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nr. 6
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MüncHEn und ObErbAyErn
7. Februar 2016
Sonntagsblatt
15
Wo die Schellenrührer raunzen
Bei der Werdenfelser Fasnacht pflegen Larvenschnitzer wie Georg Neuner das alte Brauchtum
Bevor am Aschermittwoch die Fastenzeit
beginnt, geht es in den Faschingshochburgen
noch einmal hoch her. In ländlichen Regionen
ist das Karnevalstreiben noch stark vom
Brauchtum geprägt – so etwa bei der
Werdenfelser Fasnacht, die sich vor allem in
Mittenwald, Garmisch, Partenkirchen, Grainau,
Farchant, Wallgau und Krün abspielt. Die
verkleideten Männer heißen hier »Maschkera«
und tragen beeindruckende holzgeschnitzte
Masken.
D
as »Gsichtl« ist glatt und ohne Falten, es
hat rote Backen, einen Schnurrbart und
wird von schwarzen Locken eingerahmt. Der
Mittenwalder Geigenbaumeister und Larvenschnitzer Georg Neuner hat diese Maske, im
Dialekt »Larve« genannt, geschnitzt. Bevor ein
»Maschkera« sie trägt, zieht er ein Seidentuch
auf, das Haare und Stirn verdeckt und unter
dem Kinn geknotet wird. Darüber kommen
die Larve, die durch ein Gummiband am Kopf
gehalten wird, und ein Hut. Jetzt fehlt nur
noch das »G’wand«, dann kann der »Maschkera« zu einem »Gungelabend« in ein Wirtshaus gehen. Dort sitzen Mädchen und Frauen
zusammen und warten auf die »Maschkera«,
und wenn sie kommen, wird getanzt. »Wichtig
ist, dass man beim Maschkeragehen nicht erkannt wird«, sagt Georg Neuner. Deshalb tauschen die Besitzer die Larven oft miteinander.
Damit die Verkleidung perfekt ist, verstellen
die Männer ihre Stimme: »Ein ›Maschkera‹
spricht nicht, sondern er ›raunzt‹«, sagt Neuner.
Kretznweibla und Brezenangler
Viele Masken der »Werdenfelser Fasnacht«
sind schon sehr alt – manche bis zu 300 Jahre. Die ältesten sind die sogenannten »Kirchenlarven«. Sie wurden wahrscheinlich von
Handwerkern geschnitzt, die beim Kirchenbau in der Region tätig waren. »In Mittenwald
gibt es einen eigenen Typ von Larven, die sogenannten Geigenmacherlarven«, erklärt Georg Neuner. Diese kleineren Masken verdecken nur das Gesicht.
Larven werden aus dem Holz der Linde, der
Zirbel- oder der Weimutskiefer gefertigt. Typische Faschingsgestalten wie Cowboys oder
Hexen sucht man dabei vergebens: Die Mas-
n Tuch und Hut verhüllen den »Maschkera«, sodass er hinter seiner Larve unerkannt bleibt.
ken zeigen ursprüngliche Typen, ruhige lächelnde Frauen- und Männergesichter. Es gibt
viele verschiedene Maskentypen, die in den
Hauptorten der Werdenfelser Fasnacht gleich
sind. Dazu zählen die Schellenrührer, die
Pfannenzieher, Jagglschutzer, s’Kretznweibla
oder die Brezenangler.
Georg Neuner legt eine »Naggllarve« auf
den Tisch. Sie ist aus dunklem Holz gefertigt und hat einen beweglichen Unterkiefer. Er
hat sie vor Jahren für seinen Sohn geschnitzt,
der damit sogar Tuba spielen konnte. Für den
Geigenbaumeister und Larvenschnitzer ist
es wichtig, dass seine Larven immer unterschiedlich ausschauen. »Andere Nase, andere
Form, anderer Bart, anderer Ausdruck«, sagt
er. »Mit 14 Jahren habe ich begonnen, Larven
zu schnitzen«, sagt er.
Wie viele seiner Masken mittlerweile im
Umlauf sind, weiß er nicht: Georg Neuner hat
längst aufgehört zu zählen.
Astrid Klammt
Foto: Klammt
werdenFelser Fasnacht
EinEn üBErBlicK über die »Werdenfelser
Fasnacht und ihre Larven« gibt das gleichnamige Buch von dirk eckert aus dem Münchner
Volk Verlag (ISBn 978-3-86222-193-6).
Das WErDEnfEls musEum (Ludwigstr. 47,
82467 garmisch-Partenkirchen) zeigt di bis So
von 10 bis 17 uhr im Fasnachtsraum verschiedene Masken. www.werdenfels-museum.de
DiE ausstEllung »farchantEr fasnacht« ist noch bis Faschingsdienstag im
alten Bahnhofsgebäude (Bahnhofstaße Farchant) zu sehen. Öffnungszeiten: So 10-12
und 13-18 uhr, Mo + di 13-18 uhr.
Redaktion: Susanne Schröder • Birkerstraße 22 • 80636 München • Tel. (0 89) 1 21 72-143 • Fax -304 • [email protected] • www.sonntagsblatt.de
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