritannien austritt, dann gilt das auch für die Isle of Man. B Sie sind Unternehmer und Investor, haben unter anderem in Biotech-Unternehmen, Hotels und Restaurants investiert. Welche Folgen könnte ein Brexit für Ihre Firmen haben? Unsere Vermögensverwaltung Charlemagne Capital investiert vor allem in Schwellenländern in Asien und in Osteuropa, wir wollen bald auch im Iran aktiv werden. Die EU spielt für Charlemagne nur eine untergeordnete Rolle. B Geld angelegt haben Sie auch in Deutschland. Ja, in Immobilien. Ich habe für 200 oder 300 Millionen Euro gekauft, der Wert ist seitdem dramatisch gestiegen. Das ist meine nächste große Wette: Wenn Deutschland Teil einer neuen Währungsunion wird oder man die Deutsche Mark wieder einführt, geht die neue Währung deutlich nach oben, um 50 Prozent oder sogar noch mehr. Das zahlt sich für mich dann richtig aus. Anders als Sie hat sich ein großer B Teil der börsennotierten FTSE100-Unternehmen für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Das sind ja alles Angestellte dieser Firmen, die denken wie Beamte. Diese Leute haben wenig Glaubwürdigkeit auf diesem Gebiet. Sie müssen echte Unternehmer fragen, Leute wie mich oder James Dyson, den Staubsaugerhersteller. Sie sind alle für den Brexit, aus gutem Grund. U 31 UNTERNEHMEN / MÄRKTE DER HERR 32 DER LAGE FOTO: MAREIKE FOECKING BILANZ / APRIL / 2016 G egen 22 Uhr an diesem Montagabend im Oktober stieg eine Frau im goldfarbenen, hautengen Einteiler auf eine Bühne der Münchener Feintanzdiele P1, und man hatte gleich so das Gefühl, dass jetzt kein Theaterstück des klösterlichen Mädchenpensionats zur Aufführung gebracht werden würde. Dann rumorte die Filmmelodie von „James Bond“ los, und im Strahl von Scheinwerferkegeln verbog, verwickelte, verschnürte, verschlang sich die Frau zur Schlangenfrau, was wahrscheinlich irgendwas mit „Goldfinger“ zu tun haben sollte. Um sie herum stierten, schwitzten, gafften, fotografierten so an die 150 oder 200 Männer in Hemd und Jackett, die Krawatten gelockert oder schon abgelegt; auch Frauen standen dabei, gut aufgedonnert, aber naturgemäß etwas weniger interessiert – Maklertypen allesamt, die von der Expo Real herübergekommen waren, der größten Immobilienmesse des Kontinents. Hinter einer VIP-Kordel saß Kraftmensch Ralf Moeller in Jeans und Lederjacke und zählte seine Daumen. Wenn er irgendeinem Gedanken nachhing, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Uwe Reppegather, der Mann mit dem Pferdeschwanz, stand etwas abseits, ein Lächeln ins Gesicht geschraubt. Er ist groß wie ein Leuchtturm, knapp zwei Meter. Aber er wirkte wie drei Meter zehn. Er war nicht der Rausschmeißer. Rausschmeißer tragen keine Brillen. Er war der Gastgeber. Es war seine Party. Er hatte Geburtstag, und er hatte die Schlangenfrau engagiert, Champagner, Garnelen und Steaks auffahren und später eine Tanzkapelle aufspielen lassen. Außer den 200 Gästen drinnen standen noch ein paar Hundert vor der Tür. Beim Lächeln musste Reppegather niemand helfen. Er ist ja groß genug. Seit 15 Jahren zieht der Riese sein Wiegenfest in großem Stil auf. Es fällt immer in die Expo-Real-Zeit bezie- Vom Hauptschüler zum Milliardär: der erstaunliche Aufstieg des Düsseldorfer Immobilienmagnaten Uwe Reppegather. Text STEPHAN KNIEPS hungsweise umgekehrt, und er kommt ja aus der Branche. Man ist dann mehr oder weniger unter sich, das passt. Zur intellektuellen Elite sollte man Reppegather nicht zählen. Er tut’s ja auch nicht. Und seine Freunde ebenso wenig. Sein Hauptschulabschluss gibt das einfach nicht her. Und wer will schon ein schmaler, hängeschultriger Intellektueller sein, wenn man viel lieber Partys im P1 schmeißt. Reppegather ist ein Mann der Grundsätze: Zopf trägt er aus Prinzip („Den habe ich schon, seit ich 18 bin“). Sein Vermögen hat einen Umfang von schätzungsweise 1,2 Milliarden Euro (BILANZ 9/2015). Sein Ruf unter Immobilienhaien ist großkalibrig. Aber auch seriösere Geschäftsleute halten ihn für einen ganz heißen Feger, für einen der Branchenbesten. Reppegathers Firma trägt den treffenden Namen „Centrum“, entwickelt und kauft und verkauft und vermietet Gebäude in den Zentren der Großstädte: H&M, Zara, Esprit, Mango, S.Oliver, das sind so seine Mieter. Reppegather trägt mattes Zeug, nichts Glitzerndes, keine Disco-Klamotten, aber trotzdem, sagen Makler und Immobilienmanager, sei er eine geradezu „schillernde Persönlichkeit“, wenn sie es mal vornehm ausdrücken wollten. In der Tat hat der Mann eine Ausstrahlung, um die ihn die meisten Schauspieler beneiden würden. Es ist eine Mischung aus Erfolg und Hemdsärmeligkeit und Zwielicht. Irgendwas Verdächtiges und Bedenkliches umfängt ihn. Einer erzählt was über eine angebliche Rotlicht-Vergangenheit. Keine Ahnung, wie der darauf kam. Und früher hätten seine Party-Tänzerinnen auch weniger Textil getragen. Aber Zeugen dafür gibt es keine. Vorsichtshalber wollen die Leute auch inkognito bleiben. Man weiß ja nie, ob Uwe einen nicht möglicherweise aus den Socken haut. Ein paar Wochen nach der Party, vierter Stock, Blick auf den Rhein: die Centrum-Zentrale am Düsseldorfer 33 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 34 Medienhafen. In Reppegathers Büro stehen polierte Art-déco-Möbel, in der Schreibtischplatte spiegelt sich sein Gesicht. Er hat’s offenbar gern glänzend. Ein aufgeschlagener Helmut-Newton-Bildband, Fotografien seiner Töchter, 26 die eine, ein Jahr alt die andere. Gerahmt auch seine Freundin, das Mannequin Vanda Dadras. Zwei Büros weiter sitzt Bruder Wolfgang (56), auch ein Centrum-Aktivist. Aus seinen Geschäftserfolgen macht Reppegather keine große Sache. „Ach“, sagt er in dieser coolen Reppegather-Sprechweise, „wenn man bei klarem Verstand ist und einfach schaut, was richtig und was falsch ist, entwickelt man sich relativ schnell weiter in diesem Bereich.“ Aber bevor wir hier in medias res gehen, wolle er kurz mal was klarstellen: Er habe ja nichts gegen einen ordentlichen, sachlichen Artikel. Aber auf Reißerisches, Rufschädigendes könne er verzichten. Er ahnt offenbar was, schöpft irgendeinen Verdacht. Er stehe lieber im Grundbuch als in der Zeitung. Er sei ja kein René Benko. Das ist der Tiroler Immobilienhallodri und Karstadt-Eigentümer. Seit zwei Jahren liegen die beiden im Clinch: seit sie vergeblich versucht hatten, sich die Kaufhöfe anzueignen. Reppegather mag zwar ein schräger Vogel sein, sagen Standesvertreter (anonym), aber er stehe zu seinem Wort: immer verbindlich, immer klar, immer unmissverständlich. Und vom Markt verstehe er mehr als die meisten anderen. Er sei ein Meister im Beseitigen von Leerständen. Das Wort Leerstand gibt’s für ihn gar nicht. Reppegather macht, wie gesagt, kein Aufhebens von sich. Es reicht, wenn man in einer Sache richtig gut ist bzw. „schaut, dass man besser ist als andere, so funktioniert’s dann am Ende“. Aber nur, wenn man auch immer „ziemlich geradlinig“ ist. Im August hat er für ziemlich geradlinige 350 Millionen Euro auf dem Berliner Kurfürstendamm die Gloria-Galerie in Beschlag genommen. Die oberen Geschosse des früheren Zwei von Reppegathers Häusern: das ehemalige Kino Gloria-Galerie auf dem Ku’damm (oben) und der Düsseldorfer Einkaufspalast Kö-Bogen II. Seine Privatimmobilien sind 1,5 Milliarden Euro wert. In den nächsten vier Jahren möchte er weitere hinzufügen – bis zu einem Wert von drei Milliarden Euro. FOTOS: ULLSTEIN, PICTURE ALLIANCE Lichtspielhauses stehen seit Jahren leer. Aber Leerstand macht ihm bekanntlich keinen Kummer: „Weil wir in der Lage sind, die Potenziale einer Immobilie zu erkennen – im Gegensatz zu vielen anderen.“ Schon vorm Kauf müsse man den möglichen Mietern, Nutzern, Teileigentümern oder sonstwem eine Entwicklungsidee präsentieren, einen Plan für eine traumhafte Zukunft. Und er weiß genau, was Ladenbesitzern oder Filialmanagern so vorschwebt. Reppegather hat das Prinzip des Incentive zur Vollendung gebracht. In der Szene versteht man darunter jenen Anreiz-Effekt, der einen Mieter, der fackelt oder kneifen will, dazu bringt, den Vertrag doch noch zu unterschreiben. Baukostenzuschüsse sind solche Incentives, ein paar Hunderttausend Euro. Gut funktionieren auch mietfreie Monate. Um einen großen Einzelhändler einzuquartieren, habe Reppegather schon mal bis zu sechs Monate spendiert. Reppegather kann sich das leisten bei Mietverträgen über zehn oder 15 Jahre. „Der Unterschied zu den anderen ist, dass ich zuhöre“, sagt Reppegather. „Ich versetze mich in die Rolle des Händlers, um das, was er braucht, genau so zu liefern.“ Nehmen wir doch mal Männer als solche: Gehen beim Klamottenkaufen grundsätzlich nicht in die zweite Etage. „Die fahren da nicht hoch!“ Kinder- und Babysachen dagegen – überhaupt kein Problem. Die bringt Reppegather überall unter. Wenn seine Centrum so ein Einkaufszentrum mit Geschäften belegt, dann schiebe er jeden Mieter gedanklich so lange hin und her, bis das Puzzle passt. Bis alle glücklich sind, sagt Reppegather. Es sei „wie ein Maßanzug: Der kostet auch mehr als ein Anzug von der Stange. Aber er sitzt eben besser“. Mit der Zeit kamen nicht nur größere Häuser und Händler in Reppegathers Leben, sondern auch bekannte Gesichter. Til Schweiger steckte er ein BILANZ / APRIL / 2016 paar Scheinchen zu, damit der seinen Streifen „One Way“ bezahlen konnte. Dafür durfte Reppegather dann im Schweiger-Film „1 1/2 Ritter“ den Türsteher Mario spielen. In seinem Büro steht ein FC-Bayern-Trikot hinter Glas an die Wand gelehnt mit den Unterschriften der Spieler; auch Boris Becker, Jens Lehmann und Arnold Schwarzenegger zählen zu seinen Kumpels. Arni hat er im Sommer in sein Haus auf Ibiza eingeladen. Kontakte? Beziehungen? „Das sind Freunde.“ In Reppegathers Büro fällt viel Licht, die Fensterfront reicht vom Boden bis zur Decke. In den beiden Stockwerken darüber hat er seine Stadtwohnung, in der auch sein „Mercedes 300SL“ parkt. Den Wagen fährt er im Autolift von der Straße ins Wohnzimmer. Manchmal erstaunt vom eigenen Erfolg, so als Hauptschüler? „Tja, erstaunt er mich...?“ Reppegather lässt einen Philosophenseufzer hören und schaut gedankenschwer auf den Rhein, der ständig in dieselbe Richtung fließt. Er reibt sich das Kinn. Manchmal nimmt die Natur einfach ihren Lauf. „Man muss immer wieder mal stehen bleiben und zurückschauen, darf nie vergessen, wo man herkommt. Wobei ich nicht sagen kann, dass mein früheres Leben schlechter war. Mein Bruder und ich sind zwar in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, aber wir haben eine wunderschöne Zeit gehabt.“ Groß geworden ist Reppegather in Langenfeld, einer Stadt zwischen Düsseldorf und Köln. 57.000 Einwohner. Sein Vater war Mess- und Regelungstechniker bei Henkel, seine Mutter Datenverarbeiterin. Er sei kein guter Schüler gewesen, sagt er. Aber das wissen wir ja schon. Ab und zu habe er mal in einer Düsseldorfer Tanzschule den DJ gegeben, ein Berufsziel aber eigentlich nicht verfolgt. Mit 14 Jahren hätte er zumindest einen Wunsch verspürt, nämlich den, „so viel Geld zu verdienen, dass ich selbst entscheiden kann, wann ich Uwe und seine Buddies: Til Schweiger gab er ein paar Scheine für dessen Film, mit Kraftdarsteller Ralf Moeller feiert er regelmäßig im Münchener P1. FOTOS: AGENCY PEOPLE IMAGE, IMAGO aufstehe und was ich tue“. Aber so ein Wunsch allein bringt einen nicht voran. Sein Vater hat dann gemeint, dass er erst mal eine Lehre machen solle, und Uwe ging zur örtlichen Spar-Großhandelszentrale und wollte ein Großhandelskaufmann werden. Er machte auch fixe Fortschritte, fand dann aber, dass der Spar-Markt doch nicht die richtige Bühne für ihn wäre. Jetzt muss, auch wenn’s schwerfällt, die Frage nach seiner Vergangenheit als Gebrauchtwagenhändler im Rotlichtmilieu kommen. Und wirklich: Rechte Freude über diese Frage leuchtet in seinem Gesicht nicht auf. Reppegather wedelt das nonchalant weg. „Nee, nee...“, weder das eine noch das andere. Klar, Autos habe er „schon immer“ gern gefahren und auch gekauft (auch mal einen Maybach), aber nie damit gehandelt. „Nee, nee“, er habe sein Geld in das Restaurant Casablanca gesteckt, hier in Düsseldorf. „Gehobene Küche, hat sich angeboten.“ 1989 hatte der damalige Besitzer die Immobilie verkauft, und Reppegather seine Ersparnisse aus sieben Jahren dafür hingelegt. Sein erstes Geschäft. „Immobilien interessierten mich schon immer.“ Entscheidend sei dann gewesen, „Anfang der 90er-Jahre nach Ostdeutschland zu gehen“. Die Brüder wollten da ein paar offene Vermögensfragen regeln. Reppegather sagt, Wolfgang und er hätten sich dort mit Restitutions- und Erbansprüchen enteigneter Bürger auseinandergesetzt. Nach der Wiedervereinigung waren Abertausende von Rückforderungsansprüchen auf enteignetes Vermögen, Grundstücke und Häuser eingereicht worden. Die Reppegathers kauften den Leuten ihre Ansprüche ab und reprivatisierten sie. Das war ein gutes Geschäft gewesen. Zwischen 1991 und 1998 kauften, sanierten und verkauften sie in den neuen Bundesländern etwa 200 Wohnungen. Bis Reppegather feststellte, dass der Westmarkt viel einträglicher war als der Ostmarkt und ein Kaufhaus viel mehr einbringt als eine 35 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 36 Wohnung. Er zog zurück nach Düsseldorf, gründete die Centrum und richtete fortan seine gesamte Energie und Schaffenskraft auf Einzelhandelshäuser. „Einfach machen. Bei dem, was man tut, lernt man. Mir hat nie einer gesagt: ‚Das geht nicht.‘ Also hab ich’s gemacht.“ Sein erstes Großprojekt im Westen war ein H&M-Laden in Neumünster. Das war 1998. Dabei hatte ihm die Firma Comfort geholfen, ein kontaktund kenntnisreicher Makler mit dem Spezialgebiet: Einzelhandel. Das H&M-Geschäft gelang, Comfort und Centrum bündelten ihre Kräfte, und 2002 stieg Reppegather bei Comfort als Hauptgesellschafter ein. Die Büros von Comfort belegen heute die Etagen unter Centrum. Reppegather ist auf Gebäude in A-Lage in A-Städten spezialisiert. München statt Hannover. Innenstadt statt Randlage. Das Beste vom Besten. Düsseldorfer Kö’, Frankfurter Zeil, Hamburger Mönckebergstraße, Kölner Schildergasse, Münchener Leopoldstraße. Das kostet alles eine Stange mehr, wirft aber auch mehr ab, und wenn mal wieder „ein Markt zusammenbricht oder sich eine Blase bildet, ist man in der A-Lage am wenigsten betroffen“. Schon allein deshalb, weil heute auch Textilhändler in die A-Lagen ziehen, die eigentlich nicht dort hingehören, wie H&M oder Zara. Und wenn tatsächlich mal nichts geht, dann klappt er sich auf seine ganze Höhe auf und schaltet sich persönlich ein. Zum Beispiel, ist noch nicht lange her, da hatte die spanische Modekette Mango dreimal sein Angebot abgelehnt, ins ehemalige Vattenfall-Gebäude in die Hamburger Spitalerstraße einzuziehen. Also setzte sich Reppegather ins Flugzeug nach Barcelona, um die Mango-Leute mal persönlich in Augenschein und in den Schwitzkasten seiner Überredungskunst zu nehmen. Folge: Wenn das Haus im Herbst neu eröffnet wird, dann wird Mango dort ein Repräsentationsgeschäft eröff- Aus Reppegathers Fotoalbum: mit Tochter Bianca vor 22 Jahren in heimeliger Umgebung (oben), mit Modelfreundin Vanda Dadras krügehebend auf der Wiesn. FOTOS: PRIVAT, AGENCY PEOPLE IMAGE nen mit einer Ladenfläche von etwa 2.200 Quadratmetern. Die Händler vertrauen Reppegather: „Wenn ein Unternehmen zehn Esprits oder zehn Zaras gebaut hat, dann weiß der Mieter, dass es auch beim elften Mal klappt“, schrieb Frank Wenzel, Chef der Aachener Grundvermögen, in der „Immobilien-Zeitung“. Auch der langjährige Esprit-Chef Heinz Krogner (74) erinnert sich gern an die späten 90er-Jahre, als da eines Tages dieser lange Kerl unangekündigt in seinem Vorzimmer gestanden und verkündet habe: Er hätte da eine tolle Immobilie für Esprit. „Ich habe Uwe Reppegather als äußerst vertrauenswürdigen und fokussierten Unternehmer kennengelernt. In einer Branche, von der es heißt, sie sei voller Haie, ist er einer der wenigen, auf die man sich verlassen kann.“ Freilich stößt der rheinische Parvenü auch immer mal wieder auf Skepsis bei den alten Herren der Zunft. Wie 2004, als die Gebrüder Reppegather die feine Repräsentanz eines Hamburger Investors in fußknöchellangen Lederkutten betraten, die schwarzen Sporttaschen geschultert. Mit einem frischen „Moin!“, erinnert sich ein Zeuge, hätten sie ihre schweren Aktentaschen – wumm! – auf den Tisch gewuchtet. Der Hanseat hatte urplötzlich Angst um seine Gesundheit. Das Projekt, ein Kaufhaus in Braunschweig, gelang in Rekordzeit. Reppegather sagt, er könne sich an die Szene so nicht erinnern, „aber ich habe natürlich gemerkt, dass manche Leute, gerade in meiner Anfangszeit, irritiert waren, weil ich eben anders aussehe als Absolventen einer European Business School oder der typische Immobilienmanager. Aber mein Aussehen ändert ja nichts an meiner Qualität als Geschäftsmann oder als Mensch. Am Ende hat es nicht geschadet. Ich möchte mich nicht verbiegen, sondern bleibe mir treu.“ Nächsten Oktober wird Reppegather 52, so Gott will. Vorsorglich ist das P1 schon mal für das Ereignis reserviert. U Die beiden Sonderhefte EINZELKÄMPFER und DIGITAL ERFOLGREICH – jetzt zusammen zum Vorteilspreis statt 19,80Euro nur 13 ,90 Euro Die besten impulse-Recherchen zusammengefasst: Unternehmensfinanzierung und -absicherung Erfolgreiche Marketingstrategien entwickeln Suchmaschinen-Optimierung Social-Media-Marketing Digitale Kundengewinnung Bestellen Sie Ihre Ausgaben unter impulse.de/shop Oder rufen Sie uns an unter: 040/609 45 22-77 UNTERNEHMEN / MÄRKTE WIR HABEN DA EIN PAAR FRAGEN S 38 oll einer noch mal sagen, dass Deutschlands Konzernchefs nicht genug für ihre Aktionäre täten! 31 Milliarden Euro wollen allein die 30 im Börsenindex Dax notierten Unternehmen für das vergangene Geschäftsjahr ausschütten, eine neue Bestmarke. Wer jedoch glaubt, dass die Hauptversammlungen in rauschende Feste mündeten, auf denen die Vorstände bejubelt würden, der irrt. Nicht alle Firmenchefs haben auf eine Weise gewirtschaftet, wie sich die Eigentümer dies gewünscht hätten. RWE-Premier Peter Terium und sein scheidender Oberaufseher Manfred Schneider dürften sich bei der Hauptversammlung am 20. April heftige Kritik ausgesetzt sehen. Ein beispielloser Kursverfall der früher als Witwen-und-Waisen-Papiere geltenden Aktien verärgert die Aktionäre. Auch die Anteilsscheine der Deutschen Bank bereiten ihren Eignern nur geringes Vergnügen. Bei der Vollversammlung am 19. Mai müssen die Chefs mit Unmut rechnen. Den weitaus größten Unterhaltungswert bietet aber das Jahrestreffen der Volkswagen AG am 22. Juni in Hannover. Der Abgasskandal und die Klagewelle von Kunden und Aktionären haben das Unternehmen in die tiefste Krise seiner Geschichte gestürzt. Für die Begegnung mit den VW-Lenkern sollten die Teilhaber Zeit mitbringen: Volkswagen hat die Messehalle vorsorglich auch noch für den Folgetag gebucht. Falls Sie Aktionär sind: Hier sind ein paar Fragen, die Sie den Chefs Ihrer Unternehmen stellen sollten. BASF LUFTHANSA VORSTANDSVORSITZENDER: KURT BOCK VORSTANDSVORSITZENDER: CARSTEN SPOHR 1. Wie viel Umsatz und welches Ergebnis erzielt BASF mit seinem Weinkeller? Welchen Erlös könnte BASF mit einem Verkauf dieser Aktivität erzielen? 1. Wie ist der Stand beim vom „Handelsblatt“ angekündigten Rechtsstreit gegen die Lufthansa: Gibt es künftig noch Bordexemplare? 2. Welche Auswirkungen haben der Zusammenschluss von Dow Chemical und Dupont zur neuen globalen Nummer eins der Chemie und die anschließend geplante Aufteilung des neuen Verbundes in drei spezialisierte Börsenunternehmen für den bisherigen Branchenprimus BASF? 3. Mit welchen konkreten kostensenkenden- und effizienzsteigernden Maßnahmen will der Vorstand den Rückgang bei Umsatz und Ergebnis in diesem Jahr kompensieren? 4. Bietet der von der BASF verfolgte Gedanke des Verbundkonzepts trotz der verstärkten und kostengünstigen asiatischen Konkurrenz noch genügend Potenzial für Wertsteigerungen? 2. Wie hoch sind die Anlaufkosten für die Langstrecken-Angebote der Tochtergesellschaft Eurowings ausgefallen? Wie hoch waren sie ursprünglich geplant? 3. Welche Kosten verursacht die Multimarken-Strategie des Konzerns? Welche Rolle und Positionierung bleibt langfristig für die Marke „Lufthansa“? 4. Lufthansa-Aufsichtsrat Karl-Ludwig Kley hat sich über die Presse selbst für den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden ins Spiel gebracht, obwohl Wolfgang Mayrhuber noch bis 2018 amtiert. Ist ein Unternehmenskontrolleur, der öffentlich über wichtige Konzernpersonalien redet, für diesen Posten überhaupt geeignet? BILANZ / APRIL / 2016 Welchen Mehrwert bringt BASF der Weinkeller? Was Sie auf den wichtigsten Hauptversammlungen fragen sollten. DEUTSCHE BANK RWE VOLKSWAGEN VORSTANDSVORSITZENDE: JOHN CRYAN, JÜRGEN FITSCHEN VORSTANDSVORSITZENDER: PETER TERIUM VORSTANDSVORSITZENDER: MATTHIAS MÜLLER 1. Wie teuer ist die juristische Aufarbeitung der zweifelhaften Geschäfte des Investmentbankings im vergangenen Jahr gewesen? 1. Die Aufteilung von RWE verursacht zunächst zusätzliche Kosten. Wie will der neue Vorstand mit der neuen Aufstellung Wert schaffen? 1. Bis zu welcher Schadenshöhe sind die Mitglieder im Vorstand und im Aufsichtsrat der Volkswagen AG haftpflichtversichert? 2. Wie hoch ist das Kredit-Engagement der Deutschen Bank bei FrackingUnternehmen in den USA und gegenüber dem gesamten ölfördernden Gewerbe? Mit welchen Ausfällen bei diesen Krediten rechnet die Deutsche Bank? 2. Der Aktienkurs von RWE ist nicht zuletzt durch die politisch verordnete Energiewende auf einem historischen Tief angekommen. Wäre es da nicht folgerichtig, den Konzern gleich zu verstaatlichen? 2. Keine AG in Deutschland zahlt seinen Aufsichtsräten so viel wie VW: mehr als zwölf Millionen Euro 2014. Ist angesichts des Kontrollversagens der vergangenen Jahre eine Reform des Vergütungssystems geplant? 3. RWE hat die Bundesregierung auf Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagt. Wenn RWE diesen Rechtsstreit gewinnt: Wie will der Vorstand das Geld verwenden? 3. In wie viele Rechtsstreitigkeiten ist Volkswagen involviert? Wie hoch waren die Kosten für Rechtsberatung im vergangenen Geschäftsjahr? Wie viel Honorar kassierten die Anwaltskanzleien Jones Day und Freshfields? 3. Der Niedergang des internationalen Kapitalmarktgeschäfts erschwert eine Fortsetzung des alten Geschäftsmodells. Wie werden Geschäftsmodell und Strategie angepasst? 4. Welche Rolle in der Strategie spielt der US-Markt? Macht es für die Deutsche Bank tatsächlich Sinn, dass der für große Unternehmenskunden und das Investmentbanking zuständige Vorstand Jeff Urwin sein Ressort von New York aus steuert? 4. Laut Vergütungsbericht wird ein Viertel der Tantiemen an die Vorstände erst ausgezahlt, wenn eine Prüfung belegt, dass sie das Unternehmen nachhaltig geführt haben. Was haben die letzten drei Überprüfungen ergeben? Wie hoch waren die Zahlungen an die Vorstände? FOTOS: BASF, DEUTSCHE BANK (2), LUFTHANSA, RWE, VW 4. Warum hat VW bei den Dieselmotoren nicht die 2005/2006 von dem damaligen Vorstandsmitglied Wolfgang Bernhard vorgeschlagene Technologie der Abgasreduzierung verwendet, einschließlich der angedachten Kooperation mit Daimler? 39 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 40 BILANZ / APRIL / 2016 41 AUS DER MODE Text / SOPHIE CROCOLL und STEPHAN KNIEPS Deutsche Modehersteller verlieren an Glanz und Ansehen. Was machen Hugo Boss, Gerry Weber, Strenesse und Escada falsch? FOTO: JEAN-PAUL GOUDE UNTERNEHMEN / MÄRKTE A 42 m 5. April findet auf der Düsseldorfer Königsallee eine Modenschau statt, die in der Szene mit äußerster Aufgewühltheit erwartet wird. Joops Jette (48) führt ihre neue Kollektion vor, und zwar genau dort, wo sie hingehört: in einer Filiale von Aldi Süd. Kein Jetteteil soll mehr als 19,99 Euro kosten. Ihren Abstieg zum Ramschanbieter verklärt sie zur „frechen Herausforderung“. Design beim Discounter: Symbol und Symptom für den traurigen Zustand, in dem sich die deutsche Mode derzeit befindet. Vorzeige-Einkleider Hugo Boss (Umsatz: 2,8 Milliarden Euro) setzte im Februar – nach Gewinnwarnungen und Kurssturz – seinen Chef Claus-Dietrich Lahrs (52) vor die Tür; die Modefirma Gerry Weber (Umsatz: 920 Millionen Euro) muss jede zehnte Stelle streichen. Die einstigen Luxusmarken „Escada“, „Strenesse“ und „Laurèl“ haben den Anschluss an die Konkurrenz verloren, das Modehaus Rena Lange musste nach erfolgloser Investorensuche im Januar 2015 seinen Betrieb gleich ganz einstellen. Und auch die Mittelklassemarken „Esprit“ und „Tom Tailor“ müssen sparen, um über die Runden zu kommen. Dabei sah es vor nicht allzu vielen Jahren noch so aus, als könnten sich die hiesigen Konfektionäre mit den Modemächten in Italien und Frankreich durchaus messen. 1985 hatte der in Modedingen freilich unerfahrene „Spiegel“ gar die Behauptung vorgebracht, Deutschland werde „zur Mode-Nation“, seine Konfektionäre seien „die erfolgreichsten der Welt“. Die Kreationen von Caren Pfleger und Reimer Claussen, von Manfred Schneider und natürlich Wolfgang Joop (71) und Jil Sander (72) fanden weltweite Beachtung. Doch vom Glanz vergangener Tage ist nichts geblieben. Die deutsche Mode-Industrie steckt in einer tiefen Krise. Haben Branchenskeptiker recht mit ihrer Feststellung, dass die Deutschen vom Zeitgeschmack so gut wie gar nichts verstünden, Trends weder Als Claus-Dietrich Lahrs (52), ein eleganter, weltläufiger Herr, 2008 zu Hugo Boss gewechselt war, geschah dies in der löblichen Absicht, mit dem Herrenkonfektionär aus Metzingen in die Weltliga jener Luxusmarken aufzusteigen, für die er, Lahrs, zuvor gearbeitet hatte: Cartier, Louis Vuitton, Dior. Es schien lange Zeit, als würde der Plan aufgehen: Angestachelt und aufgepeitscht vom damaligen Großaktionär Permira, hatte Lahrs einen extremen Wachstumskurs eingeschlagen, die Anzahl der Verkaufsstellen von 390 auf mehr als 1.100 erhöht und den Börsenwert bis 2015 verfünffacht; auch Lahrs selbst profitierte angeblich mit einer Prämie in zweistelliger Millionenhöhe. Doch kurz nachdem Permira im März 2015 ausgestiegen war, ging den Schwaben die Luft aus. Im Oktober und Februar musste Lahrs zwei Gewinnwarnungen ausstoßen, dann wurde ihm das Handwerk gelegt. Denn auch die Aussichten fürs laufende Jahr sind schlecht. Finanzvorstand Mark Langer sagt: „Es ist sinnvoller, sich am Kern der Marke zu orientieren, als sich auf Experimente einzulassen.“ erspüren noch setzen und Stile allenfalls kopieren, aber nicht kreieren könnten? Thomas Rasch vom Modeverband German-Fashion in Köln warnt davor, „von Einzelschicksalen auf die gesamte Branche zu schließen“. Aber dass sich „schlechte Nachrichten von Vorzeigeunternehmen“ häufen, das hat auch er registriert und ist versucht, den Niedergang der Modezunft auf die Mächte ungünstiger Umstände zurückzuführen: zwei milde Winter in Folge, Eurokrise, Ölkrise, Russlandkrise. Dazu kommen, wie Rasch sagt, die „entsetzlichen Preis- und Rabattschlachten“ – Einkaufsportale wie Net-a-porter, Stylebop, Mytheresa und natürlich Zalando verschärfen die Lage und gewinnen an Einfluss. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfer von KPMG soll der Anteil der im Netz gekauften Mode von derzeit 21 Prozent auf 36 Prozent 2025 steigen. Während der hiesige Einzelhandel 2015 die größte Umsatzzunahme seit über 20 Jahren kontierte, gingen die Einnahmen der deutschen Beklei- In Europa, wo man die Männermarke „Boss“ nur zu den Massenherstellern gehobener Güte zählt, aber durchaus nicht als Edelmarke, gelingt es ihr nicht, ähnliche Begehrlichkeiten zu wecken wie die Kreationen von Gucci oder Dolce & Gabbana. Vor allem die Damenherzen wurden nicht erobert: Designer Jason Wu (33) habe „am Markt vorbeidesignt“, sagt Ex-„Instyle“-Chefredakteurin Annette Weber. Wer rückenfreie Kleider an die Zielgruppe Geschäftsfrauen verkaufen wolle, liege „komplett falsch“. Auch habe Boss „seine Dachmarke mit immer mehr Untermarken verwässert“, sagt der Wormser Vertriebsprofessor Jörg Funder. Zu all den Unannehmlichkeiten, die sich Boss selbst bereitet hat, kommen weitere Begleitumstände nachteiliger Art wie die mit äußerster Verkniffenheit geführten Preiskämpfe in den USA und die sinkende Nachfrage in China, wo es nicht verborgen geblieben ist, dass Boss in Europa nur halb so teuer ist – weshalb sich die Chinesen lieber auf ihren Europareisen eindecken. In China will Boss nun die Preise senken. U BILANZ / APRIL / 2016 dungsindustrie um o,3 Prozent zurück. Ein Aldi-Auftritt wie der von Jette Joop kann Rasch nicht recht sein. Annette Weber, langjährige Chefredakteurin der Modezeitschrift „Instyle“, benennt ein weiteres Problem deutscher Mode: „Du musst für etwas stehen, musst die Influencer auf deiner Seite haben: Blogger, Leitwölfe, Meinungsführer, Markenbotschafter. Vielen deutschen Marken gelingt das nicht: Sie sind gesichtslos, ihnen fehlen die Coolness , die Modernität, die Einzigartigkeit.“ Dass es auch anders geht, beweist der Münchener Designer Philipp Plein: Sein gleichnamiger Betrieb (Umsatz: über 200 Mio. Euro) hat sich in Mailand zwischen Prada, Versace und Armani angesiedelt, die „New York Times“ ernannte ihn zum „Impresario Deluxe“. Pleins Kreationen, oftmalig mit Totenkopf-Symbolen oder Nieten versehen, werden von Madonna, Beyoncé oder Lionel Messi getragen – was Plein stolz auf der Foto-Plattform Instagram dartut, wo er über 220.000 Anhänger verfügt (Strenesse über deren 1.500). „Deutsche Modemarken haben es total verschlafen, einen Grund zu finden, warum man sich mit ihnen identifizieren soll“, sagt Weber. Philipp Plein habe Fans, Hugo Boss bestenfalls Kunden. Ins gleiche Horn stößt Tobias Ulmer (45), Chef der Stuttgarter Agentur Werbewelt, die viele Modemarken betreut: „Die deutsche Mode ist insofern in der Krise, als sie sich im internationalen Wettbewerb nicht positioniert.“ Die Digitalisierung hätten viele Hersteller schlichtweg „verschlafen“, im Gegensatz zu einer Luxusmarke wie Burberry (Umsatz: 3,5 Mrd. Euro). Die Briten seien die Ersten gewesen, sagt Ulmer, die ihre Vermarktung nach den Erfordernissen des Internets ausgerichtet hätten. Auf der Foto- und Video-Plattform Snapchat zeigte Burberry im September Ausschnitte der Frühjahrskollektion, noch bevor diese auf dem Laufsteg präsentiert wurde. Escada, Strenesse, Gerry Weber und Hugo Boss sucht man auf Snapchat bislang vergebens. Louis Vuitton, Hermès, Chanel und Prada stellten die Inspiration ih- Das Unheil hatte man seit Monaten kommen sehen, der stetig fallende Aktienkurs hatte es angekündigt. Von 32 Euro im März 2015 waren die Papiere der im S-Dax registrierten Gesellschaft auf nur noch 13 Euro gefallen. Ende Februar erklärte Firmenchef Ralf Weber (52), dass der westfälische Bekleidungskonzern vor der größten Herausforderung seiner Geschichte stehe: „Wir haben Fehler gemacht.“ Gewiss, Weber konnte zuletzt einen um ansehnliche acht Prozent gestiegenen Umsatz (920 Mio. Euro) bekannt machen. Aber der Zuwachs geht allein auf die Übernahme der Marke „Hallhuber“ zurück, die eine beachtliche Lebendigkeit zeigt. Der Konzerngewinn lief hingegen um ein Viertel ein. „Wir waren erfolgsverwöhnt“, sagte Ralf Weber, der die Firmenleitung Anfang 2015 von seinem Vater, dem Gründer Gerhard Weber (74), übernommen hatte. Der Senior war in seinen letzten Amtsjahren vorgegangen, als hätte ihn der Hafer gestochen. In jeder Kleinstadt zog er Filialen auf, nicht selten in Nachbarschaft zu Boutiquen rer Mode an den Anfang, sagt Ulmer, „die Deutschen denken zuerst: Wie organisieren wir den Vertrieb? Und wie produzieren wir? Erst dann kommt vielleicht die Inspiration. Das steigert womöglich den Umsatz, weckt aber wenig Gefühl“. Früher hätten Autoritäten wie Jil Sander, Wolfgang Joop und Werner Baldessarini noch Aufsehen erregt: „Solche Persönlichkeiten erzeugen eine ganz andere Wucht, einen Wert für ihre Marke, den die Leute heute größtenteils vermissen.“ Auch die Modejournalistin Annette Weber beklagt fehlende „Identifikationsfiguren, die die Marke sexy machen“. Stattdessen beobachte sie partout ein typisch deutsches Verhalten: „Heerscharen von Managern, die einen Business- Plan aufstellen und die Möglichkeiten der Kreativen einschränken. Das geht nicht gut. Es geht nur über Emotionen, welche die Marke bei den Kunden auslösen muss. Um Sexyness . Und die bittere Wahrheit ist: Entweder du hast sie – oder du hast sie nicht.“ U oder Kaufhäusern, die ebenfalls Gerry-Weber-Kleidung führen. Gleichzeitig vernachlässigte man den Großhandel mit den selbstständigen Modegeschäften. 103 der 987 Weber-Filialen sollen nun geschlossen werden, betroffen davon sind rund 460 Arbeitsplätze im Aus- und Inland. Weitere 250 Stellen stehen in der Verwaltung zur Disposition. In den verbleibenden Läden will man sich künftig feiner darstellen, die Kunden zuvorkommender bedienen und das Sortiment vor Ort mit dem Internetverkauf verknüpfen. Vor allem aber ist man entschlossen, die Schlüsselmarke „Gerry Weber“ zu überholen, aufzufrischen, mit dem Lack des Erhabenen oder doch wenigstens Besonderen zu versehen und anschließend blank zu wienern. Volker Bosse von der Baader-Bank rät Anlegern dennoch dringend vom Kauf der Anteilsscheine ab: „Der Umfang der bevorstehenden Aufgaben hat uns doch überrascht. Gerry Weber hat derzeit einfach zu viele Bälle in der Luft. Aus unserer Sicht besteht eine gewisse Exekutionsgefahr.“ U EIN AUSFÜHRLICHES INTERVIEW MIT GERRY-WEBEREINZELHANDELSVORSTAND NORBERT STEINKE FINDEN SIE AM 1. APRIL AUF WWW.BILANZ.DE 43 UNTERNEHMEN / MÄRKTE 44 Ende der 90er-Jahre stelzten Mannequins, die Milla Jovovich, Amber Valletta und Christy Turlington hießen, über die Strenesse-Laufstege. Die Schneidereien aus Schwaben standen „auf einer Höhe mit denen von Gucci, Donna Karan, Calvin Klein, Prada“ („Der Spiegel“). Tempi passati. Die glamouröse Gabriele Strehle (65), 37 Jahre lang Chefdesignerin und kreativer Kopf des Hauses, verließ 2012 nach Streitereien um Stil und Preise sowohl das Unternehmen als auch ihren Mann Gerd (75), der in jenem Jahr vom Vorstands- in den Aufsichtsratsvorsitz gewechselt war. Damals hatte sich der Umsatz bereits von 125 Millionen (2001/2002) auf 76 Millionen Euro (2010/2011) zusammengezogen, nachdem der Versuch, in der Männermode Fuß zu fassen, missglückt und auch der Trend zu mehr Lässigkeit im Auftritt leichtfertigerweise versäumt worden war. Seitdem halbierten sich die Einnahmen weiter auf zuletzt gemessene 38 Millionen Euro. Personell geriet in der Folge alles durcheinander. Die ehemalige Deutschland-Chefin von Prada, Gabriella Schnitzler, hielt es als Verkaufsdirektorin 2013 nur vier Monate bei Strenesse aus. Im selben Jahr konnte die Firma eine Mittelstandsanleihe in Höhe von zwölf Millionen Euro nicht zu- rückzahlen. Seit Mitte 2014 läuft ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Was das bedeutet, weiß Werber Tobias Ulmer: Die letzte Rechnung seiner Werbeagentur über 60.000 Euro muss Strenesse dank des Verfahrens nicht mehr bezahlen. „Die Angst, etwas falsch zu machen, ist bei Strenesse zu groß. Es fehlt der Mut, wirklich etwas zu verändern. So inspiriert man niemanden. Dabei ist das doch das Wichtigste: Eine Modemarke muss mich und andere inspirieren, sie muss mir ein gutes Gefühl vermitteln. Für mich sind ,Escada‘ und ,Strenesse‘ Handelsmarken.“ Das Bemühen, einen Geldgeber zu finden, blieb bislang ohne Erfolg. Im Oktober drängten Gerd und sein Sohn Luca Strehle, der bis zur Pleite die Geschäfte geführt hatte und heute im Aufsichtsrat sitzt, den Chefsanierer Michael Pluta aus dem Unternehmen. Pluta stand damals kurz vor dem Verkauf des insolventen Unternehmens an eine Investorengruppe um den Modekonzern S.Oliver. Der Vertrag war unterschriftsreif, der Kaufpreis sollte etwa zwölf Millionen Euro betragen. Doch sowohl die Familie als auch die Gläubiger machten Pluta einen Strich durch die Rechnung. Gerd Strehle und Michael Pluta waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. U „Bei Escada fehlt eine Idee“, sagt Tobias Ulmer, Chef der Agentur Werbewelt, die für viele Modeunternehmen arbeitet. „Was wollen wir in Zukunft sein? Antwort: bloß nicht mehr die Marke mit den Goldknöpfen. Verstanden. Aber was stattdessen?“ Seinen Gipfelpunkt hatte der Münchener Modebetrieb in den 80er-Jahren (Umsatz damals über 1,2 Milliarden D-Mark) erklommen, Stars wie Kim Basinger und Demi Moore trugen stolz die Kollektionen des Unternehmers Wolfgang Ley und seiner schwedischen Frau und Chefdesignerin Margaretha. Doch der Erfolg machte übermütig: Escada führte allerlei neue Marken ein oder kaufte sie hinzu („Laurèl“, „Biba“, „Crisca“, „St. John“), erweiterte Sortiment (Schmuck, Schuhe, Parfums) und Filialnetz und mutete sich überhaupt viel zu viel zu. Der Ruf litt, Escada beklagte erste Verluste. Es folgten Inhaberwechsel, weitere Rückschläge und Unterschüsse. Ex-Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer (58) wurde mit der Instandsetzung beauftragt. Doch 2009 ging Escada erst ein- mal in die Insolvenz. Drei Monate später kaufte die Investmentbankerin Megha Mittal (39), Schwiegertochter des indischen Stahlmilliardärs Lakshmi Mittal, das Unternehmen für 60 Millionen Euro. 2012 hatte sich der Umsatz auf 300 Millionen Euro verengt, im vergangenen Jahr soll er auf 270 Millionen Euro gefallen sein. Sälzer betrachtete den Umbau ungeachtet dessen 2014 als „abgeschlossen“ und ging zur britischen Modemarke „Bench“. Ruhiger wurde es seitdem nicht. Dutzendweise stoben Führungskräfte davon. Die Ökonomin Mittal agiert plan-, hilfund glücklos, vor allem in der Personalpolitik: Die Geschäfte führt derzeit kommissarisch ein früherer Villeroy&Boch-Manager, der von Keramik mehr, von Mode weniger versteht. Gegenüber BILANZ gibt ein Sprecher zu Protokoll: „Obwohl Escada in der Vergangenheit schon Restrukturierungsprogramme durchlaufen hat, zeigt sich, dass diese in der Realität nicht ausreichend waren, um das Unternehmen optimal an die heutigen Marktbedingungen anzupassen.“ U BILANZ / APRIL / 2016 „ EINE MARKE MUSS EINE AURA HABEN “ Der ehemalige Hugo-Boss-Chef Peter Littmann über die verblasste Strahlkraft deutscher Modemarken. Herr Littmann, der deutschen Modebranche geht es schlecht. Welche Fehler wurden gemacht? Zunächst mal: Einige deutsche Modemarken haben in den letzten Jahren ja vieles richtig gemacht. Wenn, dann klagt man auf hohem Niveau. Es ist besser, über einzelne Marken spezifisch zu sprechen. B Ihr Ex-Arbeitgeber Hugo Boss... ...hat sich über die Jahre gut entwickelt. Trotzdem: Versprechungen wurden nicht eingehalten, das ist immer ärgerlich für alle Beteiligten. Die Gründe sind bekannt: die viel zu schnelle Expansion, der Rückgang der Frequenz in den Städten und die damit verbundene zunehmende Bedeutung des Online-Geschäfts. B Die hat man bei Boss verkannt? Möglicherweise. Aber es ist auch schnell gesagt: Wir machen jetzt mehr online. Aber wie stellt man es an, mit dem Online- Verkauf Geld zu verdienen? Wie findet man ein Multichannel-System, das dem Verbraucher den Einkauf erleichtert und angenehmer macht? Online und Offline sind zwei sich ergänzende Kanäle. Das Zusammenspiel muss man beherrschen. B Wie erklären Sie die Krisen von Escada und Strenesse? Den beiden ist es leider nicht gelungen, ihre Marken wieder attraktiv zu machen. Wenn ich eine Marke beurteile, helfe ich mir immer mit der einfachen Frage: Würden wir etwas vermissen, wenn es sie ab morgen nicht mehr gäbe? Dann weiß ich, ob die Marke gut am Markt steht, ob sie eine Legitimation hat. Hat sie nur Ab-und-zu-Käufer, oder hat sie echte Fans? Bezogen auf Escada und Strenesse lautet die Antwort: Wir würden nichts vermissen. B PETER LITTMANN (68), studierter Maschinenbauer, kennt sich aus mit Marken: Nach Stationen bei Rosenthal und Vorwerk führte er von 1992 bis 1997 Hugo Boss, danach zwei Jahre lang Joop. 2000 gründete er die Beraterfirma Brandinsider; er sitzt im Aufsichtsrat von Marc O’Polo. B Woran liegt das? Bei Modemarken ist die Alleinstellung wichtig: Sie müssen sich ja irgendwie differenzieren. Ich wüsste nicht, wodurch sich Escada oder Strenesse von anderen Marken unterscheiden. Und die Marke muss eine Aura haben, im Gegensatz beispielsweise zu Elektrogeräten. Es ist ja etwas anderes, ob wir über die Aura eines Staubsaugerbeutels reden oder über die eines Damenkostüms. Interview / STEPHAN KNIEPS FOTO: OBS RODENSTOCK B Was verstehen Sie unter Aura? Insbesondere im Luxus- und Premiumsektor wollen die Käufer nicht nur das nackte Produkt haben, sondern ein damit verbundenes Gefühl. Wenn Sie es nicht schaffen, dieses Gefühl zu vermitteln, müssen Sie davon ausgehen, dass die Marke nicht relevant ist. Das ist der Fall bei Escada und Strenesse. B Klingt nach einer Aufgabe für die Kreativabteilung. Ja, es ist eine kreative Aufgabe – es ist aber auch eine Management-Aufgabe. Starke Marken wie „Armani“, „Versace“, „Louis Vuitton“, „Dior“ haben alle diese Aura. Es ist mühsam und kostspielig, eine solche Aura aufzubauen, aber sehr leicht, sie zu zerstören. Oft ist die einzige Antwort, die Manager unter Druck finden: Machen wir noch mehr Geschäfte auf. Kurzfristig bringt das mehr Umsatz, vielleicht auch mehr Gewinn. Aber mittel- bis langfristig fügen sie damit der Marke Schaden zu. Boss habe am Markt vorbeigestalB tet, heißt es. Bei Gerry Weber misslang die Verjüngung der Marke. Bei Hugo Boss mache ich mir keine Sorgen, das kriegen die hin. Die Mannschaft macht ihren Job gut, ganz gleich, wer da oben führt. Man darf denen nur nicht am einen Tag dieses und am nächsten Tag jenes erzählen. Gerry Weber hat lange Zeit von der Dame in den besten Jahren gelebt, also 50 plus. Das ist gefährlich, weil diese Dame nicht jünger wird. Man muss schauen, dass jüngere Kundinnen nachwachsen. Und wenn man, wie bei Gerry Weber, über eine Modemarke als altbacken spricht, dann ist das fast schon ein Todesurteil. B Herr Littmann, vielen Dank für dieses Gespräch. U 45 UNTERNEHMEN / MÄRKTE BOB LUTZ 46 Wie geht’s eigentlich… ? EDZARD REUTER BILANZ / APRIL / 2016 Mit seiner dritten Ehefrau Denise, fünf weißen Enten, vier Hunden, zwei Katzen und Hausschwein Rosie (30 Kilo schwer) lebt Bob Lutz (84) auf seinem Anwesen in Ann Arbor, eine Autostunde von Detroit entfernt. Die Pferde, die er früher auch noch hatte, sagt Lutz, habe seine zweite Frau bei der Scheidung mitgenommen, „wofür ich ihr sehr dankbar bin“. Schließlich hat er genug zu tun, seit er sich 2010 als Vorstands-Vize von General Motors mit 78 Jahren, von denen er 47 in der Automobil-Industrie verbracht hat, in den „Quasi-Ruhestand“ versetzen ließ. Lutz ist Aufsichtsrat des Autozulieferers Nanosteel, Beirat der Beratungsfirma Proudfoot und der U.S. Marine Corps University Foundation ; er steht für CNBC als Auto-Experte vor der Kamera, leitet die Firma Via Motors, die Geländeund Lieferwagen mit Elektromotoren ausstattet, und gründete VLF Automotive, eine Firma, die ihrerseits die Luxus-Hybrid-Limousine „Fisker Karma“ mit einem 640-PS-Corvette-Motor ausgerüstet, umbenannt und für 230.000 Dollar auf den Markt gebracht hat. Gerade haben Lutz und Kompagnons ihren ersten „VLF Destino“ an Carlos Santana ausgeliefert. Lutz ist noch immer viel unterwegs und lässt sich durch nichts mehr aus der Ruhe bringen. Er schläft zehn, elf Stunden, steht nicht vor acht Uhr auf und fühlt sich „herrlich“. Seine Frau, knapp 30 Jahre jünger als er, begleite ihn oft: „Eine weit jüngere Gattin hilft, dass man selbst jünger bleibt.“ An freien Tagen fährt Lutz Motorrad, „etwas konservativer als noch vor fünf Jahren“, oder jagt mit seiner einstrahligen „Aero L-39“ durch den Himmel. Er sei der älteste Pilot eines solchen Jets, sagt der frühere Marineflieger. Der Fluginspektor habe Lutz erst kürzlich bescheinigt, außerordentlich erfahren und begabt zu sein. Zudem arbeite er an seinem fünften Buch, seinem ersten Roman. Genaues verraten will Lutz nicht, nur so viel: Es werde „in groben Zügen natürlich eine Liebesgeschichte“. U Robert „Bob“ Lutz, geboren in Zürich, ist das, was die Branche einen echten Car Guy nennt. Er war nacheinander im Vorstand von vier Autokonzernen: bei BMW, Ford, Chrysler und General Motors, wo er seine Karriere 1963 begonnen hatte. Das Foto zeigt ihn 1977 mit dem ehemaligen Formel-1-Champion Jackie Stewart. 47 Der gebürtige Berliner Edzard Reuter verbrachte die NS-Zeit im Exil in Ankara. Später studierte er Mathematik, Physik und Jura. 1964 kam er zu Daimler-Benz, dessen Vorstandschef er von 1987 bis 1995 war. Im Bild sehen wir ihn (r.) 1995 mit seinem Nachfolger Jürgen Schrempp (M.) und Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper. Wer Ende März Fernsehen schaute, stieß in einer Dokumentation über Nachkriegs-Berlin auf den Zeitzeugen Edzard Reuter (88), den Sohn des denkwürdigen SPD-Bürgermeisters Ernst Reuter („Völker der Welt...schaut auf diese Stadt...“), der Westberlin von 1948 bis 1953 regierte. Ganz und gar nicht gefallen habe ihm übrigens die vorgeschaltete ZDF-Serie „Ku’damm 56“ – an deren Entstehen er aber, wie er spottet, kein „Verschulden“ trage. Der Mann sagt, was er denkt. Gedanken macht er sich um die Demokratie in Europa. Angesichts „der großen Fülle der Probleme, die über uns hereinstürzen“, seien die Regierungen gezwungen, „jeden Tag politische Feuerwehrarbeit zu leisten“. Für die Menschen sei aber nicht mehr sichtbar, „zu welchen Zielen Politik betrieben wird“. In mehreren Büchern wie „Stunde der Heuchler“ hat er sich als Autor mit den großen gesellschaftlichen Themen beschäftigt. Reuter bleibt Optimist: „Es wird noch viele Umbrüche geben, aber zum Schluss auch eine Lösung“, sagt er. Unter Beschäftigungsmangel leidet Reuter nicht. Gemeinsam mit seiner Frau Helga hat er eine Stiftung zur Förderung der Völkerverständigung gegründet, deren Leitung er alsbald in jüngere Hände übergeben will. Zudem sitzt er in diversen Beiräten und Ku- FOTOS: BERND KAMMERER, PICTURE ALLIANCE (2), PICTURE ALLIANCE/AFP/ BOB FORAN ratorien. Unternehmerisch ist er nicht mehr tätig, „das ist nichts für mein Alter“. Stolz ist er aber auf die Schweizer U-Blox AG, die hauptsächlich Schaltkreise für GPS-Systeme herstellt und die er erst als Teilhaber, jetzt als Aktionär begleitet. Inzwischen setzt sie fast 320 Millionen Euro im Jahr um. In der Autoindustrie hat Reuter Spuren hinterlassen als jener Mann, der Daimler zum „integrierten Technologiekonzern“ ausbauen wollte – vergeblich. „Glücklich“ sei er, dass es Daimler gut gehe. Sorge bereite ihm die Entwicklung der deutschen Autoindustrie im Zeitalter der Digitalisierung. „Das bewegt mich jeden Tag.“ U BILANZ / APRIL / 2016 Text / JAN VOLLMER Fotos / TOBIAS KRUSE und DAWIN MECKEL REVOLUTION! In der Banken- und Börsenwelt redet man zurzeit über nichts anderes. Die sogenannte Blockchain ist das ganz, ganz große Ding. Die neue Technik könnte das globale Finanzsystem völlig verändern. Eine Überweisung per BLOCKCHAIN A will Geld an B überweisen. Das Geld kommt bei B an. Die Rechner im System laden sich den Block herunter und speichern ihn mit den älteren Blöcken. Es entsteht eine Blockkette, die nachträglich nicht veränderbar ist. 49 Die Überweisung wird in eine verschlüsselte Transaktion verwandelt. ? ? Die Transaktion wird als Anfrage an die Rechner im Netzwerk gesendet. Die Netzwerkteilnehmer überprüfen die Transaktion und nehmen sie in den aktuellen Block auf. ? ? ? IDEEN / INNOVATIONEN C 50 hristoph Jentzsch (30) hält ein programmierbares Vorhängeschloss in der Hand: ein schönes Ding; rund, ebenmäßig, polierter Edelstahl. Man kann das Schloss mit einem Morse-Code oder mit einer Telefonanwendung öffnen. Christoph ist Physiker, er sitzt zwischen bunten Kissen, auf einer Sofaecke in einem weitläufigen Büro in Kreuzberg. Er ist vielleicht 1,75 Meter groß, hat dunkle Haare, buschige Augenbrauen und trägt ein kariertes Hemd.„Wir machen ein Schloss, das man durch Bezahlen öffnen kann“, sagt er. Man könnte auch sagen, dass Christoph Jentzsch alles vermietbar machen will, was den modernen Menschen umgibt: Wohnungen, Autos, Waschmaschinen, Fahrräder, Rasenmäher. Eine Wirtschaft des Teilens. Airbnb für alles, nicht nur für Wohnungen, und eben ohne Airbnb. Das ist ganz wichtig: Ohne jene zentrale Firma, ohne jenen zentralen Rechner, ohne jene zentrale Datensammelstelle, die für andere Systeme in dem Netzwerk bestimmte Aufgaben erledigt. Was man für die Vermietbarkeit von allem braucht, ist, was Jentzsch eine „Revolution am Backend“ nennt, im Maschinenraum unserer Infradigitalstruktur. Diese Revolution ist schon ausgebrochen: Sie wird „Blockchain“ genannt. Jentzsch wiegt das silberne Schloss in der Hand. Er hat sich in den vergangenen Monaten daran gewöhnt, die Blockchain und das, was er macht, in einfachen Worten darzulegen: Neulich erst hat er in dieser Angelegenheit bei der Bundesbank vorgesprochen und die Dinge erklärt. Er mag das Beispiel vom Rasenmäher: „Wie viele Rasenmäher stehen in Kellern herum? Und wie viele bräuch- te man, wenn man sich Rasenmäher einfach in der Nachbarschaft teilen könnte?“ Christoph spricht mit einem leichten sächsischen Einschlag. Er kommt aus Mittweida. Ein Rasenmäher in der Nachbarschaft reicht, eine Heckenschere, ein Spaten. Bisher hatte diese Wirtschaft des Teilens immer einen Nachteil: Man musste sich vertrauen können. CHRISTOPH JENTZSCH Der Gründer will alles vermietbar machen, was uns umgibt. Dabei soll die Blockchain der Mittelsmann zwischen Vermieter und Mieter werden. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wollten ihm Investoren den Sieben-Mann-Laden für Millionenbeträge abkaufen. Oder man brauchte jemanden, der klare Regeln aufstellt und die nachbarliche Rasenmähernutzung organisiert und überwacht. Man braucht einen Mittelsmann, so wie Airbnb oder Uber. Die Blockchain-Technik umgeht dies alles, sie ist die kommende Umwälzung, auf die Christoph Jentzsch mit seiner Firma Slock-It (https:// slock.it) wettet: Es ist ein System, das Transaktionen (wie Anmietungen oder Verkäufe) von Rechner zu Rechner ermöglicht und ohne einen Vermittler auskommt, der sie prüft, genehmigt oder verwirft und dafür ein stattliches Honorar verlangt. Airbnb und Uber etwa beanspruchen 13 bis 20 Prozent der Umsätze für ihre Dienste. Die Blockchain ähnelt so gesehen einem dezentral geführten, allumfassenden, begreiflich-nachvollziehbaren, gläsernen Kontobuch, das alle Aktionen zwischen Nutzern registriert und die gespeicherten Daten blockweise aneinanderreiht wie eine Kette. Alle Nutzer haben gleichermaßen Zugriff auf dieselben Daten, und zwar in Echtzeit. Dadurch, heißt es, sei ein besserer Schutz sowohl vor Cyberkriminalität als auch vor Manipulationen gewährleistet. Es ist ein radikales Konzept, das die Finanzwelt verständlicherweise in Aufregung versetzt. Denn es wird das Bankgeschäft dramatisch verändern. Jentzsch will aber noch die Rasenmähergeschichte zu Ende erzählen: Frau Müller geht also zum Nachbarn Krause und öffnet mit ihrem Telefon das Schloss von Krauses Rasenmäher. Krause schaut aus dem Fenster und nickt zum Gruße. Er weiß, dass Frau Müller beim Öffnen des Schlosses 500 Euro Kaution hinterlegt hat und ihm an diesem Sonnabendnachmittag für das Rasenmähen zehn Cent pro Minute überweist. Die Sonne lacht, und Krause lacht mit. Weit und breit kein Mit- BILANZ / APRIL / 2016 telsmann in Sicht. Auch keiner nötig. Die Blockchain-Technik selbst, für sich genommen, ist kein Spektakel: vergleichbar mit einer modernisierten Form der Buchführung. „Ich nenne die Blockchain gerne einen Permission Ledger“, sagt Jentzsch. Das Besondere an diesem „Geschäftsbuch“ ist, dass viele Rechner gleichzeitig in ihm blättern können und Betrügereien dadurch praktisch ausgeschlossen sind: Wenn Frau Müller den Rasenmäher nicht zurückbringt, dann verliert sie die Kaution. Daran können weder der Chef von Airbnb noch Chuck Norris etwas ausrichten. Die Blockchain diskutiert nicht. UBS, Goldman Sachs, die Deutsche Bank, nahezu alle großen Geldhäuser, aber auch viele Börsen in Europa und Übersee experimentieren inzwischen entweder selbst mit der neuen Technik oder sie beteiligen sich an Firmen, die die Blockchain für ihre Geschäftsziele nutzbar machen sollen. Auch die Aufmerksamkeit von Risikokapitalisten ist gefesselt: 2015 steckten sie 474 Millionen Dollar in das junge Gewerbe, fast 60 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dass Microsoft, IBM, Cisco, Samsung, Intel, die Linux Foundation und wie sie alle heißen, dabei sind, versteht sich von selbst. Reizvoll ist die Einfachund Schlichtheit des Systems. Eine Blockkette entsteht, sobald jemand nur ein Programm schreibt, zum Beispiel für die Buchhaltung, und es im Internet veröffentlicht. Wenn sich neun Personen dieses Programm herunterladen, dann entsteht ein kleines Netzwerk von zehn Rechnern, die denselben Regeln folgen. Fünf Eigenschaften verwandeln dieses Buchhaltungsprogramm nun in eine Blockchain: 1. Wenn einer der zehn Rechner eine Transaktion verbuchen will, muss diese von den anderen Rechnern bestätigt werden. Eine Buchung, die den Regeln des Buchhaltungsprogramms widerspricht, wird nicht vollzogen: Rechner 1 hat kein Geld auf dem Konto, will aber 100 Euro an Rechner 2 schicken? Das Netzwerk stellt fest, das geht nicht. Die Buchung findet nicht statt. 2. Hat das Netzwerk eine Transaktion akzeptiert, wird sie von einem THOMAS DAPP Der Volkswirtschaftler denkt für die Deutsche Bank über die Blockchain nach. Noch haben die Banken eine Chance, die Technologie zu nutzen. Auf lange Sicht müssen sie aber aufpassen, dass die Blockchain sie als Mittelsmann nicht überflüssig macht. der Rechner mit anderen, gleichfalls akzeptierten Transaktionen zu einem „Block“ zusammengerechnet. Er funktioniert ähnlich wie Rubiks Zauberwürfel: Es ist aufwendig, ihn zu errechnen, aber einfach zu kontrollieren, ob er stimmt. 3. Alle Rechner des Netzwerks laden sich diesen neu errechneten Block herunter. So entsteht eine Chronik der Transaktionen, gespeichert auf dem ersten Block, dem sogenannten Genesis-Block. 4. Alle Blöcke greifen mathematisch ineinander und spiegeln die Regeln des Netzwerks wider. Wenn jemand aus falschen Transaktionen einen Block errechnet, passt er nicht zum vorangegangenen und wird vom Netzwerk abgelehnt. 5. Die Mehrheit der Rechner (bei zehn also mindestens deren sechs) legt schließlich fest, welchen Regeln das Netzwerk folgt. Gebühren an eine Vermittlungszentrale, sei es eine Bank oder Airbnb, fallen nicht an. Welche Vorgänge man in diesem System verbucht, spielt keine Rolle. Die virtuelle Währung Bitcoin, die ohne etablierte Banken und Währungshüter auskommt, ist beispielsweise eine Blockchain; echtes Geld bietet sich ebenfalls an, aber auch Eigentumsund Nutzungsrechte. Kurzum: alles, was eine herkömmliche Buchführung umfasst. Goldman Sachs spricht in einer Studie von einem „Megatrend“, der die „Zukunft des Finanzwesens“ prägen würde. Ähnlich sieht es Michael Bodson, Chef der Depository Trust&Clearing Corporation, die unter anderem den Wertpapierhandel an der New Yorker Börse überwacht: Er bezeichnet die Blockchain als jene „Gelegenheit, die Infrastruktur einer Industrie neu zu denken und zu modernisieren, die man nur einmal in 51 IDEEN / INNOVATIONEN 52 einer Generation hat“. Kurz, die Wall Street werde früher oder später auf die Blockchain umsteigen. Ihren Zauber übt die anonyme Welt der Bitcoins auch auf Dunkelmänner und Drogenhändler aus, weshalb die Staatsgewalt großen Wert darauf legt, dass etwa der Programmcode nicht mit anwendbarem Recht in Konflikt gerät. Das Kreuzberger Büro, in dem Jentzsch auf der Couch sitzt, gehört der Ethereum Foundation. Ethereum ist, nach Bitcoin, die bekannteste Blockchain. Man muss wissen, dass Bitcoin technisch schon veraltet ist, weil Modernisierer nicht die Mehrheit für Systemaktualisierungen hinter sich bringen können. Vitalik Buterin, 22 Jahre alt, hat deswegen in einer Kreuzberger Drei-Zimmer-Hinterhofwohnung kurzerhand eine neue Digitalwährung erfunden bzw. ihr Programm geschrieben: jenes Ethereum, dessen Name an den „Äther“ erinnern soll. Mit Ethereum sollen sich vielschichtige Geschäftsvorgänge ausführen lassen, zum Beispiel vermöge sogenannter Smart Contracts. Intelligente Verträge sind Programme, die das Verhalten der Vertragspartner und die Einhaltung der Vertragsbedingungen kontrollieren und Zahlungen beispielsweise nur dann freigeben, wenn diese erfüllt sind. Rechtsgelehrte können durch diese Verfahren vor bemerkenswerte Herausforderungen gestellt werden, wenn etwa Willenserklärungen über Transaktionen zu einem Vertragsabschluss führen. Wie bewertet man juristisch, wenn eine Waschmaschine mit einem Waschpulver(-hersteller) einen Smart Contract schließt, dessen Inhalt sich nicht aus einem schriftlichen Dokument, sondern aus dem Programmcode einer Transaktion herleitet? Christoph Jentzsch war eine Art Cheftester von Ethereum gewesen, bevor er mit seinem Bruder und einem Partner Slock.it gegründet hat. Im Januar ist Jentzsch auf Einladung des Weltwirtschaftsforums nach Davos gereist. Buterin selbst war gerade in China. Laut Coindesk, einer der wichtigsten Nachrichtenseiten der Szene, will der chinesische Autobauer Wanxiang 50 Millionen Dollar in einen Fonds stecken, der sich mit Blockchain beschäftigt. Also ließ sich Buterin in Davos per Skype zuschalten. „Da waren die ganz hohen Tiere“, sagt Jentzsch: „Regierungschefs, der Chef von McKinsey, der Dekan der Oxford University, Head of Google Europe, ziemlich viele aus Moskau und Kiew. Bei der Frage, wer das Wort ‚Blockchain‘ schon mal gehört In der Bar Room 77 stand Berlins erster Bitcoin-Automat. hat, haben sich zwei, drei Leute gemeldet.“ Jentzsch scheint sich in Davos amüsiert zu haben. „Ich habe gesagt: Eigentlich brauchen wir als Firma kein Konto bei einer Bank. Wir könnten auch ohne Bank weltweit Anteile verkaufen. Ich könnte das jetzige System komplett umgehen. Wir machen das natürlich nicht. Damit wollte ich die nur ein bisschen wachrufen“, erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht. Ein paar private Investoren wollten ihm in Davos für ein paar Millionen gleich seine Firma abkaufen. Blockchain dreht sich aber nicht nur um Geld. Ein Berliner Start-up will geistiges Eigentum damit sichern und handelbar machen; in Honduras wird mit der Technik für Grundbuch-Einträge experimentiert, auch Griechenland interessiert sich dafür. Für Länder, die anfällig sind für Korruption und Misswirtschaft oder in denen Kataster in Kladden geführt werden, ist die neue, billige, unbestechliche Infradigitalstruktur noch interessanter als in gut arbeitenden Bürokratien. Auch die Deutsche Industrie interessiert sich für die Technik. RWE baut mit Slock.it an einer Ladestation für E-Autos, die sich über die Blockchain an E-Tankstellen identifizieren und für den gezapften Strom bezahlen. Slock.it soll mit einem Kleincomputer die Verbindung der E-Ladestation mit der Blockchain herstellen. Für RWE geht es darum, eine Infrastruktur für den dezentralen Handel mit Energie aufzubauen. Christoph Jentzsch und ich steigen ins Taxi, fahren in die Graefestraße. Wir wollen ein paar Fotos im Room 77 schießen, einer Kneipe in Kreuzberg. Der Room 77 ist die bekannteste deutsche Bitcoin-Bar. In der Gegend gibt es so einige Läden, die die neue und schon alte BILANZ / APRIL / 2016 Kryptowährung akzeptieren. Der Bitcoin hat wahrscheinlich nicht nur deshalb eine relativ überschaubare Zukunft, weil er technisch veraltet und nicht aktualisierbar ist, sondern auch, weil sich mit seiner Blockchain nur ein begrenztes Datenvolumen verarbeiten lässt – im günstigsten Fall sieben Transaktionen pro Sekunde. Das System des Kreditkartenunternehmens Visa schafft im selben Zeitraum bis zu 10.000 Transaktionen. Die begrenzte Leistungsfähigkeit bedroht auch die Ethereum-Blockchain. Sicher ist, dass die Größenordnung, von der Christoph Jentzsch heute träumt (alle vermieten alles auf der Blockchain), mit der heutigen Technik nicht machbar ist. Klassische Datenbanken würden zwar „komplett zentral“ arbeiten, sagt Jentzsch, aber sie hätten „alles im Griff“, zeigten „eine gute Performance“ . Jedenfalls im Vergleich zum dezentralen Blockchain-Ansatz. Er hoffe, dass sich das Problem spätestens in fünf Jahren durch eine Technik namens „Sharding“ erledigt, eine spezielle Datenbank-Architektur. Übrigens, wirft er ein, sei „Google der Mega-Middleman, der viele andere Mittelsmänner aufgekauft hat, und Amazon und Facebook versuchen dasselbe“. Tja, deren Geschäft würde langfristig auch durch die Blockchain infrage gestellt: „Die Disrupter disrupten…“ In Davos, fällt Jentzsch jetzt ein, hätte übrigens auch Christine Lagarde, die Chefin des Weltwährungsfonds, über die Blockchain gesprochen: Der IWF glaube, dass die Blockchain dazu beitragen könne, den 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt, die kein Bankkonto haben, die Teilnahme am Finanzsystem zu ermöglichen. In einem anderen Café im Bitcoin-Kiez sitzt Thomas Dapp (37) vor einem Ikea-Glas mit Heißwas- ser, Honig und ein paar Krümeln frischer Minze. Dapp ist Researcher bei der Deutschen Bank und trägt einen Strickpullover in Blau und eine Brille mit blauem Rahmen. Eine der letzten Studien, die er für die Deutsche Bank geschrieben hat, handelte davon, welche Auswirkungen die Blockchain-Technik für die Finanzbranche hat. Es heißt dort, die Technik sei in der Lage, Banken im Wettbewerb „wieder nach vorne zu katapultieren“; Finanzinstitute könnten „versuchen, ihre Geschäftsmodelle dadurch zu verteidigen“, und es sei „durchaus denkbar“, dass sich die Banken dabei „gut“ positionierten. Dapp ist Volkswirt, kein Informatiker. Er hat die Blockchain durchdrungen, so weit dies eben ohne Informatik-Hintergrund geht. „Der Einsatz der Jentzsch will dieses E-Schloss an die Blockchain hängen. ursprünglich angedachten Blockchain könnte für die Banken sein, was das Peer-to-Peer Sharing vor 20 Jahren für die Musikindustrie war“, also die gute alte Dateifreigabe, die einen gemeinsamen Zugriff erlaubt. Wenn die Banken plötzlich die Bitcoin-Blockchain einsetzten, dann würden sie sich mit einem Schlag selbst überflüssig machen. Um in Dapps Beispiel zu bleiben: Das wäre so, als hätte Universal Music selbst die Musiktauschbörse Napster veröffentlicht, um die Urheberrechte der Industrie zu plündern. 42 der weltgrößten Banken haben sich deshalb in New York zu dem „Konsortium 3“ (R3) zusammengeschlossen: Sie wollen den Nutzen der Blockchain-Technik für Banken ergründen und Standards entwickeln. Auch die Deutsche Bank ist dabei, außerdem die Commerzbank und UBS. Natürlich forscht R3 nicht an einem frei zugänglichen Blockchain-Netzwerk, sondern an einem, das autorisierten Teilnehmern vorbehalten ist: ein Blockchain-Netzwerk für Banken. Einerseits löst das das Problem des Datenvolumens. Andererseits ist es eine Möglichkeit für die Banken, länger im Spiel zu bleiben. Zumindest so lange, bis die öffentliche Blockchain wie Ethereum das Problem der Skalierbarkeit, des Datenvolumens, gelöst hat. „Wenn es um Effizienz, also um schlankere Prozesse mit Kosteneinsparungspotenzial geht, ist eine öffentliche Blockchain einer privaten Blockchain überlegen, weil Mittelsmänner eingespart werden können“, sagt Dapp. „Aber am Ende spielt auch der politische Wille eine große Rolle“ beim Einsatz neuer Techniken: „Transaktionsprozesse im Finanzwesen ohne institutionelle Aufsicht und Kontrolle? Welcher Regulator der Welt würde dem denn zustimmen?“ I 53 IDEEN / INNOVATIONEN Automaten und Rechner sollen bald einen Gutteil der Anwaltsarbeit übernehmen. Wie die Digitalisierung das Geschäft mit dem Recht verändert. 54 Text / SOPHIE CROCOLL Illustrationen / DOC ROBERT BILANZ / APRIL / 2016 D ie Technisierung beginnt gerade erst, ihre Wirkungsmacht zu entfalten“: Leo Staub (59) ist hin- und mitgerissen, wenn er an das Geschehen denkt, das sein Gewerbe ergriffen hat. Als Anwalt in Gossau praktizierend sowie als Rechtsprofessor und Akademiedirektor an der dortigen Universität tätig, sieht er die bestehenden Geschäftsmodelle der internationalen Anwaltschaft akut bedroht, wenn nicht gar als durchaus existenzgefährdet. Die Technisierung werde die Arbeit der Juristen „revolutionieren“, sagt Staub. „Wenn traditionelle Kanzleien sich dieser Einsicht verschließen, werden neue Anbieter sie überrollen.“ Mit der Technisierung meint Staub natürlich die Aufrührerin aller Branchen: die Digitalisierung, wen sonst, und die durch das Internet hervorgebrachte Möglichkeit, Daten jederzeit, allerorten und in immer größeren Mengen zu gewinnen und zu verarbeiten. Wie nahezu alle Erwerbszweige, nur vielleicht etwas später als die meisten anderen, sieht sich zunehmend auch das Geschäft mit dem Recht, bislang streng reglementiert und keinem klassischen Anbieterwettbewerb unterworfen, den kaum zu steuernden Einflüssen der Digitalisierung ausgesetzt. Der britische Jurist und Autor Richard Susskind (55) erwartet, dass sich „in den kommenden zwei Jahrzehnten in der Welt des Rechts mehr verändern wird als in den vergangenen zwei Jahrhunderten“ zuvor. In 20 Jahren würden Automaten viele Anwälte überflüssig machen (s. S. 57). Ein beträchtlicher Prozentsatz – meist internationaler – Kanzleien speichert schon heute Informationen in der Wolke, nutzt Programme, die Texte verarbeiten, Bücher führen, Rechnungen stellen und bei großen Projekten die Arbeitsabläufe oder den Austausch mit Mandanten steuern. Anwälte besprechen sich mit ihren Mandanten in Videokonferenzen, tauschen sich in Facebook-Gruppen aus oder „twittern“ wichtige Urteile. Doch dies sind nur die Vorboten der einschneidenden Veränderungen, die der Branche bevorstehen. Besonders das Auswerten großer Datenmengen und ihre Verwendung in Systemen der sogenannten Künstlichen Intelligenz werden das Rechtsgeschäft von Grund auf verändern. Dabei geht es zum einen um die herkömmliche Beratung: Neu-Anbieter wie Advocado stellen künftigen Mandanten auf ihrer Internetseite mehrere Anwälte vor und vergleichen die jewei- DIE GRÖSSTEN WIRTSCHAFTSKANZLEIEN IN DEUTSCHLAND* 1 FRESHFIELDS BRUCKHAUS DERINGER (GB)** 355 2 CMS HASCHE SIGLE 265 3 HENGELER MUELLER 205 4 CLIFFORD CHANCE (GB) 188 5 LINKLATERS (GB) 185 6 NOERR 178 7 GLEISS LUTZ 172 8 HOGAN LOVELLS (GB/USA) 141 9 ALLEN & OVERY (GB) 135 10 TAYLOR WESSING 122 ligen Kosten; bei Smartlaw wiederum lassen sich im Netz ganze Vertragswerke aufsetzen, die auf die eigenen Vorgaben zugeschnitten sind; andere Anbieter schließlich haben sich auf bestimmte Rechtsfragen spezialisiert, Flightright auf Entschädigungsforderungen gegenüber Fluggesellschaften. Derlei Dienstleistungen lassen sich normieren und standardisieren und sind aufgrund dessen verständlicherweise nicht nur schneller, sondern auch günstiger im Netz in Anspruch zu nehmen als ein Anwalt Seit 2013, sagt Staub, seien in Großbritannien über tausend Kleinkanzlei- * UMSATZ IN MILLIONEN EURO ** FIRMENSITZ QUELLE: JUVE en verschwunden. Auch in Deutschland, sagt der Schweizer voraus, würden nicht wenige Anwälte in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen: „Das untere Kanzlei-Segment wird noch viel stärker unter Druck geraten.“ Betroffen von den Umwälzungen ist neben der Individualberatung vor allem das Geschäft mit Unternehmen. Ein Beispiel von vielen: Derzeit durchkämmen Anwälte der US-Kanzlei Jones Day im Auftrag von Volkswagen Hunderttausende Schriftstücke, Textdateien, E-Mails, Quellcodes, Messund Kontrollwerte, die Aufschluss geben könnten über Gesetzesverstöße beim Abgasskandal. Sachkenner halten es für wahrscheinlich, dass die Anwaltskosten, die VW für diese Ermittlungen zu tragen hat, weit höher zu Buche schlagen als jene, die etwa Siemens im Zuge der Korruptionsaffäre 2007 übernehmen musste: Damals stellte die Kanzlei Debevoise & Plimpton den Münchnern eine Rechnung über 200 Millionen Euro aus. Doch möglicherweise sind in Bälde günstigere Tarife zu erwarten. Die Aufbereitung von Akten ist für Anwälte bislang noch ein sehr einträgliches Geschäft, zumal in den USA, wo die Rechtsprechung auf richterlichen Entscheidungen einzelner Fälle beruht und jene Präzedenzfälle häufig erst mühsam gesucht werden müssen. Auch in Deutschland, besonders in Kanzleien mit weltweit tätigen Konzernmandanten, gehört Aktenstudium zu den lohnenswertesten Tätigkeiten. „Jahrzehntelang haben Kanzleien die Berufsanfänger Akten wälzen lassen und sich so den Stundenzettel gefüllt“, sagt Leo Staub. Doch damit sei es bald vorbei: „Unternehmen werden Kanzleien auch danach auswählen, zu welchem, am besten festen Preis sie ihre Leistung anbieten.“ In einer Untersuchung der Beratungsfirma Boston Consulting und der Bucerius Law School in Hamburg kommen die Forscher zu dem Schluss, dass sich mit der Digitaltechnik ein Drittel, wenn nicht gar die Hälfte der Arbeitszeit in Kanzleien einsparen ließe. 55 IDEEN / INNOVATIONEN 56 Nicht alle Vertreter der Gilde erwarten freilich gleich eine Revolution, dazu ist man von Berufswegen viel zu skeptisch. „Umstürzende Veränderungen wird es nicht geben“, meint Markus Hartung von der Bucerius Law School: „Ein Anwalt muss dem Mandanten mit der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in ihn einzufühlen, durch den Prozess helfen. Dies kann eine Maschine nicht.“ Gleichwohl stellt sich auch Hartung darauf ein, dass es für Kanzleien künftig weniger zu tun gebe. Seit einigen Jahren bekommen es Anwälte mit immer neuen Konkurrenten zu tun. In Australien wurde der Rechtsmarkt liberalisiert, in Großbritannien dürfen heute auch Nicht-Anwälte Kanzleien betreiben, Supermärkte sogar Rechtsdienste feilbieten. In den USA, in Asien, aber in wachsendem Maße auch in Europa übertragen immer mehr Konzerne gewisse Routineaufgaben wie Risikoprüfungen oder das Ausstellen von Verträgen an sogenannte Legal Process Outsourcer (LPO), die weniger teure Fachangestellte oder Anwälte in Niedriglohnländern beschäftigen – und daher mit günstigeren Preisen aufwarten. Die amerikanisch-indische Firma Pangea 3 zum Beispiel, die zum Informationsunternehmen Thomson Reuters gehört, beschäftigt 1.400 ihrer 1.800 Anwälte in Mumbai und Delhi. „Wir LPOs machen vielleicht erst zwei Milliarden eines 200-Milliarden-Dollar-Markts aus“, sagt Pangea-3-Manager Friedrich Blase: „Aber das wird sich mehren, und wir werden deutlich mehr Tätigkeiten übernehmen.“ Nachdem man bislang vor allem versucht hatte, Vorteile gegenüber Kanzleien durch niedrigere Lohnkosten zu erzielen, spielten nun auch „technische Prozesse eine immer wichtigere Rolle“. Zu den neuen Wettbewerbern, die den Traditionskanzleien das Geschäft streitig machen, gehören auch Firmen wie Axiom Law in New York, die Anwälte projektweise vermittelt, oder Ravel Law in San Franzisko, die ihrerseits Algorithmen entwickelt hat, mit deren Hilfe sich angeblich nicht nur Verbindungen zwischen Fällen herstellen, sondern sogar Richter finden lassen, die zugänglich für bestimmte Argumentationsmuster sind. Solche Programme können die Arbeit von Anwälten, die sich in den USA bislang vor allem auf Datenbanken wie Lexis Nexis und Westlaw (Thomson Reuters) verlassen, deutlich beschleunigen. „Die Mächtigkeit dieser Software deutet heute schon darauf hin, welche Möglichkeiten es in Zukunft geben wird“, sagt Leo Staub. Kein Wunder, dass Anleger auf die Szene aufmerksam geworden sind. Allein in den USA steckten sie 2014 mehr als 80 Millionen Dollar in junge Rechtsfirmen, allein Google pumpte zwischen 2009 und 2014 fast 40 Millionen Dollar in den Online-Rechtsdienstleister Rocket Lawyer. Auch in Deutschland gerät die Branche langsam in Bewegung. Die Berliner Firma Leverton, eine Ausgründung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, hat ein Programm entwickelt, das Verträge ausliest – und sogar versteht: Sucht ein Anwalt in Tausenden Ver- ILLUSTRATION: DOC ROBERT tragsseiten nach Informationen, zeigt ihm der Robo-Gehilfe die entscheidenden Stellen. „Ein Partner einer Großkanzlei meinte zwar, dass ihm unsere Software Stunden für simple Reviews nimmt“, sagt Leverton-Chef Emilio Matthaei: „Aber die meisten Kanzleien haben verstanden, dass mit unserem Programm im Tandem eine bessere Leistung möglich ist.“ Zu Matthaeis Kunden gehören bereits die Kanzlei Clifford Chance, die Deutsche Bank und Union Investment. Doch nicht alle Anreize kommen von außen. Verschiedene Großkanzleien versuchen ihrerseits, neuen Konkurrenten zuvorzukommen. „Dass die Technisierung in unser Geschäft Einzug erhält, ist keine Frage“, sagt Alexander Bissels, Partner der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle: „Also muss man sich Gedanken machen.“ Aus Bissels’ Überlegungen entstand ein Programm, mit dem Kunden der Kanzlei zu einem Festpreis prüfen, ob etwa die Verträge ihrer Leiharbeiter der Gesetzeslage entsprechen. Ein geschulter Mitarbeiter, sagt Bissels, brauche 15 Minuten für eine Prüfung, die zuvor einen der CMS-Anwälte zwei bis drei Stunden beschäftigt habe. Manche Kollegen, gibt Bissels zu, hätten zwar gemurrt, ob man sich nun selbst abschaffen wolle: „Aber wir generieren mit unserem Tool auch zusätzlichen Beratungsbedarf, erbringen andere Leistungen, die unsere Mandanten anfragen.“ Es ist das, was Leo Staub seinen Studenten in Weiterbildungsprogrammen beibringen will: „Anwälte brauchen unternehmerisches Rüstzeug! Wie sollen wir uns sonst auf dem Markt positionieren?“ Angehende Juristen müssten deshalb bereits an der Universität neben Zivil- und Strafrecht auch Big Data-Analysen lernen. Das Studium der Rechtswissenschaft hält Staub dennoch nach wie vor für erfolgversprechend: „Die Ordnung im Kopf nimmt Ihnen keiner mehr.“ Sein jüngster Sohn werde im Übrigen Anwalt. Um dann Unternehmer zu werden. I BILANZ / APRIL / 2016 E-JUSTIZ UND ALGORITHMUS Roboter sprechen Recht, Automaten ersetzen Advokaten: Gespräch mit dem britischen Anwaltsschreck Richard Susskind. Interview / SOPHIE CROCOLL Herr Susskind, Sie sagen das Ende des Anwaltsberufs voraus: Wer, bitte, soll künftig Erbverträge aufsetzen, Eheleute und Mörder vor Gericht vertreten? Bis Anwälte überflüssig werden, wird es ja noch 30, 40 Jahre dauern. Aber schon 2030 wird das Rechtswesen nichts mehr mit jener Welt gemein haben, wie wir sie aus Grisham-Romanen kennen oder aus Fernsehserien wie „Suits“ und „The Good Wife“… B …die mit der Wirklichkeit auch wenig zu tun haben. Die Digitalisierung und die Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz werden den Anwaltsberuf von Grund auf verändern und den Bedarf an Anwälten selbst erheblich senken. Nicht Köpfe, sondern Programme werden Rechtsprobleme lösen. B Um Gottes willen, kommt jetzt auch noch der Google-Advokat? Es werden jedenfalls nicht mehr nur Anwälte Rechtsdienste anbieten, sondern auch Technikunternehmen. B Aber die müssten sich, weil sie weder von Sozial- und Rechtsnormen noch von Moral und Ethik etwas verstehen, auf standardisierte Prozesse beschränken, wie Bußgeldverfahren. Ich kenne diesen Einwand, Anwälte sagen mir auch immer: „Online -Gerichtsverfahren könnten bei einfachen Delikten vielleicht funktionieren, aber nicht bei wirklich großen Fällen.“ B Denn vor Gericht zählen auch Einfallsreichtum, Erfahrung und Überzeugungskraft. Wie gesagt, Ihre Argumente kommen mir bekannt vor – und in allen Branchen wurden sie widerlegt. Zunächst hat sich die Technik bei wenig komplexen Aufgaben durchgesetzt, um dann doch alle Teile zu erfassen. Und letztB 57 Gilt, je nach Geisteshaltung, in der Rechtsberatergilde als Avantgardist oder Albtraum: der Jurist, Buchautor und Berater Richard Susskind (55). endlich geht es ja auch darum, was die Kunden wollen: Technik macht Rechtsberatung billiger, sie demokratisiert den Zugang zum Rechtssystem und bietet Konzernen fortschrittlichere Lösungen. Warum sollte man einen Anwalt bezahlen, dessen Tagessatz höher ist als der Streitwert, um den es geht? B Weil es ums Recht geht? Und warum sollte ein Unternehmen 30 Anwälte dafür bezahlen, Hunderttausende Dokumente zu prüfen, wenn ein gutes Programm und ein einziger Anwalt das für ein Zehntel der Kosten übernehmen könnten? B Weil es auch darum geht, Dokumente zu interpretieren. Und selbst wenn Maschinen dies eines Tages könnten, würden Kanzleien dieses Geschäft selbst machen wollen. Aber vielleicht werden nicht mehr nur sie es können. Auch wenn Start-ups in FOTO: PAUL STUART der Rechtswirtschaft noch ziemlich unbedeutend sind, werden ein oder zwei von ihnen diese doch von Grund auf verändern – wie es in allen Branchen der Fall war, die die Digitalisierung ergriffen hat. Vielleicht ist Ihre Fantasie in dieser Hinsicht auch nur begrenzt – ich möchte niemandem zu nahe treten –, aber Londoner Kanzleien sind den deutschen, was den Einsatz von Technik angeht, um fünf Jahre voraus. B Inwiefern? Allen & Overy bietet z.B. einen Internetdienst an, den viele Banken für die Regeleinhaltung nutzen. Das bringt im Jahr schon zwölf Millionen Pfund ein. B Die klassische Kanzlei hat sich überlebt? Sagen wir so: Anwälte, die einfallsreich sind, unternehmerisch denken und moderne Technik einsetzen, haben tolle Aussichten. I IDEEN / INNOVATIONEN „ EIN SUPERLATIV MUSS SEIN “ Der Investor Carsten Maschmeyer sucht allenthalben nach Beteiligungen an vielversprechenden Gründungen. Wichtigstes Kriterium: Das Team muss stimmen. 58 Herr Maschmeyer, was zeichnet einen guten Firmengründer aus? Er oder sie braucht vor allem eine richtig gute Geschäftsidee, eine originelle Erfindung. Jeder Gründer muss sich auch darüber im Klaren sein, dass er ein Unternehmen nicht im Alleingang entwickeln kann. Ich habe oft genug erlebt, wie technisch orientierte Gründer an Schwächen in den Disziplinen Marketing und Vertrieb gescheitert sind. Jeder Gründer braucht deshalb ein Team, das seine Stärken komplettiert und seine Schwächen ausgleicht. Nach diesen Kriterien entscheiB den Sie über Investitionen? Ich investiere in Innovationen. Irgendein Superlativ muss da sein: erster, bekanntester, schnellster oder günstigsB Carsten Maschmeyer: Im Silicon Valley wird auch nur mit Wasser gekocht. ter. Ich mag keine Copycats, das ist mir zu fantasielos. Entscheidend aber ist für mich das Team. In der Immobilienbranche sagt man: Lage, Lage, Lage. Bei Gründern sage ich: Team, Team, Team. Für mich gibt es kein gutes Unternehmen, nur gute Unternehmer. B An wie vielen Jungfirmen sind Sie inzwischen beteiligt? Die Zahl ist zweistellig, und die erste Ziffer ist keine Eins. Manche sind bekannt, manche nicht. B Welche Beteiligungen machen sich besonders gut? Interview / ARNO BALZER FOTO: CHRISTIAN O. BRUCH/LAIF Wir sind sehr stolz, dass Barzahlen.de mit dem Digital Banking Award ausgezeichnet wurde. Das ist ein Portal, über das Sie online kaufen können, aber offline bezahlen. Ich habe auch große Freude an meiner Beteiligung an Blacklane, der Limousinen-Plattform. Sie hat den Preis für das am schnellsten wachsende Tech-Start-up gewonnen. Und natürlich Nu-3, die Nahrungsergänzungsmittel-Experten, die ja auch bei „Gründerszene“ unter den Top Ten platziert sind. B Und an welchem Unternehmen wären Sie gern beteiligt, bei dem Sie den Einstieg verpasst haben? Wenn man am 31. Dezember liest, welche Aktien sich in einem Jahr am besten entwickelt haben, kommt schon BILANZ / APRIL / 2016 mal der Gedanke: Schade, dass ich da oder dort nicht dabei war. Facebook ist ein Beispiel dafür. Doch ich blicke lieber nach vorne, entscheide am 2. Januar, woran ich glaube. B Wie viele Unternehmen schauen Sie sich dabei näher an? Ungefähr tausend pro Jahr. Meine Mannschaft und ich versuchen, alle interessanten Start-ups zu sichten, leider schaffen wir das nicht immer. Ich habe auch schon Investments abgelehnt, weil ich an das Geschäftsmodell nicht geglaubt habe. Ein paar Monate später hat die Firma dann ihr Geschäftsmodell geändert – und auf einmal waren sie erfolgreich. B Für die Vox-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ haben Sie extra die Investmentfirma Seed & Speed gegründet. Warum eine weitere? Wir gehen jetzt auch sehr frühphasige Investments ein. Da geht es zwar nicht um die ganz großen Summen – aber dafür ist der Hebel sehr groß. Wir haben gemerkt, dass wir zu oft gesagt hatten: Das ist ein ganz nettes Team, aber die sind noch nicht weit genug. Da habe ich mir gesagt: Etwas Gutes kann nicht nur dadurch schlecht sein, dass es zu früh ist. Ich wäre ja auch gerne bei Facebook sehr früh drin gewesen. Sie sind ein Mann der FinanzB industrie. Welchen Eindruck machen auf Sie die vielen jungen Fintech-Unternehmen, die in Deutschland aus dem Boden sprießen? Historisch ist das Finanzgewerbe ja eine sehr verschlafene, fast gemütliche Branche. Banken und Versicherung sind fast schon traditionell nicht sehr innovativ... B ...die einzige echte Erfindung in 20 Jahren, sagte der ehemalige Chef der US-Notenbank Fed, Paul Volcker, vor einiger Zeit, sei der Geldautomat gewesen... ...ein bisschen mehr ist schon noch gekommen, Online-Banking beispielsweise. Aber wir haben es mit bürokratischen Tankern zu tun, die in Regulierung und immer mehr Com- DER GRÜNDERWETTBEWERB pliance machen. Da hilft eine gewisse Unbefangenheit, mit der diese jungen Gründer denken. B Ist Naivität nicht gefährlich beim Geschäftemachen? Ein Gründer braucht Optimismus, allein schon, um die Risiken zu überwinden. 90 Prozent werden scheitern, weil sie die Branche unterschätzen. Ab einer gewissen Größe oder bestimmten Nähe zum Zahlungsverkehr muss Unbefangenheit durch Professionalität ergänzt werden, müssen Sie die Regeln und Bafin-Richtlinien einhalten. Kommentare wie „Bafin-Themen interessieren mich nicht“ sind natürlich der Untergang. B Welche Fintechs werden Ihrer Meinung nach also die Branche aufrütteln können? Ich glaube, am Ende läuft es auf eine Kombination hinaus: Wir werden diese großen Tanker oder Flugzeugträger haben, also Banken oder Versicherungen, und die kleinen Fintechs, die Schnellboote sein können, die für Furore in manchem Finanzhafen sorgen können. B Sehen das die etablierten Konzerne auch so? Oder müssten sie mehr tun, um die deutsche Gründerszene voranzubringen? Viele Großunternehmen sind auf einem guten Weg, haben ihre eigenen Inkubatoren – natürlich mit strategischer Ausrichtung; sie wollen das auch für ihr Geschäft nutzen können. Den jungen Start-ups will ich allerdings sagen: Gründen Sie lieber in Freiheit, und fokussieren Sie sich nicht zu früh darauf, welche Synergien Sie dem möglichen Mutterkonzern bringen. B Warum nicht? Wer unabhängig ist, kann kreativer operieren. Mit einem Großen kann sich ein Gründer später immer noch zusammentun. In der Kombination liegt der Reiz: diese frechen, mutigen, flexiblen, schnellen Gründer auf der einen Seite und die Erfahrung der Großen auf der anderen. Wenn sich New and Old Economy verbünden, dann ist das eine unschlagbare Kombination. 61 59 IDEEN / INNOVATIONEN MEHR ZINSEN FÜR ALLE Fintech „Made in Germany“: Das Jungunternehmen Deposit Solutions hat ein Herz für Geldanleger. 60 Wie findet man die zündende Geschäftsidee? Abkupfern, im Fachjargon Copy-and-paste, gilt als aussichtsreiche Methode. Nach- und querdenken soll hilfreich sein. Aber auch die Enttäuschung über bestehende Geschäftspraktiken soll schon originelle Lösungen hervorgebracht haben. Tim Sievers (40) setzt eindeutig auf die dritte Strategie. Vor ein paar Jahren wollte der Hamburger Volkswirt ein paar Tausend Euro auf einem Festgeldkonto anlegen. Weil seine Bank aber nur lausige Zinsen zahlte, schaute Sievers sich bei anderen Instituten um. Tatsächlich boten etliche von ihnen höhere Zinsen – doch damit ging die Arbeit für den Anleger Sievers erst los. Um die reizvollsten Angebote wahrnehmen zu können, hätte er ständig irgendwo Konten eröffnen und kündigen müssen, jedes Mal ein bürokratischer Aufwand. Dazu kam Verwaltungsarbeit fürs Finanzamt und eine ausufernde private Buchführung. „Das muss im 21. Jahrhundert doch alles viel einfacher gehen“, sagte er sich und suchte nach einer Lösung. Inzwischen ist aus der Idee ein Jungunternehmen namens „Deposit Solutions“ entstanden, das in der internationalen Gründerszene als Hoffnungsträger gilt: ausgezeichnet mit den Innovationspreisen der Europäischen Union und der Stadt Hamburg, gefördert mit einem Preisgeld von 50.000 Euro, finanziert von Risikoinvestoren wie E-Ventures (Familie Otto) und der börsennotierten Fin-Lab AG, überdies vor drei Monaten noch geadelt durch den Einstieg der deutsch-amerikanischen Gründerlegende Peter Thiel. Was Sievers und seine inzwischen auf 60 Köpfe angewachsene Mannschaft bei Branchenprofis begehrt macht, ist eine ausgeklügelte Platt- form, von der Sparer genauso profitieren wie Banken. Und so funktioniert Deposit Solutions (DS): Über seine Hausbank oder über ein Konto bei den DS-Kooperationsinstituten Sutor und BIW Bank legt der Kunde das Geld bei einem Institut an, das Einlagen sucht und deshalb bessere Zinsen bietet – ohne ein Konto bei dieser Bank eröffnen zu müssen. So kann er ohne den üblichen Papierkram aus einem Konto heraus die Angebote anderer Banken nutzen. Auch die Hausbank gewinnt: Sie behält den Kunden, transferiert nur sein Geld. Vor allem aber verbessert sie ihre Gewinnmarge. Statt Strafzinsen bei der Notenbank für geparkte Einlagen zahlen zu müssen, kassiert sie eine Provision. Mit neun Partnerbanken paktiert Sievers derzeit, darunter Credit Plus (Mutter: Credit Agricole), Aareal Bank und neuerdings Close Brothers. Text / ARNO BALZER FOTO: DEPOSIT SOLUTIONS Auf Tim Sievers und seine Gründung Deposit Solutions setzen prominente Investoren. Sievers will die Zahl der Institute noch kräftig steigern, denn das Potenzial sei gewaltig. „Neun Billionen Euro Einlagen liegen bei den Banken in Europa“, sagt Sievers, „und der Markt ist in einem ständigen Ungleichgewicht.“ Institute wie die Postbank haben milliardenhohe Einlagenüberschüsse, die Geld kosten und die Bilanzen aufpumpen. Andere Institute suchen Einlagen, um zum Beispiel mehr Kreditgeschäft machen zu können. Dass Deposit Solutions über eine Technologie verfügt, die diesen Ausgleich leicht und kostengünstig beschleunigen kann, genau das hat auch Start-up- Profi Thiel angelockt. Der Mann hat ein Gespür für smarte Geschäftsmodelle. I 59 Sie sind jetzt häufiger im Silicon Valley. Haben Sie sich dort schon ein Büro eingerichtet? Wenn ich in Amerika bin, brauche ich nur meine digitalen Anschlüsse und mich selbst. Aber im Valley zu sein, ist sehr, sehr spannend. Denn dort kriege ich natürlich frühzeitig Trends mit. Man merkt aber auch schnell, dass das Valley kein anderer Planet ist. Die kochen auch nur mit Wasser. Es gibt auch in Deutschland tolle Gründer, herausragende Erfinder, Spitzen-Wissenschaftler und viele kreative Leute, die sich nicht verstecken müssen. B Nur ist die Gründerszene hierzulande nicht so lebendig wie in den USA, auch finanziell nicht so gut ausgestattet. Stimmt, und auch die mediale Begleitung ist anders. Wenn in den USA einer zehn Beteiligungen hat, stürzen sich Reporter auf die Aktivitäten, die gut laufen. In Deutschland haben manche Medien Spaß daran, die in den Vordergrund zu stellen, die nicht gut laufen. Das heißt, viele hier haben Angst, hinterher mit Häme überschüttet zu werden, falls sie falsch investiert haben. Dabei geht es ja darum, dass mehr Sieger-Start-ups herauskommen als Verlierer. Der Umgang mit dem Scheitern, das ist für mich der größte Unterschied. B Mangelt es hierzulande nicht auch an einer besseren Förderung durch den Staat? Müsste die Politik mehr tun, um die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen zu verbessern? Durchaus. Generell gilt: Sie sollte in einem Land das fördern, wovon dieses Land etwas hat. So wie man den Wohnungsbau fördert, um Wohnungen zu schaffen, müsste man innovative Unternehmen fördern, die neue Arbeitsplätze schaffen, die den Standort stabilisieren. Dazu gehört aber auch, dass Investitionen in solche Aktivitäten steuerlich entlastet werden müssten. Schließlich geht es hier um die Zukunft unserer Volkswirtschaft und unserer Gesellschaft. I BILANZ / APRIL / 2016 B Deutschland braucht mehr Unternehmertum! Gemeinsam mit seinen Partnern startet BILANZ deshalb eine Gründeroffensive. Teil davon ist ein Gründerwettbewerb mit dem höchstdotierten Hauptpreis der Republik: Der Sieger bekommt 100.000 Euro. Alles Nähere: www.bilanz.de/der-wettbewerb Unsere Partner 61 UHREN SPEZIAL Seite 63 VINTAGE-UHREN – Der Absatz neuer Uhren geht zurück, gebrauchte Klassiker legen zu. Ein Querschnitt. Seite 68 EVA-LOTTA SJÖSTEDT – Als KarstadtChefin glücklos, poliert die Schwedin jetzt die dänische Traditionsmarke Georg Jensen auf. Seite 72 UHRWERKE – Warum bald (fast) jeder Hersteller seine eigenen baut. Seite 75 KENGELBACHS FÜNF MINUTEN Der Experte fordert mehr Offenheit von einer verschwiegenen Branche. Seite 76 SANDRINE STERN – Madame kreiert bei Patek Philippe auch für Monsieur. Seite 78 SCHRÄGE MODELLE – Sechs Uhren, die nicht jedermann gefallen. Seite 80 CAROLE FORESTIER-KASAPI Wie eine Pariserin auf den Schweizer Bergen Cartier neuen uhrmacherischen Glanz verleiht. BILANZ / APRIL / 2016 Im Windschatten des Aufschwungs neuer mechanischer Uhren gedieh der Sammlermarkt für alte Zeitmesser. Ein Branchen-Querschnitt. Von Jägern und Sammlern Text / JÖRN KENGELBACH Fotos / MYRZIK UND JARISCH 63 Das Internet hat die Uhrenwelt entdeckt (oder umgekehrt), im Dezember notierte das Netzmagazin „Gründerszene“: „Noch ein Uhren-Start-up mit Millionen-Investment.“ Der Beitrag handelte von der Verkaufsplattform Watchmaster, die knapp fünf Millionen Euro von erwartungsfrohen Geldgebern einernten konnte. Kurz zuvor hatte die Kölner Gründung Chronext einen fast ebenso großen Betrag entgegennehmen dürfen, und im Juli 2015 war es die E-Uhrenbörse Chrono 24 gewesen, die rekordnahe 21 Millionen Euro eintreiben konnte. Sie alle greifen ein in ein Marktgeschehen, das noch vom Kaufladen geprägt ist: „Uhren will man nicht im Internet kaufen“, behauptete vor zwei Jahren Jean-Claude Biver (66), Leiter der Uhrensparte des LVMH-Konzerns, Uhren seien wie Schuhe, die müsse man anprobieren. Seitdem hat sich der Handelsaustausch gründlich verändert: Die Smartwatch von Apple stellt die Widerstandskräfte der Gilde ebenso auf die Probe wie die ausbleibende Kundschaft aus China und Russ- land. Die Einnahmen der Schweizer Uhrenindustrie sind im Rückgang begriffen, die Ausfuhr dezimierte sich um 3,3 Prozent auf gut 20 Milliarden Euro; die Vertriebskartelle verlieren an Durchsetzungskraft, nicht zuletzt, weil der Markt mit Gebrauchtuhren überreich bedacht ist und weil wertstabile sogenannte Vintage-Modelle in Zeiten von Nullzinsen keine uninteressante Anlagealternative darstellen. Der mit Luxusuhren erzielte Weltumsatz beträgt gut und gerne 35 Milliarden Euro, wohlgemerkt in Endkundenpreisen gerechnet. Die Industrie geht davon aus, dass der Markt der Gebrauchtuhren einen Umfang von zehn bis 15 Milliarden Euro erreicht. Doch wie gestaltet sich das Geschäft mit Jahrgangsuhren, und kann der Uhrenkäufer auf längere Sicht seinen Vorteil ziehen aus den Preiskämpfen, die unter Internetanbietern toben? Wir haben nachgefragt bei einem Auktionator, bei Händlern und beim Netz-Weltmarktführer aus Deutschland. UHREN SPEZIAL DER EINZELKÄMPFER UND KUNSTKENNER Hubertus Reygers (59), Galerist und Uhrenhändler aus München. 64 „Ich bin über meine private Sammellust zum Uhrenhandel gekommen. Es fing mit alten silbernen Taschenuhren an. In den 80er-Jahren interessierte sich kein Mensch für Armbanduhren. Während meines ersten Jura-Staatsexamens erzählte mir 1983 ein Freund, dass die Royal Airforce alte Fliegeruhren verkaufen würde. Da haben wir uns für 150 Mark 40 Exemplare der ‚Mark 11‘ von IWC gekauft und die für je 200 Mark an Freunde weiterverkauft. Heute liegt eine grob bei 6.000 Euro. Eigentlich wollte ich einen reinen Uhrenhandel aufmachen. Aber es wurde eine Fotogalerie mit Uhren. Mir kam die Idee, Uhren und Kunst miteinander zu verbinden. Meine erste Ausstellung hieß 1993 ‚Uhren und Huren‘. Ein reines Wortspiel, ich hatte Bilder des Aktfotografen Günter Blum ausgestellt, zusammen mit Uhren. Der Unterschied zu heute? Die Preise. Mitte der 80er hatte ich mal eine ‚Rolex Daytona‘ Handaufzug für 1.800 Mark gekauft, die wollte keiner. Als die Produktion eingestellt wurde, ging die Preisrallye los: 10.000, 20.000 Mark. Sie liegt heute mindestens bei 25.000 Euro. Meine Spezialität sind originale Zifferblätter. Das hat Anfang der 90er keinen interessiert, ist heute aber das Thema der Stunde. Damals wurde die Patina radikal entfernt, die Blätter wurden getauscht. Die Sammler von mir, die Uhren nach Wertsteigerungs-Gesichtspunkten kaufen, setzen auf Qualität statt auf Masse. Die haben vielleicht nur 20 Uhren, aber dann jede im sechsstelligen Bereich. Mein Credo für Einsteiger: Eine alte Uhr sollte beim Kauf in der Regel die Hälfte eines vergleichbaren neuen Modells kosten.“ Hubertus Reygers trägt eine „Datejust“ von Rolex aus dem Jahr 1958. Kunst an den Wänden, Uhren im Regal: Der Jurist Reygers verbindet beides. BILANZ / APRIL / 2016 DER SERIENGRÜNDER DER INHABER UND AUKTIONATOR Tim Stracke (40) hält mit zwei Partnern die Mehrheit an Chrono 24 in Karlsruhe. Stefan Muser (53), Chef des Auktionshauses Dr. Crott in Mannheim. „Ich bin kein Uhrenfreak, auch wenn ich Uhren toll finde. Wir sind ein dreiköpfiges Gründerteam, kennen uns seit über zehn Jahren. Unsere Leidenschaft ist es, Online-Marktplätze aufzubauen und zu betreiben. 2010 haben wir Chrono 24 von den Gründern gekauft und aus einer Webseite ein Unternehmen geformt. Heute sind wir Weltmarktführer im Online-Angebot von Luxusuhren, unser einziger Rivale ist Ebay. Die sind aber in einem anderen Preissegment unterwegs, im Luxussegment sind wir unangefochten führend. Wir verlangen niedrige, einstellige Prozentsätze für das Einstellen von Uhren und bekommen im Verkaufsfall eine Provision von 2,5 Prozent. Bei Privatverkäufern geben wir zusätzlich eine Verkaufsgarantie ab. Die durchschnittliche Uhr, die bei uns gekauft wird, liegt bei zirka 6.000 Euro. Wir haben 2015 Uhren im Wert von 750 Millionen Euro umgesetzt, im Vergleich zu 2014 mit 550 Millionen Handelsvolumen. Was die Nutzerzahlen angeht, wachsen wir mit 30 bis 35 Prozent pro Jahr. Seit mehreren Jahren schreiben wir schwarze Zahlen. 90 Prozent der Uhren kommen von gewerblichen Händlern, wir listen gut 235.000 Uhren. Monatlich suchen über zwölf Millionen Benutzer bei uns. Und wir wachsen. Wir haben zuletzt 21 Millionen Euro von einem Private Equity- Investor aus den USA bekommen. Dennoch halten wir drei eine deutliche Mehrheit am Unternehmen. Soeben haben wir Büros in New York und Hongkong aufgemacht; es geht um Vertrieb, Kundenbetreuung und Support. Weltweit haben wir derzeit 85 Mitarbeiter.“ „Der Markt, in dem ich seit über 30 Jahren tätig bin, ist zunächst einmal sehr stabil. Wir sind ein kleines Unternehmen, setzen mit zehn Leuten im Jahr inzwischen ein Volumen von zehn bis 15 Millionen Euro um. Wir haben früh die Chance ergriffen und behandeln eben nicht nur Armbanduhren, sondern vornehmlich Taschenuhren bis zurück zur Renaissance oder Gotik. Häuser wie Christie’s oder Sotheby’s haben sich in den letzten Jahren immer mehr in Richtung Armbanduhren entwickelt und machen damit heute bis 90 Prozent ihres Geschäfts. Der historische Teil der Chronometer, Taschen-, Tisch- und Standuhren ist komplett vergessen worden von vielen. Dadurch leidet deren Expertise. Bei uns haben sich die vier Mitarbeiter, die die Auktionskataloge aufbereiten, ihr extrem tiefes Wissen in weit über zehn Jahren Berufserfahrung angeeignet. Und das kann man sich ab einer bestimmten Stufe nicht mehr anlesen, man muss dazu die Objekte selbst in der Hand haben. Sie müssen von einem bestimmten Typ Uhr einfach sehr viele gesehen haben, um die einwandfreie Originalität bestätigen zu können. Denn darum dreht sich heute in Sammlerkreisen alles. Vor 15 Jahren war es völlig nebensächlich, in welchem Zustand sich die Ware befunden hat; es wurde so gut wie alles verkauft. Heute muss eine Vintage-Uhr, und damit meine ich in der Regel Modelle vor 1985, im perfekten Zustand sein, um einen guten Preis zu erzielen. Perfekt bedeutet: eine 50 Jahre alte Armbanduhr, die ungetragen ist. Das ist das Ideal, das eben immer seltener wird.“ Stracke trägt eine neue „Rolex Milgauss“, ein Geburtstagsgeschenk von Frau und Freunden. Muser trägt einen Minerva-Fliegerchronografen aus den 40er-Jahren. 65 UHREN SPEZIAL DER UHRMACHER ALS HÄNDLER Ralf Meertz (47), Meister und Uhrenhändler aus München mit Kunden in aller Welt. 66 „Mein Geschäft habe ich 2003 eröffnet. Mit Vintage- und antiken Uhren beschäftige ich mich seit Anfang der 90er-Jahre. Hier in München kann man sich bei sieben Vintage -Händlern umsehen, nirgendwo in Deutschland gibt es eine größere Dichte. Unter Vintage fasse ich alle Uhren mit Plexigläsern zusammen, also bis in die 80er-Jahre. Wir sind drei Uhrmachermeister. Man muss zwar keiner sein, um mit Uhren zu handeln, aber wir wissen, wovon wir reden, weil wir alles selbst machen. Unsere angebotenen Uhren reparieren wir, auch die teuren. Wir schauen ins Werk und ins Gehäuse, dann wissen wir, wie die Uhr gealtert ist. Das ist uns wichtiger, als Champagner auszuschenken. Natürlich hat das Internet die Dinge verändert. Liebhaber wie Stammkunden informieren sich im Netz. Dann kommen sie zu uns. Das Internet hat eine globale Kundschaft gebracht. Die seltene Uhr, die in München keiner will, verkaufe ich an einen Kunden in New York oder in London – oder umgekehrt er an mich. Anfragen kommen aus Singapur, Malaysia, Kanada oder Südamerika. Die Sammler wissen: Deutschland ist ein sicheres Kaufland. Jede Uhr, die ich auf meiner Webseite anbiete, muss ich zwei Wochen lang zurücknehmen, auch wenn sie 70.000 Euro kostet. Es gilt, vorher alles ehrlich zu erklären. Den Boom der Vintage-Armbanduhren erkläre ich immer so: Sie eröffnen eine andere Dimension im Sammeln. Die Uhren waren auf dem Mount Everest und im Marianengraben. Die Menschen erkennen ihren Wert als Kulturgut.“ Meertz trägt eines der ersten „Speedmaster“-Modelle (Referenz 2915) von Omega. Text / JÖRN KENGELBACH Alles findet Platz: Das Universum von Ralf Meetz umfasst große und kleine Preziosen, Ersatzteile und Kartons. Anregungen für den Einstieg in den Kosmos der Klassiker. Sammelwerte, Uhrenwerte Der Ambitionierte Für ihn kommen fast nur Rolex und Patek Philippe in Betracht. Die Preise sind mittlerweile allerdings sehr hoch. Im Prinzip kommen nur noch ungetragene Modelle infrage oder solche, die nie aufgearbeitet wurden. Bei beiden Marken sind ausgerechnet Stahlmodelle begehrt. Bei Rolex, weil sie von Militärs, Abenteurern und Tauchern getragen, bei Patek, weil aus dem früher als minderwertig betrachteten Material nur wenige Exemplare gebaut wurden. In der Luxusklasse handelt es sich hierbei fast ausschließlich um Chronografen: Bei Rolex sind es frühe Handaufzugsmodelle der „Daytona“, bei Patek Philippe solche, die vor allem mit der Zusatzfunktion eines Ewigen Kalenders ausgestattet sind. Wer nicht über 100.000 Euro erübrigen möchte, sucht sich bei Rolex eine seltene Variante der Taucheruhr „Submariner“, bei Patek Philippe eine alte „Nautilus“. Der Einsteiger Wer 2.000 bis 5000 Euro anlegen möchte, sollte sich jetzt einen Stahlchronografen aus den 70er-Jahren sichern. Modelle von Heuer (heißt heute „Tag Heuer“ und gehört mittlerweile zum LVMH-Konzern) haben in den vergangenen Jahren an Wert zugelegt. Der Jackpot ist eine goldene „Carrera“ mit Blutgruppe hintendrauf: Die bekamen die Formel-1-Fahrer von Ferrari vom Firmenchef persönlich. Der Kernige Ihren Durchbruch erlebte die Armbanduhr im Ersten Weltkrieg, mit dem Zweiten wurde im Prinzip ihre heutige Gestalt festgelegt. Da wundert es nicht, dass Sammler Militärarmbanduhren suchen. Klassiker sind zum Beispiel die schätzungsweise 5.000 bis 7.000-mal gebaute „IWC Mark 11“ der Royal Air Force. Viele Jahrgangsmodelle sind mit 34 bis 36 Millimetern Gehäusedurchmesser heutigen Trägern aber oft zu klein. Dafür gibt es eine Lösung: zum Beispiel die große Fliegeruhr von IWC von 1940 mit 55 Millimetern Durchmesser. Die kompletten Porträts und mehr Tipps finden Sie unter www.bilanz.de/uhren 75 Jahre lang die Größte: Kürzlich kam eine Nachfolgerin der Fliegeruhr „Kaliber 52T S.C.“ von IWC heraus, die die Rekordgröße des hier gezeigten Originals einstellt. 67 UHREN SPEZIAL DIE FRAUEN 68 Mehr als schmuck: Die frühere Ikeaund Karstadt-Managerin Sjöstedt will es noch einmal wissen. BILANZ / APRIL / 2016 Nach ihrem kurzen Gastspiel bei Karstadt hat Eva-Lotta Sjöstedt beim dänischen Designer Georg Jensen angeheuert. Zum Zungeschnalzen Text / STEPHAN KNIEPS und MARK C. SCHNEIDER Als sie noch ein junges Mädchen war, fuhr Eva-Lotta Sjöstedt mit ihren Eltern regelmäßig von daheim in Helsingborg mit der Fähre nach Kopenhagen. 20 Minuten dauert die Fahrt. In Dänemarks Hauptstadt spazierte das Mädchen schnurstracks in das Geschäft von Georg Jensen: betrachtete staunend die Silberteller und -schalen, Messer und Gabeln, Kerzenständer, Ohrringe und Uhren. Das bemerkenswert frühe Interesse an der Firma hat einen tieferen Grund: Sjöstedt liebte die Arbeiten von Vivianna Torun Bülow-Hübe (1927–2004), deren Biografie sie verschlungen hatte. Als die Hausdesignerin von Georg Jensen starb, galt sie als erste Silberschmiedin mit Weltruhm. Sie hatte mit Picasso und Matisse gearbeitet; ihr Werk wird im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt. „Georg Jensen ist schon lange ein Teil von mir, ich bin geradezu besessen von dieser Designsprache“, sagt Eva-Lotta Sjöstedt (49) heute, als wir sie auf der Baselworld treffen, der größten Luxusuhrenmesse der Welt. Foto / CHRISTIAN GRUND Die Managerin sitzt auf einem tiefen, weichen Stuhl in Halle 2, erster Stock, Stand B65. Es ist der Auftritt ihres neuen Unternehmens. Sjöstedt, ozeanblaues Kleid, dunkelblauer Nagellack, ist seit dem 5. Januar die Chefin des Kopenhagener Schmuck- und Uhrenherstellers. Sie strahlt Freude aus und sagt: „Es ist wunderbar, hier zu sein.“ Ihr Äußeres hat sie verändert. Die dicke dunkle Brille ist passé, die Haare trägt sie wieder lang. Sjöstedt hat sich neugestaltet. Die Nachricht von ihrer neuen Anstellung kam selbst für Kenner der Branche überraschend. Fünf Monate lang, von Februar bis Juli 2014, hatte sie als Vorstandsvorsitzende das schwer versehrte Warenhaus-Unternehmen Karstadt geführt. Ohne genaue Angabe von Gründen hatte sie ihr Amt niedergelegt, angeblich enttäuscht und zermürbt vom damaligen KarstadtEigentümer Nicolas Berggruen. Danach verschwand die Schwedin, die vorher für Ikea gearbeitet hatte, aus der Öffentlichkeit. Nun also: Schmuck, Bestecke und Uhren in kleiner Stückzahl statt unübersichtliches Vollsortiment von AEG-Waschmaschine bis Zinfandel-Rosé, nun also Kopenhagen statt Essen, 1.300 Mitarbeiter statt 17.000. „Meine Fähigkeit zu führen ist nicht durch bestimmte Szenarien beschränkt“, sagt Sjöstedt. „Ich liebe Herausforderungen – Krise hin oder her.“ Was sie mit der „Krise“ meint? Das 1904 gegründete Unternehmen erwirtschaftete 2014 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) einen ins Stocken geratenen Umsatz von etwa 135 Millionen Euro. Einen Gewinn suchten die Buchhalter vergeblich, der Verlust betrug ärgerliche 1,9 Millionen Euro, was umso schmerzhafter war, nachdem sie schon im Jahr zuvor deren zwei Millionen kontiert hatten. Vor drei Jahren war der Georg-Jensen-Kreativchef David Chu, der bis zu Sjöstedts Amtsantritt einstweilig auch die Geschäftsführung übernommen hatte, gemeinsam mit Investcorp, einem Investmentfonds aus Bahrain, in 69 UHREN SPEZIAL „ Ich höre sehr gern zu. Aber wenn ich entscheide, ist es entschieden. “ 70 den Besitz des Unternehmens gelangt. Mit der Verpflichtung von Sjöstedt ist ihm ein Coup gelungen. Die Erwartungen, die sich mit ihrer Verpflichtung verbinden, sind freilich hoch. Vor allem soll sie der Uhrensparte Schwung und Dynamik verleihen Fünf Jahre lang waren die Dänen der Uhren- und Schmuckmesse ferngeblieben. Was kein allzu kluger Schachzug war: In Basel werden die Einkäufe für das ganze Jahr getätigt. Erst 2015 kehrten sie zurück. Und selbst wenn sich der Auftritt der Dänen etwas bescheiden ausnimmt im Vergleich zu Rolex, Omega und Breitling, deren Messestände vier- oder fünfmal so groß sind und in der wichtigeren Halle 1 stattfinden, so setzt Georg Jensen mit seiner Anwesenheit doch ein bedeutungsvolles Zeichen. Wie hoch der Anteil des Uhrengeschäfts am Umsatz ist, fällt unter die Betriebsgeheimnisse. Man geht aber nicht fehl in der Annahme, dass die Einnahmen eine überschaubare Größenordnung haben. „Ich würde sagen: Wir sind keine Uhrenfirma.“ Sjöstedt schaut ernst drein, aber dann muss sie lachen, herzlich, ehrlich. In der Tat sind die Dänen in der Uhrenbranche von geringer Geltung. Sie setzen nun darauf, dass sie mit ihrem Angebot, die meisten Uhren liegen in der Preisklasse zwischen 1.000 und 3.000 Euro, die Ermattung ausnutzen können, die die etablierte Schweizer Uhrenindustrie ergriffen hat: In den vergangenen Monaten gingen die Ausfuhren beständig zurück. Die Nachfrage nach kostspieligen mechanischen Zeitmessern lässt derzeit zu wünschen übrig. Besonders die Chinesen, aber nicht nur die, üben sich in Zurückhaltung. Zudem bietet das Uhrengeschäft für Sjöstedt auch die Gelegenheit, männliche Kundschaft vertraut zu machen mit der Marke „Georg Jensen“, die bislang hauptsächlich bei Frauen Gefallen findet. Georg Jensen, sagt Sjöstedt, setze auch bei Uhren auf eine Besonderheit, die für möglichst alle Produkte des Hauses gelten möge: „Wir sind bekannt für das skandinavische De- sign, für Reduktion, für ein Weniger-ist-Mehr.“ Tatsächlich sind die neuen Uhrenmodelle sehr schlicht, sehr klar und sehr übersichtlich; zerbrechlich-dünne Zeiger, wenig Zierrat, kein Chichi, oftmals keine Ziffern. Damit passen sie gut zu den schnörkellosen Armreifen, den schnörkellosen Siegelringen und den schnörkellosen Halsketten aus gehämmertem Silber, die die schnörkellosen Dänen auch noch feilbieten. Das Design spielt für Sjöstedt eine entscheidende Rolle. Sie hat, angeregt von der damaligen Jensen-Gestalterin Bülow-Hübe, an der Stockholmer Kunst- und Designhochschule Konstfack Modedesign studiert und ihre Ausbildung 1988 abgeschlossen. Anschließend entwarf sie für den Hongkonger Bekleidungskonzern Wellglow Fashions Damen- und Herrenmode, schloss dann ein dreijähriges Wirtschafts- und Marketingstudium in Schweden an und ging zu Ikea, wo sie nun ihre Liebe zur Logistik entdeckte. 2005 wurde sie nach Yokohama geschickt, wo sie die Leitung eines BILANZ / APRIL / 2016 Georg-Jensen-Flaggschiff in München. Zur Eröffnung im Mai 2015 kam das dänische Kronprinzenpaar. Möbelhauses und in der Folge weitere Aufgaben übernahm und schließlich über die Niederlande wieder bei Ikea Schweden landete, wo man sie 2012 mit der Digitalstrategie für den Gesamtkonzern betraute. Schließlich wurde Berggruen auf sie aufmerksam, und im Dezember 2013 wählte sie der Karstadt-Aufsichtsrat zur neuen Vorstandsvorsitzenden: Am 24. Februar 2014 fing sie in Essen an, am 7. Juli 2014 erklärte sie, „dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind“, und hörte wieder auf. „Ich habe nie eine lineare Karriere verfolgt“, sagt Sjöstedt. Sie sei keine von denen, die ihre Laufbahn nach präzise aufeinander aufbauenden Positionen vorantrieben. Kann sie denn nun, mit dem Abstand von eineinhalb Jahren, die wahren Gründe für ihre Karstadt-Flucht erzählen? Sjöstedts sonst so offener Blick verschließt sich kurz. Ernstes Kopfschütteln. „Nein.“ Die Zeit zwischen dem alten und dem neuen Job, sagt sie, habe sie größtenteils reisend verbracht: USA, Euro- pa, und sie habe sich gefragt: „Was will ich machen?“ Schließlich erhielt sie die Anfrage von Georg Jensen und war „sehr glücklich darüber“, für jenes Unternehmen arbeiten zu dürfen, dessen Produkte ihr Jugend-Idol Bülow-Hübe geprägt hatte. Es sei eine Herzensentscheidung gewesen, sagt Sjöstedt. „Ich habe Erfahrung darin, ein Geschäft aufzubauen und eine Marke groß und global zu machen. Und diese Möglichkeit ist bei Georg Jensen...“, sie schnalzt mit der Zunge, „...atemberaubend.“ Sicher, Georg Jensen unterhält Niederlassungen in Taipeh, New York, Peking, München; die Uhren werden in der Schweiz zusammengebaut, sodass sie mit dem Hinweis „Swiss made“ versehen werden dürfen. „Aber wir könnten noch internationaler sein, wir müssen globaler werden.“ Zudem kann sie sich gänzliche neue Produkte vorstellen, sofern die zur Marke passen. Aber das ist ja immer die Voraussetzung. Große Chancen bietet möglicherweise der Markenschmuck: In Zeiten FOTO: GEORG JENSEN wirtschaftlicher Unsicherheit, hoffen die Strategen, greifen Kundinnen auf bekannte und bewährte Marken zurück. Hier bekommt es Georg Jensen allerdings mit Branchengrößen wie Cartier oder Tiffany zu tun, und die verstehen wenig Spaß. Aber auch Sjöstedt ist bekannt dafür, nicht lange zu fackeln. „Das Wichtigste in den kommenden Wochen“ werde zwar sein, „möglichst viele Mitarbeiter kennenzulernen“. Dies sei fundamental für ihre Art, zu arbeiten: „Denn wie kann ich etwas verändern, wenn ich nicht die Leute kenne, die die Arbeit machen?“ Aber, sagt sie, „ich mache es nicht jedem recht, Konsens ist nicht immer das zwingende Ziel, wie bei vielen skandinavischen Führungskräften. Ich höre sehr gern zu. Aber wenn ich entscheide, ist es entschieden“. Aber was will sie erreichen? „Ich wäre froh, wenn die nächste Generation einmal über uns sagt: Diese Guys haben die Ära geprägt, die haben das Unternehmen nach vorn gebracht.“ 71 UHREN SPEZIAL Uhrwerk-Konzern ETA muss andere Hersteller nur noch bis 2020 beliefern. Die Branche denkt um, die Vielfalt wächst, die Preise steigen. Frisch ans WERK Text / MARTIN HÄUSSERMANN 72 Chopard betreibt zwei Manufakturen für Uhrwerke. Das Regulierorgan des Acht-Hertz-Kalibers entstammt der Nobellinie „L.U.C“. Foto: L.U.C BILANZ / APRIL / 2016 Blick in die Maschinenhalle: Nomos stellt heute die meisten Einzelteile der Uhrwerke im eigenen Haus in Glashütte her. Im Sommer 2002 geriet die Welt der Uhrenhersteller in Aufruhr: Der Werkeproduzent ETA, zur Swatch-Gruppe gehörig, hatte angekündigt, der Kundschaft außerhalb der eigenen vier Wände nur noch mindere Mengen und ab 2006 überhaupt keine mechanischen Werke mehr zu liefern. Man brauche alle Kraft, um den Bedarf der eigenen Marken zu decken, unter anderem von Tissot, Longines, Certina und Mido. Gefühle der Auflehnung und Empörung ergriffen die Männer und Frauen der Horlogerie, dazu kam die Lust auf Krawall und Erhebung. Schließlich und endlich waren zu jener Zeit gut drei Viertel aller europäischen Uhrenmarken von den Lieferungen des Marktführers ETA abhängig. Der angekündigte Lieferstopp hätte vielen Kleinmarken den Garaus gemacht. So weit ist es nicht gekommen: Die Schweizer Wettbewerbskommission zog andere Saiten auf, stellte jene marktbeherrschende Stellung der ETA fest, die sie unzweifelhaft für sich beanspruchte, und verpflichtete die in Grenchen ansässige Firma (ca. 8.000 Beschäftigte), ihre Kundschaft zumindest in geringeren und dann weiter abnehmenden Mengen zu beliefern, aber wenigstens doch bis 2020. Dann muss jeder Hersteller sehen, wo er bleibt bzw. woher er seine Kaliber bezieht. Viele Unternehmen haben in der Zwischenzeit vorsorgliche Maßnahmen ergriffen, wie etwa die nicht mehr ganz kleine Uhrenmarke „Nomos Glashütte“. In ihren Anfängen hatten die Sachsen noch ausschließlich ETA-Handaufzugswerke (Kaliber „Peseux 7001“) in ihren Uhren eingepasst, sich aber rasch einige ausschlaggebende Fertigkeiten und Befähigungen der Uhrwerkstechnik angeeignet (siehe Interview S. 74). Klugerweise, muss man anfügen, denn mit der Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ darf aus guten Gründen nur werben, wer mindestens die Hälfte der Wertschöpfung bzw. Produktionsleistung in der sächsischen Kleinstadt selbst erbringt. 2014 stellte Nomos eine eigene in Serienproduktion gehende Hemmung und Unruh vor. Sieben Jahre lang hatte man mit der TU-Dresden an dem Wunderwerk gearbeitet, dem sogenannten Nomos-Swing-System, das die „FAZ“ mit den Worten pries: Es sei „nichts weniger als eine Sensation“. Neun von zehn Marken beziehen ihre Werke oder zumindest das Assortiment, also die Steuereinheit, bis heute von der ETA oder ihrer Schwesterfirma Nivarox. Aber auch dieses Swatch-Unternehmen möchte sich gern seiner Lieferverpflichtungen ent- Foto: MARTIN HÄUSSERMANN ledigen. Anders als viele Konkurrenten ist Nomos also vorbereitet. Gewiss, der Markt bietet einige Ausweichmöglichkeiten: Atokalpa, ein Unternehmen der Sandoz-Gruppe (u.a. Parmigiani), Technotime oder Precision Engineering können Assortiments herstellen – jedoch weder zu den Preisen noch in den Stückzahlen, die die Kundschaft von Nivarox gewohnt ist, was zu Kummer und Verdruss führt. Gleiches gilt für die Uhrwerke-Hersteller außerhalb der Swatch-Gruppe. So ist etwa die Firma Sellita zu einem bedeutenden Anbieter aufgeblüht, nachdem der Patentschutz einiger beliebter ETA-Werke abgelaufen war und sich der Sellita-Inhaber Miguel Garcia (49) dazu entschlossen hatte, diese Uhrwerke unter eigener Kaliberbezeichnung nachzubauen. Die Nachfrage ist groß. Jedoch können auch hier die vergleichsweise jungen Kaliber-Fabrikateure weder so billig noch so viel wie die ETA produzieren. Die im Übrigen derzeit, so ist aus Branchenkreisen zu hören, wieder in vergleichsweise großzügiger Manier an Dritte verkauft, weil der Bedarf in China durchaus abnimmt. Aber was geschieht, wenn die Nachfrage wieder steigt? Alternativen bieten sich in Japan, wo Seiko und Citizen zu guten Konditionen zuverlässige Uhrwerke bauen. Allerdings birgt der Einsatz von Uhrwerken aus Fernost auch die Gefahr, dass die Uhren, die sie in sich tragen, nicht mehr 74 73 UHREN SPEZIAL 73 Nomos-Boss Uwe Ahrendt über die wachsende Unabhängigkeit von Lieferanten. „Wir sind doch Uhrmacher“ Herr Ahrendt, immer mehr Marken fertigen ihre Uhrwerke selbst. Welche Vorteile bietet das? Grundsätzlich begrüßen wir die Entwicklung natürlich – dies ist ja auch unser Weg. Für uns stand schon bei der Gründung 1990 fest: Nomos Glashütte soll unabhängig sein. Alles selbst zu machen war immer schon unser Ziel. Und an sich gehört dies in meinen Augen auch zum Handwerk von uns Uhrenherstellern: den Motor unserer Uhren, das Kaliber, selbst zu fertigen. Wir sind doch Uhrmacher. B Selbst entwickelte und gebaute Uhrwerke sind teurer als Großserienwerke, weshalb auch die Uhren an sich teurer werden. Bekommt der Kunde für den aufgewendeten Mehrpreis auch einen Mehrwert? Was millionenfach gebaut wird, muss günstiger sein als die Kleinserie. Allerdings müssen wir hier genau hinsehen, der von Ihnen angedeutete Widerspruch ist nicht immer einer. Wir haben unsere zehn eigenen Uhrwerke selbst entwickelt und bauen sie selbst. Für unsere Verhältnisse ist das Großserie, denn wir kombinieren traditionelles Handwerk mit neuen Hightech-Fertigungsmethoden. Und nur in großen Stückzahlen können wir Manufaktur-Uhren von der Qualität wie etwa unserer „Neomatik“-Serie zu Preisen unter 3.000 Euro anbieten – bis dato galt ein solcher Preis für eine Manufaktur-Uhr als Ding der Unmöglichkeit. Doch muss ich zugeben, dass wir einen riesigen Vorteil haben: Wir fertigen in Glashütte nicht zu Schweizer, sondern zu deutschen Preisen. B 74 Nomos ist inzwischen in der Lage, eine eigene Reglage zu bauen – die Feinregulierung zur Verringerung des Gangfehlers. Werden Sie andere beliefern? Wir könnten andere mit unserem Nomos-Swing-System beliefern, doch tun wir dies nicht. Was wir bauen, verbauen wir selbst: Derzeit verkaufen wir lieber ganze Uhren an unsere Kunden als einzelne Teile an Mitbewerber. Doch will ich eine Belieferung ausgewählter Dritter nicht für alle Zeit ausschließen. B Nomos könnte sich einen zweiten Geschäftsbereich als Rohwerke-Hersteller aufbauen. Ist das für Sie eine Option? Ja, theoretisch könnten wir Werke an Dritte verkaufen. Aber es ist wie beim Assortiment, also unserem Swing-System: Wir wollen lieber Uhren verkaufen. Wir sind in der glücklichen Lage, mehr verkaufen als bauen zu können, sodass ein Verkauf von Rohwerken für uns wirtschaftlich derzeit nicht sinnvoll ist. B UWE AHRENDT Der Wirtschaftsingenieur, geboren 1969, wurde nach Stationen bei Uhrenfirmen erst Geschäftsführer, dann geschäftsführender Gesellschafter von Nomos Glashütte. Interview und Foto: MARTIN HÄUSSERMANN als Swiss made gelten und ein wichtiges Verkaufsargument verlieren. Viele Hersteller gehen deshalb wie Nomos zu Werke. Und das nicht erst seit gestern. Einer von ihnen ist Karl-Friedrich Scheufele (58), Mitinhaber von Chopard. Im Familienrat setzte er durch, dass das Unternehmen eigene Uhrwerke herstellt. Das erste Fabrikat von Chopard Manufacture präsentierte er 1996 unter der Nobellinie „L.U.C“. Das Kürzel ehrt Louis-Ulysse Chopard, den Mann, der die Firma 1860 im Jura-Dorf Sonvilier gegründet hatte. Seither stellte Chopard neun Manufakturkaliber in mehr als 50 Varianten vor – vom aufwendig gefertigten Automatikwerk bis zu Tourbillon und Ewigem Kalender. Die nicht ganz so kostspieligen Sportuhren der Linie „Mille Miglia“ dagegen wurden eine Zeit lang weiter von ETA-Werken angetrieben. Denn einen ähnlich einfachen und dennoch erprobten und verlässlichen Antrieb hatte Chopard Manufacture noch nicht zu bieten. Dazu bedurfte es anderer Produktionsstrukturen und -einrichtungen. Diese schuf Scheufele erst in der Folge, als er 2012 die eigene Uhrwerkefabrik Fleurier Ebauches eröffnete. Sie stellte 2015 immerhin schon 15.000 Uhrwerke in verschiedenen Ausführungen her, die Leistungsfähigkeit der Anlage soll nun weiter erhöht werden. Auch Breitling und Hublot nahmen erfahrene Techniker unter Vertrag und bauten eigene Chronografen-Kaliber (die ihnen den prestigeträchtigen Titel „Manufaktur“ einbrachten), vermittels derer sie ihre Unabhängigkeit von ETA vergrößerten. Beides beschäftigt auch die Firma IWC, die zwar seit 2000 wieder eigene Werke, doch das Gros ihrer Produktion immer noch mit ETA-Exemplaren ausstattet. IWC entwickelt fleißig und zeigte bereits Musterbeispiele neuer Automatik- und Chronografenwerke, die ETA-Produkte ersetzen können. Keine Frage: Die Branche macht sich unabhängig. BILANZ / APRIL / 2016 Warum die Geheimnistuerei der Uhrenhersteller unnötig ist und ihren eigenen Interessen zuwiderläuft. Ticken die noch richtig? Das Fass zum Überlaufen brachte die E-Mail einer Pressedame: keine Fotos von Mitarbeitern. Fragen an die Beschäftigten? Ebenfalls tabu. Und bloß keine Bilder davon, was sie mit ihren Händen machen. Auch keine von den Maschinen oder dem Arbeitsplatz. Die Nachricht endete sinngemäß mit den Worten: Zeigen Sie uns bitte alle Fotos, die Sie veröffentlichen wollen – vorher. Dabei ging es nicht um einen Besuch in Apples Forschungszentrum, sondern um den bei einer Schweizer Uhrenfirma, die aus Anlass der Neueröffnung eines restaurierten Gebäudes ihre Handwerks- und Herstellungstechniken vorstellen wollte – nur ohne Gebäude, Personen und, nun ja, Hände. Zwei Wochen zuvor hatte der Chef eines der größten börsennotierten Schweizer Uhrenkonzerne mir durch seine Assistentin mitteilen lassen, dass er auf der Baselworld keine Interviews geben werde. Die Baselworld ist die wichtigste Uhrenmesse der Welt. Wer hier nicht spricht, ist entweder unwichtig oder kein Uhrenchef. Und ich rede hier nicht von jenem Manager, mit dem man bis vor Kurzem noch herrlich über jedes Zifferblatt streiten, über jede Aufzugskrone fachsimpeln konnte. Doch seit er der wohl bekanntesten Uhrenmarke der Schweiz vorsteht, ist der Mann wie vom Erdboden verschluckt. Lapidare Auskunft der Pressestelle: Wir lassen lieber die Uhren sprechen. Ja, liebe Uhren, dann sagt mal etwas. Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet eine Branche mauert, die jeden Grund hat, zu sprechen. Und zwar laut und deutlich. Zum Beispiel darü- Kengelbachs fünf Minuten ber, dass die mechanische Uhrenwelt teilweise so aussieht, als schrieben wir das Jahr 1986 und nicht 2016. Eure vermeintlichen Firmengeheimnisse fühlen sich da draußen für 30-jährige Laien an, als würde uns Sony im Jahr 2016 durch die Produktionsstätten seines „Walkman“ führen. Als würden die nächsten großen Uhrentrends in holzgetäfelten Hinterzimmern beim Cognac-Schwenken gemacht – während längst auf Facebook, Instagram und Co. entschieden wird, was cool ist und was nicht. Glauben die Hersteller wirklich, das kontrollieren zu können? Sie glauben es. Warum sonst rätseln Fachjournalisten seit Jahren über die wahren Stückzahlen der Firmen? Sind es nun eine Million, die eine berühmte Genfer Marke mit Krone im Jahr herstellt, oder nur 600.000? Wir sollten es wissen. Und wir sollten wissen, wohin Manager ihre Marken steuern, wenn Kunden ein Vermögen in deren Produkte investieren, weil sie es für stabile Wertanlagen halten. Wir sollten wissen, welche Handwerkstechniken Firmen wirklich beherrschen und ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ wie sich die in den vergangenen zehn Jahren exorbitant steigenden Gewinne erklären lassen, wenn man angeblich doch kaum mehr Uhren verkauft als zu Beginn der großen Uhrensause. Wir müssen es wissen, weil wir nur so unseren Lesern ehrlich darüber Auskunft geben können, ob sich die Anschaffung einer 10.000 Euro teuren mechanischen Uhr lohnt – oder ob es vor allem ein wunderbares Geschäft für Hersteller und Verkäufer ist. Die Uhren können nämlich nur so lange sprechen, solange da draußen Menschen sind, die ihre wahre Geschichte erzählen und anschaulich begründen können, dass man mit fast jeder mechanischen Uhr ein Stück menschlicher Kultur- und Technikgeschichte in seinen Händen hält. Dass man anhand einer mechanischen Uhr die Mondlandung (Omega), die Erstbesteigung des Mount Everest (Rolex), die französische Revolution (Breguet) oder die Anfänge der Formel 1 (Heuer) lebendig werden lassen kann. Wenn die Firmen nicht laut und deutlich über die Werte sprechen, die in jeder mechanischen Uhr stecken, wird es ihren Produkten in Zeiten der Smartwatch nicht anders ergehen wie einst in den 70er-Jahren, als Quarzuhren plötzlich lässiger waren als das komplizierteste Modell mit Handaufzug. Die Zeit wird knapp. JÖRN KENGELBACH Der 42-Jährige ist studierter Architekt und schreibt seit vielen Jahren über Uhren. Er ist Autor bei „Icon“, „Welt am Sonntag“ und BILANZ. 75 UHREN SPEZIAL DIE FRAUEN 76 „Es ist spannend, maskuline Uhren zu entwerfen“: Juwelierstochter Sandrine Stern. FOTO: CHRISTOPHER STURMAN BILANZ / APRIL / 2016 In Genf spricht die Chefdesignerin der Luxusuhrenfirma Patek Philippe über Tradition und Technik, störrische Kinder und das weibliche Auge. Mutter der Marke Interview / JÖRN KENGELBACH Um ihr Studium zu finanzieren, ging Sandrine Stern (43) 1995 zu Patek Philippe, blieb dort und heiratete später Firmeneigner Thierry Stern (45). Seit 2009 leitet sie die Kreativabteilung. Frau Stern, um die Zeit abzulesen, schauen die meisten Menschen heute auf ihr Mobiltelefon. Eine Armbanduhr braucht doch niemand mehr wirklich, oder? Ich denke, eine Armbanduhr ist vielleicht der persönlichste Gegenstand eines Menschen, etwas Intimeres und viel Privateres, als man gemeinhin denkt. Menschen, die unsere Uhren kaufen, kaufen die in der Regel für sich. Sie wollen diese Objekte für viele Jahre tragen und sie aufheben. B Ihr Unternehmen wirbt damit, dass man eine Patek Philippe „schon für die nächste Generation“ bewahre. Haben Sie keine Sorge, dass die nächste Generation sich nicht mehr für Uhren interessieren könnte? Warum sollten sich gerade Jüngere nicht für Uhren interessieren? Sie lieben ja Hightech-Produkte wie Handys auch. Und ich sage Ihnen, es ist extrem viel moderne Technik nötig, um eine perfekte mechanische Uhr zu bauen. B Sie nennen Ihre Firma „Manufaktur“, verweisen auf Ihre Handwerkskunst. Wie passt das mit moderner Technik zusammen? Mein Schwiegervater hat in den 70erund 80er-Jahren persönlich dafür geB sorgt, dass viele der Handwerkstechniken nicht ausstarben. Wir führen weiter, was wir seit Jahrzehnten machen. Man sollte aber nie neue Technologien verteufeln, die brauchen wir auch. Nehmen Sie allein die Computer, um Uhrwerke und das Zusammenspiel mit dem Gehäuse zu visualisieren. B Die nächste Generation brauchen Sie auch auf andere Weise, um Ihren Mythos aufrechtzuerhalten: Er funktioniert nur, wenn Ihre zwei Kinder später einmal die Leitung des Familienunternehmens übernehmen. Dürften die sich dem entziehen? Der beste Weg der Erziehung ist nicht Zwang. Das kennen Sie von Kleinkindern, die werden ja auch besonders störrisch, wenn man sie zwingt, etwas zu tun. Dann lenken Sie die mal ab, und sie kommen ganz von alleine darauf. B Noch einmal: Leicht kann es nicht sein, in ein solches Erbe hineingeboren zu werden. Es geht darum, sie für die Marke zu begeistern. Da ist der Unterschied zwischen den Mitarbeitern und den eigenen Kindern gar nicht so groß. Sie müssen allen beibringen, das zu mögen, was sie tun. Aber die Wahl müssen sie immer haben. Sonst können sie keine Motivation daraus ziehen. B Die Firma als Familie – Hand aufs Herz: Ist das nicht ein übertrieben romantisches Bild? Wir sind wirklich eine Familie. Wie die Führung tickt, tickt der Rest. In jedem Atelier helfen die Älteren den Jüngeren, die Marke zu verstehen. Im Entwurfsprozess ist es meine Aufgabe, Patek zu erklären. Das ist nicht viel anders als eine Mutter, die ihr Kind erzieht. B Wie läuft dieser Entwurfsprozess ab? Er beginnt meistens mit einem weißen Blatt Papier. An die 20 Zeichnungen entstehen so. Vorher haben wir aber mit dem Uhrwerk die Richtung vorgegeben: Ist es ein sportliches Modell oder eher ein klassisches, das man abends trägt? B Sie entwerfen die Schmuckuhren für Frauen, und Ihr Mann kümmert sich um die Herrenmodelle? Ich bin gleich stark in beide Kollektionen involviert. Als Frau ist es spannend, maskuline Uhren zu entwerfen. Gerade bei Herrenuhren bin ich in den Details viel heikler als so mancher Mann. Die Herrengehäuse sind in der Regel deutlich größer, da geht es vielmehr um Nuancen in der Größe oder den Farben. Und gerade bei Herrenuhren geht es ja durchaus um das weibliche Auge, das sie betrachtet. Setzen Sie sich wirklich durch mit B Ihren Ideen? Glauben Sie mir, wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich das auch, wenn mir etwas nicht passt, und schlage Änderungen vor. Das komplette Interview finden Sie unter www.bilanz.de/uhren 77 UHREN SPEZIAL Die Liebe zu Uhren entfachte bei Experte Jörn Kengelbach eine Certina zur Konfirmation, die er auf dem Tennisplatz verlor. Was er heute empfiehlt. Seltene Stücke für selbstbewusste Sammler 78 ECHTE KUNST GEHT IMMER EIN KLASSIKER, NEU ERFUNDEN VERGESSENE SCHÖNHEIT Kunst am Handgelenk: die „Classic Fusion Tourbillon Cruz-Diez“ von Hublot. Dünner denn je: „Reverso Tribute Gyrotourbillon Hybris Mechanica“. Uralte Marke für Kenner: „222“ von Vacheron Constantin. Vergessen Sie das Image einer Uhr, wenn Sie sie in Hinsicht auf ihre Wertsteigerung sammeln. Bestes Beispiel ist die Marke „Hublot“ aus Nyon bei Genf. Die nehmen Mitteleuropäer meist als Rapper -Basketballer-Kicker-Bling-Bling-Uhren wahr und übersehen: Sie prägen unsere Zeit. Hublot hat mit dem venezolanischen Künstler Carlos Cruz-Diez ein Modell mit rotierendem Zifferblatt entwickelt, dessen Farbspektrum sich alle zwölf Stunden verändert. Wer beim Kaufpreis von 125.000 Euro für die „Classic Fusion Tourbillon CruzDiez“ meckert, sollte sich die Preise anschauen, die die Werke des Künstlers kosten. CAD-Konstruktion, Rapid Prototyping und Laserschneideverfahren haben die Herstellungsmöglichkeiten und Formgebung mechanischer Uhren vervielfacht. Mit ihrer Hilfe entstanden komplizierteste Mechanismen, fabriziert aus den erstaunlichsten Materialien. Auf Form und Tragbarkeit achteten die Gestalter weniger. Das ändert sich jetzt. Der schönste Trend in diesem Frühjahr: Ultrakomplizierte Uhren schrumpfen auf tragbare Größen. Zum 85. Jubiläum seiner Wendeuhr hat Jaeger-LeCoultre die „Reverso Tribute Gyrotourbillon Hybris Mechanica“ überarbeitet. Sie ist gegenüber dem Vorgänger fünf Millimeter dünner bei anspruchsvollen Komplikationen. Die älteste durchgängig betriebene Uhrenfirma, Vacheron Constantin aus Genf, steht im Schatten der Sammlermarken Rolex und Patek Philippe. Das Unternehmen hat bisher nur gut eine Million Uhren gefertigt. So viele baut Rolex in einem Jahr, Casio in zwei Monaten. Wer sich die Anzahl gebrauchter Modelle auf Plattformen wie Chrono 24 ansieht, merkt schnell, wie selten sie sind. Etwa jenes zum 222. Geburtstag der Manufaktur 1977, das die Bezeichnung „222“ trägt. Von der Stahlsportuhr wurden nur 500 Stück gefertigt. Während ein neues Modell von Vacheron bei 21.300 Euro anfängt, ist die „222“ günstiger zu haben – noch. Exklusiv erhältlich in den Hublot-Boutiquen in Caracas und Miami für 125.000 Euro (UVP). 75 Exemplare zu je 321.300 Euro, z.B. über die einzige deutsche Jaeger-LeCoultre-Boutique in Frankfurt. Derzeit findet man eine Bicolor-Variante bei Worldoftime.de in München für 14.500 Euro. BILANZ / APRIL / 2016 Am Handgelenk trägt er eine IWC, ein ungewöhnlich filigranes Modell. Klassiker, die es BILANZ-Chefredakteur Klaus Boldt angetan haben. Besondere Uhren für besondere Männer ENTDECKER-UHR AUS DER EISENZEIT ZEITKAPSEL FÜR SPACE COWBOYS LETZTES UHRWERK „MADE IN ENGLAND“ Unter Forschen so beliebt wie unter Forschern: die „Explorer“ von Rolex. Die „Pulsar P2“ war in den 70ern die Uhr für Astronauten und Agenten. Was ist schöner als eine Uhr mit arabischen Ziffern und weißem Sekundenzeiger? Klassische Schönheit adligster Abstammung, von Rolex 1952 in vornehmer Einzelstück-Auflage hergestellt für die Mount-Everest-Expedition von Edmund Hillary und Tenzing Norgay. Sieben Jahre später hat Rolex das Modell mit der Referenznummer 1016 aufgelegt: Sie gilt unter Sachverständigen als „Entdecker-Uhr“ schlechthin. Im Gegensatz zu anderen Rolex-Sportuhren verfügt die „Explorer“ über keine Lünette, was ihr ein schlichtes, schmales Aussehen verleiht. In Anbetracht ihres Durchmessers von nur 3,6 Zentimetern und versehen mit einem Lederarmband lässt sich die Uhr durchaus zum Anzug tragen. Die Verarbeitung ist Rolex-gemäß von erheblicher Bravour. Unter dem Namen „Pulsar“ kam in den frühen 70er-Jahren eine ganze Reihe dieser sogenannten Computer- oder Astronauten-Uhren auf den Markt. Besondere Attraktion der „P2“: Ein Druck auf den Gehäuseknopf ließ die LED-Dioden leuchten. Die Uhr sieht aus wie eine Posse und Narrheit, aber vor 45 Jahren war sie spacig wie nur irgendetwas. James Bond trug sie in „Live and Let Die“. Artefakte wie die „Pulsar P2“ sind kleine Zeitkapseln aus jener Epoche, als Tradition und Moderne ihre Stellung zueinander noch nicht geklärt hatten. Erhältlich war die Uhr beim Juwelier, und zwar als Fabrikat von Tiffany & Co. Es gibt drei Sorten von Entdeckeruhren: die fürs All, die für die See und die für den Himalaja. Normaler- und gerechterweise erntet hier die „Rolex Explorer“ allen Ruhm. Edmund Hillary trug eine beim Erstaufstieg 1953. Aber er hatte auch eine Smiths dabei, die zum Lässigsten gehört, was man am Handgelenk tragen kann. Das Modell „w10“ (Foto), angefertigt von Mitte der 60erbis Anfang der 70er-Jahre, gehörte zur Grundausrüstung der British Army. Ihr Kaliber „60466E“ ist bzw. war das letzte serienmäßig in England hergestellte Uhrwerk überhaupt. Heute von Time Factors in Sheffield angeboten, haben ihre Schweizer Uhrenwerke mit dem Original aber nichts mehr zu tun. Das abgebildete „Explorer“Modell kostet 9.500 Dollar bei www.10pastten.com. www.casowatches.com bietet es in der Originalverpackung für rund 2.220 Euro an. Militäruhren sind teuer, die „W10“ ist relativ preiswert. Erhältlich für 1.650 Dollar bei www.analogshift.com. 79 UHREN SPEZIAL Carole Forestier-Kasapi, Chefentwicklerin der Pariser Prestigefirma, leitet eines der fortschrittlichsten Uhrenlabore der Welt. Kultfigur von Cartier Text / JÖRN KENGELBACH 80 Ein abgelegenes Hochtal im Jura, des Vallée de Joux, ungefähr anderthalb Autostunden nördlich von Genf. Dieser Gegend wohnt ein Zauber inne, hier finden sich die ersten Adressen der Uhrmacherkunst: Jaeger-LeCoultre, Audemars Piguet, Breguet, Vacheron Constantin und – in einem Gebäude, wie man es in dieser Gegend noch nicht gesehen hat: Cartier. Es ist ein von hellem Beton eingefasster Glasquader mit goldglänzenden, raumhohen Fenstern, der auf den Kopf gestellt genauso aussehen würde und mit seiner Arbeitsfläche von etwa 30.000 Quadratmetern zu den beeindruckendsten und fortschrittlichsten Luxusuhrenfabriken auf Erden gehört. Das Vallée de Joux ist der verzauberte Ort der Horlogerie. „Und dabei ist das hier nur einer von sechs Standorten in der Schweiz, an dem wir Uhren herstellen“, sagt Carole Forestier-Kasapi (48). Sie ist die oberste Uhrenentwicklerin des Hauses und Chefin von mehr als 1.000 Leuten, die in diesem 2006 errichteten Werk arbeiten, das eher an eine Chipfabrik erinnert als an den drittgrößten Luxusuhrenhersteller der Schweiz. Forestier-Kasapi soll die für Damenschmuck bekannte Luxusmarke in eine solche für Herren nicht umbilden, aber doch erweitern. Man solle mit dem Namen „Cartier“ künftig auch großartige mechanische Uhren verbinden. Forestier-Kasapi ist Französin, Uhrmachertochter aus Paris. Mit 16 ging sie auf die höchst respektable École d’Horlogerie und trat später ihre erste Stellung bei dem Uhrenlieferanten Conseilray an, danach wechselte sie zu Renaud & Papi. 1999 kam sie zu Cartier. Auch wenn das Unternehmen in erster Linie den Ruf eines Schmuckfabrikateurs genießt, hat es doch eine lange Tradition als Uhrenhersteller: Bereits sechs Jahre nach Firmengründung baute Louis Cartier 1853 die erste Uhr; für den Luftfahrtpionier Alberto Santos-Dumont (1873–1932) aus Brasilien entwarf Cartier 1904 die erste sogenannte Fliegeruhr. Das Modell ist noch heute erhältlich. In den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte das Unternehmen erste Uhren mit aufwendigen Zusatzfunktionen her, Komplikationen genannt. Allerdings, betont Forestier-Kasapi, stammten diese Uhren nicht aus eigener Fertigung. Man hatte nur gelieferte Teile zusammengesetzt, war also nur „Établisseur“, wie es im Zunftjargon heißt. Heute ist das anders. Und dass es anders ist, hat viel mit Forestier-Kasapi zu tun. Denn nach sechsjähriger Betriebszugehörigkeit (unter anderem in der Fertigung und als Leiterin der Uhrwerkentwicklung) war sie vom damaligen Firmenchef Bernard Fornas 2005 zur Chefin der Cartier-Entwicklungsabteilung befördert worden und hat in dieser Rolle seither kraftvolle Wirkung entfaltet. Hier im Vallée de Joux beschäftigt sie die Vertreter von 175 verschiedenen Berufen. Sieben Jahre dauerte die Umstellung der Produktion vom Établisseur zum Entwickler eigener Uhrwerke, zum Gehäusekonstrukteur und Hersteller aller wichtigen Teile einer Armbanduhr, von der kleinsten Schraube über das Uhrenglas bis zu den über Feuer gebläuten Zeigern. Das Uhrwerk, mit dem ForestierKasapi 2008 debütierte, hatte Fachleute auf der ganzen Welt entzückt: Aus den für Cartier typischen, römischen Ziffern hatte sie eine neuartige, durchsichtige Werksplatine konstruiert, an der sich zugleich alle Zahnräder befanden. So konnte man sowohl die Zeit ablesen als auch dem aufwendigen Mechanismus des Uhrwerks bei der Arbeit zusehen. „Heute ist Cartier eine der wenigen Vollmanufakturen der Welt“, sagt die Uhrenchefin. Was aber bedeutet bei Cartier die schmückende Bezeichnung „Vollmanufaktur“? Um das herauszufinden, betreten wir einen Raum im dritten Stock, der nicht im Entferntesten an Uhren erinnert: den Think Tank (so steht es an der Tür). Durch eine lange Glaswand voneinander getrennt, sitzen etwa 70 Mitarbeiter, im Schnitt nicht viel älter als 35 Jahre, vor schwarzen Dell-Rechnern. Manche Mitarbeiter starren gleich auf zwei Bildschirme. Von Uhren keine Spur. Wir befinden uns in der Entwicklungsabteilung: „Hier sitzen unsere schlauesten Köpfe.“ Einer von ihnen ist der 30-jährige Laurent, der am Rechner Uhrengehäuse wie das des „Tourbillon Mystère“ entwirft: einer Uhr, bei der man zwar Zeiger sieht, die sich bewegen, aber kein Uhrwerk, da es so verkleinert wurde, dass es sich DIE FRAUEN BILANZ / APRIL / 2016 In Fachkreisen gilt Forestier-Kasapi als Vordenkerin der eidgenössischen Feinuhrmacherei. im Gehäuse versteckt. In diesem Raum werden der Kraftfluss von Zahnrädern gemessen und die Frequenz von Tonfedern simuliert; hier fertigen 3-D-Drucker Kunststoffmodelle von Uhrengehäusen an; selbst die Glieder des Armbands sind beweglich. Vollmanufaktur, das heißt: Die Fertigungstiefe liegt bei fast 100 Prozent. Lediglich die Zifferblätter fertigt ein Tochterbetrieb des Richemont-Konzerns. „Wir bauen selbst die Werkzeuge für unsere Armbandschließen“, erklärt Forestier-Kasapi den Unterschied zu anderen, die ebenfalls „Manufaktur“ im Namen führen (wie Zenith oder Nomos). Jedes Uhrwerk benötigt andere Teile. Da kommt eine ganze Menge zusammen: „Wir kontrollieren hier zirka drei Millionen Komponenten.“ Pause. „Pro Monat.“ Forestier-Kasapi lächelt. „Die Kunst in der Feinuhrmacherei ist es nicht, ab und zu mal eine tolle Uhr zu machen, wie es andere Hersteller auch können“, sagt sie. „Die Kunst ist es, jedes Jahr eine tolle Komplikation auf den Markt zu bringen.“ Das ist der Grund, warum Forestier-Kasapis Schaffen in Sammlerkreisen geradezu Bewunderung widerfährt und die Firma laut Experten ungefähr 400.000 Uhren im Jahr verkauft; nur Omega und Rolex bauen mehr mechanische Uhren in der Schweiz. Die sehr einflussreiche Uhren-Internetseite „Wir kontrollieren hier zirka drei Millionen Komponenten. Pro Monat.“ Hodinkee.com nennt Cartiers Think Tank „eines der beeindruckendsten Uhrmacher-Labore der Welt“. Forestier-Kasapis bisheriges Meisterstück gelang ihr nach Ansicht der Fachwelt im vergangenen Jahr mit der ersten Cartier-Armbanduhr mit sogenannter großer Komplikation, also der Verbindung von mehr als drei komplizierten Funktionen in einem Gehäuse. Die Entwicklung der „Rotonde de Cartier Grande Complication“ mit Ewigem Kalender, Minutenschlagwerk und frei fliegendem Tourbillon – einem Drehgestell, das bewirkt, dass die mit der Foto: Cartier Erdanziehungskraft verbundenen Gangabweichungen kompensiert werden – verschlang fünf Jahre Arbeit. Kein Wunder, dass Forestier-Kasapi bei dieser langwierigen Geburt ihre Arbeiten ihre „Babys“ nennt. Die besten Geburtshelfer arbeiten abseits der modernen Fabrik in einem früheren Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert: „Maison des Métiers d’Art“ (deutsch: Haus des Handwerks) nennt Cartier das dreistöckige weiße Landhaus mit den Fensterläden. Wohl aus Vermarktungsgründen lässt Cartier nicht in der modernen Fabrik, sondern in diesem Bauernhaus die besonders traditionellen, ja, beinahe ausgestorbenen Handwerksberufe (wie Steinsetzer und Graveure) wieder aufleben. Hier werden Rosenblätter-Mosaiken zu Papageienköpfen gelegt und Holzfurniere zu Löwenporträts, alles im Mikrometerbereich, um es auf Zifferblättern unterzubringen. Die Tische sind mit riesigen Mikroskopen ausgestattet, Mitarbeiter fräsen, es summt wie ein Zahnarztbohrer, beobachtet von vier Kameras. „Beim Vibrating Setting setzen wir unter jeden Diamanten eine kleine Feder“, erklärt die Chefin. „So bewegen sich die Steine auf dem Zifferblatt mit den Bewegungen des Trägers. Die Kunst besteht darin, dass die Diamanten nie herausfallen.“ Bei einer Uhr, die über eine Million Euro kostet, wäre das auch recht peinlich. 81 PRIVAT 82 Badehandtuch: gestaltet vom Fotografen und Filmemacher Ryan McGinley. BILANZ / APRIL / 2016 DAS WERK ALS HANDTUCH Was ist davon zu halten, wenn Kunst frevelhafterweise als Lifestyle-Produkt vermarktet wird? Bisweilen sehr viel. Hier ein paar Empfehlungen. Wem originale Kunstwerke zu teuer, klassische Druckgrafiken und Multiples in Hunderterauflagen aber zu altbacken sind, der wird von einer neuen Künstlergeneration und von schicken Verkaufsplattformen mit Kunstwerken bedient, die wie Lifestyle-Produkte aussehen und genauso vermarktet werden. In dieser Verbindung aus künstlerischer Manifestation und marktwirtschaftlicher Unverblümtheit steckt dann auch schon die subversive Note: dass Kunst – wenn sie schon als ultimatives Prestigeobjekt zur gesellschaftlichen Überhöhung seines Eigentümers herhalten muss – als neue, geschmackvolle und erschwingliche Produktkategorie wieder sozialisiert werden soll. Ein paar der interessantesten Anbieter und Produkte habe ich Ihnen hier zusammengestellt: Wer will nicht ein modisches Kunstwerk des New Yorker Künstlerkollektivs DIS haben? Noch dazu, wenn man sich dabei als besonderer Kenner ausweisen kann, indem man sich nicht nur den Starphilosophen und Kunsttheorie-Liebling Slavoj Žižek zu Herzen nimmt und überzieht, sondern damit auch eine Arbeit der diesjährigen Kuratoren der Berlin Biennale trägt – das Žižek-Hightech-T-Shirt. Erhältlich auf dem von DIS selbst betriebenen Onlineshop „DIS own“. http://disown.dismagazine.com Wenn Sie Ihre kunstsinnigen Freunde beim Abendessen beeindrucken wollen, dann servieren Sie einfach nur auf Tellern von Maurizio Cattelan: Der gefeierte Kunstpoet, -provokateur und -magier hat zwar offiziell – nach seiner großen Guggenheim-Retrospektive im Jahr 2011 – seine Arbeit als Künstler eingestellt, gemeinsam mit dem Fotogra- HOLLEINS KUNSTWELT fen Pierpaolo Ferrari produziert er nun aber eifrig Kunst für die Massen und als Gebrauchsartikel. Erhältlich etwa über www.artwareeditions.com Die It-Bag ist nicht nur das wichtigste Modeaccessoire, sondern auch einer der bedeutendsten Gewinnbringer von Prada, Louis Vuitton u.a. Schon vor Jahren wurden Künstler mit der Gestaltung von Luxustaschen beauftragt. Wie immer unterwanderte Damien Hirst die Erwartungen und brachte eine der besten, lustigsten und auffallendsten – und auch billigsten – Tragebeutel heraus: Mit dieser Tasche aus der Pharmacy -Motivreihe können Sie zeigen, dass es zwischen dem Versprechen auf Selbsterhalt, Selbstverbesserung und Selbstbehauptung keinen Unterschied mehr gibt. www.othercriteria.com Von einer der derzeit angesagtesten Multimedia-Künstlerinnen gibt es die perfekte Büropflanze für das hippe Mobile Office von heute. Schon allein der Verkaufstext für dieses Objekt von Lizzie Fitch hat die Qualität von Neo-Dada: „Functional mobile planter for an idealized office world. Redefine photosynthesis beyond the limitations of light and chemical energy through the synthesis of inorganic kinetic energy. Increase chloroplast production while sprucing up a new corner of the office – it’s a win-win for every organism!“ Die Eames-Stühle können Sie in die Ecke schieben, das Büro von morgen finden Sie im „Dismagazine“. http://disown.dismagazine.com FOTO: ART PRODUCTION FUND ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ Nachdem alle Welt von der Kunstszene in Los Angeles spricht, braucht man für den Besuch an der sonnigen West Coast natürlich nicht nur irgendeines der dort allgegenwärtigen Nahverkehrsmittel, sondern das vom Doyen der L.A . Art Scene selbst gestaltete: das „Yellow Skateboard“ von John Baldessari – gibt es sogar schon bei Amazon. www.amazon.co.uk Zum Abschluss benötigen Sie noch das passende Handtuch für den Strand in Venice Beach, und hier erregen Sie mit Ryan McGinleys Towel ausreichend Aufsehen: Der Fotograf und Filmemacher ist einer der beeindruckendsten Subkultur-Porträtisten seiner Generation – mit dem Kauf seines Handtuchs erwirbt man nicht nur eine besonders poetische, surrealistische Arbeit, sondern unterstützt auch noch die gemeinnützige, auf die Förderung von großen Kunstprojekten ausgerichtete Verkaufsplattform. Noch nie hat sich Shopping so gut und kultiviert angefühlt. www.artproductionfund.org MAX HOLLEIN ist der berühmteste und einflussreichste Museumsdirektor des Landes und womöglich der beste Manager Frankfurts. Er hat das Städel, die Schirn Kunsthalle und das Liebieghaus zu internationaler Geltung geführt. 83 PRIVAT BAADERS BESTE KNOCHEN MIT LOCH Speisen in der Kassenhalle und eine Flasche „Y“ für 200 Euro. DIE BANK Hohe Bleichen 17, 20354 Hamburg, www.diebank-brasserie.de 84 Das vor zehn Jahren gegründete Restaurant wirkte von Anfang an betagt, bewährt, hamburgisch gewachsen. Das hat nicht nur mit der Örtlichkeit zu tun, einer veritablen „Kassenhalle“ von 1897, sondern fraglos auch mit den gut gemachten Lieblingsgerichten vieler Hamburger: Tuna sashimi (17 Euro), Rindertatar (18), Maispoularde (22), Kutterscholle (28) usw. ZEIK Sierichstraße 112, 22299 Hamburg, www.zeik-hh.de „Axel Henkel zurück in Hamburg“ klingt für mich wie „Harald Schmidt zurück in der ARD“. Der Koch, der vor rund 40 Jahren, zusammen mit Josef Viehhauser und Heinz Wehmann, die moderne Hamburger Küche begründete, steht hier seit einigen Wochen wieder am Herd: in Winterhude, wo gastronomisch zurzeit am meisten passiert. Das Restaurant heißt „Zeik“, wie damals, und es gibt Blockbuster wie Königsberger Klopse (22 Euro) oder Arthouse wie Biryani Hühnchen (24). komplett verzichtet. Die Trauben werden dann für die trockene Variante, den „Y“, verwendet. So kommt es, dass einer der bestschmeckenden Weißweine der Welt als Beifang entsteht. Die 0,75-Liter-Flasche kostet um die 200 Euro. Aber dafür trägt sie auch diesen unglaublich puristischen Namen, von dem man meinen könnte, Apple hätte ihn erfunden. KRONENHALLE Rämistraße 4, 8001 Zürich, www.kronenhalle.com Hier saßen schon Picasso, James Joyce und Coco Chanel zu Tisch. Seit 1924 sind Restaurant und Bar Treffpunkt der Zürcher Bourgeoisie, vieler Literaten und Künstler. Sie alle schätzen die verfeinerte bürgerliche Küche, in der Rösti (z.B. mit Kalbsgeschnetzeltem, 56 Franken) in etwa die Bedeutung hat wie Popcorn im Kino. Hinzu kommt die Melange aus Kunstausstellung, gediegenem Interieur und kultiviertem Service. En Guete (zu deutsch: „Einen guten Appetit“)! MILLÉSIMA, 87 QUAI DE Paludate, 33050 Bordeaux, www.millesima.com Das Château d’Yquem ist berühmt für seine edelsüßen Weißweine. Der Qualitätsanspruch ist so hoch, dass man in schlechten Jahren auf die Herstellung FOTOS: DIE BANK, HEINER BAYER, ZEIK ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ OSSOBUCO MIT GREMOLATA Mein Rezept mit Einkaufsliste und Anleitung finden Sie auf www.bilanz.de Wieder eines dieser famosen Schmorgerichte, wie geschaffen für die Bewirtung von Gästen: gut vorzubereiten, fehlerverzeihend, großes Zeitfenster zum Servieren ohne Qualitätsverlust. Und je schmuddeliger das Wetter, desto besser schmeckt der „Knochen mit Loch“. P FRED BAADER war mit seiner Agentur Baader Lang Behnken einer der Großen in der deutschen Werbewirtschaft. 2013 veröffentlichte der Hamburger Genussmensch sein erstes Kochbuch. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA AKTIV & GESUND Xxxx 1 APRIL 2016 Der erste Schritt Welche Sportart passt zu mir? Raus! Bewegung an CDQÓEQHRBGDMÓ+Tȓ Portrait ANZEIGE DIRK NOWITZKI Die Highlights einer Karriere 6iÀÜ>`i-i1ÃiÀ}iiÀiÀÌi >ÌiâÕiÌÃV i`i`i*ÕÃvØÀ Ài>Ài° Ì>ÌiÀi-iÕÃ\³{£{{ÓxnnÈää flowbox }iÌyÜLÝ°V „FAILURE I CAN LIVE WITH. NOT TRYING IS WHAT I CAN’T HANDLE!“ S!.9!¨ 2)#(!2$3̬2/33¨ 53!¨ "2/.:%¨ -%$!,)34¨ !4¨ ¨ -%4%23 EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA Einleitung 3 Lesen Sie mehr... Digitale Technologien im Fokus oder parallel in zehn Hallen statt- und Prävention (Deutscher welche Erkenntnisse von Fit- schon Realität? Was es mit finden. In diesem Jahr stehen Sportärztebund) e.V. mit dem nessprogrammen E-Health, Bio-Tracking und mit Big Data und Bio-Tracking Thema «Kardio-Check-up vor Profi-Sportbereich Big Data auf sich hat und wel- zentrale Zukunftsthemen der und während des Fitness-Trai- werden können und welche che Rolle die Digitalisierung Branche im Fokus des vier- nings? Welche Untersuchun- Vorteile sich aus der Daten- 05 Functional Training der Medizin heute spielt, das ten FIBO MED KONGRESS. gen sind notwendig vor Be- speicherung in der Cloud für 06 Jogging zeigt der FIBO MED KON- Erwartet werden rund 250 ginn des Fitnesstrainings?» den Anwender im Amateur- 08 Gesunde Ernährung GRESS am 9. April 2016 im Ärzte, Krankenkassen-Mit- Zentrales Thema des FIBO bereich ergeben. Abgerundet 09 Outdoor-Sport Rahmen der Internationalen glieder und gesundheitsori- MED KONGRESS ist Bio-Tra- wird der große Themenblock 10 Dirk Nowitzki im Portrait Leitmesse für Fitness, Well- entierte Sportler, die sich am cking. In den Vorträgen «Sport- von Manuel Guarrera (Per- 12 Wearables ness und Gesundheit. Unter 9. April über die aktuellen medizinische zum sonal-Trainer und Ausbilder 14 5GQQCLQAF?̃Ð1CFCL der Fragestellung «Quo vadis Entwicklungen der moder- Fitness-Training – Einsatz von Holmes Place, Düsseldorf), 15 Medical Wellness moderne nen informieren. Bio-Trackern» und «Big Data der in seinem Vortrag «Ausbil- die FIBO und die MEDICA Im Rahmen des Kongresses & Bio-Tracking: Chancen und dung oder Weiterbildung zum 16 Wellness & Spa e.V. – Gesellschaft für inter- werden die Teilnehmer durch Risiken» beleuchten der Kar- Fitness-Trainer, Nutzen von 18 Burnout disziplinäre Medizin – ge- ein umfassendes Rahmenpro- diologe Prof. Dr. Malte Kelm Bio-Trackern» meinsam zum vierten Mal in gramm geführt. Eröffnet wird (Direktor der Universitätskli- berichte und Ausführungen Folge in den Rheinsaal des der Kongress traditionell vom nik für Kardiologie, Düssel- berufspolitischer Aspekte aus Congress-Centrum Nord auf Präsidenten der MEDICA e.V., dorf) und HNO-Arzt Dr. Peter der Sicht eines Personal Trai- dem Kölner Messegelände, Prof. Dr. Jörg Schipper. Im An- von Saß (HNO-Klinik am Uni- ners gibt. (sma) wo vom 7. bis 10. April die schluss beschäftigt sich Prof. versitätsklinikum Düsseldorf) Messen FIBO EXPERT, FIBO H. Löllgen von der Deutschen das Thema aus verschiedenen Weitere Informationen unter PASSION und FIBO POWER Gesellschaft für Sportmedizin Sichtweisen. Besprochen wird, www.fibo.de Noch Zukunftsmusik Medizin?» laden Medizin Aspekte [email protected] Verantwortlich Nino Jannasch Produktionsleitung Matthias Mehl Text Smart Media Agency (SMA) Titelbild Thinkstock Design Smart Media Agency AG $O>̪HàRKAà)>VLRQ Anja Cavelti Distributionskanal BILANZ, April 2016 Druck Leykam Druck GmbH & Co. KG, Neudörfl dem gezogen Erfahrungs- ÜBER SMART MEDIA FOKUS AKTIV & GESUND Projektleiter Julien Pantleon aus Smart Media ist der Spezialist für Content Marketing und Native Advertising. Unsere Kampagnen werden sowohl online als auch in führenden Printmedien publiziert. Inhaltlich setzen wir einen Fokus auf aktuelle und relevante Fachthemen innerhalb verschiedener Branchen. Mit unseren kreativen Medienlösungen helfen wir Ihnen dabei, Ihre Marke zu stärken und echten Nutzen für Ihre Zielgruppe zu schaffen. Unsere hochwertigen Inhalte regen Ihre Kunden zum Handeln an. 04 16 04 Fitness-Typen Viel Spass beim Lesen! Julien Pantleon Projektleiter 0J>OQà*BAF>àDBK@Và$ Gerbergasse 5, 8001 Zürich, Schweiz Tel. 044 258 86 00 E-Mail [email protected] Web www.smartmediaagency.ch EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 4 Sport 4BI@EBOà#FQKBPP1VMà?FKàF@E Am Anfang einer jeder Fitness-Reise steht das individuelle Ziel. Und dieses unterscheidet sich von Mensch zu Mensch: Die einen wollen abnehmen, die anderen wollen ANZEIGE Muskelmasse aufbauen, wieder andere wollen einen Halbmarathon laufen können. Deshalb müssen Sie sich vor allem eines fragen: 4>PàTFIIàF@EàBFDBKQIF@E Körper ist also an sich schon ein ziemlich beeindruckendes Konstrukt. Und dennoch ist ein Großteil der Menschen, zumindest in der westlichen Welt, unzufrieden. Leider oft zu Recht: Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen etwa, dass Deutschland das «fetteste» europäische Land ist. TEXT MARCEL SCHNEIDER !5&34%(%.¨˺.$%2. Das sind die Statistiken. Diese muss man natürlich nicht einfach akzeptieren, schließlich entscheiden Sie selber darüber, was mit Ihrem Körper geschieht. Gesunde Ernährung und Sport können Abhilfe schaffen – wenn beide in Kombination betrieben werden. Doch welche Sportart eignet sich? Zur ersten Orientierung kann man sich die «Drei Körpertypen» anschauen: ectomorph, mesomorph und endomorph. Diese sind Der menschliche Körper ist nicht weniger als ein biologisches Wunderwerk. Aus Platzgründen beschränken wir uns auf drei Fakten: Unser Körper umfasst 210 Knochen. 650 verschiedene Muskeln treiben ihn an. Und unsere Lungen können mit einem großen Atemzug unser Gewebe für durchschnittlich fünf Minuten mit Sauerstoff versorgen. Der natürlich nur als grobe Richtmesser zu verstehen, aber generell kann man sagen, dass ectomorphe Menschen eher dünn sind, mesomorphe Körpertypen sich durch hohe Muskelausprägung auszeichnen und der endomorphe Typ zu Übergewicht neigt. Der Körpertyp gibt in vielen Fällen bereits vor, in welche Richtung das Training gehen soll. Dürre Menschen wollen oft Muskelmasse ansetzen, während zu Übergewicht neigende eher abnehmen wollen. Mesomorphe Köpertypen haben es hier am einfachsten, beide Ziele zu erreichen. DRAUSSEN ODER DRINNEN? Nach der Definition des Fernziels müssen Sie sich für eine grundlegende Sportart entscheiden, mit der sie dieses Ziel zu erreichen versuchen. Generell – und wieder etwas vereinfacht gesagt – lässt sich folgende Kategorisierung vornehmen: Für das Abnehmen eignen sich Cardio Sportarten wie Schwimmen, Laufen, Biken, Walken sowie Intervalltrainings. Diese verbrennen nicht nur Fett, sondern erhöhen auch die Ausdauer und lassen sich sowohl in- wie auch outdoor betreiben. Kraft- und Muskelaufbau erreicht man durch Gerätetraining, Functional Training (siehe gegenüberliegende Seite) sowie Mischformen aus beiden. Natürlich lassen sich Kraft- und Ausdauersportarten kombinieren, man sollte es sogar. Nachdem Sie sich für eine Sportart entschieden haben, gibt es nur eines: ausprobieren. Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie sich fachmännische Beratung holen. Denn bei aller Motivation, wer zu schnell und zu kraftvoll aufbricht, bricht auch schneller zusammen. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA Functional Training Kooperation 5 Dreidimensionale Bewegung für echte Fitness Sie wollen in Form kommen, aber monotones $BOeQBQO>FKFKDàFJà0QRAFLàP@EOB@HQà0FBà>?à">KKà ist Functional Training genau das Richtige für Sie. «Aktiv und Gesund» sprach mit einem Experten über Leistung, Spaß an Bewegung – und wie einfach der eigene Körper zum Fitnessgerät wird. TEXT MATTHIAS MEHL Noch drei Wiederholungen, noch zwei, noch eine... fertig. Jetzt eine Minute Pause, dann folgt der zweite Satz à zehn Wiederholungen für den Bizeps. Dann wieder kurze Pause, bevor der dritte Satz beginnt. Auf diese Weise arbeiten sich täglich tausende Sportler im Fitness-Center durch ihre Muskelgruppen. Der Kraft- und Muskelzuwachs wird dabei durch isolierte Bewegungen mit steigendem Widerstand erzielt. Ein bewährter, klassischer Ansatz. «Die Herangehensweise des Functional Trainings ist aber eine gänzlich andere», erklärt Stefan Liebezeit, Sportwissenschaftler und Personal Trainer bei der Munich Personal Training Lounge (www.munich-pt-lounge.de). Functional Training setze auf dreidimensionale Bewegung, in vielen Fällen wird mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet. Anders als beim Gerätetraining werden mehrere Muskelgruppen, sogenannte Muskelketten, gleichzeitig trainiert. «Dadurch entsteht eine Fitness, die wirklich alltagstauglich ist, weil sich nebst Ausdauer und Kraft auch die Koordination verbessert», so Liebezeit. !,,%3¨)-¨,/4 Ganz ohne Hilfsmittel kommt aber auch das Functional Training nicht aus. Eines der bekanntesten Tools ist das TRX-Band. Dabei handelt es sich um einen sogenannten «Suspension Trainer». Dieser wird in einer gewissen Höhe angebracht und ermöglicht es, die Muskeln mit dem eigenen Körpergewicht zu trainieren. «Das Training mit dem TRX regt den Stoffwechsel deutlich stärker an als andere Trainingsgeräte», führt Stefan Liebezeit aus. Da man sich konstant in einer stehenden oder hängenden Position befindet, wird die Rumpfpartie des Körpers, der «Core», konstant trainiert. «Das ist entscheidend, denn ein starker Core ist die Voraussetzung für Stabilität und eine richtige Haltung – auch im alltäglichen Leben.» Ein großer Vorteil des TRX, welches ursprünglich aus dem Militär stammt, ist seine Skalierbarkeit. Liebezeit: «Für einen Anfänger kann das kleinste Gewicht im Studio bereits zu schwer sein, was eine falschen Ausführung der Übung zur Folge hat und Verletzungsgefahr birgt.» Beim TRX dient der eigene Körper als Gewicht und durch das Verändern des Winkels, in welchem man eine Übung Das Training mit dem TRX regt den 2SNǼVDBGRDKÒ RS{QJDQÒ@MÒ@KRÒ andere Trainingsgeräte. durchführt, kann man den Widerstand quasi stufenlos regulieren. Das führt zu einem Ganzkörper-Workout mit bis zu 300 verschiedenen Übungen in hoher Intensität. Dabei sind 20 Minuten bereits ausreichend, um einen positiven Effekt zu erzielen. Und da der TRX ein echtes Leichtgewicht ist, kann er problemlos auf Reisen mitgenommen und überall – daheim oder auch in der freien Natur – verwendet werden. "%(543!-¨5.$ +/22%+4¨"%')..%. Und dennoch betont Stefan Liebezeit, dass Functional Training eine seriöse Einführung voraussetzt. «Da der potenzielle Bewegungsradius viel grösser ist als beim Training mit Maschinen, ist auch die Verletzungsgefahr höher», erklärt der Personal Trainer. Die Einführung sollte darum durch einen geschulten Trainer erfolgen. Zudem gebe es beim Kauf eines TRX ausführliches Videomaterial, das sehr genau in die einzelnen Übungen einweist. Zum Training (nicht nur mit dem TRX) empfiehlt Liebezeit die Anwendung eines Foam Rollers. Mit diesen Rollen werden die Faszien durch eine Eigenmassage bearbeitet - um den Körper auf das Training vorzubereiten oder nach dem Training die Regeneration zu unterstützen. ANZEIGE KRAFT- & AUSDAUERRTRAINING G *Gültig bis 30.4.2016. Bestehende Rabattaktionen sind hiervon ausgenommen. Transatlantic Fitness GmbH · Am Haag 10 · D-82166 Gräfelfing Tel. +49 (0) 89 - 500 80 79 0 · E-Mail [email protected] PRÄVENTION & REGENERATION % 10 RABATT* Rabattcode: aktiv2016 EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 6 Jogging Laufen – wenn der Weg zum Ziel wird Regelmäßiges Laufen trainiert Ausdauer und Kreislauf und ist – wenn richtig betrieben – ein guter Fatburner. Doch gerade Anfänger sollten darauf achten, sich zu Beginn nicht zu übernehmen. Eine kleine Einführung. TEXT MATTHIAS MEHL Jim ist Jogger. Seit Jahren schon. Am liebsten läuft Jim nachts, so gegen 22 Uhr, wie der 32-jährige gegenüber «Aktiv und Gesund» erzählt. «Dann herrscht mehr Ruhe und ich kann mich beim Laufen voll auf mich konzentrieren», betont er. Tagsüber arbeitet Jim am Schreibtisch, Laufen ist für ihn ein wichtiger, körperlicher Ausgleich. «Was mit besonders daran gefällt ist die Tatsache, dass kein Run gleich ist – immer herrscht anderes Wetter, eine andere Stimmung und es kommt zu anderen Begegnungen.» Selbst schlechtes Wetter kann Jim nicht schrecken. Im Gegenteil: «Es ist sehr erfrischend, wenn es ein wenig regnet, man muss sich mit der Situation einfach arrangieren.» Dass Joggen eine gesundheitsfördernde Wirkung hat, ist unbestritten – wenn es denn richtig ausgeführt wird. Denn beim Laufen ist Vorsicht geboten, gerade für Anfänger. Wer sich zu Beginn übernimmt oder eine falsche Lauftechnik annimmt, läuft Gefahr, sich zu verletzten. Dies kann gemäß Laufexperten sehr schnell geschehen, denn die meisten Leute laufen falsch. Doch wo liegt der Fehler? Ein Großteil der Leute tritt beim Joggen zu stark auf der Ferse auf. Ein Unding für Spezialisten. Denn damit werde die natürliche Stoßdämpfung unseres Bewegungsapparats ausgehebelt. Die Anatomie des menschlichen Körpers ist eigentlich so ausgerichtet, dass das Abrollen beim Laufen auf dem Vorderfuß erfolgen sollte. Schwer zu glauben? Rennen Sie mal ein paar Meter barfuß – da hören Sie automatisch auf, mit der Ferse zuerst aufzutreten. genauso wenig wie es den Jogger gibt.» Aus diesem Grund sei es entscheidend, dass man sich die eigenen Ziele vor Augen führt. «Freizeitsportler, die zweimal die Woche auf einem Waldweg laufen, haben andere Voraussetzungen als Athleten, die sich auf ihren ersten Marathon vorbereiten», so Wilbers. Und auch die persönlichen Vorlieben spielen bei der Schuhauswahl eine Rolle: Will ich eine weiche Sohle, die möglichst stark dämpft? Oder doch eine elastische, die mir bei jedem Schritt ein bisschen zusätzlichen Schwung verleiht? «Die Frage nach dem richtigen Schuh ist eine komplexe, aus diesem Grund bieten wir auf unserer Homepage einen Online-Schuhberater an», erklärt Wilbers. Dort geben die Jogger ihre Laufvorlieben und Ziele ein und werden so zum passenden Schuh geführt. Für Anfänger gilt aber auch mit dem Idealschuh an den Füssen: Lassen Sie es langsam angehen. Walken Sie, oder tasten Sie sich ans Joggen heran, indem Sie drei- bis sechsmal die Woche kurze Läufe von fünf bis zehn Minuten absolvieren. So bauen Sie Ihren Körper auf und eignen sich die für Sie ideale Lauftechnik an. 7%,#(%2¨3#(5(¨0!334¨:5¨-)2 Neben einer geeigneten Lauftechnik sind er vor allem die Schuhe, welche das Joggen beeinflussen. Und damit kennt sich Christian Wilbers vom Laufschuh-Hersteller Brooks (www.brooksrunning.de) bestens aus. «Es gibt nicht einfach den Laufschuh, ANZEIGE DER BROOKS TRANSCEND 3 - frisch ausgezeichnet mit dem Best Update-Award der Runners World Deutschland. Der Transcend steckt voller innovativer Technologien und bietet die ideale Kombination aus Dämpfung und Support - superbequem und komfortabel. runhappy.de/transcend3 A better Cup of Coffee DIE GESUNDE KAFFEEALTERNATIVE FÜR JEDEN TAG! 3$$!1!9;'8 -£;'80!ø''1!9$,-2'2V >'2-+'8-ħ'89;3ø'<2&>'2-+'8É<8'(Ü8&'2 #'9;'2!ø''+'2<991-;1',8'9$,1!$0R É,£'2-'!<9 !8#'2!<(>>>W13$$!1!9;'8W&' www.moccamaster.de • www.moccamaster.at • www.moccamaster.eu Hand Made in Holland Hochwertige Verarbeitung Optimale Bruhtemperatur ( 94-96 Grad ) Schnelle Kaffeezubereitung ( 10 Tassen in 6 Minuten ) 9 Loch Wasserauslauf Maximum an Sicherheit dank Auto Off Technik Intelligente Warmhalteplatte Mehrfach ausgezeichnet EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 8 Ernährung Gesund ist lecker Werden ein paar Regeln beachtet, ist gesunde Ernährung ganz einfach. Die richtige Wahl der Lebensmittel hält aber KF@EQàKROà̪QàPLKABOKàH>KKà auch Krankheiten vorbeugen. Ernährung weiterhin beim Fußball-Gucken zum Bier gegriffen oder bei der Grillparty das Steak auf den Grill geschmissen werden. Männer lieben Schnitzel, Steaks und fette Wurst, Frauen bevorzugen eher Salat und Gemüse. Das ist nicht nur ein Vorurteil, sondern Realität. Vergleicht man den jährlichen ProKopf-Verbrauch bei bestimmten Lebensmittelgruppen, so zeigt sich: Deutsche Männer konsumieren im Durchschnitt weniger Obst und Gemüse als Frauen, dafür mehr Fleisch und Wurstwaren, erheblich mehr Alkohol und auch vor fettigem Essen schrecken Männer weniger zurück. $)%¨2)#(4)'%¨!537!(,¨-!#(43 Basis für eine gesunde Ernährung sind Getreideprodukte: Gerne mehrmals am Tag, dafür aber Vollkornstatt Weißbrot und Reis statt Nudeln. Auch Kartoffeln sollten auf ihrem wöchentlichen Speiseplan reichlich anzutreffen sein. Fleisch gehört zu einer gesunden Ernährung unbedingt dazu. Nur fettarm soll es sein. Das gilt auch für den Aufschnitt. Gönnen Sie sich einmal pro Woche eine leckeres Forellenfilet oder leckeren Lachs. Fisch ist die reichhaltigste Quelle für Omega-3-Fettsäuren. Sie schützt das Herz und regt die Hirnfunktionen an. 5.'%35.$¨')"4¨%3¨.)#(4 Das wichtigste Vorweg: Gesunde Ernährung ist kinderleicht. Denn im Grunde gibt es keine «gesunden» oder «ungesunden» Lebensmittel. Es ist immer die Menge, Auswahl und Kombination, auf die es ankommt. Hält man sich an gewisse Grundregeln, darf auch bei einer gesunden Auch mit Käse tun Sie ihrem Körper etwas Gutes und deshalb dürfen Sie ruhig etwas häufiger zugreifen. Zucker ist Gift für die Figur sagt frau. Mann muss aber nicht auf Süßes verzichten, auch wenn er gesund essen will. Ein Stück Schokolade schlägt gleich drei Fliegen mit einer Klappe – vorausgesetzt sie ist nicht hell, sondern dunkel: Sie senkt den TEXT %#0-*"Ð 0`21!&͑.0^4Đ2 Cholesterinspiegel, beugt Herzkrankheiten vor und schützt vor Entzündungen. Und jetzt zum Grünzeug: Klar Steak schmeckt besser als Kohl. Aber wenn Sie am Gemüseregal im Supermarkt ein gutes Händchen beweisen, wird ihnen ihr Körper applaudieren: Paprika, Ingwer, Brokkoli, Tomaten, Fenchel – um nur einige davon zu nennen – haben positive Effekte auf Herz, Cholesterinspiegel und Co. GESUND KANN AUCH LECKER SEIN Auch wenn es nichts kalorien-ärmeres gibt als Wasser, auch bei einer gesunden Ernährung müssen andere Getränke nicht untergehen: Naturtrüber Apfelsaft für einen gesunden Darm, grüner Tee gegen die Körperfett-Zunahme, Kaffee – der Studien zu Folge Alzheimer und Parkinson vorbeugt –, ein Glas Wein für eine bessere Sauerstoffversorgung oder Kirschsaft um späteren Muskelkater zu vermeiden – Wasser ist durchaus nicht das einzige Getränk, das in Frage kommt. Aber immer in Massen genießen. Zum Abschluss sei noch gesagt: Eine gesunde Ernährung ist nur das halbe Rezept für ein gesundes Leben: Bleiben Sie in Bewegung und tun Sie regelmäßig etwas für Ihre Fitness. ANZEIGE An der Hohen Schule starten zukünftige Leader ihre hre e Karriere Karrie Karr Kar rriiie riere ere re von von einem eine em Spitzenplatz. em Spitz Sp Spitz iittz tzenp enplat enpl la latz at atz z. Ob Ob Gymnasium, Gym Gymn Gym ymnasium, asium FachmittelFachmittel schule, Sekundarschule oder 10. Schuljahr, ob mit oder ohne sportlichen Schwerpunkt, ob extern oder am Internat: Hoch über dem Nebelmeer bietet das HOCHALPINE INSTITUT FTAN die perfekte Ausgangslage für den persönlichen und beruflichen Aufstieg. DIE HOHE SCHULE: WWW.HIF.CH EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA Outdoor 9 Der Frühling ist im Anmarsch und das bedeutet: Es ist wieder Outdoor-Saison. Neben Skaten, Schwimmen oder Biken gibt es aber auch neue Sportarten, die darauf warten, ausprobiert zu werden: Geocaching, Slacklining oder Trailrunning. TEXT %#0-*"Ð 0`21!&͑.0^4Đ2 Wenn es um Outdoorsport geht, gehört ganz klar Biken zu den Favoriten. Aber auch das Wandern über Stock und Stein darf während den sonnigen Monaten auf keinen Fall fehlen. Noch nicht zu den Top-Anwärtern des Outdoorsports gehören diese drei: Geocaching, Slacklining oder Trailrunning. Noch nie gehört? Dann wird es Zeit, dass sie die neuen Trends der Outdoor-Branche kennenlernen: NUR FÜR TRAINIERTE Trailrunning bedeutet Laufen auf schmalen, möglichst naturbelassenen Pfaden oder querfeldein. Hauptmotivation vieler Sportler: die bekannten, meist stadtnahen Laufrunden zu verlassen und den Körper durch die veränderten Bedingungen neu zu fordern. Die Länge der Strecke ist dabei oft weniger entscheidend als ihr Profil. Denn wechselnder Untergrund, Steigungen und Gefälle sowie natürliche Hindernisse stellen deutlich höhere Anforderungen an Bein- und Rumpfmuskulatur, Kondition und Lauftechnik; deshalb wird Trailrunning auch nicht für Einsteiger empfohlen. Trailrunning hat wegen des häufigen Tempowechsels und der komplexeren Bewegungen einen hohen Fitness-Faktor. Das ständige Beobachten der Strecke schult Konzentration und Koordination – bei dieser Art des Laufens läuft der Kopf mit. Wer Trailrunning ausprobieren möchte, braucht vor allem eins: Den richtigen Schuh. Er sollte sehr gute Anti-Rutsch-Sohlen haben, die auch vor durchdrückenden Steinen und Feuchtigkeit schützen. SLACKLINING SORGT &̍2¨"!,!.#% Besser kann man seine Balance kaum schulen: Slackling, also das Balancieren auf gespannten Seilen oder Gurten, kommt aus der Kletterszene. Die Slackline, ein 25 bis 35 Millimeter schmales Band, wird mithilfe von Schlingen und Ratschen ungefähr in Hüfthöhe zwischen zwei stabilen Fixpunkten wie Bäume oder Geländer gespannt. Achtung: Für die ersten Stehund Gehversuche unbedingt jemanden zu Hilfe nehmen, an dem man sich festhalten kann. Weicher Untergrund ist ebenfalls empfehlenswert. Wenn man das Ausbalancieren mit Beinen und Armen beherrscht, fängt man an zu gehen und kann sich – wenn man sich sicher genug fühlt, an ersten Tricks versuchen. !5&¨3#(!4:35#(% Geocaching lässt sich beschreiben als eine Art Schatzsuche mit GPS. Ziel des Sportes ist es, einen Schatz, oder eben «Cache», zu finden, der von jemandem deponiert wurde. Die geografischen Koordinaten des Verstecks sind im Internet veröffentlicht. Andere Personen mit GPS-Empfänger suchen diesen, tragen sich in ein Logbuch ein und dokumentieren ihre Suche im Netz. Hört sich simpel an, ist in der Praxis aber je nach Lage, Größe und Schwierigkeitsgrad des Caches ein echte Herausforderung: Bei sogenannten Multi-Caches etwa, muss man mehrere Stationen ablaufen, um überhaupt die Koordinaten des eigentlichen Verstecks bestimmen zu können. Und selbst dann: Vielleicht ist es ein Cache in der Größe einer Filmdose mitten im Unterholz. Na dann, viel Spaß beim Suchen! (www.geocaching.com) © Haberland Fitness einmal anders $SQQ@?JJNPM˒ ÍRPMAICLCPÍ JIMFMJGICPÍSLBÍ1AFGPKFCPPÍ BCPÍ,#1!30#| .PGT?RIJGLGIÍ?KÍ1CC Neue Wege aus der Sucht Er gehörte zu den besten Fußballern seiner Zeit: Deutscher Meister, Pokalsieger und Nationalspieler. Doch nicht nur der Fußball hatte ihn im Griff, sondern auch der Alkohol. Noch während seiner aktiven Profikarriere hatte er mehrere Abstürze und Zusammenbrüche, konnte seinen Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren. Erst nach einem Selbstmordversuch kam im Jahr 2000 die Erkenntnis, dass ihn nur ein Alkoholentzug und totale Abstinenz retten können. Heute ist Uli Borowka seit über 15 Jahren trocken. Er engagiert sich intensiv in der Suchtprophylaxe. Viele Betroffene aus dem Leistungssport wenden sich vertrauensvoll an ihn, wenn Sie Hilfe benötigen. www.nescure.de ANZEIGE BEKANNTMACHUNG RAU S AUS DEM ALLTAG – REIN IN DIE ERH OLU NG! GÖN N E N SAAS-GR UND | SAAS-FE E E IN E N S IE S IC H CK AU F LI M IT AU SB LAUB D E R! TAU S E N 18 VIE R SC HAL EN U NTE R: KU RZ UR U TO LL E PA W W W .S A A S -F E E .C H /S H O P | SAAS-AL MAGELL | SAAS-BA LEN EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 10 Portrait Das Ende der Karriere KL@EàBFKàTBKFDàEFK>RPP@EFB?BK "FOHà+LTFQWHFàPQBEQàFKàPBFKBOàà0>FPLKà>IPà+ -OL̪àRKAàFJJBOàKL@EàDBEsOQàBOàWRà den Stars der besten Basketball-Liga. Er denkt darüber nach, bis 2018 zu spielen. TEXT PATRICK HUNKELER BILD ',%͑"' ÐPRESSEBILD Dass er ein bisschen anders tickt, bewies Dirk Nowitzki, als er im Juli 2010 seine Unterschrift unter den neuen Vertrag mit den Dallas Mavericks setzte. Er verzichtete auf einen Wechsel als Free Agent, was ihm viel Geld eingebracht hätte und unterschrieb bei den «Mavs» einen neuen, tiefer dotierten Kontrakt über vier Jahre. Er war in Dallas heimisch geworden. Als Gegenleistung erhielt Nowitzki eine «no trade» Klausel. Somit konnte er nicht gegen seinen Willen zu einem anderen Team verschoben werden. Die Abmachung mit den Klubbossen sah auch vor, das eingesparte Geld für die Ergänzung des Kaders auszugeben. Vor der Saison wurde zusätzlich der überbezahlte Erick Dampier abgeben, wodurch man Tyson Chandler für die Centerposition verpflichten konnte. Während der Saison stieß auch noch der dreimalige All-Star Peja Sojakovic zur Mannschaft. Endlich hatte man, auch dank der Geste von Nowitzki, genug Breite im Kader, um einen ernsthaften Angriff auf den Titel zu starten. KEIN EINFACHER START ).3¨."!¨!"%.4%5%2 Nowitzkis Verbundenheit mit Dallas erklärt sich vielleicht mit seinem nicht einfachen Start in der NBA. Die Mavericks hatten ihm großes Vertrauen geschenkt. Es war Zeit etwas zurückzugeben. Der junge Deutsche wurde von den Milwaukee Bucks 1998 an neunter Stelle gedraftet und dann direkt nach Dallas weiter getradet. Während seiner ersten Spielzeit 1998/99 bezahlte Nowitzki viel Lehrgeld. Er konnte sich gegen die kräftigeren NBA-Spieler nur schlecht durchsetzen, insbesondere in der Verteidigung sah er oft schlecht aus, was ihm den Übernamen «Irk Nowitzki» eintrug. Das D, welches nach Logik der Beobachter für «Defense» stehen sollte, wurde einfach entfernt. Mit knapp 8 Punkten pro Spiel war er so schlecht, dass der junge Spieler darüber nachdachte, zu seinem Verein Würzburg, den er in die erste Bundesliga geführt hatte, zurückzukehren. Der Sprung von der zweiten Division in Deutschland in die beste Liga der Welt erschien einfach zu groß. Erst zum Ende der Saison konnte er einige Male zweistellig punkten. Im zweiten Jahr gab ihm der Trainer Don Nelson mehr Verantwortung. Nowitzki sollte mit seinen guten Pässen das Spiel der Mavericks beschleunigen. Mit 17.8 Punkten pro Spiel übertraf er die Erwartungen. Damit begann sein unaufhaltsamer Aufstieg. Drei Jahre später, 2002, nahm er an seinem ersten All Star Game teil. ¨̬¨%.$,)#(¨'%7)..%. $)%¨-!6%2)#+3¨$%.¨4)4%, Lange galten Nowitzki und seine Mavericks als Playoff-Versager. In der Regular Season zwischen Top-Klasse und unwiderstehlich schafften es die «Mavs» nur 2006 bis ins Playoff Finale. In den folgenden vier Saisons schied man dreimal als besser klassiertes Team in der ersten Runde aus. Die Saison 2010/11 sollte nun endlich den großen Erfolg bringen. Der Saisonstart gelang. Doch Nowitzki verletzte sich mitten in der Saison. Trotz der daraus folgenden längsten Niederlagenserie seit über zehn Jahren lag man am Ende auf dem dritten Rang. Die meisten Experten sahen die Mavericks in den Playoffs als chancenlos an. Zu stark waren die Erinnerungen an das Versagen der Mannschaft in den Jahren zuvor. Der Start misslang, doch die Mannschaft konnte sich nach einem vergebenen 2:0 Vorsprung gegen die Portland Trail Blazers auffangen und gewann die Serie doch noch. Nach weiteren Siegen über die LA Lakers und die Oklahoma City Thunder erreichte Dallas den NBA-Playoff Final. Der Gegner hieß, wie bei der letzten Finalqualifikation im Jahre 2006, Miami Heat. Das Team aus Florida wurde favorisiert, denn es hatte mit Dwayne Wade und LeBron James gleich zwei absolute Superstars in ihren Reihen. Doch Nowitzki war ganz einfach auf dem Höhepunkt seines Schaffens und entschied die Serie zu Gunsten der Mavericks. Das lässt sich gut an den Statistiken für das letzte Spielviertel ablesen: In den sechs Spielen erzielte der Deutsche insgesamt 64 Punkte, während beim Gegner die beiden Stars Wade und James zusammen auf dieselbe Punkteausbeute kamen. Dallas gewann das Finale mit 4:2 und der Würzburger war EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA Portrait 11 Dass er ein bisschen anders tickt, bewies Dirk Nowitzki, als er im Juli 2010 seine Unterschrift unter den neuen Vertrag mit den Dallas Mavericks setzte. Er verzichtete auf einen Wechsel als Free Agent, was ihm viel Geld eingebracht hätte und unterschrieb bei den «Mavs» einen neuen, tiefer dotierten Kontrakt über vier Jahre. Er war in Dallas heimisch geworden. Als Gegenleistung erhielt Nowitzki eine «no trade» Klausel. Somit konnte er nicht gegen seinen Willen zu einem anderen Team verschoben werden. Die Abmachung mit den Klubbossen sah auch vor, das eingesparte Geld für die Ergänzung des Ka- ders auszugeben. Vor der Saison wurde zusätzlich der überbezahlte Erick Dampier abgeben, wodurch man Tyson Chandler für die Centerposition verpflichten konnte. Während der Saison stieß auch noch der dreimalige All-Star Peja Sojakovic zur Mannschaft. Endlich hatte man, auch dank der Geste von Nowitzki, genug Breite im Kader, um einen ernsthaften Angriff auf den Titel zu starten. KEIN EINFACHER START ).3¨."!¨!"%.4%5%2 Nowitzkis Verbundenheit mit Dallas erklärt sich vielleicht mit seinem nicht einfachen Start in der NBA. Die Mavericks 2DHSÒHBGÒ/HK@SDRÒL@BGDÒAHMÒHBGÒRDKSDMDQÒTLFDJMHBJSÒ@KRÒ UNQGDQÒ#@RÒG{SSDÒHBGÒRBGNMÒUHDKÒDGDQÒL@BGDMÒRNKKDMÒ @ADQÒL@MÒVHQCÒG@KSÒDQRSÒRBGK@TDQÒVDMMÒL@MÒ{KSDQÒHRS hatten ihm großes Vertrauen geschenkt. Es war Zeit etwas zurückzugeben. Der junge Deutsche wurde von den Milwaukee Bucks 1998 an neunter Stelle gedraftet und dann direkt nach Dallas weiter getradet. Während seiner ersten Spielzeit 1998/99 bezahlte Nowitzki viel Lehrgeld. Er konnte sich gegen die kräftigeren NBA-Spieler nur schlecht durchsetzen, insbesondere in der Vertei- digung sah er oft schlecht aus, was ihm den Übernamen «Irk Nowitzki» eintrug. Das D, welches nach Logik der Beobachter für «Defense» stehen sollte, wurde einfach entfernt. Mit knapp 8 Punkten pro Spiel war er so schlecht, dass der junge Spieler darüber nachdachte, zu seinem Verein Würzburg, den er in die erste Bundesliga geführt hatte, zurückzukehren. Der Sprung von der zweiten Division in Deutschland in die beste Liga der Welt erschien einfach zu groß. Erst zum Ende der Saison konnte er einige Male zweistellig punkten. Im zweiten Jahr gab ihm der Trainer Don Nelson mehr Verantwortung. Nowitzki sollte mit seinen guten Pässen das Spiel der Mavericks beschleunigen. Mit 17.8 Punkten pro Spiel übertraf er die Erwartungen. Damit begann sein unauf- EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 12 Wearables Mit moderner Technik am Handgelenk zum persönlichen Erfolg Sportuhren, Smartwatches und Fitnessbänder starten durch. Sie gesellen sich als ANZEIGE «Wearables» neben Computer, Smartphones und Tablets. Ihnen wird eine große 7RHRK̮àSLO>RPDBP>DQ TEXT PATRICK HUNKELER «Wearables» – tragbare Computer – sollen dereinst alle Entwicklungen, die sich beim Wachstum der IT-Branche bisher gezeigt haben, in den Schatten stellen. Dies prophezeiten die Analysten von Morgan Stanley vor knapp zwei Jahren. Die tragbaren Geräte kommen in vielen Formen daher: als Smartwatch, Armbänder, Kopfhörer oder als Bestandteil von Kleidern. Richtig angekommen bei den Kunden sind bisher nur die Smartwatches, Sportuhren sowie die Fitness-Armbänder. Wir konzentrieren uns auf die beiden Letzteren. 30)4:%.30/24,%2¨3).$¨!5&¨ SPORTUHREN ANGEWIESEN Heute kommen Spitzenathleten, welche nach einer wissenschaftlichen Trainingslehre in Ausdauer-Sportarten arbeiten, ohne moderne Sportuhren nicht mehr aus. Laufen, Radfahren, Schwimmen, Langlauf sowie Bewegungen aller Art können mit einer Sportuhr aufgezeichnet werden. Nach einer Trainingseinheit schlagen sie vor, wie lange der Sportler pausieren sollte, um sich optimal zu erholen und liefern verschiedene Anhaltspunkte über die Leistungsfähigkeit des Athleten. Neben der Herzfrequenz und dem Kalorienverbrauch kann zum Beispiel auch die Dauer und die Qualität des Schlafes gemessen werden. Über ihre Internetportale bieten die jeweiligen Hersteller Trainings- und Auswertungssoftware an, die ein vollständiges Leistungsmonitoring erlauben. &)4.%33!2-"˺.$%2¨!,3 IDEALES EINSTEIGERPRODUKT Fitnessbänder sollen nicht nur informieren, sondern auch dazu motivieren, sich mehr zu bewegen. Allein mit den Armbändern ist es jedoch nicht getan: Wichtig sind die zugehörigen Smartphone-Apps, mit denen die Daten synchronisiert werden. Einige Geräte bieten die Möglichkeit, die Daten auch mit dem eigenen Computer auszuwerten. Wichtig: Man muss beim Kauf darauf achten, welches Gerät mit welchem Smartphone oder Computer kompatibel ist. Die meisten Armbänder arbeiten mit dreiachsigen Beschleunigungssensoren, um die Bewegungen zu erfassen. Diese Mikroprozessoren werden auch in Airbags verwendet und messen etwa 1500 Mal pro Sekunde die Beschleunigung. Spezielle Algorithmen errechnen dann, ob man tatsächlich einen Schritt gemacht hat oder ob das Band sich nur beim Händewaschen mitbewegt hat. Einige Armbänder tun sich schwer, tatsächliche Fortbewegung zu erkennen, und zählen beispielsweise beim Händewaschen fleißig Schritte. Grundsätzlich gilt: Fitnessarmbänder mit Beschleunigungsmessern sind für Radfahrer nur bedingt geeignet. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 14 Kooperation Sehen Blindheit – bald kein unabwendbares Schicksal mehr Das Retina-Implantat Argus® II wurde zum ersten Mal im Jahre 2007 in den Vereinigten Staaten BFKDBM̫>KWQàRKAàBOJsDIF@EQàBPàPBE?BEFKABOQBKà Patienten einen gewissen Grad an Sehvermögen zurückzugeben. Die Technologie gewinnt in Europa an Boden und erfährt schrittweise von der Schweiz aus Verbreitung. Hier arbeitet das Unternehmen Second Sight Medical Products an der Verfeinerung der Komponenten. TEXT THOMAS .$#$$#0*^ Die von Second Sight entwickelte Technologie ist für Patienten bestimmt, die unter Erkrankungen leiden, die Schädigungen der Fotorezeptoren zur Folge haben – der Zellen, die das Licht erfassen und es an den Sehnerv weiterleiten. Die Technologie ermöglicht es diesen Patienten, etwa zehn Prozent eines normalen Sehvermögens wiederzuerlangen. Das Unternehmen, das seinen Sitz auf dem Gelände der EPFL, der Eidgenössischen Technischen Hochschule von Lausanne hat und seit 2011 in Deutschland sowie seit 1998 auch in den Vereinigten Staaten vertreten ist, arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung seines Gerätes. Geplant ist, dieses zukünftig einer größtmöglichen Anzahl von Patienten zur Verfügung stellen zu können. «Unser Retina-Implantat funktioniert über eine Stimulation der Netzhautoberfläche», erklärt Grégoire Cosendai, Vice President von Second Sight. Eine an einem Brillengestell angebrachte Miniatur-Videokamera erfasst zunächst die Lichtinformationen der Außenwelt. Anschließend werden diese Informationen von einer kleinen Computereinheit in elektrische Impulse umgewandelt, die drahtlos an ein Implantat übermittelt werden, ANZEIGE Ankommen, Durchatmen und Energie tanken Willkommen in der Gesundheitslandschaft OberschwabenAllgäu! Thermen, Pauschalen, (Medical) Wellness & Moor – Die Angebotsbroschüre „Erholen & Wohlfühlen“ ist kostenlos erhältlich bei der: Oberschwaben-Tourismus GmbH Neues Kloster 1 D-88427 Bad Schussenried Tel. +49 (0)7583 3310-60 [email protected] www.oberschwaben-tourismus.de das von einem Chirurgen im Augenhintergrund, auf der Retina, platziert wird. Dieses leitet diese Impulse schließlich an den Sehnerv weiter, der die Information an die Sehrinde im Gehirn sendet. Auf diese Weise erlangen die Patienten etwa einen Zehntel des normalen Sehvermögens zurück. «Dies mag recht wenig erscheinen, aber für blinde Menschen, die über keinerlei Sehvermögen mehr verfügen, stellen zehn Prozent bereits einen enormen Gewinn dar.» &̍2¨$)%¨342!33%¨̱ UND DIE SKIPISTE Dank Argus II wird ein blinder Patient mit Retinitis pigmentosa beispielsweise in die Lage versetzt, sich auf der Straße durch das Erkennen von Zebrastreifen und Bordsteinkanten zu orientieren, zu kochen oder auch in einem Raum seine Angehörigen zu lokalisieren. «Uns sind sogar besonders mutige Patienten bekannt, die mit Begleitung %QÒAKHMCDÒ,DMRBGDMÒCHDÒADQÒ JDHMDQKDHÒ2DGUDQL FDMÒLDGQÒ UDQEFDMÒRSDKKDMÒ YDGMÒ/QNYDMSÒADreits einen enorLDMÒ&DVHMMÒC@Q Skifahren gegangen sind», berichtet Grégoire Cosendai begeistert. Derzeit ermöglicht das Gerät ein Schwarz-Weiß-Sehen. Das Mitarbeiterteam von Second Sight arbeitet jedoch aktiv an der Entwicklung einer Version, die das Sehen von Farben ermöglicht, und bemüht sich zudem um eine Optimierung des chirurgischen Eingriffs, durch den das Retina-Implantat eingesetzt wird. Aktuell profitieren weltweit mehr als 180 Patienten von diesem System, 30 davon in Deutschland. In Frankreich, Deutschland, Italien sowie in bestimmten Staaten der USA werden die Kosten für die Operation und das Gerät von dem jeweiligen Sozialversicherungssystem erstattet. Das Mitarbeiterteam von Second Sight setzt sich hierfür aktiv in den anderen Ländern, u. a. der Schweiz, ein. Zukunftsperspektiven: Entwicklung der Technologie, die eine direkte Stimulation der Sehrinde im Gehirn erlaubt. Einer Technik, die es ermöglichen wird, Patienten, die von egal welcher Form von Blindheit betroffen sind, Sehvermögen zu schenken. «Wir erhalten täglich um die 100 Anfragen von Kunden, die an einem solchen System interessiert sind. Bei 90 Prozent von ihnen ist eine Stimulation des Sehnervs allerdings nicht möglich, da die Nervenzellen nicht mehr arbeiten. Die Stimulation der Sehrinde stellt eine Lösung für dieses Problem dar.» EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA Medical Wellness Kooperation 15 Wo Wellness und Medizin zusammen kommen Menschen um die 50 setzen sich vermehrt mit ihrer eigenen Gesundheit auseinander. Ein entscheidendes Thema ist die Krankheitsprävention sowie die Rehabilitation. Aufenthalte in Kurhotels und Kliniken ermöglichen es, sich zu entspannen, hervorragenden Service zu geniessen und gleichzeitig etwas für die Gesundheit zu tun. Ein Einblick. TEXT SMA Die Generation 50plus misst der körperlichen Gesundheit einen hohen Stellenwert bei. Aber nicht nur der Körper, sondern auch der Geist muss bei einer ganzheitlichen Betrachtung miteinbezogen werden. Diesem Bedürfnis kommen verschiedene Institutionen nach: Sie verbinden medizinisches Know-how mit den gehobenen Serviceleistungen von Wellness-Hotels. Früher nannte man Aufenthalte in solchen Einrichtungen «Kuren», heute ist eher von «Medical Wellness» die Rede. Das Angebot zeichnet sich vor allem durch hohe Individualität und Flexibilität aus, mit der auf die unterschiedlichen Bedürfnisses der Gäste eingegangen wird. Gerade die Schweiz weist eine lange Kur-, bzw. Medical Wellness-Tradition auf und ist in diesem Segment stetiger Innovationstreiber. «Dies liegt in unserem Fall neben der intakten Natur und der einzigartigen Thermalquelle vor allem an der hohen medizinischen Kompetenz», weiss Prof. Dr. med. Beat A. Michel, Ärztlicher Direktor im Grand Resort Bad Ragaz. Er führt ein Team von über 30 Ärzten im Medizinischen Zentrum und der Rehabilitationsklinik des Ostschweizer Fünf-Sterne-Resorts. Im Zentrum der Medical Wellness stehen einerseits medizinische Check-ups, die der Vorbeugung von Erkrankungen dienen. Kernthemen sind dabei Ernährung sowie ein gesundes Gewicht. Andererseits eignen sich Kuraufenthalte ideal zur Rehabilitation, um zum Beispiel nach einer Operation schneller wieder zu genesen. Im Rahmen der Medical Wellness wird Gästen also eine medizinische Versorgung und sowie ein Monitoring zuteil. Ergänzt werden diese Behandlungen mit unterschiedlichen Therapieangeboten wie z.B. Elektrotherapien, Wärmepackungen, Lymphdrainagen sowie medizinische Massagen. Für Personen, die nach operativen Eingriffen am Bewegungsapparat therapiert werden, können sich überdies verschiedene Formen der Wassertherapie im Besonderen eignen. KÖRPER UND GEIST ENTSPANNEN Von Medical Wellness profitieren aber nicht nur Menschen mit körperlichen Leiden. Ein immer größer werdendes Problem vieler Gäste ist Stress, wie Fachleute betonen. Der Begriff «Burn-out» ist heute fester Bestandteil des Business-Vokabulars und die Fälle mehren sich von Jahr zu Jahr. Betroffene können nicht mehr richtig abschalten, leiden unter Schlafstörungen oder sind von Tinnitus geplagt. Für stressgeplagte Personen kann Medical Wellness darum ebenfalls Wunder wirken, da der ideale Rahmen geschaffen wird, um sich aus dem stressigen Arbeitsalltag auszuklinken. Gespräche mit medizinischen Fachleuten helfen bei der Bewältigung der Stressoren und im Rahmen der mannigfaltigen Wellness-Behandlungen kommen Körper und Geist zur Ruhe. Da der Service vergleichbar ist mit hochstehenden Hotels, muss sich der Gast während des Aufenthalts um nichts sorgen und kann tatsächlich entschleunigen. PUBLIREPORTAGE Kuren im besten Wellnesshotel der Schweiz Früher wurde der Begriff Kur meist mit «gesund werden» in Verbindung gebracht, heute geniessen Gäste ihre Kur als Präventions- und Regenerationsaufenthalt. Dies unter anderem im führenden Wellbeing und Medical Health Resort Europas: Am Tor zu Graubünden liegt mit dem Grand Resort Bad Ragaz einer jener Flecken an dem sich die Natur von ihrer schönsten Seite zeigt und mit 36,5 °C warmen, heilendem Thermalwasser ein besonderes Heilmittel freigibt. Im «besten Wellnesshotel der Schweiz» (SonntagsZeitung, 2015) ist es die Basis für ein Spa-Erlebnis auf 12‘800 m2. Im zugehörigen interdisziplinären medizinischen Zentrum stehen bei Bedarf mehr als 70 Ärzte und Therapeuten zur Verfügung. Zahlreiche Restaurants und eine eigene Gesundheitsküche sorgen für kulinarische Vielfalt. Golfplätze, ein vielfältiges kulturelles Angebot und ein Casino ergänzen den Aufenthalt vor Ort. Mit der Schnupperkur, der Ragazer Quell-Kur und Präventions- modulen zur Burnout-Vorbeugung, für Weight-Loss oder Detox bietet das Gesundheitsresort ein breites Spektrum für die individuelle Kur. Für die Rehabilitation nach Krankheit oder Operation verfügt das Resort über eine eigene Rehaklinik. Weitere Informationen www.resortragaz.ch EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 16 Entspannung Im feuchtwarmen Klima die Seele baumeln lassen Hin und wieder vom stressigen Alltag etwas Abstand zu nehmen, tut Körper und Geist gut. Ein erholsames Wellness-Wochenende bietet sich da förmlich an – doch TLO>RCàFPQàWRà>@EQBK TEXT NICOLAS BRÜTSCH Stress ist schädlich und sollte wenn immer möglich vermieden werden. Doch manchmal geht das einfach nicht. Die Erholung von den Alltagsstrapazen ist deshalb umso wichtiger. Um richtig abzuschalten, eignen sich Wellness- und Spa-Aufenthalte optimal. Doch worauf ist bei den verschiedenen Angeboten zu achten? Und welche passen zu einem? Nach einem Saunabesuch sollte man sich wohl fühlen: entspannter Körper, weiche Haut und der Schlaf besonders tief. Gerade im Winter ist ein Saunabesuch sehr gesund, da sind sich alle einig. Im Winter ist der Körper großen Strapazen ausgesetzt: Von der eisigen Kälte in die geheizte Wohnung und wieder zurück – solche Temperaturunterschiede sind nicht einfach zu verkraften. Ein Saunabesuch trainiert das Immunsystem ANZEIGE auf genau diese Umstände und beugt so Erkältungen vor. Daneben tut das Schwitzen dem Stoffwechsel, dem Herz-Kreislauf-System und dem Blutdruck gut. Die angeregte Durchblutung und das Schwitzen nützen auch der Haut: Sie wird bis in die Poren gereinigt. Vorsichtig sollte man jedoch im Krankheitsfalle sein: Es ist ein viel verbreiteter Irrtum, dass ein Saunabesuch bei einer Erkältung wieder gesund machen würde. Der extreme Wechsel von Hitze und Kälte kann eine Krankheit gar verschlimmern, zudem verbreiten sich Keime im feuchtwarmen Saunaklima besonders gut – nicht gerade angenehm für die anderen Besucher '%%)'.%4¨&̍2¨˺,4%2%¨,%54% Der Effekt eines Dampfbades ist ähnlich wie derjenige einer Sauna, allerdings um einiges sanfter. Da die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist, wird ein Dampfbad als sehr heiß empfunden, dabei ist die Temperatur nur halb so hoch wie in einer Sauna. Viele Experten meinen, dass der Gesundheitsfaktor wegen der geringeren Kreislaufbelastung noch höher sei. Besonders für ältere Leute bietet sich ein Dampfbad an, es wirkt nämlich blutdrucksenkend. Das orientalische Hamam ist ein sehr besonderes Wellness-Erlebnis. Hier sollen das Zusammenspiel von Wärme, Feuchtigkeit, Schaum, Düften und Massagen zu einer optimalen Entspannung führen. "!$%.¨)34¨'%35.$¨̱¨ !"%2¨7/2). Wellnessanlagen warten heutzutage mit einem riesigen Spektrum an verschiedenen Bädern auf. Das warme Wasser, angereichert mit den unterschiedlichsten Mineralien, kann gegen Stress sehr wirksam sein. Ein heißes Mineralbad entspannt den Körper und reduziert den Stress, es hilft aber auch gleichzeitig gegen Entzündungen und Schmerzen. Einige Mineralstoffe wirken besonders gut gegen Stress: Informieren Sie sich, bevor Sie ein Mineralbad aufsuchen, zuerst über dessen Inhaltsstoffe. Immer gut ist Magnesium, es unterstützt den Körper beim Abbau von Stress. Daneben wirkt es entspannend, beruhigend und verbessert die Schlafqualität und die Konzentrationsfähigkeit. So richtig abschalten. EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA 18 Burnout 4FBàSBOEFKABOQàJ>KàA>PàJBKQ>IBàRP?OBKKBK Chronische Müdigkeit, seelische Erschöpfung, körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen und Kopfschmerzen LABOàMPV@EFP@EBà3BOeKABORKgen wie Gereiztheit oder Rastlosigkeit – immer mehr Menschen in Deutschland leiden an emotionalen Erschöpfungszuständen, einem Burnout. TEXT SMA Wer kennt das nicht? Man hat das Wochenende durchgearbeitet, da im Betrieb Not am Mann war. Eine Freinacht eingelegt, weil am nächsten Tag eine wichtige Projektarbeit abgegeben werden musste oder weil der Nachwuchs die ganze Nacht durch geschrien hat. Erschöpfung nach harter körperlicher oder geistiger Arbeit ist völlig normal. Was aber, wenn diese Erschöpfungszustände chronisch werden und die Batterien nicht mehr aufgeladen werden können? Dann wird es gefährlich. Unter «Burnout» versteht man eine emotionale, körperliche, psychische und soziale Erschöpfung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Die Erledigung der täglichen Pflichten ist mit immer mehr Anstrengungen verbunden. Häufig gelingt es nicht mehr, sich am Wochenende oder in den Ferien zu erholen. Viele Patienten beklagen Schlafstörungen oder körperliche Beschwerden erklären Fachleute. Die Ursachen für ein Burnout sind vielfältig: Zunahme an Arbeitsvolumen und –belastung, hoher Leistungs- und Termindruck, fehlende soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder auch Stress mit dem Partner sind externe Stressoren. Aber auch individuelle Faktoren wie Perfektionismus begünstigen ein emotionales Ausbrennen. Nicht umsonst wird das Burnout oftmals als das «Leiden der Tüchtigen» bezeichnet, denn «ausbrennen» kann nur, wer vorher für seine Arbeit «gebrannt» hat. körperliche Reaktionen wie Verspannungen und Schmerzen – dies alles können Warnzeichen für ein Burnout sein. Sobald man solche Anzeichen bei sich feststellt, sollte man handeln. Spezialisten raten: Schaffen Sie sich bewusst Erholungsphasen. Gehen Sie mit Freunden weg oder treiben Sie Sport. Lenken Sie sich von Ihrer Arbeit ab, damit Sie sich entspannen und Ihre Batterien wieder aufladen können. Und: Verabschieden Sie sich von Ihren perfektionistischen Vorstellungen. Doch nicht nur der Betroffene selbst, sondern auch der Arbeitgeber kann bei der Burnout-Prävention unterstützen. Führungskräfte sollten darauf achten, dass sie ihren Mitarbeitern genügend Erholungsphasen gönnen. Regelmäßiger Ferienbezug, Pausen und die Vermeidung von Überstunden sowie Regeln betreffend der Erreichbarkeit via Firmenhandy können helfen. So kann vereinbart werden, dass das Geschäftstelefon ab einer gewissen Tageszeit nicht mehr auf sich getragen werden muss oder Wochenend-Erreichbarkeiten abwechselnd durch mehrere Mitarbeiter abgedeckt werden. Gemäß den Experten vom Internetportal burnout.info sollen Führungskräfte zudem ihre Anforderungen an die Möglichkeiten ihrer Mitarbeiter anpassen. Und das Wichtigste: Bauen Sie als Chef eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihren Mitarbeitern auf und seien Sie ihnen gegenüber aufrichtig, offen und gerecht. 3#(,%)#(%.$%2¨02/:%33 Ein Burnout entsteht meist nicht von heute auf morgen, sondern schleichend. Deshalb ist es wichtig, Anzeichen von Erschöpfung und hoher Stressbelastung ernst zu nehmen. Reduziertes Engagement, negative Einstellung zum Job, Abflachen von Emotionen und Sozialleben oder ANZEIGE Die sanfte Therapie für Suchterkrankungen und Burnout Alle Infos über das innovative NESCURE®-Verfahren für eine schnelle und sanfte Therapie bei Alkoholabhängigkeit und Burnout unter www.nescure.de 0800 700 9909 (kostenfrei aus dem dt. Festnetz) Für Privatpatienten und Selbstzahler Gesund bleiben – Gesund werden Leistungsfähiger und stressgesünder leben. In der Oberwaid – Kurhotel & Privatklinik sind Sie am richtigen Ort Beste Schweizer Heiltradition verbunden mit hochmoderner Medizin in einem einzigartigen Ambiente: Dieses Konzept hat die Oberwaid bei St. Gallen zu einem ganz besonderen Ort der Gesundheit, Vitalität und Lebensfreude gemacht. Hier können Sie Körper und Seele erholen, Ihr Leben in gesündere Bahnen lenken und aktiv Ihre Leistungsfähigkeit verbessern. Die Oberwaid-Kur (7, 14 oder 21 Tage) bietet Ihnen kompetente medizinische Unterstützung im gesunden Umgang mit Stress und der Behandlung von Stressfolgen. In unseren Sport- und Bewegungsprogrammen erfahren Sie unter professioneller Anleitung, wie Sie mit dem richtigen Training Ihre Resilienz steigern und Erschöpfungszuständen vorbeugen. Darüber hinaus können Sie mit unseren MedicalWellness-Angeboten Ihre Ressourcen neu entdecken und wieder voll erleben, was es heisst, sich wohl im eigenen Körper zu fühlen. Eine Möglichkeit, sich vom besonderen Ambiente und der medizinischen Kompetenz der Oberwaid zu überzeugen, bietet Ihnen die 4-tägige Oberwaid-Kur zum Kennenlernen. Was allen unseren Angeboten gemeinsam ist: Genuss wird bei uns als wichtiges Element für tiefgehende Erholung und Vitalisierung verstanden. Die zeitlose Schönheit des Hauses, der Park mit altem Baumbestand, die gehobene Hotellerie, die besondere Gastronomie mit der SMART Cuisine, die kreativen Abendprogramme tragen zur lebendigen Atmosphäre der Oberwaid bei und stehen auch Reisenden und Besuchern aus der Region offen. Aktuelle Angebote finden Sie unter www.oberwaid.ch/ aktuelle-angebote Oberwaid AG – Kurhotel & Privatklinik Rorschacher Strasse 311 9016 St. Gallen – Schweiz T +41 (0)71 282 0000 [email protected] www.oberwaid.ch Die Oberwaid-Kur zum Kennenlernen – 4 Tage Gesunde Auszeit Q 3 Übernachtungen mit SMART Cuisine-Vollpension Q Medizinischer Basis-Check-up Q Analyse des persönlichen Stressrisikos und des Umgangs mit Stressbelastungen oder Coaching zum gewählten Schwerpunkt: Schlaf, Bewegung, Ernährung, Umgang mit Medien Q 50 Min. Massage im Tau Spa Q Entspannungs- und Bewegungsangebote CHF 1’100 für eine Person CHF 1’700 für zwei Personen Weitere Informationen und Buchung unter T +41 (0)71 282 0460 oder [email protected] ,$032:(5,$0(1(5*<,$0%$/$1&(,$03$66,21,$0'(&,6,21 :+2$5(<28 6,=( ,WLVWKHDQVZHU RIRQHVLPSOH TXHVWLRQ '2(6 ZKRDUH\RX 0$77(5 23(1 ,1352*5(66 3/$11,1*67$*( 67877*$57081,&+5$81+(,0)5$1.)857+$0%85*3$'(5%251'866(/'25)185(0%(5*6$$5%58&.(1 PòPòPòPòPòPòPòPòPò )LW2QH/RFDWLRQ ZZZÀWRQHGH REGISTER A AHRENDT, UWE Allianz Audi 74 18 14 B BALDESSARI, JOHN BASF BECKERT, JENS BERGGRUEN, NICOLAS BÄTE, OLIVER BERNHARD, WOLFGANG BETHKE, RALF BISSELS, ALEXANDER Bitcoin BIVER, JEAN-CLAUDE BLASE, FRIEDRICH Blockchain BOCK, KURT BODSON, MICHAEL BOLDT, KLAUS Breguet Brexit BSIRKSE, FRANK BUTERIN, VITALIK 83 38 26 69 18 39 11 56 51 63 56 49 38 51 78 75 28 21 52 C D E F CAMERON, DAVID 29 Cartier 80 CATTELAN, MAURIZIO 83 Chopard 72 Chronext 63 Chrono 24 63, 65, 78 CHU, DAVID 69 Commerzbank 53, 106 CRUZ-DIEZ, CARLOS 98 CRYAN, JOHN 39 HIRST, DAMIEN Hublot Hugo Boss HUNT, JACQUELINE ISCHINGER, WOLFGANG 19 IWC 67, 79 J Jaeger-LeCoultre JENTZSCH, CHRISTOPH JOHNSON, BORIS JOOP, JETTE 78 50 29 42 Karstadt KLEY, KARL-LUDWIG KNIRSCH, STEFAN KOBERG, ANN-KRISTIN KROGNER, HEINZ Kronenhalle K+S 69 38 14 22 36 84 10 K L M FDP FITCH, LIZZIE FITSCHEN, JÜRGEN FORESTIER-KASAPI, CAROLE H LAGARDE, CHRISTINE LAHRS, CLAUS-DIETRICH LANG LANG Leverton LEY, WOLFGANG & MARGARETHA LITTMANN, PETER LOHR, BURKHARD Lufthansa LUTZ, ROBERT 53 42 19 56 Chefredakteur: KLAUS BOLDT (v.i.S.d.P.) Artdirektion: KATJA KOLLMANN Chefreporter: VOLKER TER HASEBORG Rolex RWE S 44 45 10 38 46 MASCHMEYER, CARSTEN 21, 58 MATTHAEI, EMILIO 56 MAYRHUBER, WOLFGANG 38 MCGINLEY, RYAN 82 McKinsey 20 MEERTZ, RALF 68 GARCIA, MIGUEL Georg Jensen Gerry Weber GOVE, MICHAEL 73 69 41 29 HARTUNG, MARKUS Heuer 56 75 67, 75, 78, 79 39 SÄLZER, BRUNO 44 SAMWER, OLIVER 21 SCHEUFELE, KARL-FRIEDRICH 74 SCHMÖLDERS, GÜNTER 26 SCHNEIDER, MANFRED 38 SCHNITZLER, GABRIELLA 44 SCHULTE-NOELLE, HENNING 22 SCHWEIGER, TIL 33 Sellita 73 SIEVERS, TIM 60 SIXT, ERICH 12 SJÖSTEDT, EVA-LOTTA 68 Slock.it 50 S.Oliver 44 SPOHR, CARSTEN 38 STAUB, LEO 55 STEINER, NORBERT 11 STERN, SANDRINE 76 STERN, THIERRY 77 STRACKE, TIM 65 STREHLE, GABRIELE & GERD & LUCA 44 Strenesse 41, 45 SUSSKIND, RICHARD 55, 57 Redaktion: SOPHIE CROCOLL, VIRGINIA KIRST, STEPHAN KNIEPS, MELANIE LOOS, DR. ANNETTE PAWLU, MARK C. SCHNEIDER Bildredaktion: ULRICH MAHN Autoren: FRED BAADER, THOMAS DELEKAT, MAX HOLLEIN, DR. 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T Tag Heuer TERIUM, PETER THIEL, PETER 67 38 60 U UBS ULMER, TOBIAS 53 43 V Vacheron Constantin Volkswagen 78 38 W Watchmaster WEBER, ANNETTE WEBER, RALF & GERHARD WEMMER, DIETER WHITEHOUSE, SHELDON WU, JASON 63 43 43 23 19 42 Y Y 84 Z Zeik ZIMMERER, MAXIMILIAN ŽIŽEK, SLAVOJ 84 23 83 19 73, 74 75 106 16 56 67, 77, 78 42 23 43 44 RADMACHER, ANDREAS RALPH, JAY RASCH, THOMAS REHLINGER, ANKE REPPEGATHER, UWE REPPEGATHER, WOLFGANG 10 23 42 26 32 33 Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3 für BILANZ Deutschland, gültig ab 1.1.2016. Unsere Standards der Transparenz und der journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter: www.axelspringer.de/unabhaengigkeit Die Rechte für die Nutzung von Artikeln für elektronische Pressespiegel erhalten Sie über die PMG Presse-Monitor GmbH, Tel.: (030) 284930 oder www.pressemonitor.de Leserservice und Heftbestellungen: BILANZ – das deutsche Wirtschaftsmagazin, Leserservice, 20583 Hamburg E-Mail: [email protected] Tel.: (0800) 888 66 30 E-Paper erhältlich unter: www.lesershop24.de und www.ikiosk.de 105 PRIVAT BETTINA ORLOPP BILANZGEWINNERIN Exkollegen sagen von ihr, sie sei fix und helle und gründele tief: Deshalb soll Firmenstrategin Bettina Orlopp (45) bald in den Commerzbank-Vorstand. MÄRZ 2016 Die Commerzbank verkündet, dass Bettina Orlopp zur ersten Frau im Vorstand von Deutschlands zweitgrößter Bank werden soll. Die Bankenaufsicht muss noch zustimmen. Nur eine Formalität, dann soll Orlopp das neue Ressort „Regeltreue, Personal und Recht“ anführen. MAI 2014 Die Commerzbank ruft: Mit Mann und zwei Kindern zieht sie nach Frankfurt und übernimmt die Leitung der Konzernentwicklung. 2002 Nach dem Titel „Dr.“ darf sich Orlopp auch mit der Bezeichnung „Partnerin“ schmücken: Sie rückt bei McKinsey nun in die oberste Riege auf. ANFANG 2002 Orlopp schließt ihre Dissertation ab. Doktorvater Jochen Drukarczyk erinnert sich auch 14 Jahre später noch an ihre „auffällige Persönlichkeit“, die man nicht so schnell vergesse: Sie habe die anspruchsvolle Arbeit „mit Bravour“ gemeistert. 106 „Wichtig, den Druck aufrechtzuerhalten“: Als McKinsey-Partnerin leitete Orlopp die Studie „Women Matter“. 1997 Orlopp bewährt sich und nimmt an dem Fellowship-Programm ihres Arbeitgebers teil, das sie zeitweise für die Forschung freistellt. Sie beginnt ihre Doktorarbeit an der Universität Regensburg. DEZEMBER 1994 Sie beendet ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und steigt im folgenden Jahr bei McKinsey ein. Spezialgebiet: Bankenberatung. 1970 Bettina Orlopp erblickt das Licht in Solingen. ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FOTOS: MCKINSEY, GETTY IMAGES (2), UNIVERSITÄT REGENSBURG, DLD CONFERENCE Neue Heimat: Bankenstadt Frankfurt. „ SIE HAT EINEN SEHR REALISTISCHEN BLICK DAFÜR, WAS MACHBAR IST – DAS IST BEI BERATERN EHER UNÜBLICH. “ FRANK MATTERN Ex-Chef von McKinsey Deutschland hält seine Berater für realitätsfern. Die Uni Regensburg bewertete Orlopps Doktorarbeit „Abfindungen von Minderheitsaktionären“ mit magna cum laude. Ihr Stil: elegant, aber nicht auffällig, zum Beispiel im mit Ornamenten bedruckten Rock. Stolze Mutter: Zur Geburt von Tochter (11) und Sohn (10) verschickte Orlopp Fotos an Familie und Bekannte. R E G U L AT E YO U R T I M E
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