D as alte J ah r g eh t, d i e G eri c h tsentsc h ei d u ng en b lei b en Z u G u ter Letz t A k tu elle R ec h tsprec h u ng A us g ab e 24 | 4. Quartal 2015 Employment Law 3 Newsletter 5 W e lc h e V e rg ü tun g s b e s tan d te i le k ö n n e n auf d e n M i n d e s tlo h n an g e re c h n e t w e rd e n ? 7 U rlaub s g e w ä h run g n ac h f ri s tlo s e r K ü n d i g un g 2: 1 f ü r d i e F alls c h i rm lö s un g b e i v e rd e c k te r A rb e i tn e h m e rü b e rlas s un g 10 M i tb e s ti m m un g s re c h tli c h e B e rü c k s i c h ti g un g v o n i m A us lan d tä ti g e n A rb e i tn e h m e rn 12 B A G : V e rtrag li c h v e rs us g e s e tz li c h – W e lc h e K ü n d i g un g s f ri s t g e w i n n t? 14 N ac h k ü n d i g un g w e g e n K o n k urre n z tä ti g k e i t n i c h t i m m e r g e re c h tf e rti g t 15 E i n N i c k e rc h e n auf A rb e i t? J a, ab e r n ur un g e p lan t. 16 V e ran s taltun g e n & V e rö f f e n tli c h un g e n Editorial Blickt man aus arbeitsrechtlicher Sicht auf das abgelaufene Jahr 2015 zurück, so kann man mit Fug und Recht von einem spannenden Jahr sprechen. Das liegt zum einen an der Zunahme europarechtlicher Einflüsse, insbesondere in Gestalt der EuGH-Rechtsprechung. Mittlerweile gehen viele deutsche Gesetze auf europarechtliche Vorgaben in Form von Richtlinien zurück. Kommt es nun zu Auslegungsfragen bezüglich solcher Gesetze, so werden diese aufgrund des europarechtlichen Hintergrundes auch immer häufiger dem EuGH zur (Vorab-)Entscheidung vorgelegt. Bei seinen Entscheidungen schert sich der EuGH nicht um etablierte Ansichten des BAG oder die herrschende Meinung in Deutschland – mit den bindenden Hinweisen des EuGH ist das BAG zunehmend gezwungen, sich von althergebrachten Grundsätzen im deutschen Arbeitsrecht zu lösen. Ein Beispiel hierfür ist die Entscheidung des BAG zur Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung. Seit dem 1. Januar gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto nach dem Mindestlohngesetz. Dabei blieben allerdings viele Einzelheiten ungeklärt, die nunmehr teilweise auf dem Verordnungswege geregelt bzw. von den Instanzgerichten nach und nach entschieden werden. Eine der Hauptfragen ist dabei die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den Mindestlohnanspruch, zu der wir in dieser Ausgabe zwei Entscheidungen aufgenommen haben. Weiterhin nicht abschließend entschieden ist der hausinterne Streit beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu der Frage der Auffangwirkung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bei Vorliegen einer sogenannten verdeckten Arbeitnehmerüberlassung (sog. „Fallschirmlösung“). Letzter Stand ist, dass die 3. Kammer in einer weiteren Entscheidung ihre Ansicht zu einer Fallschirmlösung wiederholt hat. Inwieweit das Landgericht Frankfurt mit seiner Entscheidung, Mitarbeiter ausländischer Tochterunternehmen – entgegen der bisher ganz herrschenden Ansicht – bei der Bestimmung der Mitarbeiterschwellenwerte im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat in Deutschland mitzuzählen, ebenfalls eine Rechtsprechungsänderung herbeiführen wird, bleibt abzuwarten. Angesichts solcher grundsätzlicher Streitfragen, die eine rechtlich wasserdichte Lösung im Einzelfall schwierig machen, beruhigt es, wenn das BAG in anderen Bereichen seine generellen Leitlinien beibehält oder konkretisiert. Dies gilt nicht nur für den Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglichen und gesetzlichen Kündigungsfristen sowie die Frage einer Nachkündigung wegen Wettbewerbsverstoßes bei Unwirksamkeit der ursprünglichen Kündigung, sondern auch für das Nickerchen am Arbeitsplatz. Eine anregende Lektüre dieser Ausgabe, eine trotz Jahresendhektik besinnliche Vorweihnachtszeit, entspannte Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2016 wünscht Ihnen Ihr EY Law Arbeitsrechtsteam A k tu elle R ec h tsprec h u ng Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung K e h ( B A d ie n un rtw G ) E rf ü g in e n d b e z llun e in e d e s B un d e s arb e i ts g e ri c h ts ü g li c h d e r A n f o rd e run g e n an g s w i rk un g d e r U rlaub s an re c h e r F re i s te llun g s e rk lä run g . I n e i n e r ak tue lle n E n ts c h e i d un g ( U rte i l v o m 10. F e b ruar 2015 – 9 A Z R 455/ 13 ) b e s c h ä f ti g t s i c h d as B A G m i t d e r F rag e d e r U rlaub s g e w ä h run g n ac h f ri s tlo s e r K ü n d i g un g . D i e s h at w e i tre i c h e n d e A us w i rk un g e n auf d i e G e s taltun g d e r F re i s te llun g s e rk lä run g f ü r e i n e h i lf s w e i s e e rk lä rte o rd e n tli c h e K ü n d i g un g . S ac h v erh alt Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1987 beschäftigt. Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. Im Kündigungsschreiben heißt es: „Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubsund Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“ Im Rahmen eines Kündigungsschutzstreits einigten sich die Parteien sodann gütlich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf des 30. Juni 2011. Streitig war im Nachgang daran aber, ob der noch bestehende Urlaubsanspruch des Klägers bereits erfüllt war oder ob die Freistellungserklärung vorliegend ins Leere ging, so dass dem Kläger – nunmehr – ein Urlaubsabgeltungsanspruch zustand. I nstanz g eri c h tli c h e Entsc h ei d u ng en Das Arbeitsgericht hat die Klage zunächst abgewiesen, mit welcher der Kläger die Abgeltung von 15,5 Urlaubstagen verlangte (Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 29.03.2012 – 6 Ca 4596/11). Es stünde dem Kläger kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu, weil ihm der zustehende Erholungsurlaub vollständig in natura gewährt und von ihm genommen worden sei. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Urteil vom 14. März 2013 – 16 Sa 763/12) änderte das Urteil des Arbeitsgerichts jedoch (teilweise) ab und verurteilte die Beklagte zur Urlaubsabgeltung des nach Auffassung des LAG Hamm noch nicht erfüllten Urlaubsanspruchs. Entscheidungserheblich war, dass die in der Kündigung enthaltene Freistellungserklärung nicht zu einer Erfüllung des Anspruchs auf Abgeltung der Urlaubsansprüche geführt habe. Das LAG Hamm stützte seine Argumentation dabei darauf, dass der Urlaubsanspruch – entgegen der bisher vom BAG vertretenen Auffassung – ein einheitlicher Anspruch sei. Dies folge aus den europarechtlichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/ EG (Arbeitszeitrichtlinie) bzw. der Vorgängerrichtlinie 93/104/EG gelte die sogenannte Einheitstheorie. Der EuGH behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und den Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen einheitlichen Anspruchs. Daraus folgen strenge Anforderungen an die Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Beide Komponenten des Urlaubsanspruchs müssten bedient werden, sowohl die Freistellung als auch die Zahlung des Urlaubsentgelts. Anderenfalls komme eine den Urlaubsanspruch erfüllende Freistellung nicht in Betracht. Entsc h ei d u ng d es B A G Der 9. Senat des BAG bestätigte in seiner Revisionsentscheidung – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung – das Urteil des LAG Hamm. Bisher vertrat das BAG in ständiger Rechtsprechung, dass der Urlaubsanspruch gerade kein einheitlicher Anspruch sei. Er richte sich (lediglich) auf die Befreiung von der Arbeitspflicht (vgl. BAG, Urteil vom 14. August 2007 – 9 AZR 934/06). Der 9. Senat des BAG geht indes nun davon aus, dass der gesetzliche (Mindest-)Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) auf zwei Komponenten gerichtet ist; zum einen die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung zu entbinden, und zum anderen die Verpflichtung, das vereinbarte Urlaubsentgelt zu zahlen. Der Senat vertritt damit ausdrücklich die vormals abgelehnte Einheitstheorie. Ein Arbeitgeber gewähre deshalb durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben „nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.“ Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 3 A k tu elle R ec h tsprec h u ng P rax i sh i nwei s Die Entscheidung des BAG vom 10. Februar 2015 bedeutet zunächst eine Kehrtwende im Verständnis des BAG vom Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 1 BUrlG: Seit 1982 vertrat das BAG die Ansicht, dass der Urlaubsanspruch aus § 1 BUrlG lediglich auf Freistellung gerichtet sei, ohne eine Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung von Entgelt zu begründen (vgl. BAG, Urteil vom 28. Januar 1982 – 6 AZR 571/79). Das Urteil des BAG vom 10. Februar 2015 zwingt nun zum Um denken bei Arbeitgebern. Verfährt man wie bisher, fehlt die neben der Freistellung nötige vorbehaltlose Zusage von Urlaubsentgelt. Ohne dieses Urlaubsentgelt gibt es aber keine Erfüllungswirkung: „Deshalb gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungser klärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeit nehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt“. Damit wird Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zum bezahlten Mindestjahres urlaub und dessen Abgeltung bei Ende des Arbeitsverhältnisses hergestellt. Ein Urlaub im Sinne des BUrlG liegt demnach überhaupt nur vor, wenn ein Arbeitnehmer Freizeit und gleichzeitig das nach § 11 Abs. 2 BUrlG unab dingbare Urlaubsgeld erhält. Im Fall einer ordentlichen Kündigung wird der Arbeitgeber nunmehr den Kündigungs termin – soweit erforderlich – um die noch offenen Urlaubstage hinausschieben und dann unwiderruflich freistellen (Anrechnung des Urlaubs während der ordentlichen Kündi gungsfrist). Im Fall einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung ist aller dings kaum anzunehmen, dass der Arbeit geber, der das Arbeitsverhältnis aus wich tigem Grund beenden will, dem Arbeitnehmer rein vorsorglich noch ein Urlaubsentgelt für den Fall zahlt, dass die außerordentliche Kündigung möglicherweise nicht wirksam ist. Wäre die Pflicht zur tatsächlichen vorhe rigen Zahlung des Urlaubsentgelts demnach Voraussetzung, um die Erfüllungswirkung des Urlaubsanspruchs während der unwider ruflichen Freistellung zu erzielen, ließe sich dieses Ziel kaum erreichen. Allerdings bleibt es weiter möglich, Urlaubsabgeltung zu vermeiden: Sofern das BAG darauf abstellt, dass durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirk sam Urlaub gewährt wird, wenn der Arbeit geber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergü tung vor Antritt des Urlaubs (1) zahlt oder (2) vorbehaltlos zusagt, lässt sich auf Basis der zweiten Alternative die Erfüllungswir kung der Freistellungserklärung dennoch her beiführen. Es muss bei der Freistellungs erklärung im Rahmen der hilfsweise ausge sprochenen ordentlichen Kündigung darauf geachtet werden, dass die Freistellung nicht nur ausdrücklich unwiderruflich erfolgt, sondern auch darauf, dass die Zahlung des Urlaubsentgelts ausdrücklich und vorbe haltlos zugesagt wird (für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung nicht wirk sam erfolgt sein sollte). Ferner sind in der Freistellungserklärung sowohl der Grund der Freistellung (Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub) als auch der konkrete Frei stellungszeitraum (Resturlaubstage) anzu geben. Nur so kann eine Urlaubsabgeltung abgewendet werden. Bei einer (ausschließ lich) außerordentlichen fristlosen Beendi gung des Arbeitsverhältnisses muss es nach dieser Entscheidung dagegen bei noch offe nen Ansprüchen folgerichtig immer zu einer finanziellen Urlaubsabgeltung kommen. I I I A u tori nnen: M arti na S . B u h r Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf Telefon +49 211 9352 28164 [email protected] D omi ni k a K u ß mau l Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon + 49 711 9881 26303 [email protected] Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 4 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Welche Vergütungsbestandteile können auf den Mindestlohn angerechnet werden? B e z ü g li c h d e r F rag e d e r A n re c h e n b ark e i t v o n V e rg ü tun g s b e s tan d te i le n s i n d i n d e n le tz te n M o n ate n e rs te E n ts c h e i d un g e n e rg an g e n Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG). Seitdem haben grundsätzlich alle Arbeitnehmer bundesweit Anspruch auf einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Das bedeutet: Sie dürfen nicht weniger als 8,50 Euro brutto pro Stunde verdienen. Daneben gibt es branchenspezifische Mindestlöhne, die meist in Tarifverträgen festgelegt sind und den gesetzlichen Mindestlohn grundsätzlich nicht unterschreiten dürfen. Obwohl es nun eine Lohnuntergrenze für alle Arbeitnehmer gibt, sind viele Detailfragen, u. a. welche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können, noch ungeklärt. I . Entsc h ei d u ng d es A rb ei tsg eri c h t B au tz en Das Arbeitsgericht Bautzen hat mit Urteil vom 25. Juni 2015 (AZ: 1 Ca 1094/15) entschieden, dass ein tariflich gezahltes Urlaubsgeld sowie ein Nachtarbeitszuschlag nicht auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen ist. S ac h v erh alt Die Parteien stritten über die richtige Berechnung des der Klägerin zustehenden Entgelts für Januar 2015, insbesondere die Berechnung des von der Beklagten gewährten Nachtzuschlags von 25 % sowie die Anrechnung von gewährtem, zusätz- lichem Urlaubsgeld auf den der Klägerin ab dem 1. Januar 2015 zustehenden Mindestlohn. Die Klägerin erhielt einen Stundenlohn in Höhe von 7,00 Euro (brutto). Gemäß anwendbarem Tarifvertrag war ein Nachtzuschlag in Höhe 25 % zu zahlen. Ferner hatte sie Anspruch auf ein Urlaubsgeld in Höhe des 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes. Im Monat Januar 2015 erhielt die Arbeitnehmerin eine „Zulage nach MiLoG“; hierauf rechnete die Arbeitgeberin ein Urlaubsgeld für einen Urlaubstag in Höhe von ca. 34,00 Euro an. Zwei kürzlich ergangene Urteile zeigen eine erste Stoßrichtung der Gerichte, welche Anrechnungsmöglichkeiten den Arbeitgebern in Bezug auf den Mindestlohn zur Verfügung stehen oder nicht. Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 5 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Ferner legte die Arbeitgeberin der Berechnung des Nachtzuschlages einen Stundenlohn von 7,00 Euro zu Grunde. Die Klägerin verlangte mit ihrer Zahlungsklage Auszahlung des (zusätzlichen) Urlaubsgeldes sowie die Berechnung des Nachtzuschlages auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro (brutto). Entsc h ei d u ng Das Arbeitsgericht Bautzen gab der Klage vollumfänglich statt: Das Urlaubsgeld sei auf den Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 2 MiLoG nicht anrechenbar, denn dieses werde nicht für die Normalleistung des Arbeitnehmers gezahlt. Das „zusätzliche“ Urlaubsgeld diene vielmehr der Kompensation der Zusatzkosten, die während der Erholung im Urlaub entstünden. Das Urlaubsgeld sei damit funktional auf die Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers während des Urlaubs gerichtet, nicht jedoch als Vergütung der Normalleistung zu betrachten. Die Berechnung des Nachtzuschlages habe auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohnes zu erfolgen. Dies ergebe sich bereits aus dem anwendbaren Tarifvertrag, wonach Grundlage für die Berechnung des Nachtzuschlages der Stundenverdienst sei, wofür nur der zu gewährende Mindestlohn in Betracht komme. Auch nach dem Arbeitszeitgesetz sei im Übrigen Anknüpfungspunkt bei der Berechnung von Nachtzuschlägen das zu zahlende Bruttoarbeitsentgelt. Zudem werde mit dem Nachtzuschlag die besondere Beschwerlichkeit der Nachtarbeit kompensiert, nicht jedoch die Normalleistung. I I . Entsc h ei d u ng d es A rb ei tsg eri c h t D ü sseld orf Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 20. April 2015 (AZ: 5 Ca 1675/159) entschieden, dass alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt werden, beim Mindestlohn zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für einen vom Arbeitgeber gezahlten Leistungsbonus. S ac h v erh alt Die Parteien stritten über die Frage, auf welche Gehaltsbestandteile der gesetzliche Mindestlohn nach dem MiLoG anwendbar ist. Die Klägerin wurde bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 Euro brutto pro Stunde vergütet. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen „freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 Euro brutto, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 Euro brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 Euro brutto pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 Euro brutto pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung in Höhe von 8,50 Euro brutto pro Stunde zu zahlen. Entsc h ei d u ng Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Die Arbeitnehmerin habe im Januar insgesamt eine Vergütung in Höhe von 9,10 Euro brutto pro Stunde erhalten; der gesetzliche Mindestlohn sei damit nicht unterschritten. Der Leistungsbonus dürfe bei Berechnung des Mindestlohns einfließen, weil dieser Bonus einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise und es sich damit um „Lohn im eigentlichen Sinne“ handele. Zweck des MiLoG sei es, dem Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. I I I Das Mindestlohngesetz selbst spricht nur von einer Mindestvergütung von 8,50 Euro brutto pro Zeitstunde und enthält keine Regelungen zur Anrechnung anderer Vergütungsbestandteile. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Gerichte der bislang gelebten Praxis von anrechenbaren Vergütungsbestandteilen treu bleiben werden. Dies haben die ersten erstinstanzlichen Urteile gezeigt. Demnach sind solche Leistungen anrechenbar, die funktional gleichwertig mit dem Zweck des Mindestlohns sind. Das sind alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt werden, was z.B. bei einem Leistungsbonus der Fall ist. Nicht anrechenbar sind hingegen Vergütungsbestandteile, die einen ganz anderen Zweck verfolgen und anderen Bindungen unterfallen. Dies sind z. B. Überstundenzuschläge sowie und Nacht- und Schmutzzulagen. Auch bei einer Anrechenbarkeit ist allerdings zusätzlich die Fälligkeit des Mindestlohnes zu beachten, so dass ein Vergütungsbestandteil zwar grundsätzlich anrechenbar ist, aber außerdem monatlich ausgezahlt werden sollte, um Anrechenbarkeitsstreitigkeiten im Einzelfall zu vermeiden. A u tori nnen: Li sa B ornemann Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf Telefon +49 211 9352 20011 [email protected] D r. S onj a M ü ller Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, München Telefon + 49 89 14331 23499 [email protected] Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 6 A k tu elle R ec h tsprec h u ng 2:1 für die Fallschirmlösung bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung D i e 3 . K am m e r d e s L an d e s arb e i ts g e ri c h ts ( L A G ) B ad e n - W ü rtte m b e rg b e s tä ti g t i n i h re m U rte i l v o m 9 . A p ri l 2015 ( A Z : 3 S a 53 / 14) i h re E n ts c h e i d un g v o m 18 . D e z e m b e r 2014 ( A Z : 3 S a 3 3 / 14) , w o n ac h e i n e v e rd e c k t p rak ti z i e rte A rb e i tn e h m e rü b e rlas s un g b e i V o rli e g e n e i n e r A rb e i tn e h m e rü b e rlas s un g s e rlaub n i s auc h i m E i n z e lf all un te r k e i n e n U m s tä n d e n z u e i n e m A rb e i ts v e rh ä ltn i s z w i s c h e n d e m E n tle i h e r un d d e m v e rd e c k t ü b e rlas s e n e n L e i h arb e i tn e h m e r f ü h re n k an n . A n d e rs h atte i m D e z e m b e r 2014 d i e 4. K am m e r d e s L A G B ad e n W ü rtte m b e rg ( U rte i l v o m 3 . D e z e m b e r 2014 – A Z : 4 S a 41/ 14) e n ts c h i e d e n . S ac h v erh alt Der Kläger – Mitglied der IG Metall – war vom 1. Juli 2000 bis zum 14. Mai 2014 als Ingenieur im Betrieb der Beklagten, die Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. (Südwestmetall) ist, tätig. Während des Tätigkeitszeitraums hatte er mehrere, wechselnde Arbeitgeber, die ihn im Rahmen eines Werkvertrages bei der Beklagten einsetzten. Alle seine Arbeitgeber sind und waren im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Am 20. Mai 2012 trat ein zwischen der Südwestmetall und der IG Metall geschlossener Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit (TV LeiZ) in Kraft. Er bestimmt u. a., dass der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer nach 24 Monaten Überlassung ab dem Inkrafttreten des Tarifvertrags einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten habe. Auf Wunsch der Beklagten wurde der Kläger am 15. Mai 2014, also kurz vor Ablauf der 24 Monate, von der Tätigkeit beim Kläger abgezogen und anderweitig eingesetzt. Der Kläger beantragte mit seiner Klage die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Im Wesentlichen begründete er dies damit, dass er umfassend in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen sei und Weisungen von der Beklagten erhalten habe. Es habe daher eine verdeckte, unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Es sei rechtsmissbräuchlich, sich in den Fällen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung auf die erteilte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. Hilfsweise beantragte der Kläger den Beklagten zu verpflichten, ihm den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags im Sinne des Tarifvertrags anzubieten. Der Austausch des Klägers kurz vor Vollendung der 24 Monate sei rechtsmissbräuchlich und diene dazu, seinen Anspruch zu unterlaufen. lassungserlaubnis verfügende Werkunternehmer, der als Verleiher auftrete, entzöge sich der vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bezweckten Seriositätskontrolle gerade nicht, weshalb keine Veranlassung bestehe, ihn als prinzipiell unzuverlässig anzusehen. Es könne daher zwischen dem Entleiher und dem verdeckt überlassenen Leiharbeitnehmer kein Arbeitsverhältnis begründet werden, wenn eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorläge. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage in erster Instanz ab. Entsc h ei d u ng Die 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg sah die Berufung als unbegründet an und berief sich auf seine Entscheidung vom 18. Dezember 2014 (3 Sa 33/14). Danach entfalte eine sogenannte „Vorratserlaubnis“ zunächst Legalisierungswirkung und der über eine Arbeitnehmerüber- Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 7 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung verhindert das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Durch das Vortäuschen eines Werkvertrages und Verschleierung der tatsächlich vorliegenden verdeckten Arbeitnehmerüberlassung wären dem betroffenen Arbeitnehmer lediglich seine Rechte nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), insbesondere aus dem Equal-Pay-Grundsatz, versagt worden. Er müsse nach Treu und Glauben vertraglich nur so gestellt werden, als hätte er von vornherein seine Rechte als Leiharbeitnehmer wahrnehmen können. Ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher werde jedoch nicht begründet. Die 3. Kammer lehnte die Rechtsauffassung der 4. Kammer als nicht überzeugend ab. Die 4. Kammer ging in ihrem Urteil vom 3. Dezember 2014 (AZ: 4 Sa 41/14) davon aus, dass sich die Vertragspartner von verdeckter Arbeitnehmerüberlassung wegen widersprüchlichen Verhaltens nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürften. Deshalb stelle sich der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer gem. § 9 Nr. 1 AÜG als unwirksam heraus. Als gesetzliche Rechtsfolge wird das Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert. Hierzu führte die 3. Kammer aus, dass dem betroffenen Arbeitnehmer gegen seinen Willen sein von ihm frei gewählter Arbeitgeber genommen und deshalb gegen einen anderen ausgetauscht werde, weil sein frei gewählter Arbeitgeber und dessen Vertragspartner sich treuwidrig verhalten hätten. Der Entzug des gewählten Arbeitgebers durch Gesetz stelle jedoch einen Eingriff in die durch Art. 12 Grundgesetz geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers dar. Den Hilfsantrag des Klägers lehnte die 3. Kammer ebenfalls ab, weil die 24-monatige Überlassungsdauer nicht erfüllt war. Das Vorbringen des Klägers, dass das Vorgehen der Beklagten rechtsmissbräuchlich wäre und nur dazu diene, seine Ansprüche aus dem Tarifvertrag zu unterlaufen, teilte das LAG ebenfalls nicht. Die Absicht, die Ablösung zu bewirken, um zu verhindern, dass der Leiharbeitnehmer die 24-monatige Beschäftigungszeit zurücklegen kann, reiche für einen Rechtsmissbrauch alleine nicht aus. Insofern übe der Entleiher nur die durch den Tarifvertrag nicht eingeschränkte Freiheit aus, zu entscheiden, in welchem Umfang und für welche Dauer er welchen Leiharbeitnehmer einsetzen möchte. P rax i sh i nwei s Nach dieser Entscheidung steht es bei der Frage, ob bei einer verdeckten Arbeitnehmer überlassung das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis als Fallschirm dienen und das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer verhindern kann, innerhalb des LAG BadenWürttemberg 2:1 für die Fallschirmregelung. Die abweichende Entscheidung der 4. Kammer sorgt jedoch für eine gewisse Rechtsunsicher heit – der Fallschirm der auf Vorrat gehaltenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist löchrig. Klärung wird das Bundesarbeitsgericht (BAG) bringen. Gegen die abweichende Entschei dung der 4. Kammer wurde beim BAG Revision eingelegt (AZ: 9 AZR 51/15). Zusätzlich sieht der Koalitionsvertrag eine Gleichstellung der verdeckten mit der illegalen Arbeitneh merüberlassung vor. Es wurde eine Neuregelung angekündigt (die jetzt mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vorliegt), wonach eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nur noch bei einer offen vereinbarten Arbeitnehmerü berlassung greifen solle. Spätestens bei Umsetzung dieser Pläne wird der bisherige Fall schirm endgültig in die Brüche gehen. Unternehmen tun angesichts dieser prekären Situa tion gut daran, beim Einsatz von Fremdpersonal genauestens zu prüfen, ob die bisher gewählte Vertragsform auch der tatsächlich praktizierten Zusammenarbeit entspricht. I I I A u tori nnen: I ri s T au th Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon + 49 711 9881 12862 [email protected] X eni a R u pp Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart Telefon + 49 711 9881 22878 [email protected] Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 8 A k tu elle R ec h tsprec h u ng EWG Framework Externe und interne Anforderungen Stakeholder B e d arf b e s c h re i b e n un d p rü f e n Arbeitsrecht Vorstand Gremien Sozialversicherungsrecht Steuerrecht Strafrecht E i n tri tt, E i n s atz un d A us tri tt EWG Strategie Fachliche Stakeholder L i e f e ran t aus w ä h le n , p rü f e n un d b e s te lle n Personalabteilung Einkauf Datenschutz Finanzabteilung Gesetzliche Mindestbestimmungen Interne Vorgaben Compliance F re m d k raf t p rü f e n Rechtsabteilung Interne Revision L e i s tun g s e rb ri n g un g d urc h E x te rn e – D as R i s i k o v o n G e s e tz e s v e rs tö ß e n s te i g t! Der dargestellte Streit beim LAG Baden-Württemberg dürfte allerdings bald hinfällig sein, denn der Gesetzgeber plant eine Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Ein Eckpunkt des am 16. November vorgelegten Referentenentwurfes ist, dass im Falle einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung das vorsorgliche Vorhalten einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr hilft. Ein Berufen auf diese Erlaubnis für den Fall, dass tatsächlich kein Werkvertrag, sondern eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, wird ausdrücklich ausgeschlossen. Damit gehört die sog. Fallschirmlösung als Mittel zur Risikoverringerung der Vergangenheit an. Der Einsatz von Externen muss daher vor einer Beauftragung noch genauer überprüft werden. Schon bisher drohten in diesem Umfeld erhebliche rechtliche Konsequenzen. Die möglichen rechtlichen Konsequenzen sind dabei vielfältig: So kann das Vorliegen einer ‚Scheinselbständigkeit‘ oder ‚illegalen Arbeitnehmerüberlassung‘ nicht nur zur Fiktion eines Anstellungsverhältnisses mit dem betroffenen Unternehmen oder zu hohen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen führen, sondern sogar persönliche strafrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführer oder Vorstände haben. Zur Vermeidung dieser Risiken bietet sich der von EY entwickelte External Workforce Governance (EWG) Ansatz an. Mit ihm kann die Leistungserbringung durch Externe während aller Stadien – von der Personalstrategie über die Einhaltung der bestehenden Governance-Strukturen bis hin zur operativen Umsetzung in Prozessen und IT-Systemen – gesteuert werden. Ausgangspunkt ist eine Analyse des Status Quo, wobei neben der IST-Situation insbesondere die Felder identifiziert werden, auf denen Handlungsbedarf besteht. Anschließend werden genaue Beauftragungsszenarien und -profile für die Leistungserbringung durch Fremdkräfte definiert. Gleichzeitig werden die notwendigen Strukturen und Prozesse für eine ganzheitliche und effiziente Steuerung der Beauftragung von Externen entwickelt. Darüber hinaus hat EY eine IT-Lösung entwickelt, die Unternehmen bei der ganzheitlichen Steuerung der Beauftragung von Externen unterstützt. Mit ihrer Hilfe können auf unkomplizierte und schnelle Weise vor jeder einzelnen Beauftragung rechtliche Risiken aufgedeckt und vermieden werden. Das Risiko der erheblichen Konsequenzen einer „Scheinselbständigkeit“ oder „illegalen Arbeitnehmerüberlassung“ kann durch diese ITLösung dabei entscheidend verringert werden. Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 9 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Mitbestimmungsrechtliche Berücksichtigung von im Ausland tätigen Arbeitnehmern S i n d i n g re n z ü b e rs c h re i te n d e n K o n z e rn s truk ture n A rb e i tn e h m e r aus lä n d i s c h e r T o c h te run te rn e h m e n b e i d e r E rm i ttlun g d e r f ü r d i e A n w e n d un g d e r n ati o n ale n M i tb e s ti m m un g s g e s e tz e m aß g e b li c h e n S c h w e lle n w e rte f ü r d i e M i tb e s ti m m un g i m A uf s i c h ts rat m i t z u b e rü c k s i c h ti g e n ? H i nterg ru nd Nach ganz herrschender Auffassung finden auf Arbeitnehmer, die bei einem ausländischen Tochterunternehmen oder einer ausländischen Niederlassung eines im Inland ansässigen Unternehmens beschäftigt und dort nicht nur vorübergehend eingegliedert sind, nationale Mitbestimmungsgesetze keine Anwendung. So sind diese Arbeitnehmer bei der Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte nicht mitzuzählen. Als Begründung wird oftmals das sog. Territorialprinzip herangezogen, wonach sich die deutsche Rechts- und Sozialordnung nicht auf das Hoheitsgebiet anderer Staaten erstreckt. Entgegen dieser Praxis entschied das Landgericht Frankfurt am Main (LG Frankfurt) am 16. Februar 2015 (AZ: 3-16 O 1/14) überraschend, dass sich eine Konzernmuttergesellschaft für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat auch die bei ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer zurechnen lassen muss. S ac h v erh alt Im entschiedenen Fall ging es um die korrekte Besetzung des Aufsichtsrats der Deutsche Börse AG, die herrschendes Unternehmen der Gruppe Deutsche Börse ist. Insgesamt beschäftigte der Konzern 3.800 Arbeitnehmer, davon 1.600 in Deutschland und 1.750 im europäischen Ausland. Da die deutschen Arbeitnehmer für sich genommen nicht den nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) maßgeblichen Schwellenwert von 2.000 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern überschritten, wandte die Deutsche Börse AG das MitbestG nicht an. Der Aufsichtsrat wurde vielmehr nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt und war nicht – wie es das MitbestG vorsieht – paritätisch besetzt. Hiergegen wendete sich ein Professor für Arbeitsrecht in seiner Stellung als Aktionär im Rahmen eines sog. Statusverfahrens nach § 98 AktG. Er führte an, der Aufsichtsrat sei fehlerhaft besetzt; die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat habe komplett zu entfallen, da das DrittelbG wegen der Beschränkung des Wahlrechts auf inländische Arbeitnehmer gegen EU-Recht verstoße. Hilfsweise machte er geltend, dass das MitbestG Anwendung finde. Entsc h ei d u ng Das LG Frankfurt gelangt in dem Verfahren zu der Überzeugung, dass der Aufsichtsrat in der Tat nicht nach den gesetzlichen Vorschriften besetzt sei. Dies jedoch nicht im Sinne eines gänzlichen Entfalls der arbeitnehmerseitigen Mitbestimmung, sondern vielmehr in einer Erweiterung derselben. Es stellte fest, dass vorliegend das MitbestG Anwendung finde, da auch die Arbeitnehmer ausländischer Konzernunternehmen bei der Berechnung der Schwellenwerte der §§ 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 MitbestG miteinzubeziehen seien. Der Aufsichtsrat sei daher angesichts der Größe des Konzerns und unter Einbeziehung der ausländischen Arbeitnehmer paritätisch zusammenzusetzen. Im Rahmen der Begründung setzte sich das LG Frankfurt auch mit den Gesetzesmaterialien zum MitbestG auseinander. Nach der Gesetzbegründung sollten „im Ausland gelegene Tochtergesellschaften und deren Betriebe im Inland […] bei der Errechnung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl nicht mit[zählen]“ (BT-Drs. 7/4845, S. 4). Nach Ansicht des LG Frankfurt ergibt sich hieraus aber keine zwingende Auslegung, vor allem weil eine solche Einschränkung im Gesetz selber keinen Ausdruck gefunden habe. Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 10 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Laut dem LG Frankfurt muss sich eine deutsche Muttergesellschaft die Arbeitnehmer ihrer ausländischen Tochtergesellschaft bei der Schwellenwertberechnung im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung zurechnen lassen. Diesem könne an keiner Stelle entnommen werden, dass im Ausland tätige Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen sind. Vielmehr enthalte das MitbestG einen Verweis auf den aktienrechtlichen Konzernbegriff des § 18 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG). Dieser erfasse aber anerkanntermaßen auch ausländische Konzernunternehmen. Ein eigenständiger mitbestimmungsrechtlicher Konzernbegriff, welcher Mitarbeiter ausländischer Konzernunternehmen von der Mitbestimmung ausnehme, existiere dagegen nicht. A u toren: A rne D annemann Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, Frankfurt a.M. Telefon +49 6196 996 25764 [email protected] S oph i a H au s Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Frankfurt a.M. Telefon +49 6196 996 11454 [email protected] P rax i sh i nwei s Die Entscheidung des LG Frankfurt stellt insofern eine Überraschung dar, als sie mit dem auch im Mitbestimmungsrecht tradierten Territorialprinzip bricht. Sie ist bislang nicht rechtskräftig, Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist eingelegt. Es bleibt abzuwarten, wie dort die Weichen für die zukünftige Rechtsanwendung gestellt werden. Gegen die Entscheidung des LG Frankfurt spricht, dass sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zum MitbestG ergibt, dass dessen Anwendungsbereich auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt sein soll. Die Entscheidung widerspricht jedoch dieser gesetzgeberischen Intention. Sollte sich die Lesart des LG Frankfurt durchsetzen, so hätte dies für grenzüberschreitende Konzernstrukturen eine erhebliche Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung zur Folge. In vielen nicht mitbestimmten, mittelständischen Muttergesellschaften müsste erstmalig ein nach dem DrittelbG oder direkt nach dem MitbestG mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet werden. Betroffene Unternehmen sollten die Entwicklung im Auge behalten; Vorstände bzw. Geschäfts führer trifft nach § 97 AktG die Pflicht, unverzüglich eine Bekanntmachung zu veröffentlichen bzw. ein Statusverfahren einzuleiten, soweit sie der Ansicht sind, dass der Aufsichtsrat nicht mehr nach den gesetzlichen Vorschriften errichtet ist. Anderenfalls kann ihnen dabei im Extremfall eine Schadensersatzpflicht nach § 93 AktG drohen. Insgesamt ist festzustellen, dass die Rechtsprechung zur Besetzung von Aufsichtsräten im Wandel begriffen ist: So sind nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bei der Bestimmung mitbestimmungsrelevanter Schwellenwerte auch wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 4.11.2015 – 7 ABR 42/13); das Kammergericht Berlin (KG) hat darüber hinaus dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch den bei ausländischen Konzerngesellschaften bzw. in Auslandsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmern ein Wahlrecht bei der Besetzung des Aufsichtsrats zusteht (KG, Beschluss vom 16.10.2015 – 14 W 89/15). Ein solches Wahlrecht würde das schon bisher aufwendige Wahlverfahren für Arbeitnehmervertreter weiter erschweren. I I I Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 11 A k tu elle R ec h tsprec h u ng BAG: Vertraglich versus gesetzlich – Welche Kündigungsfrist gewinnt? M i t U rte i l v o m 29 . J an uar 2015 ( A Z : 2 A Z R 28 0/ 14) h at d as B un d e s arb e i ts g e ri c h t ( B A G ) e n ts c h i e d e n , d as s s i c h e i n e v e rtrag li c h e K ü n d i g un g s f ri s t g e g e n d i e m aß g e b li c h e g e s e tz li c h e K ü n d i g un g s f ri s t g e m ä ß § 6 22 A b s . 2 B G B n ur d an n d urc h s e tz e n k ö n n e , w e n n s i e i n j e d e m F all z u e i n e r s p ä te re n B e e n d i g un g d e s A rb e i ts v e rh ä ltn i s s e s f ü h re . E s g e n ü g e n i c h t, d as s d i e v e rtrag li c h e R e g e lun g f ü r d i e lä n g e re Z e i t i n n e rh alb e i n e s K ale n d e rj ah re s d e n b e s s e re n S c h utz g e w ä h re . S ac h v erh alt Die Beklagte erbringt medizinische Dienstleistungen im Bereich der Radiographie; sie beschäftigt in ihrem Betrieb weit mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war seit 1976 bei der Beklagten – zuletzt als Leiterin Qualitätssicherung – beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag war geregelt: „Die Kündigungsfrist beträgt beiderseits sechs Monate zum 30. Juni oder 31. Dezember des Jahres.“ Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 zum 30. Juni 2013 „unter Wahrung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist“. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Klägerin bereits mehr als 20 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB in diesem Fall sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Die Klägerin ist der Auffassung, dass diese Kündigungsfrist hätte eingehalten werden müssen. Die ausgesprochene Kündigung könne auch nicht in eine Kündigung zum 31. Juli 2013 umgedeutet werden. Das Arbeitsgericht Berlin (AZ: 44 Ca 332/ 13) hat die Kündigungsschutzklage im Wesentlichen abgewiesen, jedoch festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Juli 2013 bestanden habe. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (AZ: 15 Sa 1552/13) wies die Klage ebenfalls ab, nahm jedoch eine Beendigung bereits zum 30. Juni 2013 an. Entsc h ei d u ng Mit Urteil vom 29. Januar 2015 (AZ: 2 AZR 280/14) stellte das BAG fest, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2013 beendet worden sei. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von sechs Monaten zum 30. Juni 2013 sei unwirksam, da die zwingende gesetzliche Vorschrift des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB (sieben Monate) der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist entgegenstünde. Eine einzelvertragliche Verkürzung der Fristen des § 622 BGB sei, vorbehaltlich der Möglichkeit des Abs. 4 (tarifvertragliche Abweichung), nicht möglich. Gemäß § 622 Abs. 5 S. 3 BGB sei allein die einzelvertragliche Vereinbarung längerer Kündigungsfristen als der in § 622 Abs. 2 BGB vorgesehenen zulässig. Ob eine längere Kündigungsfrist im Sinne des Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 12 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Gesetzes vereinbart wurde, sei durch einen so genannten Günstigkeitsvergleich zu ermitteln, wobei die einzelvertragliche Regelung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin regelmäßig als Einheit zu betrachten und somit ein Gesamtvergleich vorzunehmen sei. Bei der Durchführung des Günstigkeitsvergleiches sei zudem nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der konkreten Kündigung abzustellen. Vielmehr sei abstrakt die vertragliche Gesamtregelung auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen hin zu überprüfen, d. h. spätestens mit dem Eintritt des Arbeitnehmers in die jeweilige „Stufe“ des § 622 Abs. 2 BGB müsse feststehen, welche Regelung als die günstigere vorgehen wird. Die einzelvertragliche Abrede sei im Ergebnis nur dann günstiger als die gesetzliche Vorschrift, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führe. Es sei nicht ausreichend, dass die vertragliche Regelung für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz biete. Nach § 622 Abs. 5 S. 3 BGB müssen einzelvertragliche vereinbarte Kündigungsfristen „länger“ und nicht nur „meistens länger“ sein. Dieser Anforderung genüge die vorliegende Kündigung nach Ansicht des BAG nicht. Das BAG hat jedoch festgestellt, dass die vorliegende Kündigung gemäß § 140 BGB in eine Kündigung zum 31. Juli 2013 umgedeutet werden könne. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich zum 30. Juni 2013 gewollt hätte. P rax i sh i nwei s In der Praxis findet man in Anstellungsver trägen immer noch Kündigungsfristen regelungen mit Beendigungsterminen zum Quartals oder Halbjahresende. Je nach konkretem Zeitpunkt der Kündigung kann die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist länger oder kürzer ausfallen als die gesetz lichen Fristen des § 622 Abs. 1 und 2 BGB. Diese Mindestfristen dürfen jedoch, vorbe haltlich der Ausnahmetatbestände des § 622 Abs. 3, Abs. 4 S. 2 und Abs. 5 Nr. 1 und 2 BGB, nicht durch vertraglich vereinbarte Fristen unterlaufen werden. Wie das BAG mit der vorliegenden Entscheidung klarstellt, ist der Günstigkeitsvergleich zwischen der vertraglich vereinbarten und der gesetzlichen Regelung auf abstrakter Ebene durchzufüh ren. Vertragliche Fristen sind dabei nur dann wirksam, wenn sie in jedem, und nicht nur in den meisten Fällen, zu einer späteren (oder gleichzeitigen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. In der Praxis ist zu empfehlen, bei der Gestal tung von Kündigungsfristen entweder auf die gesetzlich vorgesehenen zurückzugreifen oder darauf zu achten, dass eine einzelver traglich vereinbarte Kündigungsfrist jedenfalls länger ist als die gesetzlich vorgeschriebene. Besteht im Falle einer Kündigung Unsicher heit in Bezug auf die zu wählende Frist, soll ten die vereinbarten Fristen noch einmal unter den genannten Maßstäben geprüft werden. Ist die vertraglich vereinbarte Frist nicht in jedem Falle günstiger als die jeweils gesetzlich geltende Frist, so ist mit der ge setzlichen Frist zu kündigen. I I I A u toren: Nath ali e J ä g er Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Hamburg Telefon +49 40 36132 20584 [email protected] D r. Y av u z T opog lu Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, München Telefon: +49 89 14331 25138 [email protected] Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 13 A k tu elle R ec h tsprec h u ng Nachkündigung wegen Konkurrenztätigkeit nicht immer gerechtfertigt E i n V e rs to ß g e g e n d as W e ttb e w e rb s v e rb o t i m ( un w i rk s am ) g e k ü n d i g te n A rb e i ts v e rh ä ltn i s i s t n i c h t i n j e d e m F all e i n w i c h ti g e r G run d f ü r d i e e rn e ute f ri s tlo s e K ü n d i g un g Ein Arbeitnehmer, der während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses in Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber tritt, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und riskiert damit eine außerordentliche Kündigung. Das Wettbewerbsverbot gilt allerdings für die gesamte rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses, was auch gekündigte Arbeitsverhältnisse mit einschließt. Nun können aber laut Bundesarbeitsgericht (BAG) (Urteil vom 23.10.2014 – 2 AZR 644/13) für letztere Ausnahmen entstehen. S ac h v erh alt Hintergrund der Entscheidung des BAG war die Kündigungsschutzklage des seit 36 Jahren bei der Beklagten, zuletzt als Bereichsleiter und Gutachter, beschäftigten Klägers gegen vier binnen kurzer Zeit von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen. Wichtiger Grund für die Kündigungen war in zwei Fällen der Verdacht jeweils einer Pflichtverletzung sowie die faktische Konkurrenztätigkeit in zwei weiteren Fällen. Entsc h ei d u ng Im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung einer „Nachkündigung“ wegen Konkurrenztätigkeit hob das BAG das hier typisch objektiv vertragswidrige Verhalten beider Parteien heraus. Die Beklagte hatte das vertragliche Vertragsverhältnis (mehrfach) fristlos beenden wollen, bestand aber dennoch auf dem Wettbewerbsverbot. Der Kläger bestreitet die wirksame Beendigung, verstößt aber gegen seine vertragliche Unterlassungspflicht, die jedoch ihrerseits mit der gesetzlichen Pflicht, anderweitige Verdienstmöglichkeiten während der Schwebezeit wahrzunehmen, kollidieren kann. Dies und der Umstand einer überhaupt erst durch vorherige Kündigung herbeigeführten, nicht auf dauerhaften Wettbewerb angelegten und einen Arbeitgeber nicht unmittelbar schädigenden Konkurrenztätigkeit ist nunmehr bei der erforderlichen Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. F az i t Zur Wirksamkeit einer Verdachtskündigung bestätigte das BAG seine Rechtsprechung dahingehend, dass auch zeitlich nach Kündigungsausspruch bekannt gewordene Tatsachen gerichtlich zu berücksichtigen sind, soweit sie bei Zugang der Kündigung bereits objektiv vorlagen und die verdachtsbegründenden Vorgänge aufgrund ihrer engen Sachverhaltsbindung in einem neuen Licht erscheinen lassen. A u tori nnen: D as B A G h atte b i s lan g o f f e n g e las s e n , o b d i e R e i c h w e i te d e s W e ttb e w e rb s v e rb o te s i m g e k ü n d i g te n A rb e i ts v e rh ä ltn i s d e m i m un g e k ü n d i g te n e n ts p ri c h t. I m ( un w i rk s am ) auß e ro rd e n tli c h g e k ü n d i g te n A rb e i ts v e rh ä ltn i s e rs c h e i n t d e m B A G n un d i e A uf n ah m e e i n e r K o n k urre n z tä ti g k e i t un te r H i n z utre te n d e r w e i te re n V o raus s e tz un g e n i n e i n e m „ m i ld e re n L i c h t“ . D am i t w i rd e i n e w i rk s am e „ N ac h k ü n d i g un g “ i n g le i c h e n F ä lle n d urc h I n te re s s e n ab w ä g un g un d i n h altli c h h o h e A n f o rd e run g e n p rak ti s c h un m ö g li c h . I I I S ab i ne F ab i g Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, Frankfurt a.M. Telefon +49 6196 996 25776 [email protected] J u li a M eyer Rechtsanwältin Ernst & Young Law GmbH, München Telefon + 49 89 14331 12362 [email protected] Im Ergebnis hielt das BAG somit keine der Kündigungen, trotz für sich genommen teilweiser erheblicher Pflichtverletzungen, die i. d. R. „an sich“ zur fristlosen Kündigung geeignet wären, weder fristlos noch ordentlich, für wirksam. Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 14 Z u G u ter Letz t Ein Nickerchen auf Arbeit? Ja, aber nur ungeplant. D as L an d e s arb e i ts g e ri c h t ( L A G ) R h e i n lan d - P f alz h at i n s e i n e r E n ts c h e i d un g am 16 . A p ri l 2015 ( A Z : 5 S a 6 3 7 / 14) e i n e auß e ro rd e n tli c h e K ü n d i g un g w e g e n v o rs ä tz li c h e n S c h laf e n s w ä h re n d d e r A rb e i ts z e i t als w i rk s am an g e s e h e n . Die Klägerin war in einem Seniorenheim der Beklagten als Nachtwache eingesetzt. Während einer dieser Nachtwachen wurde sie in einem Aufenthaltsraum schlafend auf einem Fernsehsessel mit verstellbarer Rückenlehne und Fußteil angetroffen. Die Tür des Aufenthaltsraums war verschlossen und das Licht ausgeschaltet. Zuvor hatte die Klägerin die Betten zweier bettlägeriger Bewohnerinnen so verschoben, dass es ihnen unmöglich war die Notklingel zu betätigen. Außerdem hatte sie die Pflegedokumentation gefälscht, indem sie nicht erbrachte Leistungen für die Nacht wie das Anreichen von Flüssigkeit und Lagerungswechsel im Voraus mit ihrem Handzeichen quittiert hatte. Nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz liegt unter diesen Umständen ein planvolles Verhalten der Klägerin vor. Sie habe gezielte Vorbereitungshandlungen getroffen, die ihr eine ungestörte „Nachtruhe“ garantieren sollten. Daher habe die Klägerin sich insgesamt vorsätzlich schlafen gelegt. Durch das beschriebene Verhalten habe sie das Vertrauen der Beklagten in eine zuverlässige Erfüllung ihrer Pflichten als Nachtwache irreparabel zerstört, so dass eine außerordentlich fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Der Beklagten sei es entgegen der Ansicht der Vorinstanz vor allem auch nicht zuzumuten gewesen, die Klägerin während der Nachtwache durch stündliche, telefonische Meldung zu kontrollieren. Eine andere als Nachtwache tätige Person habe sich um die Bedürfnisse der Bewohner des Seniorenheims zu kümmern und nicht als Aufsichtsperson für die Klägerin zu fungieren. Die Entscheidung ist deswegen bemerkenswert, weil das Gericht die hohen Anforderungen, die an außerordentliche Kündigungen (ohne vorausgegangene Abmahnung) gestellt werden, als erfüllt ansieht. Dies dürfte allerdings vor allem an dem planvollen Vorgehen der Klägerin sowie der Tatsache liegen, dass sie gerade für die Betreuung pflegebedürftiger Personen zuständig war, diese jedoch stattdessen in eine hilflose Lage versetzte. In anderen Fällen des Schlafens während der Arbeitszeit stellten die Gerichte bisher die Unwirksamkeit der hierauf gestützten Kündigungen fest (vgl. Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 26. 11. 2004 – 15 Sa 463/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. 5. 2010 – 13 Sa 19/10). Der vorliegende Fall zeigt, dass im Einzelfall trotzdem eine Kündigung erfolgreich sein kann und schon wegen der Außenwirkung auf andere Mitarbeiter als Option berücksichtigt werden sollte. I I I A u tor: F lori an K lei n, LL. M . ( W arwi c k ) Rechtsanwalt Ernst & Young Law GmbH, München Telefon +49 89 14331 16190 [email protected] Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 15 Z u G u ter Letz t Veranstaltungen & Veröffentlichungen 9 . D ez emb er 2 0 1 5 | S tu ttg art Human Capital: „Entsende – und Steuerausgleichsrichtlinie bei mittelständischen Unternehmen“ 1 . – 3 . M ä rz 2 0 1 6 | H amb u rg Dashöfer Seminar: „Auslandsentsendung von Mitarbeitern“ 9 . D ez emb er 2 0 1 5 | D resd en Jahresendveranstaltung: „Streifzug durch das Unternehmenssteuerrecht“ 2 4 . M ä rz 2 0 1 6 | Nü rnb erg Arbeitsrechtsfrühstück 9 . D ez emb er 2 0 1 5 | F rank f u rt | Esc h b orn Arbeitsrechtsfrühstück: „Arbeitsrecht aktuell 2015“ 2 0 . J anu ar 2 0 1 6 | F rank f u rt | Esc h b orn Arbeitsrechtsfrühstück: „Fremdpersonaleinsatz“ 2 6 . J anu ar 2 0 1 6 | D ü sseld orf Arbeitsrechtsfrühstück: „Internal Investigation“ 2 3 . – 2 5 . F eb ru ar 2 0 1 6 | D resd en Dashöfer Seminar: „Auslandsentsendung von Mitarbeitern“ 2 5 . M ä rz 2 0 1 6 | M ü nc h en Arbeitsrechtsfrühstück 2 0 . A pri l 2 0 1 6 | H amb u rg Arbeitsrechtsfrühstück 1 9 . – 2 1 . A pri l 2 0 1 6 | B erli n Dashöfer Seminar: „Auslandsentsendung von Mitarbeitern“ 2 2 . A pri l 2 0 1 6 | S tu ttg art Arbeitsrechtsfrühstück Employment Law Newsletter 4. Quartal 2015 | 16 I h re A n s p re c h p artn e r f ü r A rb e i ts re c h t b e i d e r E rn s t & Y o un g L aw G m b H M ü nc h en S tu ttg art D r. K arsten U mnu ß Rechtsanwalt, Partner Telefon +49 89 14331 22220 [email protected] I ri s T au th Rechtsanwältin Telefon + 49 711 9881 12862 [email protected] Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Arnulfstraße 59 80636 München Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Mittlerer Pfad 15 70499 Stuttgart D ü sseld orf H amb u rg M arti na S . B u h r Rechtsanwältin Telefon +49 211 9352 28164 [email protected] W olf g ang H ard t Rechtsanwalt Telefon +49 40 36132 16463 [email protected] Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Graf-Adolf-Platz 15 40213 Düsseldorf Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Rothenbaumchaussee 78 20148 Hamburg F rank f u rt am M ai n B erli n B ä rb el K u h lmann Rechtsanwältin, Partner Telefon +49 6196 996 11336 [email protected] J an- J ac ob R oed er, LL. M . Rechtsanwalt Telefon +49 30 25471 23089 [email protected] Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Mergenthalerallee 3–5 65760 Eschborn/Frankfurt a. M. Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Friedrichstraße 140 10117 Berlin E Y | Assurance | Tax | Transactions | Advisory D i e g lo b ale E Y - O rg an i s ati o n i m Ü b e rb li c k Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2015 Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft All Rights Reserved. SRE 1512-508 ED None Fotos: iStockphoto, Shutterstock EY Tax & Law DE News App - Lesen Sie das Tax & Law Magazine oder unsere wöchentlichen News bequem unterwegs und bleiben Sie über aktuelle Entwicklungen des Steuerrechts informiert. Mit den Archivversionen ausgewählter Tax & Law Webcasts steht Ihnen eine weitere Wissensquelle zur Verfügung. 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