Familie Senioren am Hof pflegen Der Bedarf an Pflegeplätzen für ältere Menschen steigt. Einige Betriebe haben dieses zusätzliche Standbein bereits entdeckt und betreuen ältere Menschen am Hof. urch die Tiere, die frische Luft und die schöne Landschaft fühle ich mich lebendig und vital", erzählt einer der Bewohner am Adelwöhrerhof, dem einzigen österreichischen D Pflegeheim am Bauernhof. Für den Pensionisten gäbe es keinen schöneren Platz, um alt zu werden. Johann und Petra Steiner bieten insgesamt 14 Senioren und Seniorinnen ein Zuhause am Adelwöhrerhof. Der Erfolg kann sich sehen lassen, denn seit 2002 sind sie ausgebucht. Das liegt nicht nur daran, dass Pflegeplätze gefragt sind, sondern auch am familiären Umfeld des Bauernhofes und den sozialen Ideen der Familie. Andere Betriebe haben sich weniger auf die professionelle Pflege, sondern mehr auf die Betreuung älterer MenFamilie Steiner hat ein Pflegeheim auf ihrem Betrieb errichtet. schen spezialisiert. Einen dieser Betriebe führen Brigitte und Peter Ratheiser in Kärnten. Auf ihrem Hof leben drei Damen aus Klagenfurt. Freude durch Hoftiere: Diese finden Familienanschluss und werden im täglichen Leben von Ratheisers unterstützt. Sie blühen auf, wenn unser freilaufendes Hängebauchschwein zu ihnen kommt", erzählt Brigitte Ratheiser. Die Geschichten der einzelnen Personen zeigen klar, dass die Betreuung und die Unterhaltung am Betrieb von Familie Ratheiser ihre Lebensqualität steigert. Die Familie plant künftig, drei weitere Zimmer für pflegebedürftige Menschen zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Vorgaben vom Land wären sie dann voll ausgelastet. Außerdem würde die Familie dabei eine Green Care-Förderung erhalten (siehe Kasten). Wie es beiden Betrieben mit den Bewohnern geht und welche Arbeit dahintersteckt, lesen Sie in den folgenden Reportagen. INTERVIEW Pflegeplätze sind gefragt top agrar: Wie viele Betriebe bieten top agrar: Was raten Sie Einsteigern? Pflege am Bauernhof an? Prop: Einsteiger sollten auf jeden Fall eine Beratung in Anspruch nehmen. In jedem Bundesland gibt es einen Green Care Berater, der alle Fragen beantworten kann. In Österreich gibt es rund 100 Betriebe, die einen Green Care Lebensort am Bauernhof anbieten. Neu sind Betriebe aus Vorarlberg, die zurzeit unter dem Projekt „Ja zum Mitanand" gesucht werden. Prop: top agrar: Wie schätzen Sie den künftigen Bedarf an Wohnplätzen ein? Prop: Hier ist großes Potenzial vorhanden. Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird steigen, die Zahl der pflegenden Angehörigen sinken. Neben alten Leuten werden auch Jugendliche, Menschen mit Behinderung und psychisch erkrankte Menschen einen Betreuungsplatz brauchen. Für jene Menschen, die von einem landwirtschaftlichen Betrieb kommen, bietet die Betreuung am Bauernhof eine Alternative zum gewöhnlichen Altersheim. Zudem werden Arbeitsplätze in der Region geschaffen. 46 top agrar Österreich 6/2015 top agrar: Was kostet die Betreuung? Prop: Die Tagessätze variieren je nach Bundesland. Sie unterscheiden sich aber nicht von denen in Altenbzw. Pflegeheimen. Der Aufenthalt in einem „Alternativen Lebensraum" in Kärnten kostet am Tag rund 66C. In Oberösterreich sind es pro Person 64 € im Monat. Hier läuft das Green Care-Projekt unter dem Namen „Betreutes Wohnen am Bauernhof". In der Steiermark reicht der Tagessatz bei stationärer Pflege von rund 69 bis 112 € pro Person. Betreutes Wohnen am Bauernhof gibt es nicht wie in Kärnten und Oberösterreich. top agrar: Gibt es Förderungen? Nicole Prop, Projektleiterin von ,,Green Care - Wo Menschen aufblühen" Prop: Jeder Betrieb kann einen Antrag auf Investitionsförderung bei der zuständigen Förderstelle (Landesregierung oder LK) stellen. Dabei muss dieser allen Richtlinien entsprechen, ein Betriebskonzept vorweisen und die Wirtschaftlichkeit gegeben sein. Wird dem Betrieb die Förderung zugesagt, dann erhält dieser maximal 30% der nötigen Umbaukosten erstattet. Für Petra und Johann Steiner (hinten links) haben am Adelwöhrerhof die Landwirtschaft mit der Pflege alter Menschen kombiniert. Heimat bis zum Lebensende Johann und Petra Steiner führen den Adelwöhrerhof. Dort leben 14 pflegebedürftige Senioren und Seniorinnen. P etra und Johann Steiner aus Möderbrugg in der Steiermark betreiben Österreichs einziges Pflegeheim auf einem landwirtschaftlichen Betrieb. 14 Senioren, die pflegebedürftig sind und rund um die Uhr Betreuung benötigen, verbringen ihren Lebensabend am Adelwöhrerhof „Wir nehmen vor allem Menschen aus der Region auf. Viele kommen selbst aus einer Landwirtschaft. Sie werden in einer wohnlichen und familiären Atmosphäre professionell gepflegt", erklärt Johann Steiner. Dazu beschäftigen er und Ehefrau Petra zwölf Mitarbeiter, die alle aus der Region stammen. Der Unterschied zu einem Pflegeheim ist, dass die Bewohner am Hofleben teilhaben können. „So beobachten sie uns bei der Heuernte und fiebern mit, wenn ein Jungtier auf die Welt kommt", erzählt Johann Steiner. Seine Frau ergänzt, dass die Senioren somit viel zu erzählen haben, wenn ihre Kinder und Enkel zu Besuch kommen. „Außerdem ist der Bauernhof Motivation, sich zu bewegen und Lebensfreude zu entwickeln. Unsere Bewohner gehen immer gern schauen, wie es den Tieren geht", erzählt die Diplomkrankenschwester. „Der Bauernhof bietet Lebensqualität und das ist uns wichtig", betont ihr Mann. Ebenso wie in einem üblichen Pflegeheim müssen Steiners alle Vorgaben im steirischen Pflegegesetz einhalten. Die Pflege sowie der Pflegesatz sind gleich. „Bei uns bekommen die Bewohner den Bauernhof sozusagen als Zusatzleistung", erklärt Petra Steiner. Dass diese Art der Altenpflege sehr gefragt ist, zeigt sich in der Auslastung: Seit Beginn sind die Zimmer am Adelwöhrerhof immer belegt. Ohne die Vollauslastung und die erbrachte Eigenleistung würde es sich für Steiners finanziell nicht ausgehen. Sie investierten rund 850000€ in den Bau der Pflegeeinrichtung. 100 000 € wurden von der integrierten Ländlichen Entwicklung gefördert. Außerdem können die Kosten für die Bewohner von den Sozialhilfeverbänden der Gemeinden unterstützt werden. „Unser Ziel ist, den Betrieb so weiterzuführen, dass unsere Kinder auf eine gesunde Basis treffen", so Petra Steiner. Dabei ist die Pflegeeinrichtung gut mit der Landwirtschaft kombinierbar. Johann Steiner betreibt biologische Grünlandwirtschaft mit verschiedenen Haustierarten. „Die Tiere dienen als Umfeld für die Pflege", erklärt er. Vor zwei Jahren begannen Steiners zusätzlich mit tiergestützter Therapie. Dazu kommt, dass Schulen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen am Adelwöhrerhof Erlebnistage verbringen können. In einem Seminarraum finden Besucher Raum für Vorträge und Kurse. top agrar Österreich 6/2015 47 Familie Fotos: Beate Kram l „Die Damen bereichern das Hofleben" Brigitte und Peter Ratheiser aus Kärnten betreuen drei Damen auf ihrem Betrieb. urch die Pflege meiner Großmutter bin ich auf die Idee gekommen, D auch andere hilfsbedürftige Menschen bei uns aufzunehmen", erklärt Brigitte Ratheiser aus Hüttenberg in Kärnten. Vor drei Jahren haben sie und Ehemann Peter das neue „Betriebsstandbein" beschlossen. „Wir wollten neben der Landwirtschaft eine unabhängige Einkommensquelle haben", so die vierfache Mutter. Brigitte (r.) und Peter Ratheiser nehmen sich gerne Zeit für ihre Bewohnerinnen. Ein Leben als Großfamilie: Im Nebengebäude modernisierten sie schließlich Zimmer für drei Personen. „Wir mussten lediglich ein paar technische Umbauten vornehmen`, erzählt Peter Ratheiser. Vorher waren dort Urlaubsgäste einquartiert. Die gesamte Planungsphase und die Bewilligungen nahmen ca. ein Jahr in Anspruch 2013 zogen drei Damen ein. Diese teilen sich seitdem einen Wohnraum und ein Bad. Jede hat ihr eigenes und individuell eingerichtetes Zimmer. Gegessen wird gemeinsam bei der Bauernfamilie. „Die Bewohnerinnen sind im Familienverband gut integriert. Wir feiern zusammen Weihnachten sowie Geburtstage und machen gemeinsam Ausflüge. So erhalten sie die Wertschätzung, die sie in einem Altersheim nicht in diesem Ausmaß bekommen würden", erklärt Brigitte Ratheiser. Da sie keine Pflegeausbildung hat, kommen regelmäßig zwei ausgebildete Pflegerinnen auf den Hof. Sie helfen den Bewohnerinnen bei der Körperpflege und sorgen für Unterhaltung. Weiters schaut alle zwei Wochen eine diplomierte Krankenschwester zum Einstel- len der Medikamente vorbei. Ratheisers müssen dazu einen vom Land Kärnten vorgegebenen Pflegeschlüssel einhalten. Brigitte Ratheiser erklärt, dass sie einen Vertrag mit dem Land im Rahmen des Projektes „Alternative Lebensräume" abgeschlossen haben. Die Bewohnerinnen wurden dann der Familie zugeteilt. Für die Betreuung erhalten Ratheisers vom Land einen Tagessatz pro Bewohnerin, aber keine Förderung. Das Pflegepersonal, die Lebensmittel und die Betriebskosten bezahlen die Landwirte, die Medikamente müssen die Bewohnerinnen selber bezahlen. Rückhalt und Erleichterung: Zur täglichen Arbeit mit den Damen kommt dazu, dass die Familie zahlreiche Richtlinien erfüllen muss. Unter anderem muss immer jemand im Haus sein. Das heißt, Ratheisers benötigen einen starken familiären Rückhalt. Auch die Kinder helfen bei der Betreuung mit. „So können mein Mann und ich auch einmal für ein paar Tage auf Urlaub fahren", erklärt Brigitte Ratheiser. Weiters sind für sie die Pflegerinnen eine große Erleichterung in ihrer täglichen Arbeit. „Bei der Betreuung rund um die Uhr muss alles gut organisiert werden, damit uns genug persönlicher Freiraum bleibt," ergänzt Peter Ratheiser. Sonntag, Familienfeiern und Nachmittage hält sich die Familie frei. Dazu kommt, dass Ratheiseres Zeit für die Arbeiten in der Landwirtschaft brauchen. Sie betreiben biologische Mutterkuhhaltung und Direktvermarktung. Das Ehepaar hält 35 Mutterkühe und bewirtschaften 22 ha Grünland und 30 ha Wald. Im eigenen Schlachtraum verarbeiten sie die Jungrinder zu Fleisch, Würsten und Salami. Ihre Produkte sind mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet und werden Ab Hof vermarktet. Trotz der vielen Arbeit am Hof und bei der Betreuung sind die Bewohnerinnen eine Bereicherung. Es wird viel gelacht und unternommen. Für Brigitte Ratheiser sind sie zudem eine Unterstützung bei der Betreuung der alzheimerkranken Oma. So ergeben sich für beide Seiten Vorteile. Beate Kram! Schnell gelesen Am Rabingerhof hält Familie Ratheiser 35 Mutterkühe. Im hofeigenen Schlachtraum verarbeiten sie die Jungrinder zu Fleisch, Würsten und Salami. 48 top agrar Österreich 6/2015 • Rund 100 Betriebe haben schon alte Menschen bei sich aufgenommen. Sie betreuen und unterstützen ihre Bewohner im täglichen Leben. • Die Betriebe müssen zahlreiche Richtlinien einhalten. Sie unterliegen dem Pflegegesetz des jeweiligen Bundeslandes. • Die Bewohner profitieren durch Wertschätzung und Unterhaltung am Bauernhof.
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