einträge zur euro

Die Europäische Volkspartei hat trotz Verlusten
bei den EU-Wahlen den ersten Platz klar behaupten können. Mit 211 Mandaten verwiesen sie die
Sozialdemokraten mit 193 Mandate auf Rang zwei
11. 11. 2015 BERICHT DES EUROPÄISCHEN
RECHNUNGSHOFS ENTHÜLLT TEURE SCHLAMPEREIEN
So verpulvern die Eurokraten UNSER Geld
Milliarden an Steuergeldern werden von der EU offenbar verbrannt!
Beim Einsatz von EU-Geldern wird weiter im großen Ausmaß
geschlampt oder getrickst: Der Europäische Rechnungshof (EuRH)
kommt in seinem Kontrollbericht zu dem Ergebnis, dass im
vergangenen Haushaltsjahr geschätzt 6,3 Milliarden Euro ohne
Rechtsgrundlage
ausgegeben
wurden.
Das erklärte Rechnungshof-Präsident Vítor Caldeira
Morgen bei der Vorstellung seiner Untersuchungen.
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am
Heißt: EU-Gelder wurden beispielsweise für Projekte beantragt, die eigentlich gar
nicht gefördert werden dürften. Ausgezahlt wurden diese Gelder trotzdem. In
einzelnen Fällen werde man das Geld zurückfordern, hieß es aus der EU.
Pikant: Die Schummel-Quote von 4,4 Prozent hat sich im Vergleich zu 2013
(4,5 Prozent) kaum verändert.
Im Jahr 2014 beliefen sich die Ausgaben aus dem EU-Haushalt auf insgesamt 142,5
Milliarden Euro oder rund 300 Euro je Bürger. Diese Ausgaben entsprechen etwa
einem Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU und machen etwa zwei
Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben der EU-Mitgliedstaaten aus.
Schlampereien schon 2013 Nach dem Kontrollbericht aus
dem vergangenen Jahr flossen 2013 sieben Milliarden Euro
in falsche Kanäle.
Betroffen waren vor allem die Bereiche Verkehr, Energie und Regionalpolitik. In
einigen Fällen ging es sogar um Betrug. Am fehlerträchtigsten waren die
Bereiche Regionalpolitik, Verkehr und Energie mit einer geschätzten Fehlerquote von
6,9 Prozent. Die Prüfer fanden in fast allen Bereichen zu Unrecht ausgezahlte EUGelder. Insgesamt untersuchten sie 149 324 Vorgänge.
Jedes Jahr prüft der EuRH die Einnahmen und Ausgaben der EU
und beurteilt, inwieweit die Jahresrechnung zuverlässig ist und die
Einnahmen- und Ausgabenvorgänge mit den maßgebenden Regeln
und Rechtsvorschriften in Einklang stehen.
Schwerwiegendste Fälle in Deutschland 2014:
► Bei einer von der EU geförderten Modernisierung eines Autobahnab-schnitts
vergab der öffentliche Auftraggeber einen Auftrag ohne vorherigen Aufruf zum
Wettbewerb. Eine Ausschreibung schreibt die EU bei geförderten Projekten aber vor.
► Bei einem Projekt des Europäischen Strukturfonds im Zusammenhang mit der
Renovierung und Sanierung eines Universitätsgebäudes wurde das Honorar des
Architekten deutlich erhöht. Das sei aber nicht förderfähig gewesen, hieß es.
► Rechnungen über die Sanierung von Straßenbahngleisen aus Zeiten vor der
Förderung wurden verzögert eingereicht, so dass die EU-Gelder trotzdem flossen.
► Überhöhte Gehälter: Die EU finanzierte Lehrkräfte zur Qualifikation von
Jugendlichen. Laut Rechnungshof arbeiteten die Lehrkräfte aber weniger als
angegeben.
► Falsch ausgewiesene Ackerflächen. Offenbar haben Bauern in Rhein-land-Pfalz und
Schleswig-Holstein Förderungen für Ackerflächen bekom-men, die eigentlich keine
waren.
► Fördergelder wurden von Landwirten in Rheinland-Pfalz kassiert, die nach eigenen
Angaben Weideflächen aus ökologischer Sicht nur zeitweise bewirtschafteten. Diese
Angaben waren laut Rechnungshof falsch.
Kontrolleure fordern mehr Flexibilität
Die Kontrolleure fordern nun auch angesichts der Flüchtlingskrise einen
„völlig neuen Ansatz” für die Ausgabenpolitik der EU.
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„Die Entscheidungsträger müssen mehr Flexibilität zulassen und die
Regeln vereinfachen”, sagte Vítor Caldeira zur Vorstellung des Berichts
in Brüssel. Nur so könne sichergestellt werden, dass EU-Geld dort zum
Einsatz komme, wo es am dringendsten gebraucht werde.
58,6 MILLIARDEN EURO = Kosten für EUPensionen steigen in gigantische Höhe
Die Kosten der Pensionen für die EU-Beamten steigen in immer gigantischere Höhen.
Laut EU-Kommission beliefen sie sich Ende 2014 auf 58,6 Milliarden Euro –
rund 12 Milliarden Euro mehr als Ende 2013. Die neue Kostenschätzung geht aus
der Jahresrechnung der EU-Kommission für das vergangene Jahr hervor. Sie enthält
alle Ruhestandskosten (inklusive Krankheitsfürsorge) der heute noch aktiven
und bereits pensionierten Eurokraten.
Danach belaufen sich die reinen Ruhestandsbezüge auf 52,2 Milliarden
Euro und die Kosten der Krankheitsfürsorge auf 6,3 Milliarden Euro.
-Monatlich 24.000 €
netto (!) für EU- Parlamentschef
05.12.2014
10,62% Steuersatz für Martin Schulz
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Wohn-und Repräsentationspauschale, Wahlkreisbüropauschale, dazu 365 Mal pro Jahr 304 Euro Sitzungsgeld und 8.252
Euro Abgeordnetengehalt: Martin Schulz erhält als EU- Parlamentschef monatlich 26.892 Euro. Dank Steuerzuckerl bleiben
ihm davon netto 24.034 Euro - das entspräche einem Steuersatz von 10,62 Prozent.
Martin Schulz spricht gerne und viel über soziale Gerechtigkeit und über die
"falsche Verteilung des Reichtums". Auch bei seinem Auftritt als Stargast des
SPÖ- Bundesparteitags vor einer Woche waren das Kernaus-sagen in seiner
Rede.
Selbst scheint der SPD- Politiker allerdings weniger von Steuersorgen geplagt zu
sein. Sein Büro für Öffentlichkeitsarbeit bestätigte jetzt gegen-über der "Krone"
sämtliche Recherchen über die Bezüge des Sozialde-mokraten. Sie summieren
sich auf ein Monatseinkommen von 26.892 Euro brutto:
Das monatliche Abgeordnetengehalt beläuft sich auf 8.252 Euro. Der deutsche
Einkommenssteuersatz (35,13 Prozent) macht daraus 5.394 Euro netto.
Dazu kommt monatlich eine Repräsentationspauschale von
1.418 Euro. Steuerfrei.
Zusätzlich fließen 4.299 Euro als Wahlkreisbüropauschale.
Steuerfrei.
Und Schulz kann sich auch über eine Wohnkostenpauschale von
3.803 Euro per Monat freuen. Steuerfrei.
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Druck auf «Schengen»
Europa ohne Grenzen in Gefahr
27. 11. 2015
Der Schengen-Raum ist ein bedeutender Erfolg der EU. Die
träge Reaktion auf Flüchtlingskrise und Terrorismus bringt
ihn in Gefahr.
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Im Schatten Hunderttausender Migranten reisen Terroristen leichter ein – etwa
über die griechische Insel Lesbos.
Kaum eine Institution verkörpert das Fortschrittliche und Nützliche an der
europäischen Integration besser als das 1985 unterzeichnete Abkommen von
Schengen, das zusammen mit der fünf Jahre später verabschiedeten SchengenKonvention zum schrittweisen Abbau der Grenzschranken zwischen 26 Ländern mit
über 400 Millionen Einwohnern auf dem Kontinent geführt hat. Jeder Bürger kann
dank «Schengen» in seinem Alltagsleben hautnah erfahren, wie weit der Frieden in
Europa zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wenn er von Frankreich oder Belgien
nach Deutschland, von Österreich in die Slowakei oder nach Ungarn fährt und sich
kaum mehr gewahr wird, dass er dabei soeben eine vor einigen Jahrzehnten noch mit
tödlicher Staatsgewalt verteidigte Staatsgrenze überwunden hat. Nicht einmal den
Fuss vom Gaspedal muss man nehmen, wenn man mit dem Auto über viele
europäische Grenzübergänge braust.
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Europas Flüchtlingskrise
Eine stolze Rechnung aus Ankara
27. 11. 2015
In den Verhandlungen über ein Flüchtlingsabkommen mit der
EU geht Ankara forsch zur Sache. Nach Jahren der Zurückweisung kostet Staatschef Erdogan seine Position der Stärke
aus.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei seinem Besuch in Brüssel am
5. Oktober. Er zeigte sich an einem Medienauftritt «offen für alle möglichen
Arten der Kooperation» mit der EU.
Seit 28 Jahren bewirbt sich die Türkei um eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Union.
Doch erst 1999 erhielt Ankara den Kandidatenstatus zugesprochen, der sechs Jahre später
zum Auftakt offizieller Verhandlungen führte. Recep Tayyip Erdogan, damals
Ministerpräsident, prophezeite einen Beitritt bis 2012. Dass die Gespräche stattdessen in der
Anfangsphase steckenblieben, führt Ankara primär auf Ressen-timents gegenüber dem
muslimischen Land zurück. Von 35 Verhandlungskapiteln sind 13 eröffnet und nur eines
erfolgreich abgeschlossen worden.
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Schwarzenberg klagt
tschechische Flüchtlingspolitik an
9. November 2015
Zu mehr Hilfsbereitschaft aufgerufen – Ex-Finanzminister Kalousek
folgt Schwarzenberg als Parteichef
Prag – Der tschechische Oppositionspolitiker Karel Schwarzenberg hat die negative
Einstellung zu Flüchtlingen in seinem Land scharf kritisiert. In einer Abschiedsrede
vor den Delegierten seiner konservativen Partei TOP09 mahnte der scheidende
Vorsitzende: "Wir sollten uns bewusst machen, dass jeder von uns zum Flüchtling
werden kann."
Zum Nachfolger an der Parteispitze wurde am Sonntag mit 148 der 171
Delegiertenstimmen Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek (54) gewählt. Es gab
keinen Gegenkandidaten. Schwarzenberg bemängelte, dass der tschechische
Präsident Milos Zeman die Stimmung mit Warnungen vor Terroristen unter den
Flüchtlingen aufheize. "Ich finde es beschämend, wenn aus Opfern Mörder gemacht
werden", sagte der Ex-Außen-minister. Der 77-Jährige bedankte sich bei allen
freiwilligen Flüchtlingshelfern. "Sie retten die Ehre unseres Landes, die durch einige
Politikeräußerungen beschmutzt worden ist", sagte er.
Der Fürst hatte von der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei
im Jahr 1948 bis zur demokratischen Wende von 1989 selbst im Exil in Österreich
und Bayern gelebt. Schwarzenberg, unter anderem Marion-Dönhoff-Preisträger,
wurde zum Ehrenvorsitzenden der TOP09-Partei ernannt. Er will weiter als
Abgeordneter arbeiten. "Solange ich gesund bin, werde ich weiterkämpfen", sagte er
der Deutschen Presse-Agentur.
--------------------------30. 11. 2015
Warum Frankreich nicht die Nato um Unterstützung ersucht hat
Frankreich aktiviert die Beistandspflicht der EU-Mitgliedstaaten
und begräbt die österreichische Neutralität
Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini,
verkündete am 17. November, dass alle EU-Mitgliedstaaten in der vorangegangenen
Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten Frankreich auf dessen Bitte hin
einstimmig Beistand gemäß Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die EU
zugesichert haben.
Frankreich hatte die Terroranschläge von Paris als Kriegsakt bezeichnet und nicht
wie schon 2001 die USA nach den Terrorangriffen in New York die NatoBeistandspflicht angerufen. Das ist wohl der bitteren Erfahrung aus 14 Jahren
Afghanistan-Einsatz geschuldet, dass hinter jeder Terrororganisation eine Ideologie
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steht, welche nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln besiegt werden kann. Zu
mehr ist die Nato mangels Kompetenz aber nicht in der Lage.
EU-Solidaritätsklausel reicht nicht aus
Doch auch die für Terroranschläge zugeschnittene Solidaritätsklausel in Artikel 222
des Vertrages über die Arbeitsweise der EU wurde nicht ins Spiel gebracht. Erst auf
den zweiten Blick lässt sich erkennen, warum Frankreich auch diese Karte nicht
gezogen hat. Einerseits ist die gegenseitige Verpflichtung auf das jeweilige
Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaates begrenzt, andererseits obliegt die
Einschätzung über Art und Umfang der geeigneten Mittel und Maßnahmen den
jeweiligen Mitgliedstaaten.
Nun kann aber die aktuelle Terrorgefahr nicht allein durch Maßnahmen innerhalb der
territorialen Grenzen der EU-Mitgliedstaaten beseitigt werden. Deren Urheber, die
sich selbst als "Islamischer Staat" bezeichnende Terrororganisation, befindet sich im
Irak und in Syrien und breitet sich zunehmend vor allem in der Maghreb-Zone in
Afrika aus. Dort ist Frankreich seit 2012 wieder zunehmend als Krisenfeuerwehr in
Mali und in der Zentralafrikanischen Republik tätig.
Wiederholte Appelle seitens Frankreichs, sich vermehrt im Rahmen der verschiedenen Uno- und EU-Mission zu beteiligen, sind bei den EU-Partnern nur vereinzelt
auf positives Gehör gestoßen. Frankreich war gezwungen, seine militärischen
Kapazitäten mittlerweile an drei Fronten – in Afrika, in Syrien und Frankreich selbst –
auszuspielen. Es ist vor allem dieser Einsatz im eigenen Land, der die meisten Kräfte
und Mittel erfordert. Daher wünscht sich Frankreich eine militärische Entlastung
durch die EU-Mitgliedstaaten vor allem in Afrika.
Nur EU-Beistandspflicht gibt Hoffnung auf Erfolg
-------------------------------30. 11. 2015
Schäuble droht mit Blockade der EU-Einlagensicherung
Wolfgang Schäuble will sich gegen die
aktuellen Pläne zur Einlagensicherung der EU-Kommission stemmen-Laut "Spiegel"
will der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäubel eine Koalition gegen die neuen
Pläne der EU-Kommission zur Einlagensicherung aufstellen. Er braucht dafür Hilfe
durch ein großes und vier kleine Länder.
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Hamburg. Die deutsche Regierung hat in ihrem Widerstand gegen die Pläne der EUKommission für eine europäische Einlagensicherung laut "Spiegel" damit gedroht, eine
Sperrminorität zu organisieren.
Es sei für Deutschland "problemlos machbar", eine qualifizierte Mehrheit für die Kommissionspläne zu verhindern, zitierte der "Spiegel" am Freitag in einem Vorabbericht Unterhändler von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Deutschland müsste dazu ein weiteres großes Land und vier kleine Länder auf seine Seite ziehen.
Italien und Frankreich hätten schon zu erkennen gegeben, dass sie keinen Sinn darin sähen,
eine Lösung gegen den Willen Berlins durchzusetzen, schrieb der "Spiegel". Auch die
Niederlande, Österreich und Finnland sehen die Pläne aus Brüssel demnach skeptisch.
Das Finanzministerium berufe sich zudem auf eine ungeschriebene Regel: In der Finanzmarktregulierung gelte bisher die Gepflogenheit, ein großes Land nicht zu überstimmen. "Die
EU-Kommission tut gut daran, es sich nicht mit uns zu verscherzen, sonst verliert sie ihren
wichtigsten Unterstützer bei anderen Vorhaben", zitierte der "Spiegel" Vertreter aus dem
Ministerium.
Die EU-Kommission will bis 2024 ein einheitliches System aufbauen, das die Guthaben von
Bankkunden in der EU bei Institutspleiten gemeinschaftlich absichern soll. Auch die deutschen Sparkassen, die schon seit Monaten gegen die Pläne Sturm laufen, müssten in das
System einzahlen.
In der EU umgesetzt ist als Reaktion auf die Finanzkrise bereits eine stärkere Bankenaufsicht;
ein Abwicklungsmechanismus für Institute soll Anfang 2016 einsatzbereit sein. Die europäische Einlagensicherung als dritte Säule soll auch verhindern, dass Banken in Krisen noch
stärker unter Druck geraten, weil die Kunden ihre Gelder nicht mehr sicher glauben und diese
abziehen.
Schäuble kritisiert vor allem den Zeitpunkt der Einführung der Einlagensicherung. Er fordert,
erst die anderen Elemente der Bankenunion voll umzusetzen.
-----------------------------Kampf gegen den IS
Die Stunde der Europäer hat längst
geschlagen
Deutschland sitzt schon jetzt in der Kriegsfalle, in die der
Islamische Staat lockte. Ein Schulterschluss zieht nicht nur
außenpolitische Konsequenzen nach sich.
Wie kommt man da wieder heraus?
Kämpfer des „Islamischen Staats“ in Rakka, yrien
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Schock führt zum Schulterschluss. So ist es heute, wenn auch die Bilder der Pariser Terroranschläge vom 13. November zu verblassen beginnen. Und so war es nach den allerdings
ungleich verheerenderen Anschlägen von New York und Washington, vom 11. September.
Noch am selben Tag wurden die Weichen für den „Krieg gegen den Terror“ gestellt, auch in
Deutschland. Wochen, bevor die Nato erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall ausrief,
versicherte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder den amerikanischen Präsidenten
der „uneingeschränkten Solidarität“ Deutschlands.
Das war einerseits selbstverständlich, andererseits aber sehr riskant. Denn Schröder wusste,
dass die Antwort auf die „Kriegserklärung“ an die „zivilisierte Völkergemeinschaft“, von der
er anderntags im Bundestag sprach, auch eine massive militärische Intervention nach sich
ziehen konnte. Vor allem aber überließ der Kanzler den Amerikanern und namentlich ihrem
Präsidenten George W. Bush die Deutungshoheit und damit nicht zuletzt die Definition des
Gegners und des Ziels.
Und der nutzte die Chance, um auch Ziele zu identifizieren, die mit dem eigentlichen Anlass
des Feldzuges gegen den Terror kaum etwas oder gar nichts zu tun hatten, allen voran die
Ausschaltung des irakischen Diktators Saddam Hussein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt
ging der Bundeskanzler auf Distanz zu Bushs Kriegsplänen. Zum einen war die Begründung
an den Haaren herbeigezogen, zum anderen war der „Krieg gegen den Terror“ in
Afghanistan noch gar nicht beendet. Und dort operierte die Bundeswehr in zwei Missionen,
darunter einem Kampfeinsatz, an den Grenzen ihrer Möglichkeiten. Dass Gerhard Schröder
den Vereinigten Staaten bei dem Krieg im Irak 2003 zunächst im Alleingang die Gefolgschaft
verweigerte, war nicht minder riskant als die Zusicherung uneingeschränkter Solidarität: Wer
die Solidarität einseitig aufkündigt, so Washington, darf seinerseits keine erwarten. Der
Kanzler hatte gute Gründe, gegen den Feldzug des amerikanischen Präsidenten Position zu
beziehen. Vor allem wollte er abwarten, mit welchem Ergebnis die im Auftrag der Vereinten
Nationen in den Irak entsandten Inspektoren zurückkehren würden. Sie sollten herausfinden,
ob Saddam Hussein tatsächlich noch, wie von Amerika unterstellt, über nennenswerte
Bestände an Massenvernichtungswaffen verfügte. Dass Bush das nicht wollte, sondern
erklärte, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sei „seiner Verantwortung nicht gerecht
geworden“, so dass Amerika nunmehr der seinen gerecht werden müsse, trug entscheidend
zur fortschreitenden Schwächung der UN und zum Scheitern dieser Runde im „Krieg gegen
den Terror“ bei.
Sich nicht gegenseitig ins Visier nehmen
Fast alles, was man in solchen Situationen falsch machen kann, ist falsch gemacht worden.
Das weiß man nicht erst heute. Wer wie in Afghanistan und im Irak in einen Krieg zieht, ohne
zu wissen, wie er wieder aus diesem herauskommt, handelt fahrlässig. Wer wie im Irak oder
in Syrien ein Regime bekämpft, ohne dass eine handlungsfähige Alternative hinter den
Kulissen bereits in Position gebracht ist, handelt kurzsichtig. Dass man jetzt auch in
Deutschland beschließt, den vollständigen Rückzug der Streitkräfte aus Afghanistan nicht
nur aufzuhalten, sondern teilweise zu revidieren, ist eine Bankrotterklärung; und dass die
Staatengemeinschaft unter anderem wieder im Irak zu Felde ziehen muss, um den IS zu
bekämpfen, ist alarmierend.
Für diese Fehlentwicklungen mitverantwortlich ist der Zustand der internationalen Gemeinschaften. Alle Organisationen, die jetzt aufgerufen sind oder sich berufen fühlen, den Terror
zu bekämpfen, sind Kinder des Kalten Krieges. Keine von ihnen hat es im vergangenen
Vierteljahrhundert fertiggebracht, sich den neuen weltpolitischen Realitäten zu stellen, die
Vereinten Nationen nicht, die Nato nicht und die EU schon gar nicht.
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Das desaströse Ergebnis ist im Irak, in Libyen, jetzt in Syrien zu besichtigen. Wer dort zurzeit
in wessen Auftrag und mit welcher Legitimation welchen Gegner bekämpft, lässt sich weder
für Außenstehende noch für die unmittelbar Betroffenen, ja, offenbar nicht einmal mehr für
die intervenierenden Staaten ausmachen, so dass zum Beispiel amerikanische und
russische Militärs hinter den Kulissen daran arbeiten, sich über der Levante nicht
versehentlich gegenseitig ins Visier zu nehmen.
---------------------------30. 11. 2015
Mit diesem 6-Punkte-Plan will von der
Leyen den IS besiegen
In einem Gastbeitrag skizziert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen 6-PunktePlan, wie die Terrormiliz Islamischer Staat zerstört werden soll. Dabei geht es nicht nur um
Einigkeit und Kampfstärke - auch die Muslime spielen eine wichtige Rolle.
In einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung skizziert Verteidigungsministerin Ursula von der
Leyen einen 6-Punkte-Plan, wie die Terrormiliz Islamischer Staat zerstört werden soll.
1. WIR BRAUCHEN EIN POLITISCHES ZWECKBÜNDNIS AUF ZEIT
Mit der jüngsten Resolution des Weltsicherheitsrates müsse der Kampf gegen den IS für alle
Staaten oberste Priorität haben, schreibt von der Leyen und bringt dabei sogar ein Bündnis mit
Assad ins Spiel. Uneinigkeit zwischen Staaten wie Frankreich, den USA oder Russland und
auch Deutschland stärke den IS.
2. IS MUSS GESCHWÄCHT UND ZURÜCKGEDRÄNGT WERDEN
Durch die militärische Schlagkraft eines breiten Bündnisses soll der IS laut von der Leyen
geschwächt, sein Bewegungsradius eingeschränkt sowie Stadt für Stadt zurückerobert werden.
Sein Nimbus der Unbesiegbarkeit müsse zerstört werden.
3. IS MUSS AUF ALLEN EBENEN BEKÄMPFT WERDEN
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Auch die Wirtschaft müsse sich am Kampf gegen den IS beteiligen. Gemeinsam müssten
etwa Geldströme ausgetrocknet werden.
4. BÜNDNIS MIT MUSLIMEN VOR ORT
Um zu zeigen, dass der IS nichts mit dem Islam zu tun hat, fordert von der Leyen ein Bündnis
mit den sunnitischen Stämmen im Irak und in Syrien.
5. INTERNATIONALE PERSPEKTIV-KONFERENZ
Auf einer internationalen Perspektivkonferenz Anfang Februar in London sollen Konzepte zur
Zukunft der vom IS betroffenen Länder entwickelt werden. Damit sollen auch Fluchtursachen
bekämpft werden.
6. TEUFELSKREIS DER ISLAMISTISCHEN GEWALT DURCHBRECHEN
Von der Leyen fordert von den geistigen Führern des Islams, dass diese sich deutlich gegen
den IS positionieren. Gleichzeitig müsse die Radikalisierung junger Muslime in unserer
Gesellschaft präventiv bekämpft werden.
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3.12.2015
Referendum zur Teilnahme
an Europol
Die Debatte zur EU bringt bemerkenswerte Allianzen hervor: Die regierenden Liberalen (Venstre) von
Ministerpräsident Lökke Rasmussen (links) und die oppositionellen
Sozialdemokraten stehen hinter der Vorlage.
Dänemark hat am Donnerstagvormittag die Stimmlokale für ein Referendum
geöffnet, in welchem die Bürger zum sogenannten EU-Rechtsvorbehalt Stellung
nehmen können. Die Fragestellung ist rechtstechnisch relativ kompliziert und für die
Bevölkerung nicht leicht zu durchschauen. Deshalb erhielt die Volksabstimmung im
Vorfeld durch die Kampagne der politischen Parteien auch den Anstrich einer
grundsätzlichen Meinungsäusserung zum dänischen Verhältnis gegenüber Brüssel.
Diese allgemeine Ebene, obwohl nicht explizit Gegenstand der Abstimmung, hat in
der öffentlichen Diskussion immer mehr Gewicht erhalten.
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4.12.2015
Dänemark stimmt gegen engere
Zusammenarbeit mit der EU
Kristian Thulesen Dahl von der dänischen Volkspartei feiert das Ergebnis des Referendums
Die Dänen haben sich in einem Referendum gegen eine engere Zusammenarbeit mit den
europäischen Sicherheits- und Polizeibehörden entschieden. Nach Auszählung fast aller
Wahlzettel stimmten rund 53 Prozent der Wähler gegen eine solche Zusammenarbeit, rund
47 Prozent stimmten dafür.
Der Ausgang des Referendums ist eine Niederlage für die dänische Regierung.
Regierungschef Lars Løkke Rasmussen von der konservativen Partei Venstre sagte, er
akzeptiere die Entscheidung der Dänen. Seiner Einschätzung nach ist das Ergebnis auf
eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung gegenüber der EU zurückzuführen.
Die Fragestellung des Referendums lautete, ob Dänemark bei den EU-Verträgen auf nationale Ausnahmen im Bereich der Justiz und der inneren Sicherheit verzichten soll. Ein solcher
Verzicht ist für die Mitgliedschaft bei der EU-Polizeibehörde Europol erforderlich. Mit dem
Ausgang des Referendums könnte Dänemark seine Europol-Mitgliedschaft verlieren.
Im kommenden Jahr wird Europol zu einer überstaatlichen Behörde unter der Kontrolle der
EU-Justiz- und Innenminister. Dieser Vorgang ist im Vertrag von Lissabon geregelt. Eine
Mitgliedschaft in der europäischen Polizeibehörde erfordert damit einen Verzicht auf
nationale Ausnahmen. Die konservative Regierungspartei Venstre und die oppositionellen
Sozialdemokraten hatten eine engere Zusammenarbeiten mit der EU unterstützt, um der
wachsende Gefahr des internationalen Terrorismus zu begegnen.
Die Dänische Volkspartei und andere Gegner des Vorhabens
argumentierten, durch eine engere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union werde auch die Einwanderung von Flüchtlingen nach
Dänemark zunehmen. Die rechtspopulistische Partei feierte das
Ergebnis des Referendums als Erfolg. "Das Ergebnis steht im
Kontrast zu der Idee, dass wir näher an den Kern der EU rücken und
mehr und mehr Souveränität abgeben sollen", sagte Parteivorsitzender Kristian Thulesen Dahl.
04.12.2015
Euroskeptiker im Vormarsch
Referendum in Dänemark bestätigt
Ausnahmen vom EU-Recht
Bei der Volksabstimmung in Dänemark vom Donnerstag zu Fragen des EU-Rechts haben
nach den Ergebnissen der Auszählung von rund zwei Dritteln der Stimmen die Euroskeptiker
den Sieg davongetragen. Das Referendum galt der Frage, ob Dänemark in den Bereichen, wo
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für das Land gegenwärtig Ausnahmen aus dem EU-Recht gelten, einen Mechanismus
einführen soll, der die Übernahme europäischer Normen ermöglicht. Die Regierung der
liberal-konservativen Partei Venstre, die diesen Schritt befürwortete, wollte damit erreichen,
dass Dänemark in der supranationalen Polizeibehörde Europol eingebunden bleiben kann.
Das Anliegen unterstützten auch grosse Parteien der Opposition wie etwa die Sozialdemokraten. Dagegen war als wichtigste Formation die rechtsnationale Dänische Volkspartei, die
sonst generell die Venstre-Minderheitsregierung stützt. Sie argumentierte im Vorfeld der
Abstimmung, jede Abtretung von Souveränität an Brüssel sei gefährlich; die Europol-Einbindung lasse sich auch über einen Separatvertrag regeln.
Diese Rhetorik scheint bei vielen dänischen Stimmbürgern verfangen zu haben. Eine Rolle
dürfte dabei die europäische Flüchtlingskrise gespielt haben. Die Immigrationspolitik ist
einer der Bereiche, wo Dänemark das nationale Recht behalten konnte. Die Dänen haben in
einem Referendum über EU-Regeln zur Polizeiarbeit mehrheitlich mit Nein votiert. Damit
könnte das Land die Mitgliedschaft bei Europol verlieren.
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Autoritäre Tendenzen in Polen
Kaczynskis Kampf gegen die Feinde
Die neue Regierung in Warschau arbeitet zielstrebig an der
Verwirklichung ihrer Vision einer neuen staatlichen Ordnung. Dabei
schert sie sich wenig um die Gewaltenteilung.
Jaroslaw Kaczynski
wittert überall Feinde, denen die Nation geschlossen entgegentreten müsse.
Mit einer sympathischen Spitzenkandidatin und einem moderaten Stil
hat die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Oktober die polnischen
Wahlen gewonnen. Wer dies von Anfang an für Augenwischerei hielt,
sieht sich bestätigt. In schockierender Weise und in atemberaubendem
Tempo demonstrieren die Partei und ihr Führer Jaroslaw Kaczynski ihre
Geringschätzung für den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung und die
Medienfreiheit.
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4.12.2015
Die Wutbürgerin auf der Regierungsbank
Großer Auftritt für die Organisatorin des Volksbegehrens, das einen
EU-Austritt erzwingen will – zuhören wollte sie aber nicht
Wien – Dort, wo sonst die Minister sitzen, saß am Donnerstag Inge Rauscher. Aber
nur kurz. Die erfahrene Aktivistin, die schon in vielen Bürgerinitiativen tätig war, ist
diesmal als Vertreterin des EU-Austritts-Volksbegehrens eingeladen, ihre Positionen
vor dem Verfassungsausschuss des Parlaments darzulegen – und wegen des
Umfangs des Themas hat man den Plenarsaal des Nationalrats als Ort gewählt.
Experten bereit, Anliegen zu zerpflücken
Auf den Abgeordnetensitzen: die Mitglieder des Verfassungsausschusses, dahinter
einige wenige Zuhörer – man hat den Saal schon voller gesehen. Auf der Regierungsbank: Staatssekretärin Sonja Steßl als Vertreterin der Bundesregierung sowie
die von den Parlamentariern bestellten Experten.
Und eben Inge Rauscher. Sie lässt das Besucherticket in ihrem weißen Plastiksackerl verschwinden und holt eine vorbereitete Erklärung heraus. Sie darf gleich zu
Beginn des Hearings sprechen, zehn Minuten Redezeit sind ihr zugestanden.
Vorwürfe gegen Abgeordnete
Ihre Wortmeldung nutzt sie, um die Parlamentarier ("die sich als Volksvertreter
bezeichnenden Abgeordneten") zu schmähen und gleichzeitig zu verlangen, dass
sie, die Wutbürgerin, eigentlich mehr Zeit brauche.
Weil die von ihr organisierten EU-Gegner ja das eigentliche Volk seien: "Diese
Sitzung soll der gesetzlich vorgeschriebenen Vorberatung der Plenardebatte des
gesamten Nationalrats über dieses Volksbegehren dienen, das trotz weitgehenden
Medienboykotts von 261.056 ÖsterreicherInnen unterzeichnet wurde. Jedes erfolgreiche Volksbegehren stellt die stärkstmögliche Unterstützung eines Gesetzesantrags in der jeweiligen Sache durch das Volk in direkter Willensbekundung dar, wie
ihn kein anderer Gesetzesbeschluss im Nationalrat geltend machen kann."
"Praktisch mundtot"
Die Erklärung, die sie im Sitzen vom Blatt liest, ist gespickt mit Anklagen gegen "die
massive Migrationswelle", die erst nach der Eintragungswoche des Volksbegehrens
eingesetzt hat, und gegen die parlamentarische Praxis, durch die "über eine Viertelmillion sehr bewusste Österreicher praktisch mundtot gemacht und entmündigt und
deren Vertreter zu Statisten degradiert" würden, weil die Behandlung des Volksbegehrens unnötig verschleppt würde.
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Vor allem aber geht es – wie schon in der Kampagne vor der Eintragungswoche im
Sommer – gegen die EU, die Rauscher eine "immer weniger europäische" Union und
eine "Wirtschafts-Nato" nennt.
Da will sie raus.
Blut- und Boden-Ökonomie
Da glaubt sie – unter Berufung auf eine im STANDARD publizierte Imas-Umfrage –
45 Prozent der Bevölkerung hinter sich zu haben. Da bricht es aus ihr heraus: "Bei
dieser zutiefst demokratischen Forderung geht es um nichts weniger als um die Wiedergewinnung der Substanz eines freien, selbstständigen und neutralen Österreichs
in seiner Gesamtheit. Es geht um die Wiedergewinnung der Identität Österreichs in
seinem inneren Zusammenhalt, um die Umkehr von der Rekord-Arbeits-losigkeit und
Rekord-Staatsverschuldung durch Wiederaufbau der volkswirtschaftlichen Basis
unseres Landes, nämlich der mittelständischen Wirtschaft und der Ernährungssouveränität durch unsere Bauern und damit auch um umwelt- und tiergerechtere
Produktionsweisen gegenüber jenen der die EU beherrschenden multinationalen
Großkonzerne; um die Abwehr des TTIP-Freihandelsabkommens der EU mit den
USA, das bei EU-Austritt eben für Österreich nicht gelten würde."
Aufbruch unter Protest
Aber darüber wolle man ja nicht ernsthaft mir ihr verhandeln, klagt Wutbürgerin
Rauscher – und verlässt unter Protest die Regierungsbank und den Plenarsaal.
Das überrascht auch Andreas Schieder – der SPÖ-Klubchef meldet sich zur Tagesordnung zu Wort, man berät kurz, ob man ohne die Proponentin des Volksbegehrens
überhaupt sinnvoll weiterverhandeln könne.
"Blanker Unsinn", sagt der Professor
Man kann, heißt es nach kurzer Debatte – schließlich sind fünf hochkarätige Experten geladen, die nun der Reihe nach zu Wort kommen. Stefan Griller von der WU
zum Beispiel. Er fasst die Argumente des EU-Austritts-Volksbegehrens in einem Satz
zusammen: „Alle angegebenen Gründe sind blanker Unsinn.“
Aber natürlich könne man aus der EU auch ohne sinnvolle Begründung austreten. Es
wäre halt zum Schaden Österreichs.
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Rupprechter sieht noch einige
Knackpunkte bei Klima-Gipfel
Die UNO-Klimakonferenz bei Paris ist "relativ holprig angelaufen". Diese Bilanz zog Umweltminister Andrä Rupprechter am Freitag in Wien. "Nicht Eckpunkt, sondern Startschuss" solle
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der Gipfel sein, sagte Rupprechter: für den Ausstieg aus der Kohle oder für die weitere
Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 sieht
in Paris indessen "zaghafte Fortschritte".
Was den Klima-Gipfel betrifft, so würde der gestern bekannt gewordene neue Entwurf für ein
globales Klimaschutzabkommen noch einige Knackpunkte offen lassen, die "ab Montag dann
im Highlevel-Segment verhandelt werden", kündigte der Umweltminister an. Dass der
COP21-Gipfel bis zum Ende der kommenden Woche ein Ergebnis bringen muss, ist evident,
denn "ohne Abkommen in Paris können die Folgen des Klimawandels bis Mitte des
Jahrhunderts auf bis zu 8,8 Milliarden Euro jährlich ansteigen." Was Österreichs Klimapolitik
betrifft, gibt es ein Zwei-Säulen-Modell, das sich aus der Bekämpfung der Ursachen und aus
Maßnahmen zur Klimawandelanpassung zusammensetzt.
Für Österreich gibt es mit der integrierten Klima- und Energiestrategie auch nach Paris ein
klares Ziel. Der ÖVP-Politiker Rupprechter wies auf den Plan hin, bis zum Jahr 2030 auf eine
100 Prozent erneuerbare Stromversorgung zu setzen, wie dies Bundeskanzler Werner
Faymann (SPÖ) in seiner Rede beim Klima-Gipfel am Montag angekündigt hat.
Rupprechter betonte aber, dass es neben den politischen Maßnahmen auch auf die Bürger
selbst ankommt, denn "jeder Einzelne kann täglich etwas tun", wenn man sich etwa für
regionale Lebensmittel und klimaschonende Elektrogeräte entscheiden würde. "Eine CO2arme Gesellschaft ist nicht rein technologisch machbar, sie muss auch in die Köpfe", erklärte
hier Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur.
Um bei der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels zu schaffen und
insbesondere für die Möglichkeiten, die ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen mit sich
bringt, hat Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt ein neues Internet-Tool präsentiert. Der
"Klima-Zielpfadrechner" ermöglicht es, unterschiedliche Energie-Angebots- und –verbrauchszenarien zu simulieren und deren Auswirkungen auf die klimaschädlichen Emissionen
darzustellen. "Die Ausrede, dass eine Reduktion der Treibhausgase um 80 Prozent bis 2050
nicht möglich ist, kann so einfach widerlegt werden", sagte Schneider.
Der wissenschaftliche Umgang mit dem Klimawandel wurde von Kromp-Kolb thematisiert,
indem sie mehrere Forschungsprojekte aus dem Programm "StartClim" vorstellte. "StartClim"
wurde 2003 vom Umweltministerium gegründet und setzt mit einem knappen Budget von
120.000 Euro jährlich fünf bis sechs Forschungsvorhaben um. Unter anderem wurden die
Auswirkungen des Aufgehen des Permafrosts in Österreich samt den Folgen wie vermehrter
Steinschlag und Muren untersucht, oder das klimabedingte Auftreten von parasitären
Krankheiten, das die Tierwelt in zunehmend höheren Regionen bedroht. Kromp-Kolb betonte,
dass "die Forschung in der angestrebten Transformation eine wesentliche Rolle hat."
Positive und negative Beispiele zur Lage der österreichischen Umwelt wurden zudem beim
Fortschrittsbericht vorgestellt, der die Grundlage für die Maßnahmen zur Klimawandelanpassung ist. Gesteigert wurde etwa die biologische Bewirtschaftung landwirtschaftlicher
Flächen seit dem Jahr 2000, ebenso konnte die Gewässerökologie verbessert werden.
Aufholbedarf gebe es jedoch bei der Raum- und der Bauordnung. "In Österreich ist vieles
unternommen worden, jedoch gibt es auf manchen Gebieten immer noch institutionelle
Barrieren", kommentierte Rupprechter den Status-Quo. "Trotz aller Bemühungen zur CO2Reduktion führt an der Klimawandelanpassung kein Weg vorbei", hielt der Umweltminister
fest.
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Die Umweltorganisationen Global 2000 spricht nach der ersten Woche der Klimakonferenz in
Paris von "zaghaften Fortschritten". "In allen wichtigen Fragen liegen die Lager noch weit
auseinander", fasste Klimasprecher Johannes Wahlmüller die bisherigen Ergebnisse
zusammen. Positiv sei jedoch die Ankündigung von Deutschland und Frankreich, sich für ein
1,5-Grad-Ziel einzusetzen.
Frankreich habe ebenso angekündigt, dass es einen Teil der geplanten Einnahmen der
Finanztransaktionssteuer für internationale Klimafinanzierung zur Verfügung stellen wird.
Die NGO forderte, Österreich solle mindestens 50 Prozent der Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer für die Aufstockung der Klimafinanzierung und der Mittel für die offizielle
Entwicklungszusammenarbeit zu verwenden. Die Einführung dieser Steuer steht am 8.
Dezember beim EU-Rat der Finanzminister auf der Tagesordnung
Mehr Bewegung brauche es beim Klima-Gipfel laut Global 2000 noch bei der Anerkennung
von Klimaschäden, langfristigen Finanzierungszielen und insgesamt mehr Ambition bei der
Definition der Klimaziele. Wahlmüller forderte zum Erreichen eines vernünftigen
Abkommens die Führungsrolle der entwickelten Industrienationen ein.
In Paris werden noch den ganzen Freitag lang Themen wie das langfristige Minderungsziel,
die rechtliche Verbindlichkeit, der Umgang mit Anpassung an Klimafolgen, finanzielle und
technische Unterstützung von Entwicklungsländern und die Frage, wie die nationalen Klimaschutzpläne vor 2020 und danach erhöht werden können, verhandelt. Am morgigen
Samstag soll es dann einen fertigen Vertragsentwurf geben
Zum Thema: www.leeb-oel.at
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII - 1 vom Dorfrichter Adam
>zum JUSTIZMINISTERIUM
Vorstellung an den Herrn Justizminister
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII - 2 vom Dorfrichter Adam
>zum LANDESGERICHT SALZBURG Vorstellung an den Herrn Präsidenten
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TTIP: Umstrittenes Freihandelsabkommen
Der österreichischer Holzkonzern Schweighofer will vor einem internationalen Schiedsgericht gegen ein Gesetz in Rumänien klagen. Das Fallbeispiel aus dem Osten zeigt, wie sich das EU/USA-Handelsabkommen TTIP
ganz konkret auswirken könnte.
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Wenn es um die abgelegenen Wälder Rumäniens geht, geraten Naturliebhaber gern ins
Schwärmen. Zum Beispiel der Wiener Fotograf Matthias Schickhofer, der gerade an einem
Buch über die letzten Urwälder Mitteleuropas arbeitet. Dort herrsche ein "anarchisches Chaos
von Werden und Vergehen“, sagt er: "Totes Holz stapelt sich. Spechte klopfen. Durch das
Kronendach dringt Zwielicht.“
In Rumänien hat sich erhalten, was im größten Teil Europas längst der Vergangenheit
angehört: Urwald. Ganze 11.000 Hektar sind bis heute vom Menschen völlig unberührt. Und
dabei handelt es sich lediglich um den inneren Kern eines großen, wilden Waldgebiets.
Das ist nicht nur schön anzuschauen, sondern bietet auch Schutz für Arten, die anderswo
verdrängt wurden, wie etwa Wölfe und Braunbären. Allein von Letzteren schätzt man die
Population in Rumänien auf 5000 Exemplare. Der komplette Alpenraum bringt es, zum
Vergleich, auf ungefähr 50 Braunbären.
Doch die rumänischen Wälder sind massiv gefährdet. Illegale Holzschläger setzen ihnen zu.
Seit der Wende ist in Rumänien illegal ungefähr so viel Wald abgeholzt worden, wie das
Burgenland Fläche hat, beklagen Umweltschützer.
Glaubt man lokalen Aktivisten, sind dafür auch österreichische Holzunternehmen verantwortlich. Sie sind die mächtigsten Player auf dem rumänischen Markt. Vor allem der Marktführer
steht in der Kritik. Das Wiener Unternehmen Schweighofer Holzindustrien soll, behaupten
Kritiker, seit Jahren kaum darauf achten, wo das Holz für seine vier Säge- und Holzwerke
herkommt. Schweighofer weist die Vorwürfe zurück.
Die Auswirkungen von TTIP
Doch es geht nicht nur um angeblich fragwürdige Praktiken österreichischer Unternehmen in
Osteuropa. Es geht auch um die Auswirkungen des geplanten EU/USA-Freihandelsabkommens TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership“).
Das Abkommen sieht vor, dass Konzerne künftig vor internationalen Schiedsgerichten gegen
Staaten klagen können, sollten sich die Unternehmen diskriminiert fühlen. Ein solches
Instrument steht österreichischen Unternehmen in Rumänien bereits heute zur Verfügung
(und in einer Vielzahl anderer Staaten), denn Rumänien und Österreich schlossen im Jahr
1996 ein zwischenstaatliches Investitionsschutzabkommen ab, welches diese Möglichkeit
vorsieht.
Schweighofer will sie nun nutzen. Das Unternehmen fühlt sich durch ein neues Forstgesetz in
Rumänien benachteiligt. Die sozialdemokratische Regierung des Landes - sie steht selbst
unter massivem Korruptionsverdacht - hat das Gesetz Ende Mai beschlossen. Es soll zu mehr
Waldschutz und einer verträglicheren Nutzung des Holzes führen, argumentiert die Regierung
Der Streit zwischen Schweighofer und dem rumänischen Staat zeigt, exemplarisch und quasi
als Vorgriff, wie sich TTIP auswirken könnte - abseits aller Kampagnen der Gegner und
Befürworter. Und der Fall Schweighofer führt hinein in einen erbitterten Kampf um eine der
letzten naturbelassenen Landschaften, der sieben Autostunden östlich von Wien stattfindet.
Die Geschichte beginnt im Jahr 2002, als Schweighofer in den rumänischen Holzmarkt
einsteigt, der bis dahin von Kleinbetrieben geprägt ist. Der Konzern ist sogleich überlegener
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Marktführer. Der geschäftstüchtige Alleineigentümer Gerald Schweighofer hat seine Firma
vom einstigen Familienbetrieb im Waldviertel in ein multinationales Unternehmen
verwandelt. Zu den Kunden in Österreich zählen heute etwa das Heizunternehmen Genol, der
Holzverarbeiter Drauholz und die Handelskette Spar. Im Jahr 2013 erzielt Schweighofer in
Rumänien einen Umsatz von ungefähr 700 Millionen Euro. Der Marktanteil bei Nadelhölzern
erreicht etwa 27 Prozent.
Das sei zu groß für den rumänischen Markt, lautet von Anfang an die Kritik. Schweighofer
holze selbst zwar keine Wälder ab, setze aber durch seine Marktmacht andere Firmen unter
Druck. Da das Unternehmen noch dazu gutes Geld für Holz bezahle, entstehe ein Anreiz,
möglichst viel abzuholzen. Und sei es illegal.
Kritik von Umweltaktivisten
Einer der schärfsten Kritiker heißt Gabriel Paun, Umweltaktivist der NGO
"Agent Green“. Paun filmte im November 2014 einen Lastwagen mit
angeblich illegalem Holz. Jeder Holztransport ist in Rumänien registriert,
dadurch kann man die Herkunft der Ladung per Telefon-Hotline
nachprüfen. Dort hieß es, dieser Transport sei illegal. Der Lastwagen rollt
später in Sebeș, Zentralrumänien, in ein Werksgelände von Schweighofer
ein.
Dazu bringt auch ein Gerichtsurteil, das profil vorliegt, Schweighofer mit
illegal geschlägertem Holz in Verbindung. Es richtet sich gegen einen staatlichen Forstmanager in der Stadt Sibiu im Jahr 2011.
Am schwersten wiegt schließlich ein weiteres Video vom heurigen April. US-amerikanische
Umweltschützer der Organisation "Environmental Investigation Agency“ geben sich darin mit
versteckter Kamera als Holzverkäufer aus, die einen Deal mit Schweighofer machen wollen.
Es sei "kein Problem“, mehr Holz zu kaufen, als das erlaubte Kontingent vorsieht, erklären
die Schweighofer-Mitarbeiter ihren vermeintlichen Geschäftspartnern. Fazit der Umweltschützer: Nicht nur "akzeptiert Schweighofer wissentlich und geplant illegal geschlägertes
Holz“. Mehr noch, das Unternehmen "animiert zu zusätzlichen Schlägerungen durch ein
Bonus-System“.
Aktivisten der US-Umwelt-NGO „Environmental Investigation Agency“
(EIA) geben sich im April als Holzverkäufer aus und sprechen mit
versteckter Kamera bei Schweighofer vor. Es sei „kein Problem“, mehr
Holz zu kaufen, als das erlaubte Kontigent vorsieht, erklären die Schweighofer-Mitarbeiter ihren vermeintlichen Geschäftspartnern.
Schweighofer weist alle Vorwürfe zurück. Das Video sei "stark zusammengeschnitten und
inhaltlich im falschen Kontext dargestellt“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber profil.
Auch das Bonus-System habe nicht etwa mit illegalen Schlägerungen zu tun, sondern
lediglich "mit bestmöglicher Erfüllung von Lieferantenverträgen“. Insgesamt kaufe
Schweighofer "nachweislich nur Holz aus einwandfreien Quellen“. Die betroffenen
Mitarbeiter sind trotzdem vorübergehend suspendiert, eine Prüfung der Vorwürfe erfolgt.
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Schweighofer weist alle erhobenen Vorwürfe streng zurück. Das EIA-Video sei „stark
zusammengeschnitten“, heißt es beispielsweise. Man kaufe „nur Holz aus einwandfreien
Quellen“. Hier nimmt Firmenchef Gerald Schweighofer persönlich Stellung.
Doch Schweighofer kämpft nicht nur gegen die Anschuldigungen von Aktivisten, sondern
auch an einer zweiten Front. Am 20. Mai brachte die rumänische Regierung nach langer
Debatte ein neues Forstgesetz durch das Parlament. Es soll, so der sozialdemokratische
Premierminister Victor Ponta, dazu führen, dass sich auch künftige Generationen noch an
Rumäniens Wäldern erfreuen
Das Gesetz schreibt Waldbesitzern beispielsweise strikte Management-Pläne vor - so weit
noch kein Politikum. Doch es gibt auch einen höchst umstrittenen Aspekt, der sich vor allem
gegen Schweighofer richtet: In Artikel 63, Paragraf 5, begrenzt Rumänien künftig den
Marktanteil großer Unternehmen auf dem rumänischen Holzmarkt. Pro Holzsorte darf eine
Firma nur noch 30 Prozent verarbeiten. Schweighofer steht derzeit bei rund 27 Prozent, aber
ein neues Sägewerk steht vor seiner Eröffnung.
Die vielen Vorwürfe, mit denen sich Schweighofer konfrontiert sieht, haben wohl zusätzlich
zur Einführung dieser 30-Prozent-Klausel beigetragen. Doch der Gedanke dahinter ist ein
größerer: Rumäniens Regierung will die Macht großer Unternehmen in der Branche
beschränken. Dann können sie, so die Hoffnung, ihren kleinen Mitbewerbern nicht mehr
Bedingungen diktieren, was illegale Schlägerungen reduzieren helfen könnte.
Ob dieser Plan aufgeht, ist in Rumänien umstritten. Die staatliche Wettbewerbsbehörde und
der liberale Staatspräsident Klaus Johannis etwa sehen darin einen unrechtmäßigen Eingriff in
den freien Markt und halten die aktuelle Gesetzeslage für ausreichend. Umweltschützer
hingegen bewerten die Maßnahme eher positiv. Magor Csibi beispielsweise, Direktor des
WWF Rumänien, befürwortet, dass "Monopole eingeschränkt“ werden: "Für eine nachhaltige
Zukunft des Waldes müssen wir dafür sorgen, dass in erster Linie lokale Marktteilnehmer von
seiner Bewirtschaftung profitieren. Dann werden sie auch Interesse daran haben, den Wald
langfristig zu schützen.“
Schweighofer jedenfalls mobilisiert mit allen Mitteln gegen die Gesetzesänderung. Und hier
kommt TTIP ins Spiel. Oder besser gesagt: die Art, wie sich das Handelsabkommen nach
Inkrafttreten auch in Österreich und Resteuropa auswirken könnte.
Drohgebärden
Im September 2014 und Mai 2015 schickte Gerald Schweighofer zwei Briefe an Premier
Victor Ponta. Darin legte er mit durchaus drastischen Worten die Konsequenzen für den Fall
dar, dass das Gesetz in Kraft treten sollten. Nicht nur könnte sein Unternehmen abwandern,
wodurch 2600 Arbeitsplätze verloren gingen. Schweighofer kündigte auch an, Rumänien vor
dem "Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten“ (ICSID) in
Washington zu klagen. Denn die 30-Prozent-Klausel, so der Unternehmer, "verletzt definitiv
das zwischenstaatliche Investitionsschutzabkommen zwischen Österreich und Rumänien“.
Das ICSID ist ein halböffentliches Schiedsgericht, das zur Weltbank gehört, zuständig für
Streitigkeiten zwischen Regierungen und Unternehmen. Die Verfahren sind teuer, die
Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, nicht einmal die Urteile müssen publiziert werden. Die
Befürworter solcher Schiedsgerichte argumentieren, dass sie Unternehmen vor willkürlichen
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Regierungsmaßnahmen schützen, etwa Enteignungen. Die Gegner warnen vor zu viel
Konzernmacht und der Aushebelung nationaler Justizapparate - und davor, dass schon die
Drohung mit dem Gang vor ein Schiedsgericht als starke Waffe gegen einen Staat eingesetzt
werden könne.
Zumindest diese Befürchtung bestätigt der Fall Schweighofer. Mit Verweis auf das ICSID
macht nicht nur der Firmenchef Druck beim Premier - auch die österreichische Botschaft in
Rumänien interveniert. Im September 2014 schreibt Botschafter Gerhard Reiweger an
Rumäniens damaligen Umweltminister Attila Korodi. Das geplante Gesetz beeinträchtige die
Investitionen Schweighofers in Rumänien, heißt es in dem Brief. Er hoffe, so der Botschafter,
man werde eine für alle Seiten günstige Lösung finden.
Die Firma Schweighofer selbst hat die angekündigte Klage beim ICSID bislang nicht
eingebracht. Man warte noch ab, "da erst die Ausführungs- und Umsetzungsbestimmungen
des Gesetzes von den zuständigen Behörden ausgearbeitet werden“, so das Unternehmen in
einer Stellungnahme gegenüber profil.
Komplexe Causa
Der Fall Schweighofer ist ein Schulbuchbeispiel, was internationale Schiedsgerichte betrifft.
Und er zeigt, wie komplex das Thema ist. Es geht in dieser Causa um eine Gesetzesänderung,
die in den Augen vieler Umweltschützer durchaus wünschenswert ist. Zugleich jedoch ist das
Unternehmen Schweighofer - bei allen schweren Vorwürfen seitens der Umweltaktivisten tatsächlich mit einem unerwarteten Schritt der rumänischen Politik konfrontiert, der seine
Zukunft in Rumänien gefährdet.
Der Gang vor ein Schiedsgericht, den Schweighofer nun antreten will, ist einer, den Jahr für
Jahr mehr Unternehmen beschreiten. Die Zahlen zeigen eine enorme Zunahme einschlägiger
Klagen. Beim ICSID zum Beispiel, vor das auch Schweighofer ziehen will, wurden im Jahr
1996 noch 38 Fälle behandelt. Ende 2011 waren es schon 450.
Zwar gewinnen vor derartigen Gerichten angeblich Staaten häufiger als Unternehmen - genau
lässt sich das jedoch nicht beziffern, weil die Entscheidungen nicht öffentlich sind. Doch mit
der Möglichkeit einer Klage verfügen die Unternehmen definitiv über ein mächtiges
Instrument. Wenn man aus dem Fall Schweighofer eine Lehre ziehen will, könnte es diese
sein: Investor-Staat-Klagen müssen - wenn es sie schon gibt - höchst transparent und ihre
Einsatzgebiete strengstens definiert sein. Nur dann können sie sinnvolle Gesetzesvorhaben
nicht behindern.
Ob eher Schweighofer oder der rumänische Staat gewinnen wird, sollte es tatsächlich zu
einem Verfahren kommen, wagen Juristen auf profil-Anfrage nicht einzuschätzen. Aber
vielleicht wird man es bald wissen. Denn die rumänische Politik scheint dem Ansinnen des
österreichischen Unternehmens nicht nachzukommen.
---------------------------6.12.2015
Russland droht der Ruin und dieses Land ist schuld daran:
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Lange hat er sich drohend angekündigt - jetzt steht Russland tatsächlich kurz vor
dem Bankrott. Schuld daran ist der stetig fallende Ölpreis. Über den können
sich Verbraucher zwar freuen, Förderländer aber bringt er in eine äußerst
gefährliche wirtschaftliche Lage.
Die Bedrohung ist so akut wie noch nie. "Sollte der Ölpreis weiter nachgeben und über
längere Zeit auf einem niedrigen Niveau bleiben, so steigt das Risiko fiskalischer und
finanzieller Destabilisierung signifikant", sagte Sergej Narkewitsch, Analyst bei der PAO
Promsvyazbank in Moskau, der “Welt”. Dazu kommt die hohe Inflation. Die "Zeit" zitierte
bereits im Sommer die Wirtschaftsuniversität Moskau, derzufolge jeder vierten der 83
russischen Regionen der Bankrott drohe.
Russlands Wirtschaft ist vom Erdöl abhängig. Das Land zählt zu den größten
Energieproduzenten der Welt, 5,5 Prozent der weltweiten Reserven an Erdöl entfallen auf
Russland. Im Jahr 2013 machte der Export von Rohöl und Ölprodukten gigantische 54
Prozent der gesamten russischen Exporte aus. Die Preise anderer Exportgüter wie die von
Industriemetallen hängen ebenfalls am Ölpreis.
Russland gehen deswegen nun die finanziellen Reserven aus. Als Reaktion auf die
wegbrechenden Einnahmen aus dem Ölgeschäft hat Putin in den vergangenen Jahren schon
massiv Kosten im Land eingespart. Schon sehr bald aber wird es nichts mehr geben, das
eingespart werden kann.
Schuld an dem aktuellen Absturz des Preises für Erdöl ist die Organisation Erdöl
exportierender Länder (Opec). Wider Erwarten konnte sich die Organisation am Freitag
nicht auf eine Förderquote einigen. Die Entscheidung sei auf kommendes Jahr verschoben
worden, sagte Opec-Generalsekretär Abdalla Salem El-Badri in Wien. Die Folge: Wegen der
unklaren Lage sank der Preis für Benzin, Diesel und Heizöl erneut. Die am meisten
verbreitete Sorte WTI kostete am Freitag noch einmal 2,6 Prozent weniger, nämlich 40,22
Dollar pro Barrel.
Die Förderquote gibt an, wie viel Erdöl die zwölf Mitglieder des Ölkartells pro Tag aus
dem Erdreich entnehmen sollen. Bei vergangenen Treffen hatte sich die Opec auf 30
Millionen Barrel pro Tag als Förderziel geeinigt. Zuletzt hatte das Ölkartell jedoch um die 32
Millionen Fass pro Tag gefördert und damit maßgeblich zu einem erheblichen Überangebot
beigetragen. Solange die Förderquote also nicht niedriger wird, steigt auch der Ölpreis nicht
wieder.
Dass es zu keiner Einigung innerhalb der Opec kommt, liegt vor allem an einem Land:
Saudi-Arabien. Die Saudis haben die stärkste Stimme in dem Kartell. Ohne das Einverständnis der mächtigen Öl-Scheichs des Landes kann es also keine Einigung auf eine
Förderquote geben - auf die speziell Russland so dringend angewiesen wäre.
Obwohl Saudi-Arabien so viel Macht in der Opec hat, steckt es ebenfalls in einer
schwierigen Lage. Denn: Auch die Scheichs können sich ein derart niedriges Preisniveau für
ihren Handel eigentlich nicht leisten. Auch sie haben ein Interesse daran, dass dem Absturz
ein Ende bereitet wird.
Warum sie trotzdem verhindern, dass der Ölpreis steigt, hat mehrere Gründe:
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1. Saudi-Arabien möchte seinen politischen Einfluss nicht verlieren. Den hat es in den
vergangenen Jahren massiv ausgebaut - dank der großen Ölvorkommen in dem Land. Diese
Machtposition verschafft ihnen in diplomatischer Hinsicht in allen diplomatischen Fragen
große Vorteile. Schließlich ist gerade der Westen wirtschaftlich von Saudi-Arabien abhängig.
Das Land will mit allen Mitteln Marktführer bleiben. Das bedeutet, dass die Position
insbesondere gegenüber den USA verteidigt werden muss. Niedrige Ölpreise schaden den
USA, denn dadurch sind viele Produktionsstätten nicht mehr rentabel und müssen geschlossen
werden.
2. Saudi-Arabien will verhindern, dass der Iran an den internationalen Öl-Markt
zurückkehrt. Schließlich ist der ein weiterer potentiell mächtiger Konkurrent auf dem Markt und vor allem traditioneller politischer Gegner in
der Region. Lenken die Saudis nicht ein, wird der Iran den wirtschaftlichen
Aufschwung unmöglich schaffen. Neben Russland ist kein Land so sehr auf
einen steigenden Ölpreis angewiesen.
3. Die Scheichs wollen ihren Kunden weiterhin großzügige Rabatte geben
können. Um ihren hohen Marktanteil halten zu können, haben sie
Großkunden im vergangenen Jahr mehrmals Rabatte gegeben - einer der
Ursachen für den rasanten Abfall des Ölpreises.
4. Die miserable Lage Russlands dürfte den Saudis zupasskommen. Denn das
Verhältnis beider Länder ist angespannt. Saudi-Arabien hatte bereits 2011
gefordert, Syriens Diktator Baschar al-Assad müsse abtreten. Russland dagegen
hatte entsprechende Resolutionen im UN-Sicherheitsrat verhindert und hat sich
in den vergangenen Monaten demonstrativ hinter Assad gestellt. Außerdem wird
Assad vom Iran gestützt - also von der Regionalmacht, die die Saudis möglichst
klein halten wollen.
Die Opec liefert rund ein Drittel des weltweiten Rohöls. Das Kartell besitzt
sogar drei Viertel der bekannten Reserven. Es wurde 1960 in Bagdad von
Saudi-Arabien, dem Iran, dem Irak, Kuwait und Venezuela gegründet. Ziel
war es, die Ölquellen selbst zu kontrollieren, statt es den Ölkonzernen zu
überlassen, und mit Förderabsprachen auch den Ölpreis zu beeinflussen,
um sich stabile Gewinne zu sichern. Das Ölkartell hatte zuletzt 12
Mitgliedsländer, Indonesien wurde nun als 13. Mitglied aufgenommen. Das
Land war bereits von 1962 bis 2009 in der Opec aktiv und liefert etwa
800.000 Barrel pro Tag.
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Frankreich:Der
angekündigte Aufstieg der Marine Le Pen
Die Terroranschläge reichen nicht aus, um Le Pens Erfolg zu erklären. Ihr Sieg bei den
Präsidentenwahlen ist nun wahrscheinlicher – der wäre katastrophal für Europa.
Es liegt nahe, den Sieg des rechtsextremen Front National (FN) bei den französischen
Regionalwahlen mit den Pariser Attentaten zu erklären. Tatsächlich zeigten Wählerbefragungen nach dem Wahlgang, dass viele Franzosen der Partei bei Themen wie
Terrorismusbe-kämpfung und innerer Sicherheit besonders viel Vertrauen schenken. Und
doch reichen die Pariser Attentate nicht als Erklärung für den Sieg der Rechtsextremen.
Das Wahlergebnis hat alle Chancen, in die Geschichte einzugehen als letzter und erneut
missverstandener Warnschuss der französischen Wähler vor der eigentlichen, sich seit
Jahren immer stärker abzeichnenden Katastrophe. Nämlich einem Wahlsieg Marine Le Pens
bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2017. Selbst ein sehr gutes Abschneiden der FNChefin ohne Sieg würde die französische Politik ganz neuen Zwängen unterwerfen. Diese
Katastrophe ist heute wahrscheinlicher als je zuvor.
Zumal sich die Wahlergebnisse mit etwas Abstand zu den jüngsten Ereignissen nur als
Fortsetzung eines mehrjährigen, immer steiler werdenden Trends lesen lassen. Im Jahr 2011
hat Marine Le Pen effektiv die Führung des FN übernommen. Als sie bei den Präsidentschaftswahlen 2012 erstmals als nationale Führungsfigur auftrat, entschied sich im ersten
Wahlgang noch knapp jeder fünfte Wähler für sie. Sie landete bei 18 Prozent. Bei den
Europawahlen 2014 war es dann jeder vierte Wähler. Sie landete bei 25 Prozent. Heute
schenkt ihr jeder dritte französische Wähler seine Stimme. Sie liegt nun fast bei 30 Prozent
landesweit.
Schafft sie das auch 2017?
Ihr Fazit zur Wahl, dass der Front National "unbestreitbar" die stärkste Partei Frankreichs sei,
lässt sich deshalb schlecht widerlegen. Auch wird man bereits beim zweiten Wahlgang der
Regionalwahlen in einer Woche bemerken können, dass das französische
Mehrheitswahlrecht in zwei Wahlgängen der stärksten Partei auch dann noch einen Bonus
verschafft, wenn diese Partei rechtsextrem ist. Will heißen: Nächsten Sonntag wird Le Pen
aller Voraussicht nach erstmals bei über 50 Prozent der Stimmen liegen, jedenfalls in ihrer
Region. Ab dann aber wird nur noch eine Frage die französische Politik bis zu den
Präsidentschaftswahlen dominieren: Schafft sie das auch 2017?
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Die Voraussetzungen, um ihren Aufstieg zu stoppen, sind nicht gut. Die alten Links- und
Rechtsparteien sind sowohl untereinander als auch zwischen den Lagern tief zerstritten. Auf
der Rechten bekriegen sich die Republikaner unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy mit den
Zentristen. Auf der Linken die regierenden Sozialisten mit Grünen, Linksfront und
Kommunisten. Nur vereint könne eines der beiden Lager den FN im ersten Wahlgang noch
schlagen. Doch wer eint sie? Und wer eint dann erst Rechte und Linke im zweiten
Wahlgang? Sicher nicht Sarkozy, der bereits gestern Abend jegliche Wahlabsprache mit der
Linken ausschloss. Und wohl auch nicht Präsident François Hollande, dessen recht gute
Reaktion auf die Attentate seiner Partei an der Urne kaum geholfen hat.
Tatsächlich gibt es derzeit keinerlei Anzeichen, dass der Wahltrend für den FN seit 2012
abbricht – auch dann nicht, wenn er in Folge der Attentate noch gestärkt wurde. Nimmt man
das Wahlergebnis vom 6. Dezember deshalb ernst, müssten nicht nur in den Pariser Parteiund Regierungszentralen die Alarmglocken klingen, sondern in ganz Europa.
"Das französische Volk kann stolz auf sich sein!" verkündete die
Wahlsie-gerin Le Pen am Sonntagabend, mit ihrer Partei werde
Frankreich wieder den Weg zu alter Größe finden. Es war eine
eigentlich nicht überhörbare Ankündigung zum Ausstieg aus der
Europäischen Union. Und dennoch fragte man sich, wer wirklich
zuhörte und das Ausmaß der Bedrohung begriff.
-----------------------------10. 12. 2015
Warum den Deutschen der
Brexit eher egal ist
Froh wären die Deutschen nicht über einen Ausstieg der Briten aus
der EU, verkraften könnten sie ihn schon. Das spiegelt das
ambivalente Verhältnis wider, das beide Völker zueinander pflegen.
Das Erinnerungswürdigste an John Major, vormals britischer Premier, ist wohl, dass er wenig
geleistet hat, an das sich die Erinnerung lohnen würde. Als er 2014 nach Deutschland kam,
glaubte Major, er habe eine explosive Nachricht im Gepäck. Die Gefahr eines Ausstiegs der
Briten aus der EU (Brexit) sei echt, drohte er. Und die Deutschen sollten sie besser ernst
nehmen. Doch die Warnungen des Herrn Major verpufften, kaum ein deutsches Medium
berichtete.
Wenn es nach ihm ginge, hätte Großbritannien die EU
lieber gestern als heute verlassen: der britische Ukip-Politiker Nigel Farage
Vielleicht war das Timing das Problem, schließlich entscheiden die Briten erst 2017 in einem
Referendum über den Austritt. Bis dahin werden noch unzählige Umfragen das eine oder
andere Lager vorn sehen, wird David Cameron noch versuchen, der EU allerlei
Zugeständnisse abzutrotzen. Der britische Erpressungsversuch, und als solchen nehmen es
25
viele EU-Regierungschefs wahr, kommt zudem zu einer Zeit, in der die Flüchtlingskrise und
eine hitzige Debatte über Sicherheitspolitik und Terrorabwehr die Agenda bestimmen.
Dabei stellt Großbritannien beileibe kein Leichtgewicht in der Europäischen Union dar, oh
nein! Das Vereinigte Königreich ist immerhin die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der EU mit
der drittgrößten Bevölkerung. In den vier Jahrzehnten seiner Mitgliedschaft hat London
beständig mehr eingezahlt als herausbekommen. Das britische Militär und der britische
Geheimdienst sind noch immer Weltklasse, so wie es einer ehemaligen Supermacht gebührt.
In vielen Wirtschaftsfragen gar stehen die Deutschen den marktliberalen Briten um einiges
näher als den interventionsaffinen Franzosen.
Die Aussicht also, einen der wenigen Verbündeten zu verlieren, der die EU gleichermaßen
finanziell über Wasser hält und zudem reformieren will, sollte Deutschland in Schrecken
versetzen. Warum nur wirken die Deutschen kein bisschen besorgt? Bedeuten die Briten den
Deutschen am Ende gar nichts?
Das sind Camerons Forderungen an die EU
"Deutschland ist durchdrungen von einem schrecklich probritischen Gefühl", sagte Neil
MacGregor, Direktor des British Museum und baldiger Chef des Humboldtforums. Und es
stimmt ja: Wir mögen Großbritannien. Aber unser Blick auf die Insel ist ein wenig verzerrt
und nicht ganz frei von Vorurteilen: Bowler-Hüte, Fünf-Uhr-Tee und ein exzentrischer Sinn
für Humor, gepaart mit einem rücksichtsloseren Verständnis von Kapitalismus als dem
unseren.
Wir lachen sogar über den "Fawlty Towers"-Sketch, in dem der britische Hotelbesitzer seine
Angestellten anweist, vor deutschen Gästen den Krieg nicht zu erwähnen. Dass die Briten
tatsächlich fast immer den Krieg erwähnen, wenn sie Deutsche treffen, ist in Ordnung für
uns. Wir wissen, was wir getan haben – und wir sind den Briten dankbar dafür, dass sie uns
geholfen haben, unser Land wieder aufzubauen und in eine blühende Demokratie zu
verwandeln.
Die Geschichte unserer Länder ist eng verbunden, es interessiert uns immer, wie die Briten
über uns denken. Wenn die Queen in Berlin zu Besuch ist und Bundespräsident Joachim
Gauck ihr das Bild eines blauen Pferds schenkt, beschämt es ihn, wenn das Geschenk
sichtlich missfällt. "Unser Fehler", schien sein Gesicht zu sagen.
Es ist wahr, uns liegt an Großbritannien. Aber wenn es um die EU geht, sind wir weniger
nachsichtig. Rein oder raus? Die Frage ist nicht gerade neu, von Anfang an war das Verhältnis der Briten zu Europa ein kompliziertes. Als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG) in den 50er-Jahren gegründet wurde, wollten die Britten nicht mitmachen.
Dann, in den 60er-Jahren, hoben sie die Efta aus der Taufe, eine Freihandelsgemeinschaft
außerhalb der EWG. Selbst nachdem sie in den 70er-Jahren beigetreten waren, handelten
sie alle möglichen Ausstiegsklauseln und Ausnahmen aus und widersetzten sich der "immer
engeren" politischen Union. Das wohl deutlichste Signal: Sie entschieden sich gegen den
Euro und behielten das Pfund.
London schaute anfangs nur zu
Es hätte gar nie so weit kommen müssen, dass die Briten nun über einen Ausstieg
nachdenken. Hätte London sich nur früher in die Ausgestaltung des Projekts eingeschaltet!
Es war immerhin Winston Churchill, der im Jahr 1946 die Bildung der Vereinigten Staaten
von Europa forderte. Doch in derselben Rede stellte er auch klar, dass dieser Staatenbund
auf der Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich gründen müsse, und dass Großbritannien nur als "Freund und Förderer" aufträte.
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Churchills Zögern, das Vereinigte Königreich im Herzen Europas zu verorten, bestimmte die
britische Haltung über Jahrzehnte. Als Siegermacht des Zweiten Weltkriegs glaubte Großbritannien, seine Wirtschaft sei stark genug für einen Alleingang.
Die Handelsbeziehungen mit dem Commonwealth und seinen entlegenen Kolonien schienen
mehr zu versprechen als das Zusammengehen mit Kontinentaleuropa. Statt dabei zu helfen,
Institutionen mehr nach ihren Vorstellungen zu gestalten, standen sie abseits und schauten
zu, wie Brüssel wuchs.
Als Großbritannien schließlich 1973 der EU beitrat, war es zu spät, sie zu anglisieren. Die
Strukturen waren da schon rein französisch-deutsch und, ehrlich gesagt, eher französisch
als deutsch. Bis heute ist die politische Kultur Brüssels – all diese seltsamen Generaldirektionen, die mit Hunderten anonymen Beamten besetzt sind – für die meisten Deutschen
ebenso fremd wie für die Briten.
Kein Wunder, dass die britische und die deutsche Haltung gegenüber der EU nicht so weit
auseinanderliegen. Eine wachsende Zahl von Deutschen würde es vorziehen, politische
Schlüsselfragen wie zum Beispiel das Arbeitsrecht würden nicht von Brüssel, sondern von
ihren nationalen Parlamenten geregelt. Vor allem konservative Deutsche würden lieber die
Ausgaben der EU kürzen und die Euro-Zone auf einige nordeuropäische Volkswirtschaften
beschränken.
Doch im Unterschied zu den Briten liebäugeln die Deutschen keineswegs mit einem Austritt
aus der Union. Schließlich ist Europa eine Schlüsselkomponente der deutschen NachkriegsIdentität. Mehr als 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollen wir lieber wohlig
eingebettet sein in einer Union, die größer ist als wir. Wir fänden es nicht gut, da draußen auf
uns allein gestellt zu sein.
Premier David Cameron: hat den Briten ein Referendum versprochen, damit sie selbst über den Verbleib in der EU
ent-scheiden können: Der Begriff "special relationship" beschreibt üblicherweise das
enge Band zwischen Großbritannien und den USA. Doch auch die Deutschen haben ein
Sonderverhältnis zu den Briten, es reicht zurück bis zu den Angeln und Sachsen, die
Britannien nach dem Fall des Römischen Imperiums überfielen. Deutsche und Briten mögen
einander, besagt ein deutsches Sprichwort, aber eben nie zur gleichen Zeit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten die Briten neidvoll, wie die deutsche Wirtschaft
erblühte und ihre eigene Industrie verkümmerte, gelähmt von Arbeitskämpfen und chronischer Investitionsmüdigkeit. Großbritannien bekam schließlich die Kurve, als Margaret
Thatcher Premierministerin wurde. Sie pulverisierte die Gewerkschaften, deregulierte die
Finanzmärkte und privatisierte staatliche Institutionen. Vor allem aber traute Thatcher den
Deutschen nicht.
Als Bundeskanzler Helmut Kohl sie in seine rheinland-pfälzische Heimat einlud, servierte er
ihr einen traditionellen Saumagen. Thatcher hasste Saumagen, was sie mit den meisten
Deutschen gemein hatte. Was diese der eisernen Britin jedoch wirklich übel nahmen, war der
Sonderrabatt für London, den Thatcher Kohl abschwatzte. Schließlich hatten die deutschen
Steuerzahler immer brav in die EU-Kasse einbezahlt, ohne sich jemals öffentlich darüber zu
beschweren. Dass die Briten sich nun so knausrig zeigten, empfand man in Deutschland als
egoistisch.
Auf Cool Britannia folgt Cool Germania
Darauf folgten die 90er-Jahre, in denen Tony Blair und Blur für frischen Wind auf der Insel
sorgten. Blairs Dritter Weg, ein Kompromiss zwischen freien Märkten und sozialer Gerechtigkeit, inspirierte auch Bundeskanzler Gerhard Schröders Sozialdemokraten. Den Ruf Cool
27
Britannias freilich büßte Blair empfindlich ein, als er sich pudelgleich entschloss, George W.
Bush in den Irakkrieg zu folgen. Spätestens als die Finanzkrise 2008 zuschlug und sich
zeigte, dass Blair daran gescheitert war, die habgierige Londoner City zu zügeln, distanzierten sich die Deutschen wieder von Großbritannien.
Interessanterweise sind es nun die Briten, die sich wieder verstärkt für Deutschland interessieren. Angefangen bei der Bundesliga mit ihren im Vergleich zu Großbritannien erschwinglichen Ticketpreisen bis hin zu zeitgenössischen deutschen Künstlern wie Anselm
Kiefer, Sigmar Polke und Gerhard Richter, die zuletzt alle in Großbritannien ausstellten. Cool
Germania.
-------------------------------11.12.2015
SVP nimmt Burkhalter in den Schwitzkasten
Die Schweizer Rechts – Partei will sich nur mässigen, wenn die FDP spurt !
Tag eins nach der Bundesratswahl: Kaum hat die SVP mit Guy Parmelin ihren zweiten Bundesratssitz ergattert, nimmt Fraktionschef Adrian
Amstutz FDP-Aussenminister Didier Burkhalter ins Visier: «Ich erwarte,
dass die vier bürgerlichen Bundesräte jetzt eine bürgerliche Politik machen.
Ist dies der Fall, wird die SVP weniger Initiativen und Referenden lancieren müssen.»
Ändere sich jedoch nichts an der bundesrätlichen Politik, sei für alle ersichtlich, «dass einer
der bürgerlichen Bundesräte mit den Linken stimmt». Dies habe bislang unter dem Deckel
gehalten werden können, so Amstutz. «Das ist nun vorbei.» Der SVP-Fraktionschef meint
damit: Fällte eine Mitte-links-Mehrheit aus SP, CVP und BDP im Bundesrat umstrittene
Entscheide, war es bislang egal, ob auch Burkhalter diese Mehrheit stützte. Seine Stimme war
nicht die Entscheidende. Das ändert sich nun: Der Freisinnige wird zum Zünglein an der
Wage. Stimmt er künftig bei gewissen Fragen mit Mitte-links, wird er zum Sündenbock der
SVP.
Amstutz ist aber zuversichtlich, dass es im Bundesrat vermehrt zu Kompromissen rechts der
Mitte kommt.
Dies glaubt auch der Zürcher Nationalrat Alfred Heer – und kündigt an: «Wir werden weniger
ausserparlamentarische Opposition machen.» Auch Ratskollege Jean-François Rime hofft,
dass eine Legislatur ähnlich jener von 2003 bis 2007 folgt. Damals gaben FDP und SVP mit
Hans-Rudolf Merz und Christoph Blocher den Ton im Bundesrat an.
Sind die Ankündigungen aus der SVP ernst gemeint, könnte die Hoffnung von CVP und FDP
in Erfüllung gehen. Dass nämlich die Blocher-Partei durch die volle Einbindung in die
Regierung kompromissfähiger wird – und in einigen Themen die Totalopposition aufgibt.
Ob dies freilich geschieht, ist sehr fraglich. Skeptisch sind die SVP-Ständeräte Hannes
Germann und Alex Kuprecht. Letzterer sagt: «Die SVP wird ihren Kurs in den Kernanliegen
beibehalten – und keine Rücksicht auf den Bundesrat nehmen.» Die Partei fühle sich in erster
Linie ihren Wählern verpflichtet, so Kuprecht.
Unklar ist auch, wie gross der Rückhalt Parmelins in der SVP-Rennleitung ist.
Wunschkandidat war der Waadtländer nicht. SVP-Nationalräte sagen, Bundesrat Parmelin sei ein Betriebsunfall. Parteichef Toni Brunner habe Aeschi favorisiert. Er habe
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sich aber verspekuliert, weil er nicht damit gerechnet habe, dass ein dritter Romand in
die Regierung gewählt würde. Ein anderer SVPler hat wenig Hoffnung, dass die SVPSpitze ihren neuen Bundesrat stützt: «Ich befürchte, Parmelin wird ein neuer Samuel
Schmid.»
------------------------10.12. 2015
Abgasskandal bei VW -
Volkswagen braucht Zerstörung
Der neue VW-Chef Müller kündigt in Wolfsburg eine Revolution an.
Ob er damit durchkommt?
Seit vielen Wochen beschäftigt die Aufarbeitung des VW-Skandals nun das Land, alle
Argumente sind ausgetauscht. Ja, der gigantische Dieselbetrug des deutschen
Traditionskonzerns hat gegen Recht und Gesetz verstoßen und viel Schaden angerichtet, die
Schuldigen müssen gefunden und bestraft werden; ein Heer von internen und externen
Ermittlern ist dazu am Werk. Selbst wenn der Großbetrug das Werk einer
kleinen Ingenieursclique gewesen sein sollte (was man bis heute nicht sicher
weiß), so wurde er dennoch begünstigt durch schlechte Unternehmensführung und halbdiktatorische Managementstrukturen. Das alles muss
geändert werden, und am besten geschähe das mit frischem, unverbrauchtem Personal.
Der Konzern hat sich aber für einen anderen Weg entschieden und Menschen mit der
Neuorganisation betraut, die über Jahrzehnte in dem jetzt desavouierten System mitgelaufen
sind. Das ist zu Recht kritisiert worden, aber nun muss es auch mal gut sein. Meistens geht
eine Erneuerung dieser Art zwar schief, aber es kann ja auch mal anders kommen. Dass es
anders, also besser, kommen könnte, dazu hat immerhin der erste große Auftritt des neuen
Konzernchefs ein wenig Hoffnung gegeben.
Ehre, wem Ehre gebührt: Matthias Müller hat die richtigen Worte gefunden; nicht einmal das
war bisher selbstverständlich bei VW. Spannender als das Versprechen bedingungsloser
Aufklärung (was auch sonst?) ist etwas anderes: wie der Chef die Krise instrumentalisiert.
"Wir nutzen sie als Katalysator für den Wandel, den Volkswagen braucht", hat er am
Donnerstag gesagt, "der Wandel, den wir anstreben, ist umfassend." Neben besseren
Testprozessen - hier fand der Betrug statt - will Müller den Konzern dezentral organisieren.
Marken und Regionen sollen mehr Spielraum erhalten, die Zentrale in Wolfsburg soll sich auf
das konzentrieren, was der Job von Zentralen ist: Strategie, Steuerung, Kostenmanagement.
Eigentlich selbstverständlich, aber bei VW seit Jahrzehnten gering geschätzt. Lieber wurde
durchregiert bis zur letzten Schraube.
Was der neue Chef sagt, wäre anderswo nicht originell
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Und noch ein Müller-Zitat: "Wir brauchen ein Stück mehr Silicon Valley."
Darunter kann man spezifische Aufgaben verstehen, zum Beispiel die Vernetzung des Autos
mit dem Datenuniversum (auch wichtig). Aber darüber hinaus einen Kulturwandel
in der Organisation. Volkswagen braucht Kreativität, Spontaneität,
Zerstörung. Für sich genommen ist es nicht sonderlich originell, was Müller sagt - die
Silicon-Valley-Worthülse findet sich mittlerweile in so ziemlich jeder ambitionierten
Chefrede. Bei VW aber mit seinen Uralt-Führungsmethoden bedeutet das die
Ankündigung einer Revolution.
Volkswagen – Müller: "Ich gebe Ihnen mein Wort - VW wird nicht ruhen"
Kann nur sein, dass der Revolutionär Müller, schneller als er denkt, von
der Konterrevolution erfasst wird. Die Familien Piëch und Porsche
dominieren den Konzern, außerdem mischt noch das Land Niedersachsen
mit. Diese Eigentümerstruktur ist alles andere als Silicon Valley. Eher
deutsches Kaiserreich.
--------------------------9. Dezember 2015
Freihandelsabkommen EU gibt bei TTIP offenbar
deutlich nach - zulasten der Bauern
Auch über den Handel mit rohen Eiern wird bei TTIP verhandelt.
•
•
Das Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA verhandeln, könnte die bereits schwierige Lage der europäischen Bauern
verschärfen.
Gerade bei sensiblen Produkten wie Milch oder Fleisch sollen die
Zölle nach einer Übergangsfrist von wenigen Jahren wegfallen, berichtet eine EU-Abgeordnete.
Die Europäer haben der amerikanischen Seite bei den Gesprächen zum Freihandelsabkommen
TTIP in wichtigen Fragen des Agrarhandels offenbar deutliche Zugeständnisse gemacht. Dies
gelte vor allem bei den künftigen Zollsätzen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, sagt die EUAbgeordnete Maria Heubuch von den Grünen.
Nach ihren Informationen sollen gerade bei sensiblen Produkten wie Milch oder Fleisch die
Zölle nach einer Übergangsfrist von wenigen Jahren wegfallen. Für die Bauern in der EU
könnte das zum Problem werden, ihre Situation werde sich weiter verschlechtern, befürchtet
sie. "Durch die starke Industrialisierung, auch durch billigeres Futter ist die Produktion von
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Milch und Fleisch in den USA günstiger", sagt Heubuch, die im Agrarausschuss des EUParlaments sitzt.
Schon jetzt kämpfen etwa die Milchbauern in Europa mit großen Problemen. Die EUKommission geht davon aus, dass sich der schwache Milchpreis erst ab 2020 wieder erholen
wird. Bis dahin müssten viele Erzeuger ihre Milch teilweise unter den Entstehungskosten
verkaufen, sagt Heubuch, "völlig unverständlich ist, warum die Kommission mit ihrem Angebot bei den Zöllen ihre eigene Verhandlungsposition untergräbt."
Die TTIP-Unterhändler haben nach der elften Verhandlungsrunde Ende Oktober in Miami
bestätigt, dass man sich bei der Abschaffung von Warenzöllen angenähert habe. Vorschläge
zur Beseitigung bestehender Abgaben decken demnach 97 Prozent aller Zölle ab. Details
wurden von den Offiziellen allerdings nicht genannt.
"Offensichtlich sollen auch rohe Eier über den Ozean geschippert werden"
Der Handel mit Agrarerzeugnissen wie Milch, Fleisch oder Getreide ist bei den Gesprächen
für das umstrittene TTIP-Abkommen ein heikler Punkt. Es wird hart verhandelt, und so gut
wie nichts bleibt außen vor. "Offensichtlich sollen auch rohe Eier über den Ozean geschippert
werden", kritisiert Klaus Ernst, Abgeordneter der Fraktion Die Linke im Bundestag. In der
elften Verhandlungsrunde sei es unter anderem um den Abbau von Handelsbarrieren bei Eiern
gegangen. "Dieser Nonsens konterkariert die Klimaziele und ist für Verbraucher mehr als
verzichtbar", meint Ernst mit Blick auf den Klimagipfel in Paris. Der globale Warenaustausch
belastet das Klima. Experten gehen davon aus, dass ein Drittel aller weltweiten Verkehrsemissionen aus dem internationalen Frachtverkehr stammen.
Viele Erzeuger in Deutschland befürchten schon länger, dass sie zu den Verlierern des
geplanten TTIP-Vertrags gehören könnten, darunter vor allem Familienbetriebe und Betreiber
von kleineren Höfen. Farmen in den USA sind im Schnitt größer und produzieren in vielen
Bereichend kostengünstiger. Sie profitieren zum Teil von niedrigeren Umwelt-und Tierschutzstandards und einer Agrarpolitik, die sich von der europäischen grundlegend
unterscheidet, angefangen bei Subventionen bis hin zu Standards im Verbraucherschutz.
US-Erzeuger könnten Milliarden Dollar zusätzlich exportieren
Dass die Sorgen der EU-Bauern nicht unberechtigt sind, macht eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes des US-Landwirtschaftsministeriums deutlich (PDF). Darin kommen
die Experten zu dem Schluss, dass US-Farmer bei TTIP eindeutig besser abschneiden werden
als ihre Kollege in der Europäischen Union, und zwar in allen drei Szenarien, die
durchgerechnet wurden. Allein der Wegfall von Zöllen und Mengenbeschränkungen könnte
den US-Erzeugern zusätzliche Agrarexporte von 5,5 Milliarden Dollar bringen, gemessen an
den Daten von 2011. Die Ausfuhren der EU würde hier im Gegenzug nur um 0,8 Milliarden
Dollar steigen.
Fallen außerdem nicht tarifäre Handelshemmnisse weg - dazu gehört etwa das Anbauverbot
von Gentechnikpflanzen in der EU - könnten US-Produzenten noch weitere Ausfuhren im
Wert von 4,1 Milliarden hinzugewinnen, EU-Erzeuger nur im Wert von 1,2 Milliarden Dollar.
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Beim Bayerischen Bauernverband (BBV) hieß es dazu, die Studie werde geprüft. Der Verband fordert, dass die Zölle für sensible Produkte wie Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch
erhalten bleiben. EU-Standards dürften zum Schutz heimischer Erzeuger nicht unterlaufen werden.
------------------------16.12.2015
Anstehende Volksabstimmung
Cameron stellt
vier zentrale Forderungen an EU sonst droht bald der "Brexit"
Spätestens 2017 stimmen die Briten in einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU
ab. Premier David Cameron möchte das Verhältnis seines Landes zu Brüssel davor von Grund
auf neu verhandeln - und stellt vier zentrale Forderungen.
Vier Kernforderungen hat der britische Premier David Cameron gestellt, um bei der
anstehenden Volksabstimmung in seinem Land für einen Verbleib in der EU zu werben. Beim
EU-Gipfel diskutiert der Brite am Donnerstag erstmals ausführlich mit den europäischen
Kollegen über seine Wünsche. Eine abschließende Entscheidung soll laut EU-Ratspräsident
Donald Tusk aber erst beim EU-Gipfel im Februar getroffen werden.
Die Forderungen im Überblick:
1. Einschränkung der Sozialleistungen für EU-Bürger: Cameron will die
"sehr hohe" Zuwanderung nach Großbritannien begrenzen - auch aus der
EU. Dazu will er EU-Bürger von Sozialleistungen ausschließen, wenn sie
nicht mindestens schon vier Jahre im Land gearbeitet haben. Für
Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere EU-Spitzenvertreter würde
dies gegen das grundlegende Recht auf Freizügigkeit in der Union
verstoßen.
Nach britischen Presseberichten könnte Cameron aber bereit sein, von seiner Forderung
abzurücken, wenn Wege gefunden würden, die Zuwanderung aus der EU anderweitig zu
verringern. EU-Diplomaten verwiesen vergangene Woche auf die Möglichkeit einer
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"Notbremse" als Alternative. Sie würde es London erlauben, die Einwanderung zu begrenzen,
wenn die britischen Sozialsysteme missbraucht werden oder überfordert sind.
2. Keine Benachteiligung der Nicht-Euroländer: Cameron will eine
rechtlich bindende Zusicherung, dass die 19 Länder der Währungsunion
Großbritannien nicht zu Entscheidungen zwingen, die seine Wirtschaft
betreffen. London verweist dabei insbesondere auf Beschlüsse zum
Binnenmarkt, zur Bankenregulierung und zur Überwachung der
Finanzstabilität. Der Premier will zudem garantiert haben, dass NichtEuro-Länder nicht für eine Stabilisierung des Euro zahlen müssen.
3. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Der Abbau von Bürokratie und EUVorgaben soll das Wachstum stärken. Cameron will dabei ein konkretes
"Ziel, um die Gesamtlasten der Wirtschaft zu verringern".
4. Keine "immer engere Union der Völker Europas" für
Großbritannien: Das Vereinigte Königreich soll von diesem in den
EU-Verträgen genannten Ziel ausgenommen werden. Statt dessen
soll die Stellung nationaler Parlamente gestärkt werden. Cameron
will auch die schon geltende Ausnahme bei der EU-Innen- und
Justizpolitik bekräftigt haben.
------------------------------18.12.2015
Cameron will ganze
Nacht für EU-Reform " kämpfen "
Der britische Premierminister David Cameron will auf dem EU-Gipfel in Brüssel mit ganzer
Kraft für die von ihm verlangten Reformen vor dem geplanten Austritts-Referendum ringen:
"Ich werde die Nacht durch hart für Großbritannien kämpfen, und ich denke wir bekommen
einen guten Deal", sagte Cameron am Donnerstag bei seinem Eintreffen in Brüssel.
Gro§britanniens Premier Cameron droht mit "Brexit".
Er wolle in allen vier von ihm genannten Feldern "echte Fortschritte" sehen, erklärte der
britische Premier. Das heikle Thema liegt beim Abendessen der Staats- und
Regierungschefs auf dem Tisch. Es ist das erste Mal, dass in der Runde offen über
Camerons Forderungen verhandelt wird. Eine Entscheidung steht indes noch nicht an, erst
auf dem nächsten EU-Gipfel im Februar soll ein Abkommen getroffen werden. "Wir drängen
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nicht auf einen Deal heute Abend, aber wir drängen auf eine echte Dynamik, um eine
Einigung zu erreichen", sagte Cameron.
Cameron will seine Landsleute spätestens 2017 über einen Verbleib in oder einen Ausstieg
aus der EU ("Brexit") abstimmen lassen. Davor pocht er auf Änderungen der EU-Regeln in
vier Feldern. Seine umstrittenste Forderung ist es, nach Großbritannien kommenden EUAusländern vier Jahre jegliche staatliche Unterstützung zu verwehren, um so die
Einwanderung zu begrenzen. Nur wenn seine Forderungen erfüllt werden, will Cameron für
den Verbleib des Königreichs in der EU kämpfen. Da die Briten in der Frage gespalten sind,
scheint ein Ausstieg zur Zeit als mögliches Szenario.
Dessen ungeachtet sieht EU-Ratspräsident Donald Tusk einige Reformforderungen Londons
als unerfüllbar an. Der gute Wille der Mitgliedsstaaten ändere nichts daran, dass "einige
Teile der britischen Vorschläge inakzeptabel erscheinen", sagte er vor den Gipfelauftakt.
Wenn es Cameron beim Abendessen aber gelinge, seine Kollegen für eine Suche nach
Lösungen zu gewinnen, "haben wir eine echte Chance auf einen Deal im Februar".
In der Frage des Austrittsreferendums erwartet sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz
eine "lebhafte Debatte". Jedoch müsse der britische Premierminister David Cameron der EU
entgegenkommen, forderte Schulz vor dem Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs. "Es
gibt sicher eine Menge Punkte, wo wir noch viel Kraft und Intelligenz investieren müssen",
sagte Schulz. Er habe den Eindruck, dass Großbritannien bei den Vorschlägen "schon
begriffen hat, dass das ein Kompromiss sein muss", betonte der EU-Parlamentspräsident.
Auch habe Cameron bereits zugesagt, dass er über die Forderungen diskutieren wolle.
Dem umstrittenen Verlangen Camerons, nach Großbritannien kommenden EU-Ausländern
vier Jahre jegliche staatliche Unterstützung zu verwehren, um so die Einwanderung zu
begrenzen, erteilte Schulz eine Absage. "Vier Jahre Wartezeit im Sozialsystem wird nicht
gehen", sagte er. Die deutsche Kanzlern Angela Merkel sieht eine Lösung mit Großbritannien "wenn wir alle aufeinander zugehen". Vor Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag in
Brüssel sagte Merkel, Deutschland sei dazu bereit. "Wir wünschen uns auch Großbritannien
weiter in der EU". --------------------------------19.12.2015
Flüchtlingskrise: Orban unterstellt EU
"selbstmör-derische" Tendenzen
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat Europas Politikern in der Flüchtlingskrise
Mangel an gesundem Menschenverstand unterstellt. "Selbst den einfachsten Menschen war
klar, dass wir nicht zulassen dürfen, dass solche Menschenmassen ohne Kontrolle in unser
Leben einmarschieren", sagte der Rechtskonservative der Zeitung "Lidove noviny" aus Prag
am Samstag. Man wisse nicht, was das für Leute seien und woher sie stammten. Nichts zu
unternehmen, zeuge von "selbstmörderischen Neigungen".
Orban verteidigte die Klage seines Landes gegen die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union. Er vermutete dahinter eine Verschwörung der politischen
Linken: "Wir haben den Verdacht, dass in Europa geheim oder hinter vorgehaltener Hand
Wähler importiert werden", sagte er. Nach Ansicht des Rechtspolitikers würden die meisten
eingebürgerten Migranten linke Parteien wählen.
Der ungarische Regierungschef zweifelte zudem an der Integrationsfähigkeit von Ausländern. "Die Tatsache, dass wir bei uns keine Parallelgesellschaften haben, ist kein Nachteil
Mittel-europas, sondern einer unserer größten Vorteile", sagte er. Orban regiert seit 2010 mit
einer Zweidrittelmehrheit in Ungarn. Er hat einen Grenzzaun errichten lassen, um Flüchtlinge
abzuhalten.
----------------------34
Polens nationalkonservative Regierung dreht durch
Die neue Premierministerin Szydlo krempelt gemeinsam mit Parteichef Kaczynski radikal das
Land um. Nun gehen große Teile der Polen auf die Straßen, -sie fürchten um die
Demokratie.
Jetzt regt sich Widerstand " Wir verteidigen die Demokratie!",rufen
Tausende Menschen vor dem polnischen Parlament und schwenken die Flaggen Europas
und Polens. "Nein
zur Diktatur" steht auf ihren Spruchbändern.
"Wir haben unsere Freiheiten, und wir werden kämpfen, um sie zu verteidigen", sagt
Mateusz Kijowski. Er hat in einer Mischung aus Verzweiflung und Wut das Komitee zur
Verteidigung der Demokratie (KOD) gegründet und zum Widerstand gegen ein "rechtloses
Polen" aufgerufen. Seinem Appell folgten Zehntausende. In mehr als 20 polnischen Städten,
aber auch in Berlin, London und Brüssel forderten die Menschen die nationalkonservative
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zur Umkehr auf.
"Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch mal versammeln müssen, um grundlegende
demokratische Werte zu verteidigen", sagt Agnieszka Holland, die berühmte polnische
Regisseurin ("Hitlerjunge Salomon", "Klang der Stille", "House of Cards") von der
Protestbühne herab. "Die Demokratie ist wie die Luft. Sie nehmen sie uns, und bald
beginnen wir, in diesem Smog zu ersticken", sagt sie und meint die nationalkonservative
Regierung, die erst seit zwei Monaten im Amt ist.
Die Sorge Agnieszka Hollands um die Heimat teilen inzwischen viele ihrer Landsleute, und
täglich werden es mehr. Denn die Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo baut
das Land um. Manche sagen, sie wolle einen autoritären Staat errichten. Die PiS besetzt
Spitzenposten in Verwaltung und Staatsbetrieben neu. Sie erklärte mit ihrer neuen
Parlamentsmehrheit fünf gerade erst erfolgte Richterernennungen der Vorgängerregierung
für ungültig und wählte Verfassungsrichter nach eigenem Gusto.
35
Die Polen erschrecken über ihre eigene Wahl
Im Militär stehen personelle Änderungen an; es ist immer häufiger von "Säuberungen" die Rede. Die Chefs der Geheimdienste, der Polizei und der Antikorruptionsbehörde wurden ausgetauscht. Auch das Bildungswesen soll neu geordnet
werden. In einer nächtlichen Aktion wurde der Leiter eines neuen Nato-Kompetenzzentrums für Spionageabwehr in Warschau ausgewechselt. Vorwurf: Spionage für
die USA. Das Zentrum wird von Polen und der Slowakei errichtet, auch Deutschland
ist an dem Projekt beteiligt. Die vorerst letzte Volte der neuen Regierung.
Ich schäme mich für einen solchen Präsidenten!
Lech Walesa Ex-Präsident u. ehemaliger Führer der
Gewerkschaft Solidarnosc
Das ist zu viel für viele Polen, die offenbar erschrocken sind über das, was sie mit ihrer Wahl
da angerichtet haben. Der PiS bescheinigen sie inzwischen in den Umfragen eine Schlappe
nach der anderen. Die liberale Nowoczesna (Die Moderne) liegt nun beinahe gleichauf mit
der Regierungspartei. Erschrocken ist auch die 80 Jahre alte Teresa Rojewska. Die
Sorgenfalten über die leidvolle polnische Geschichte haben sich tief in ihr Gesicht gegraben.
Und doch ist sie wieder auf der Straße für "ihr" Polen. So wie damals, als sie gegen das
kommunistische Regime auf die Straße gegangen ist. "Die Solidarnosc hat nicht für die
Freiheit gekämpft, damit sie nun mit Füßen getreten wird."
Genauso sieht es auch Lech Walesa, der schon einmal einen opferreichen
Kampf um die Freiheit angeführt hatte. Der ehemalige Führer der Gewerkschaft
Solidarnosc und polnische Präsident von 1990 bis 1995 hatte sich
vorgenommen, ein halbes Jahr lang nichts über die neue Regierung zu sagen.
Doch er kann seine Empörung nicht mehr verbergen. "Ich kann nicht anders",
sagt er im Gespräch und wird laut: "Sie zwingen mich dazu."
Präsident und Regierung werden nicht zurücktreten. Also
wird die Straße versuchen, dieses Problem zu lösen
Lech Walesa
Ehemaliger Führer der Gewerkschaft Solidarnosc
Das Wort des 72-jährigen Friedensnobelpreisträgers hat noch
immer Gewicht. Der gelernte Elektriker hat als Streikführer auf der
Danziger Werft und Solidarnosc-Führer mehrfach sein Leben
riskiert für ein neues, demokratisches Polen. Ein Revolutionär im
Ruhestand, der wieder gefragt ist, weil die Dinge in Polen im Argen
liegen. Er ist entsetzt über das, was die PiS mit seinem Land macht,
und warnt davor, dass ein Bürgerkrieg ausbrechen könne.
"Präsident und Regierung werden nicht zurücktreten. Also wird die
Straße versuchen, dieses Problem zu lösen", sagt er.
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Stürmische Parlamentsdebatte
in Polen wird Justizminister auch
Generalstaatsanwalt
29.1.2016
Die national-konservative Regierung schränkt Unabhängigkeit der Justiz weiter ein. Der Justizminister wird in Personalunion Generalstaatsanwalt und kann in alle Verfahren eingreifen.
Jaroslaw Kaczynski polarisiert im Volk wie kaum ein
Politiker in Polen.
Nach stürmischer Debatte hat das polnische Parlament am späten Donnerstagabend die
Zusammenlegung von Justizministerium und Generalstaatsanwaltschaft beschlossen. Für die
entsprechende Gesetzesänderung stimmten 236 Abgeordnete bei 209 Gegenstimmen und
sieben Enthaltungen. Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit
(PiS) hat im Parlament die absolute Mehrheit. Am Freitag soll das Gesetz im Senat, der
zweiten Kammer, beraten werden.
Nach einer stürmischer Debatte hat das polnische Parlament am späten Donnerstagabend die
Zusammenlegung von Justizministerium und Generalstaatsanwaltschaft beschlossen - und
damit eine weitere umstrittene Justizreform.
Die Abgeordneten der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stimmten
für ein Gesetz, mit dem alle Staatsanwaltschaften, auch auf regionaler Ebene, direkt dem
Justizministerium unterstellt werden. Die Funktion des Generalstaatsanwalts übernimmt der
Justizminister selbst. Er hat das Recht, bei jeder Ermittlung zu intervenieren.
Für die Gesetzesänderung stimmten 236 Abgeordnete, 209 votierten dagegen. Damit wurde
die 2009 von der Vorgängerregierung eingeführte Reform, die die Staatsanwaltschaft zu einer
unabhängigen Einrichtung gemacht hatte, wieder zurückgenommen.
37
Die PiS des ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski hat im Parlament die
absolute Mehrheit. Am Freitag soll das Gesetz im Senat, der zweiten Kammer, beraten
werden.
Rund 60 Gegenanträge der Opposition waren zuvor bei der Abstimmung gescheitert. In der
Debatte wurde den Nationalkonservativen vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zu zerstören. Statt dessen drohten die Vertreter der Anklagebehörde zu politischen
Funktionären zu werden, warnte etwa die liberalkonservative Opposition.
Das Gesetz reiht sich ein in eine Serie umstrittener Reformen wie etwa das neue Mediengesetz, das der Regierung die Entscheidung über Leitungspositionen in den öffentlichrechtlichen Medien gibt. Die EU-Kommission hat ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in
Polen eingeleitet.
"Wir versuchen, eine gut organisierte Armee zu werden"Mateusz Kijowski organisiert die
Anti-Regierungsproteste in Polen. Im Interview (Englisch) erklärt er, wofür die Bewegung
kämpft.
ZEIT ONLINE: Herr Kijowski, sind Sie Polens neuer Oppositionsführer?
Mateusz Kijowski: Auf keinen Fall. Es gibt ja drei Oppositionsparteien im Parlament und
einige außerhalb. Eigentlich habe ich nur eine Facebook-Gruppe gegründet, um mit ein paar
Leuten zu diskutieren, was zu tun ist. Ich habe den Funken geschlagen, dann ist es
explodiert.
Die Leute haben mir Vertrauen entgegengebracht, ich habe zugehört und dann das gesagt,
was mir die Leute gesagt haben. Ich komme eher aus der Bewegung, als dass ich die
Bewegung gegründet oder geplant hätte.
Mateusz Kijowski
Mateusz Kijowski gilt als Kopf der neuen Protestbewegung in Polen. Er ist 47 und ITSpezialist. Zu kommunistischen Zeiten war er bei den Pfadfindern, in den letzten Jahren hat
er sich in polnischen Bürgerrechtsgruppen für Väter- und Frauenrechte engagiert. Ende 2015
hat er auf Facebook die Protestbewegung Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD)
initiiert.
ZEIT ONLINE: War das Wahlergebnis der PiS der Auslöser für die Proteste?
Kijowski: Nein, man kann ja nicht gegen das Votum des Volkes protestieren. Auslöser
waren die ersten Handlungen der Regierung: die Sache mit den Richtern am
Verfassungsgericht – das war der erste verfassungsfeindliche Akt; dann die Begnadigung
von Mariusz Kamiński durch den Präsidenten, der dann Geheimdienstkoordinator in der
neuen Regierung wurde; dann die Sache mit dem Kulturminister, der die Aufführung des
Theaterstückes von Elfriede Jelinek in Wrocław verbieten wollte, weil es angeblich
pornografische Szenen enthält.
All das hat klar gezeigt, in welche Richtung es geht. Außerdem hat Ministerpräsidentin Beata
Szydło ihre Wahlkampfversprechen nicht gehalten. Sie hatte gesagt, dass Jarosław Gowin
Verteidigungsminister wird, aber am Ende ist es Antoni Macierewicz geworden, den die
Leute nicht haben wollten. Schnell war deutlich: Dieser Regierung sind Versprechen egal,
Gesetze sind ihr egal und die Leute sind ihr egal. Die PiS will allen zeigen, dass sie die
Macht hat.
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ZEIT ONLINE: War das überraschend? Die PiS war ja schon einmal an der Regierung.
Kijowski: Für mich nicht. Aber viele Leute haben den Wahlkampfversprechen der PiS
geglaubt und waren dann enttäuscht. Uns haben sich schon Leute angeschlossen, die für
das Wahlprogramm der PiS gestimmt hatten und jetzt sagen: Was sie jetzt tun, wollten wir
nicht.
ZEIT ONLINE: Was haben Sie konkret getan?
Kijowski: Ich habe diese Facebook-Gruppe gegründet und KOD genannt, Komitee zur
Verteidigung der Demokratie. Ich habe meine Frau, einen Cousin und zwei Freunde
eingeladen. Das war am 19. November gegen Mittag, abends waren schon 100 Leute in der
Gruppe. Da habe ich einen befreundeten Künstler um ein Logo gebeten, und innerhalb von
ein paar Stunden haben andere Leute begonnen, ein Manifest auszuarbeiten. Mit Logo und
Manifest hatte die Gruppe drei Tage später 30.000 Mitglieder.
ZEIT ONLINE: Mitglied einer Facebook-Gruppe sein, ist das eine. Wie kam es zu den ersten
Demonstrationen?
Kijowski: Wir haben die Facebook-Regeln umgeworfen. Normalerweise kommen zu einem
Facebook-Event zehn Prozent der Leute, die vorher zugesagt haben. Bei uns war es
umgekehrt: Es waren zehnmal so viele. Zur ersten großen Demonstration am 12. Dezember
kamen 50.000 Menschen.
Es war von Anfang an klar, dass es nicht virtuell sein würde. Die Leute sagten: Wir müssen
auf die Straße gehen und wir brauchen eine Struktur. Damit haben wir sofort begonnen, und
nach wenigen Stunden hatten wir in jeder großen polnischen Stadt Koordinatoren.
ZEIT ONLINE: Und jetzt gibt es regelmäßig Demonstrationen?
Kijowski: Am Anfang ging es um die Änderungen beim Verfassungsgericht, dann haben wir
für freie Medien demonstriert. Mittlerweile hat die Regierung schon wieder lauter neue Ideen.
Wir müssen gegen das neue Beamtengesetz protestieren, gegen ein Polizeigesetz, das viel
mehr Überwachung ermöglichen soll, gegen das Vorhaben, den Justizminister auch zum
Generalstaatsanwalt zu machen, und gegen den Plan, das Wahlgesetz zu ändern.
Alles das ist gegen unsere Freiheit, gegen unser demokratisches System. Wir müssen
zeigen, dass wir für unsere Freiheit kämpfen und unsere Demokratie verteidigen.
ZEIT ONLINE: Wer ist wir? Wer kommt zu den Demonstrationen?
Kijowski: Anfangs waren es vor allem die, die den Kommunismus noch erlebt haben, also
die etwas ältere Generation. Diesen Menschen war sofort klar, als sie die ersten Symptome
des Wandels gesehen haben, in welche Richtung es geht. Dass das gefährlich ist. Die
Jungen, die ihr ganzes Leben in einem freien, demokratischen Land gelebt haben, erkannten
die Gefahr nicht so schnell. Aber jetzt gibt es auch eine Jugendbewegung innerhalb der
KOD.
ZEIT ONLINE: Sie selbst sind auch auf der Straße?
Kijowski: Ich laufe mit, rufe ein bisschen, spreche, vor allem aber lächle ich. Das ist wichtig
bei unseren Demonstrationen: Wir sind positiv, wir mögen uns, wir lächeln uns an. Keine
negativen Emotionen!
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ZEIT ONLINE: Das klingt ein bisschen harmlos.
Kijowski: Wir setzen uns so von unseren Gegnern ab. Von PiS-Anhängern auf der Straße,
von rechten Publizisten kommt so viel Hass. Und natürlich aus dem Internet. Meine Frau und
ich haben Morddrohungen bekommen.
----------------------------25. Dezember 2015
Krise der EU: Ach, Europa
Flagge der EU auf bröselndem Asphalt:
Scheitert die Union?
Im Flüchtlingsdrama ist keine Einigung in Sicht,
die Eurokrise schwelt weiter,
Rechtspopulisten gewinnen Wahlen, Großbritannien droht auszusteigen.
Selbst das Führungspersonal klingt nicht unbedingt optimistisch: "Das
Scheitern Europas ist ein realistisches Szenario", sagt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). "Die Europäische Union kann auseinanderbrechen", unkt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Vor der "Desintegration des Projekts Europa" warnt Frans Timmermans, Vizechef der
EU-Kommission. Zumindest so viel ist unübersehbar: Die Europäische
Union steckt in einer tiefen Krise. Der Flüchtlingsandrang, die Wahlerfolge
von Rechtspopulisten, die "Brexit"-Überlegungen der Briten, Streit mit
Russland - alles Probleme, die an die Substanz gehen.
Doch wie düster ist die Perspektive wirklich? Steht der Zusammenhalt der
Union auf dem Spiel? Oder ist die aktuelle Krise nur eine von vielen, und
am Ende geht die EU sogar gestärkt daraus hervor?
Osteuropa schert in der Flüchtlingskrise aus
Rund 1,55 Millionen Flüchtlinge haben die EU-Grenzen zwischen Januar
und November illegal überschritten, besagen aktuelle Zahlen der Grenzschutzagentur Frontex. Und es gibt kaum Anzeichen, dass der Andrang
abebbt. Inzwischen erwägt die EU-Kommission radikale Maßnahmen, um
die Zuwanderung zu dämpfen - etwa den Einsatz europäischer Grenzschutztruppen, notfalls auch gegen den Willen von einzelnen Mitgliedstaaten.
Doch schon die Umverteilung eines Bruchteils der Migranten scheiterte.
Ungarn und die Slowakei, die bei der Flüchtlings-Umverteilung von den
anderen Mitgliedstaaten überstimmt wurden, klagen gegen den Beschluss.
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Auch Polen hat inzwischen erklärt, sich nicht mehr an die Vereinbarung
gebunden zu fühlen. "Der Umverteilungsplan ist tot", sagt ein erfahrener
EU-Diplomat.
"Die Osterweiterung der EU ist gescheitert", sagt deshalb der Politikwissenschaftler Andreas Maurer, der an der Uni Innsbruck lehrt. Erst 2007
hätten die EU-Staaten - darunter auch die eben erst beigetretenen zwölf
osteuropäischen Mitglieder - vereinbart, dass die EU künftig häufiger per
Mehrheit und seltener einstimmig entscheidet.
Deutschlands Alleingang
Kritik gibt es auch an der deutschen Regierung, weil sie beschloss, dass
Dublin-Abkommen vorübergehend außer Kraft zu setzen und die Grenzen
für Flüchtlinge zu öffnen. Als "Hippie-Staat" bezeichnet der britische
Politikwissenschaftler Anthony Glees Deutschland. "Die Bundesregierung
betreibt eine Politik der Gefühle anstatt eine Politik von Vernunft und
Konsens", sagt Glees zu SPIEGEL ONLINE. "Damit hat die Bundesrepublik
die Rolle aufgegeben, die sie seit 1949 gespielt hat: die eines verlässlichen Partners, der sich an Regeln hält."
Solange die Flüchtlinge dank des Dublin-Abkommens in Italien und
Griechenland blieben, interessierte sich in Deutschland kaum jemand für
sie. Erst als sie in Massen über Deutschlands Grenzen drängten, entdeckten die Deutschen ihr Herz für Flüchtlinge - und fordern jetzt Solidarität
von den anderen EU-Ländern. Doch da wollen nur wenige mitmachen.
"Jetzt spielen die anderen uns die Melodie vor, die sie damals von uns zu
hören bekamen", sagte Matthias Ruete, Chef der Generaldirektion Migration und Inneres der EU-Kommission, kürzlich bei einer Podiumsdiskussion
in Brüssel.
Rechtspopulisten und Eurogegner im Aufwind
EU-Gegner vom französischen Front National:
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Wahlkampf der
Europa taumelt
Die Flüchtlingskrise gilt auch als eine der wichtigsten Ursachen für das
Erstarken von europaskeptischen und rechtspopulistischen Parteien und
Bewegungen - von Pegida und AfD in Deutschland über den Front National
in Frankreich bis hin zu Ukip in Großbritannien und PiS in Polen. Sie
schüren die Angst vor Fremdem und appellieren ans Nationalbewusstsein.
Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman bezeichnete die EU in
der "New York Times" als "Elitenprojekt, das als alternativloser Weg der
Weisheit verkauft wurde". Das aber funktioniere nur so lange, wie die
Menschen von der Weisheit ihrer Anführer überzeugt seien. Doch die
diversen Krisen und vor allem das Flüchtlingsdrama vermitteln eher den
Eindruck, dass Europas Regierungen hoffnungslos überfordert sind.
In Polen sind die Rechtspopulisten mit der nationalkonservativen Partei
"Recht und Gerechtigkeit" (PiS) bereits an der Macht. In weniger als zwei
Monaten hat die PiS-Regierung mit harten Maßnahmen gegen Justiz und
Medien Zehntausende Demonstranten auf die Straße getrieben und
Drohungen aus Brüssel provoziert.
Doch dramatischer wäre Front-National-Chefin Marine Le Pen als Frankreichs Staatsoberhaupt. "Das würde den Fortbestand der EU gefährden,
ein Schlüsselland würde wegbrechen", meint Nicolai von Ondarza von der
Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die Erfolge der Rechtspopulisten hätten auch mit der Enttäuschung über die etablierten Parteien
zu tun, sagt der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld: "Die EU muss
sich über neue Erfolge definieren. Solange das nicht geschieht, taumelt
Europa."
Das Dilemma wird bei der Debatte über das britische Referendum über die
EU-Mitgliedschaft deutlich: Während die EU-Befürworter dem Volk kompliziert erklären müssen, warum eine Mitgliedschaft vorteilhaft ist, muss
das Nein-Lager nicht viel mehr tun, als an den britischen Nationalstolz zu
appellieren und die EU als intransparentes, undemokratisches Bürokratiemonster zu geißeln. Laut jüngsten Umfragen haben die Befürworter des
"Brexit" inzwischen rund die Hälfte der Briten auf ihrer Seite.
Russland führt Europa in der Sicherheitspolitik vor
Russische Soldaten bei Manöver in Serbien: Neue Aggressivität
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Erst Georgien, dann die Annexion der Krim und die Intervention in der
Ukraine, jetzt der Einsatz in Syrien: Russlands neue Aggressivität stellt
den Westen auf die Probe. Der EU macht sie vor allem eines deutlich:
"Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gibt es nicht", sagt
Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zwar wurden
Sanktionen gegen Moskau verhängt, dennoch herrsche in der EU
"strategische Uneinigkeit": Die baltischen Staaten und Polen etwa fordern
Nato-Truppen an ihren Ostgrenzen, andere sehen Moskau vor allem als
Handelspartner und stehen den Sanktionen skeptisch gegenüber.
In Sonntagsreden fordern Europapolitiker zudem zwar seit Langem eine
Vereinheitlichung der europäischen Außen-, Sicherheits-, Verteidigungsund Entwicklungshilfepolitik - weil nur so Krisenländer stabilisiert und
größere Flüchtlingswellen verhindert werden könnten. "Wir müssen unsere
Außen- und Entwicklungspolitik deutlich stärker darauf ausrichten,
Konflikte zu lösen und Fluchtursachen zu bekämpfen", sagte Kanzlerin
Merkel in einer Rede vor dem Europaparlament. Doch dazu müssten
Europas Staaten in großem Umfang Souveränität abgeben. Das aber
scheint niemand zu wollen.
Eurokrise: Unwucht zwischen Nord und Süd
Anti - Europa - Protest in Athen: Sorgenfall Griechenland
Das gilt auch für die Finanzpolitik. 2012 erreichte die Eurokrise ihren
Höhepunkt, als mehrere Länder der Eurozone heftig ins Schlingern gerieten. Krisenländer wie Portugal, Irland und Spanien haben sich dank teils
drakonischer Sparprogramme inzwischen wieder stabilisiert, während
Griechenland noch immer das Sorgenkind ist.
Doch der Kern des Problems besteht weiter: die gigantischen Ungleichgewichte in der Währungsunion, ohne dass es eine gemeinsame Finanzpolitik
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gibt. Während Deutschland weiter massive Handelsüberschüsse erzielt,
kommt die Wirtschaft in Südeuropa kaum in Schwung - auch wegen der
von Deutschland diktierten Sparpolitik, die Investitionen erschwert. Zugleich aber sträuben sich Deutschland und andere nordeuropäische
Länder, für die Schulden des Südens aufzukommen. Das, glauben Experten, kann auf Dauer nicht gut gehen. Entweder, so ihr Argument, sind die
reichen Länder bereit, den ärmeren zu helfen - oder der Euro wird
scheitern.
Kann die EU also auseinanderbrechen? Das Fazit
-
Ein Zerfall der Europäischen Union ist dennoch schon aus praktischen
Gründen schwer vorstellbar. Der Rauswurf einzelner Länder ist in den EUVerträgen nicht vorgesehen. Leichter möglich ist ein Austritt von Staaten
aus der Gemeinschaft. Dies ist in Artikel 50 des EU-Vertrags sogar
ausdrücklich vorgesehen. Eine besonders radikale Idee lautet daher, dass
einige Staaten die EU verlassen und eine neue Union gründen.
Anfang 2013, auf dem Höhepunkt der EU-Schuldenkrise, soll ein solches
Szenario auch im Berliner Kanzleramt besprochen worden sein. Beamte
aus dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium hätten in vier Themenkreisen mit unabhängigen Experten über die Zukunft der Währungsunion
und der EU diskutiert, wie ein Teilnehmer berichtet. Dabei sei es auch um
die Gründung einer neuen Gemeinschaft gegangen, bei der es sich um
eine deutsch-französisch dominierte Avantgarde gehandelt hätte. Die
Bundesregierung bestreitet dagegen, dass im Kanzleramt jemals Planspiele zu einem EU-Austritt Deutschlands stattgefunden hätten.
Ein gemeinsamer EU-Austritt der wichtigsten Staaten sei "nicht realistisch,
aber als Drohkulisse diskutabel", meint Politikprofessor Maurer. Er könnte
sich aber vorstellen, dass die europäische Freihandelsorganisation Efta zu
einer "EU light" umgebaut wird - für Staaten, die der EU aus wirtschaftlichen Gründen angehören wollen, ansonsten aber nur wenige ihrer Werte
teilen.
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3.1,2016
EU-Kommission will über Lage
des Rechtsstaats in Polen beraten
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Ministerpräsidentin Beata Szydlo, PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und
sein Vize Ryszard Terlecki Die neue nationalkonservative Regierung Polens:
Erster Schritt für Verfahren gegen Regierung
Die EU-Kommission will über die Lage des Rechtsstaats unter der neuen nationalkonservativen Regierung Polens beraten. Die Debatte ist eine Vorstufe zu einem Prüfverfahren der
Kommission:
Polen könnten am Ende Sanktionen drohen !
Vor dem Hintergrund des umstrittenen Mediengesetzes in Polen will die EU-Kommission am
13. Januar ein Verfahren einleiten, um mögliche Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in dem
östlichen Mitgliedstaat zu untersuchen. In einer ersten Phase solle die Lage bewertet
werden, sagte eine Behörden-Sprecherin am Sonntag in Brüssel.
Nach Angaben des Sprechers wird sich die EU-Kommission am 13. Januar mit der Situation
des Rechtsstaats in Polen befassen. Die Debatte ist die Vorstufe zu einem Verfahren, in dem
die Kommission die Rechtsstaatlichkeit ihrer Mitglieder prüft.
Im Kampf gegen staatliche Willkür in Mitgliedstaaten hatte sich die EU vor gut einem Jahr ein
neues Verfahren zugelegt, das aber bisher ungenutzt blieb. Staaten, die systematisch gegen
gemeinsame Grundwerte verstoßen, können bei EU-Ministertreffen offiziell in die Mangel
genommen und damit politisch unter Druck gesetzt werden. Im schlimmsten Fall könnte
Polen der Verlust von Stimmrechten im EU-Ministerrat drohen.
Oettinger will Warschau unter Aufsicht stellen
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Der Druck auf Polens nationalkonservative Regierung wächst. Der für Medienpolitik zuständige Kommissar Oettinger plädiert dafür, den Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren.
Dadurch könnte Polen sein Stimmrecht verlieren.
Die polnische Regierung gerät nach ihren umstrittenen Gesetzesänderungen zunehmend
unter Druck aus Brüssel. Nachdem der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans
Timmermans, Warschau vor einer Beschränkung der Medienvielfalt gewarnt hat, äußert sich
nun erstmals auch der für Medienpolitik zuständige Kommissar Günther Oettinger. „Es
spricht viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau
unter Aufsicht stellen“, sagte Oettinger der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
(F.A.S.). Er werde sich dafür bei der nächsten Sitzung der EU-Kommission am 13. Januar
einsetzen.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt.
Juncker will ein Instrument nutzen, das es erst seit 2014 gibt. Es sieht einen strukturierten
Dialog mit einem Mitgliedstaat vor, wenn die Kommission systembedingte Gefahren für die
Rechtsstaatlichkeit erkennt. Wenn der Staat nicht auf Änderungsvorschläge aus Brüssel
reagiert, leitet die Kommission ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische
Grundwerte ein. Das ist noch nie geschehen, könnte aber bis zum Entzug von Stimmrechten
führen.
Oettinger äußerte sich gegenüber der F.A.S. besorgt über die jüngsten Änderungen beim
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen. Das Parlament hatte mit Mehrheit der
Regierungspartei in beiden Kammern eine Reform beschlossen, die es ihr erlaubt, das
Leitungspersonal in den öffentlichen Radio- und Fernsehsendern auszutauschen. Die
Direktoren von vier Programmen des Fernsehsenders TVP reichten am Samstag von sich
aus ihren Rücktritt ein, darunter der beliebte Journalist Tomasz Lis.
„Ein Intendant darf nicht ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Das wäre Willkür“,
sagte Oettinger. „Je größer unsere Sorge ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine
Funktion einbüßen könnte, nämlich die Bürger unabhängig zu informieren, desto mehr
müssen wir die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden stärken“, so Oettinger weiter. Er
will spätestens im Juni Vorschläge zur Novellierung der entsprechenden EU-Richtlinie
vorlegen. Das steht im Zusammenhang mit einer Überprüfung, die schon länger läuft, nun
aber auch durch die Entscheidungen in Polen beeinflusst wird
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Jahresrückblick 2015
Marignano und die Folgen
Das Gedenken um die Schlacht von Marignano hat gezeigt,
dass die Debatte um die Schweizer Geschichte noch nicht aus
dem Schatten der geistigen Landesverteidigung herausgetreten ist.
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Die Geschichte lebt: Knochen von Kriegern im Beinhaus
von Marignano.
«The past is a foreign country: they do things differently there.» Den Eröffnungssatz von L.
P. Hartleys Roman «The Go-Between» haben manche Historiker schon einmal irgendwo
gehört. Nur wenige würden bestreiten, dass er einen wichtigen methodischen Grundsatz
historischen Forschens wortgewaltig wiedergibt.
Er lautet ungefähr so: Um sie zu verstehen, müssen wir uns von der Vergangenheit, der wir
uns mit kühler Leidenschaft annähern, immer wieder entfremden. Denn die Distanz
zwischen verschiedenen Epochen ist nicht nur chronologisch, sondern auch phänomenologisch markant. Der Verlockung, das Eigene im Vergangenen zu suchen, um es dann dort
auch prompt zu finden, widersteht man, indem man Letzteres wie ein fremdes Land
betrachtet.
Die Vergangenheit, das fremde Land. Auch die Diskussionen, die sich 2015 an Marignano
entzündeten, lassen sich als Kontroverse um diesen Glaubenssatz kritischer Geschichtsbetrachtung begreifen. Jedenfalls gewinnt Marignano an Relevanz, wenn man das Ereignis zum
Anlass nimmt, über historische Epochen und ihre Verstrickungen zu reden. Inwieweit lässt
sich die moderne Schweiz sinnvoll mit ihrer fünf- bis sechshundert Jahre zurückliegenden
Geschichte in Beziehung setzen? Was hat die alte Eidgenossenschaft – im Gegensatz etwa zur
Helvetischen Republik, zum Wiener Kongress oder zum 1848 gegründeten Bundesstaat – mit
unserer Gegenwart, gar mit der Gestaltung unserer nationalen Zukunft zu tun? Werden wir
in dem Moment, wo wir uns diese Frage stellen, zu Gefangenen im Spiegelsaal der
Geschichtsmythologien?
Rückwärts- und Vorwärtsprojektionen
Nun sind Mahnungen zur Vorsicht vor «Gefahren» in der Geschichtswissenschaft nichts
Seltenes – besonders dort nicht, wo der Hang zum Konformismus ausgeprägt und
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institutionell gut abgesichert ist. Klar ist aber auch, dass originelles Forschen weit häufiger
mit einer interessanten Projektion als mit dem erhobenen Zeigefinger beginnt. Bisweilen ist
diese theoretisch oder historiografisch motiviert, manchmal bezieht sie sich auf ein
historisches Ereignis oder eine persönliche Erfahrung. Wo keine Fragen sind, so meinte der
stets angriffslustige Lucien Febvre, da ist nur das Nichts.
Nimmt man die aufs Jubiläumsjahr hin produzierten Studien als Richtwert, so stehen sich in
der Debatte um Marignano zwei gegenläufige Interpretationen gegenüber. Bei beiden
dominiert das Bedürfnis, Antworten zu liefern, über die Lust, weiterführende Fragen zu
stellen. Beide beziehen ihre Motivation letztlich aus einer nationalen Lagebeurteilung in der
Gegenwart. Das ist legitim; und gleichzeitig wirkt es horizontverengend.
Laut der ersten Interpretation – nennen wir sie die konservativ-affirmative – steht das
Gemetzel um das Fürstentum Mailand am Anfang einer staatlichen Entwicklung. Marignano
erscheint hier, trotz den Tausenden von Toten, als heilsame Niederlage. Dank dem Rückzug
aus Oberitalien konnte sich die Eidgenossenschaft als Staat ohne eindeutiges Zentrum
bewahren und weiterentwickeln. Die Autonomie der Orte blieb hoch, die Steuerlast
vergleichsweise tief. Obschon das lukrative Geschäft mit Söldnern noch Jahrhunderte
fortdauern sollte: Marignano stärkte, trotz Glaubensspaltung, das eidgenössische
Bewusstsein. Im «Stillesitzen» während der europäischen Religionskriege offenbarte sich in
Ansätzen bereits jene neutrale Haltung, die ab 1815 völkerrechtlich anerkannt wurde. Die
Ereignisse am Beginn des 16. Jahrhunderts begründeten die Schweiz als handlungsfähige
Einheit: Der Geist der Neutralität im Dienste eidgenössischer Unabhängigkeit war keine
Erfindung des 19. Jahrhunderts. Konservativ-affirmative Historiker behaupten also nicht, es
seien die schönen grünen Augen der Partner gewesen, die die Eidgenossenschaft schufen.
Wie manche standhafte Ehe verdankte sich auch dieser Bund eher handfestem Kalkül sowie
komplementären Werten, Valoren und Ängsten.
Für die Vertreter der zweiten Interpretation – nennen wir sie die progressiv-kritische –
unterscheidet sich die moderne Schweiz von der alten Eidgenossenschaft dagegen wie der
Tag von der Nacht. Die Vergangenheit erscheint hier als ein anderes Land, das kollektive
«Wir» für die Zeit vor dem 19. Jahrhundert als gänzlich unangebracht. Den Zeitgenossen des
16. und 17. Jahrhunderts lag nichts ferner als die Neutralität; in der gottesfürchtigen frühen
Neuzeit mussten sich die Menschen zwischen dem Herrgott und dem Teufel entscheiden,
alles andere wäre weder privat noch öffentlich legitimierbar gewesen. Die Assoziierung von
Marignano mit der Neutralität entspricht einem Anachronismus. Selbst das von der
Tagsatzung 1674 abgegebene Neutralitätsbekenntnis war nur ein halber Vorläufer der
modernen Neutralität. Die nationale Unabhängigkeit fiel der Schweiz als Geschenk des
Wiener Kongresses zu. Die Eidgenossenschaft der Vormoderne war kein handlungsfähiger
Staat, sondern ein Trittbrettfahrer der europäischen Geschichte. Nicht in der staatlichen
Souveränität, sondern in der transnationalen Verflechtung im Zentrum Europas liege die
Konstante der Schweizer Geschichte.
Ein Akt der intellektuellen Selbstbeschränkung
Mit der Unterstellung eines nationalen «Wir» für das 16. Jahrhundert wird der historische
Bogen zweifellos überspannt. Als keineswegs produktiver erweist sich allerdings die Spaltung
der Schweizer Geschichte in eine vormodern-korporatistische und eine modern-staatliche
Phase. Im ersten Fall wird (etwas gar viel) mentale Kohäsion unterstellt anstatt erklärt. Im
zweiten führt ein eher antiquierter begriffs- und rechtshistorischer Zugang zur Entsorgung
wichtiger Fragen, was die möglichen Verbindungslinien von der frühneuzeitlichen
Eidgenossenschaft zum modernen Bundesstaat betrifft.
Wo diese Verbindungslinien aus dem Blickfeld geraten, bleibt der moderne Nationalstaat wie
der Liberalismus oder die Demokratie in ihrer schweizerischen Spielart ein Buch mit sieben
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Siegeln. Muss man noch erwähnen, dass 1798, 1815 oder 1848 als nationale Gründungsdaten
genauso mythologisch sind wie 1291, 1315 oder 1515? Marc Bloch bezeichnete die Suche nach
den Ursprüngen als die grösste Versuchung für Historiker. Für ebenso problematisch hielt er
jedoch die Abspaltung der Gegenwart von zeitlich weiter entfernten Entwicklungen. In
diesem Abkoppeln einer dynamischen Moderne von ihrer stets etwas grauen Vorzeit – Bloch
sprach von einer «modernistischen Ideologie» – sah der französische Historiker den
anachronistischen Zwilling der Vergötzung der Ursprünge.
Gesamthaft verdeutlichte das Jubiläumsjahr, dass die Debatte um die Schweizer Geschichte
noch nicht aus dem Schatten der geistigen Landesverteidigung herausgetreten ist. Die
nationalistische Idealisierung der Vergangenheit während der Kriegs- und unmittelbaren
Nachkriegszeit provozierte eine (bitter nötige) ideologiekritische Reaktion. Ihre zentralen
Kampfbegriffe – Mythos und Mythologisierung – gehören heute zum Alltagsvokabular von
Herrn und Frau Schweizer. Wichtiger: In den 1970er Jahren entschieden sich viele Experten
der modernen Schweizer Geschichte, die mittelalterliche und frühneuzeitliche Vergangenheit
des Landes inskünftig ad acta zu legen – ein Akt der intellektuellen Selbstbeschränkung im
Namen des wissenschaftlichen und politischen Fortschritts.
Freie Sicht auf die Geschichte
Fortschritt zeitigt Folgen. Während sich etwa in England selbst führende marxistische
Historiker mit der langen Dauer staatlicher Entwicklungen beschäftigten, erachteten es ihre
Schweizer Berufskollegen als Zeichen innovativer Veranlagung, moderne und vormoderne
Geschichte inskünftig wie Öl und Wasser voneinander zu trennen. Derweil bemühten sich
jene Frühneuzeithistoriker, die sich der Geschichtsdebatte im Jubiläumsjahr 2015 nicht
verweigerten, um eine neue, europakompatible nationale Meistererzählung. Die Geschichte
transnationaler Verflechtung! Das alles war und ist legitim und interessant, manchmal sogar
anregend. Und doch ist es bei einem eigenartig selbstreferenziellen Diskurs geblieben, einem
Gespräch unter Eidgenossen. War man da – etwa mit den Arbeiten von Andreas Suter und
Guy P. Marchal – nicht schon einmal weiter, was die historische und konzeptuelle Phantasie
anbelangt?
Dabei bietet die Geschichte der Schweiz – gerade, was die möglichen
Beziehungen zwischen früher Neuzeit und Moderne betrifft – ein
thematisch unglaublich reiches Forschungsfeld. Welche ideologischen
Antworten provozierte der zwinglianische Frühnationalismus unter
Schweizer Katholiken? Inwiefern unterschied sich das protestantische
vom katholischen Nations- und Staatsverständnis in den Jahrhunderten
von der Reformation bis zur Zwischenkriegszeit? Was bedeuteten diese
Divergenzen für die Integration der französischen und italienischen
Landesteile in ein ursprünglich fast rein deutschschweizerisches
Projekt? Wie haben sich konfessionell verschiedene Konzeptionen von
Zeit und Geschwindigkeit, unterschiedliche Ideale wirtschaftlichen
Handelns und politischer Entscheidungsfindung über die Jahrhunderte
hinweg beeinflusst?
Nationen existieren, solange um solche und viele andere Fragen gestritten wird. Je freier die
Sicht, desto lustiger der Streit.
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15 1.2016
Streit um Flüchtlingsquote
Die Slowaken verklagen die EU
Hardliner in der Flüchtlingspolitik: Der slowakische
Ministerpräsident Fico am Flüchtlingsgipfel von Malta .
Die Slowakei will gerichtlich gegen die verpflichtende EU-Quote für Flüchtlinge vorgehen.
Möglicherweise werden andere östliche Mitgliedstaaten nachziehen.
Die Slowakei hat eine formelle Klage gegen die EU eingereicht, um sich gegen die Zuteilung
von Flüchtlingen zu wehren. Die Regierung fordert darin den Europäischen Gerichtshof in
Luxemburg auf, die Entscheidung des EU-Rats für ungültig zu erklären. Dies gab
Regierungschef Robert Fico am Mittwoch in Bratislava bekannt.
Widerstand aus dem Osten
Am 22. September beschlossen die EU-Innenminister gegen die Stimmen der Slowakei,
Ungarns, Tschechiens und Rumäniens eine Verteilung von 120 000 Flüchtlingen aus
überfüllten italienischen und griechischen Lagern auf alle EU-Länder. Die Slowakei drohte
schon am darauffolgenden Tag mit der nun eingebrachten Klage.
Möglicherweise schliesst sich Ungarn noch im Dezember der slowakischen Klage an. Auch
die neue nationalkonservative Regierung Polens hat den damals von der Vorgängerregierung
unterstützten Vorschlag inzwischen als Fehler kritisiert. Die Slowakei fordert wie auch zum
Beispiel Tschechien ein Freiwilligkeitsprinzip bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Sie will
demnächst 149 ausgewählte christliche Flüchtlinge aus einem irakischen Flüchtlingslager in
die Slowakei einfliegen lassen.
Warnungen vor einer «Armee»
Die ablehnende Position der mittelosteuropäischen Staaten gegenüber Flüchtlingen ist in der
Bevölkerung populär. Diese fürchtet sich vor ausländischen Einflüssen. Die populistischen
Regierungen in Ungarn und der Slowakei schüren diese Ängste, indem sie vor der
«Islamisierung» warnen, die durch die Flüchtlingsströme drohe. So hat Ungarns
Ministerpräsident Viktor Orban vor einer «Armee» von jungen Muslimen gewarnt, welche
die europäische Kultur bedrohten.
50
115.1.2016
Was aus dem Arabischen Frühling
wurde
Situation in ausgewählten arabischen Ländern im Januar 2016. Vor fünf
Jahren begannen die Volksaufstände in Tunesien, die sich schnell ausweiteten, in 17 Ländern zu Umbruch führten und so ganz Nordafrika und den
Nahen Osten veränderten. Als Arabischen Frühling fassen wir die Entwicklungen heute zusammen. Doch wo hat sich die Lage tatsächlich verbessert?
Und wo ist die Situation der Menschen schlechter als zuvor? Der Economist
zieht mit einem Blogbeitrag Bilanz.
In Ägypten ist die Lage unsicher. Es regiert ein autoritäres System, Kritiker kommen so gut
wie nicht zu Wort, die wirtschaftliche Lage ist schlecht. Terroranschläge wie zuletzt in
Hurghada machen dem wichtigsten Wirtschaftszweig, der Tourismusindustrie, zu schaffen.
Das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung für die nördliche Sinai-Halbinsel ausgesprochen.
Tunesien hingegen hat sich eine moderne und demokratische Verfassung gegeben, 2015
wird das nationale Dialogquartett mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Ganz anders ist die Situation in Libyen, ein "failed state", wie es in der Grafik des
Economist bitter heißt. Zwei Blöcke kämpfen um die Macht, das Land lässt sich quasi nicht
mehr kontrollieren, die IS-Kämpfer breiten sich aus, immer wieder kommt es zu Terroranschlägen. Wie die Lage in den übrigen Staaten ist, haben die Kollegen des Tagesspiegels hier
zusammengefasst.
Der Economist-Text enthält auch eine Zeitleiste, in der die politischen Entwicklungen in
Tunesien, Libyen, Ägypten, Syrien und dem Jemen aufgeführt sind.
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Was aus dem “Arabischen Frühling” wurde, füllt die Nachrichtenspalten der gesamten
Presse in ganz Europa. Jeden Tag. Auch ich schwelge jetzt mal in Metaphern: Aus dem
“Arabischen Frühling” wurde der “Europäische Herbst”.
Der von Westeuropa unterstützte arabische Frühling hat Arabien tatsächlich verändert. Es
tobt überall Bürgerkrieg, die Lebenssituation aller Moslems in Arabien hat sich verschlechtert, die Christen wurden so gut wie alle vertrieben oder ermordet (Juden gibt es schon lange
nicht mehr dort), hundertausende unschuldige Araber starben, die Wirtschaft liegt am Boden,
Europa ist von moslemsichen Flüchtlingen überrant.
Und manche Biowesteuropäer fragen, warum flüchten so viele?
Also kurz gesagt, die Länder denen es gut ging, geht es jetzt sehr schlecht und die anderen,
bis auf ganz wenige ausnahmen, so wie zuvor oder schlechter geworden. Stellvertretend für
den Westen klopfe ich mir mal auf die Schulter dafür.
Wie kommt man auf die Idee, den Irak auf der Karte als autokratische Demokratie zu
bezeichnen? Es ist eindeutig ein failed state.
ich würde sagen: Ab 21. März haben wir auch einen arabischen Frühling.
Wenn man den Nahost-Experten Michael Lüders (“Wer den Wind sät”) und Jürgen
Toden-höfer („Inside IS“) glaubt, liegt die Ursache der Bürgerkriege in den
Arabischen Ländern fast ausschliesslich im westlichen Kolonialismus, späterer
politischer Intervention, wirtschaftpoli-tischer Unterjochung, um die natürlichen
Ressourcen der betroffenen Länder auszubeuten und den umfangreichen
Waffenexporten in die jeweiligen Regionen begründet.
Die Tatsache, dass in den überwiegend islamisch geprägten Krisenherden auf
diesem Planeten eine über Jahrhunderte anhaltende Auseinandersetzung zwischen
Moslems schii-tischen und sunnitischen Glaubens eskaliert,…. dass tief verwurzelte
fundamentalistische Glaubensrichtungen den Nährboden für terroristische Organisationen geschaffen haben,…dass in vielen Ländern die Population explodiert und vor
allem die jungen Bevölker-ungschichten nach Freiheit, Demokratie und Wohlstand
streben und sich gegen totalitäre, meist höchst korrupte Despoten wenden, die Ihre
Bevölkerung über Jahrzehnte unterdrückt und ausgebeutet haben, das alles passt
nicht so recht ins ideologische Weltbild.
Oder vielleicht auch einen stramm-deutschen, mit den selben verheerenden Folgen
wie in den arabischen Ländern.
“Wie kommt man auf die Idee, den Irak auf der Karte als autokratische Demokratie zu
bezeichenen? Es ist eindeutig ein failed state.”
Ich kann ihnen versichern, dass dem nicht so ist!
Klar, sie haben aktuell große Probleme mit Aufständischen/IS, aber ein failed state ist es
nicht. Die meisten Foristen wären vermutlich positiv überrascht, wenn sie Bilder aus z.B.
Bagdad sähen täten.
Wo die USA ihre verdeckten und verdreckten Kriege führt, bleibt nur Elend.
Das Problem der Welt ist die USA mit ihrem brutalen altkolonialistischen Weltherrschaftsanspruch, die die UN leider völlig instrumentalisiert hat.
Solange der Begriff “arabischer Despotismus” existiert, wird sich “aufklärerisch” in diesen
Ländern nichts verändern. Aber durch die migrierten Ströme, Europa schon.
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"Die Kanzlerin wird sich korrigieren
müssen"
15.1.2016
Niedersachsens Regierungschef
Weil
(SPD)
ist seit Februar 2013
Niedersachsen
Ministerpräsident von
Die Welt: Herr Ministerpräsident, sind Sie schon einmal Opfer eines Verbrechens
geworden?
Stephan Weil: Nein, zum Glück nicht. Ich habe aber Bekannte, bei denen zum Beispiel
eingebrochen wurde. Aus meiner Zeit in der Strafjustiz, weiß ich, wie tief es Menschen
verunsichert, wenn Fremde zum Beispiel in die eigene Wohnung eindringen. Das rührt ganz
tief.
Die Welt: Womit hatten wir es in Köln zu tun?
Weil: Es war ein Tiefschlag in mehrfacher Hinsicht. Für die betroffenen Frauen, die einen
wahren Spießrutenlauf erleiden mussten. Für den Staat, der Vertrauen zurückgewinnen
muss, und für die allermeisten Flüchtlinge und die Menschen, die ihnen helfen. Sie laufen
Gefahr, unverdient in Misskredit zu geraten.
Die Welt: Ist Köln überall?
Hannelore
unserer Verantwortung und es tut uns leid" !
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Kraft
"Es
lag
in
Weil: Nein, Köln ist nicht überall. Die Vorgänge dort sind erschreckend. Auch aus Niedersachsen kenne ich Einzelfälle, aber eben nur Einzelfälle. Ich nehme das dennoch sehr ernst.
Frauen sind in Deutschland kein Freiwild. Diesen Grundsatz muss der Staat durchsetzen.
Die Welt: Polizisten sagen, sie durften Flüchtlinge lange nicht mit Kriminalität in Verbindung
bringen. Stimmt das?
Weil: Ich finde nicht, dass etwas verschwiegen werden sollte. Ich halte es aber für richtig,
dass die Nationalität dann in der Presse genannt wird, wenn es einen Zusammenhang zur
Straftat gibt. Eine allgemeine Verschlechterung der Sicherheitslage durch den Zuzug von
Flüchtlingen zeigen unsere Zahlen nämlich nicht.
Die Welt: Im vergangenen Jahr gab es in Ihrem Land mehrere Terrorwarnungen. Müssen
sich die Deutschen nicht nur an die Alltagskriminalität, sondern auch an die Terrorgefahr
gewöhnen?
Weil: Eine abstrakte Gefahr besteht leider, an derart konkrete Terrorwarnungen müssen wir
uns hoffentlich nicht gewöhnen. Niemand soll und muss sich in sein privates Schneckenhaus
zurückziehen. Aber wir sollten achtsam sein. Der Abend, an dem wir das Länderspiel
Deutschland–Niederlande abgesagt haben, war für mich der schlimmste Abend des
vergangenen Jahres. Drei Stunden haben wir trotz der ernst zu nehmenden Hinweise
gehofft, dass nichts passiert. Erst danach konnten wir einigermaßen sicher sein, dass der
Abend ruhig zu Ende gehen würde.
Die Welt: Welche Verbindungen gibt es zwischen Flüchtlingen und Kriminalität?
Kölner Polizeistatistik: Aus
diesen Ländern stammen straffällige Flüchtlinge
Weil: Wenn viele Menschen nach Deutschland kommen, dann kommen nicht nur solche, die
es gut meinen. Nach den bisherigen Erfahrungen in Niedersachsen kann ich aber sagen:
Nur wenige Flüchtlinge werden straffällig, und sie begehen dann auch in der Regel kleinere
Delikte – aber unabhängig davon muss man von Anfang an klarstellen, welche Regeln hier
gelten. Wir dulden in Deutschland keine rechtsfreien Räume.
Die Welt: Seit einigen Monaten kommen so viele Flüchtlinge, dass die Regierung nicht
genau weiß, wer im Land ist. Entgleitet die Kontrolle?
Weil: Bezogen auf die Asylverwaltung des Bundes stimmt das leider. Ansonsten stehen wir
mindestens vor einer Riesenherausforderung. Die vergangenen vier Monate habe ich als
Grenzsituation empfunden. Alle Beteiligten haben bis an den Rand der Belastung arbeiten
müssen, um eine Massenobdachlosigkeit zu verhindern. Nun kommt die eigentliche
Aufgabe: Wir müssen zum Beispiel sehr viele Wohnungen bauen, damit es nicht zu einem
Verdrängungswettkampf mit den Ärmeren in der Gesellschaft kommt.
Wie groß diese Aufgabe ist, haben die Unionsmitglieder der Bundesregierung noch immer
nicht verstanden. Frau Merkels "Wir schaffen das" hat mit Ach und Krach seine Berechtigung
für die Notunterkünfte gehabt. Notunterkünfte alleine aber reichen nicht aus.
Die Welt: Auch die Integrationsfrage ist damit noch nicht angesprochen.
Weil: Und das ärgert mich. Die Bundeskanzlerin sagt auch insofern: "Wir schaffen das." Das
ist etwas wohlfeil, denn es sind die Länder und vor allem die Kommunen, die Hilfsorganisationen und die Ehrenamtlichen, die es schaffen. Die Gesellschaft hat ihre Bewährungsprobe 2015 bestanden. Das kann man von der Politik nicht behaupten.
54
Entweder gelingt es, international die Zugangszahl zu drosseln.
Oder wir müssen Dinge tun, die niemand will und die Europa
schaden werden.
Die Welt: Was muss geschehen, wo die EU-Außengrenze noch immer nicht geschützt ist?
Weil: Schon Mitte September habe ich gesagt, dass die Bundesregierung einen Plan B auf
den Tisch legen muss.
Die Welt: Der Plan B lautet: die Grenzen dichtmachen.
Weil: Ist das so? Ich bin mir allerdings sicher: Die Bundeskanzlerin wird sich im Laufe des
Jahres korrigieren müssen. Entweder gelingt es, international die Zugangszahl zu drosseln.
Oder wir müssen Dinge tun, die niemand will und die Europa schaden werden.
Die Welt: Sie meinen das Ende von Schengen?
Weil: Entweder man sichert die EU-Außengrenze – was ich für notwendig halte – und
errichtet humanitäre Auffangeinrichtungen an den Grenzen. Ansonsten erleben Binnengrenzen in Europa ein Comeback.
Ex-Verfassungsrichter
"Merkels Alleingang war ein Akt der Selbstermächtigung"
Die Welt: War Merkels Einladungspolitik ein Fehler, den es zu korrigieren gilt?
Weil: Die Entscheidung, Anfang September die Grenze zu öffnen, war als Zwischenlösung
richtig. Das war ein humanitärer Akt. Er hat aber fatalerweise dauerhaft zu einer Sonderrolle
Deutschlands in Europa geführt. Die anderen Staaten lehnen sich nicht nur zurück, sondern
sprechen mit Häme von der "deutschen Einladung". Diesen Mechanismus muss die
Bundesregierung beenden.
Die Welt: Hat Frau Merkel die Lage im Griff?
Weil: Die letzten Monate haben uns an den Rand unserer Möglichkeiten gebracht. Nehmen
Sie den Bundesinnenminister, der stetig neue Gesetze vorschlägt, während in seinem
Geschäftsbereich Chaos herrscht. Die Lage beim BAMF ist, freundlich ausgedrückt, sehr
schwierig. Solche Zustände verunsichern die Bevölkerung. Die Menschen spüren, dass der
Staat die Lage nicht im Griff hat. Ich bin überzeugter Anhänger eines starken Staates, aber
ein solcher Staat überzeugt durch Taten, nicht durch Worte.
Die Welt: Sie halten nichts von einer Obergrenze. Aber sympathisieren Sie nicht doch
heimlich mit der Zahl von 200.000, die Ihr Amtskollege Horst Seehofer (CSU) nennt?
Weil: Die Obergrenze ist ein politischer Kampfbegriff, und damit das letzte, was wir derzeit
brauchen. Das Grundrecht auf Asyl bei individueller Verfolgung steht nicht zur Disposition.
Aktuell aber kommen vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge. Für diese Gruppe empfiehlt sich eine
Aufnahme aus Kontingenten und das durchaus großzügig, denn Deutschland ist stark. Die
200.000 halte ich für zu gering, ebenso wie eine Million zu viel sind. Ich tue Ihnen aber nicht
den Gefallen, eine eigene Zahl zu nennen.
Ich erwarte von der Bundeskanzlerin, die einen eigenen Anteil an
der aktu-ellen Lage hat, einen Plan für die Finanzierung
Die Welt: Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Weil: Die Bundeskanzlerin muss endlich sagen, wer die enormen Kosten zahlt. Integration ist
eine große, sehr teure Investition. Sie kann unsere Sozialsysteme langfristig dauerhaft
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entlasten und die Wirtschaft beflügeln. Aber erst einmal kostet sie Geld. Deswegen finde ich
es gut, dass auch der Kollege Seehofer inzwischen auf die Linie eingeschwenkt ist, den Soli
fortzusetzen. Der Bund muss jetzt sagen, was er leisten will. Länder und Kommunen tun
schon alles, bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Erlaubten.
Die Welt: Haben sich die Länder mit ihrer sehr ehrgeizigen Schuldenbremse und dem Ziel
einer Null-Neuverschuldung überfordert?
Weil: Ich habe nie verstanden, warum die Länder Ja gesagt haben zu einer Regelung, die für
sie selbst strenger ist als für den Bund. Niemand kann mir diesen Mechanismus erklären. Er
kommt wohl von Politikern, die kurz vor ihrer Pension die Latte noch einmal höher hängen
wollten. Im Nachhinein betrachtet war das fatal.
Die Welt: Wollen Sie die Schuldenbremse aufweichen?
Weil: Nein, über dieses Stöckchen springe ich nicht. Ich erwarte von der Bundeskanzlerin,
die einen eigenen Anteil an der aktuellen Lage hat, einen Plan für die Finanzierung. Die
einen machen die große Politik, die anderen machen die Arbeit und zahlen – so geht das
nicht.
Gabriel
zur
Flüchtlingskrise
"Wenn wir es wollen, dann schaffen wir es auch"
Die Welt: Welchen Kurs fährt die SPD in der Flüchtlingspolitik? Sigmar Gabriel ist für "Haft
im Heimatland", will Gesetze verschärfen, Ralf Stegner will Aussitzen. Was gilt denn nun?
Weil: Die Länder bemühen sich schon jetzt in vielen Fällen, dass Strafen in den Herkunftsländern abgesessen werden. Da Druck zu machen, ist völlig richtig. Ich wünsche mir
generell, dass meine Partei ihre Standpunkte noch stärker konturiert und verständlich
darstellt.
Die Welt: Die Kommunalpolitiker der SPD dringen auf schärfere Gesetze, schnellere
Abschiebungen. Muss die Parteiführung mehr auf ihre Bürgermeister und Landräte hören?
Weil: Die eigentliche Kärrnerarbeit wird in den Städten und Gemeinden geleistet. Da wird
nicht um den heißen Brei herumgeredet. Sigmar Gabriel weiß das in Berlin wie kaum ein
anderer. Sehr viele unserer Anhänger wollen eine realistische Politik, die die humanitären
Möglichkeiten Deutschlands ausschöpft, uns aber nicht überfordert. Eine Haltung, die der
Bundespräsident perfekt pointiert hat: "Unsere Herzen sind weit, aber unsere Möglichkeiten
sind endlich." Das ist vielen SPD-Wählern näher als die Floskel "Wir schaffen das".
Die Welt: Was würde ein Durchmarsch der AfD bei den drei Landtagswahlen im März bedeuten?
Weil: Ein Erfolg dieser ausländerfeindlichen Partei wäre ein Rückschlag
für unser Land.
Die Welt: Müssen und wollen Sie um AfD-Sympathisanten kämpfen?
Weil: Na klar. Die etablierten Parteien müssen das Vertrauen derjenigen,
die zweifeln und Angst haben, zurückgewinnen. Solche Leute darf man
doch nicht in die rechte Ecke stellen.
56
" überhebt sich Deutschland mit seinem Helfersyndrom" ?
Die Städte "laufen voll", warnt
Buschkowsky und rügt die deutsche Asylpolitik. Historiker Münkler sieht Zuwanderung aber als "Investition": Flüchtlinge könnten Arbeitsmarkt und Sozialsysteme retten.
Fünf Leute sitzen auf einem Podium und diskutieren darüber, wie Integration gelin-gen kann.
Weder unter den Diskutanten noch im Publikum ist jemand mit Migrations-hintergrund,
geschweige denn ein Flüchtling. So jedenfalls gelingt Integration nicht. Am Ende der
Veranstaltung fragt der Moderator jede Person auf der Bühne, ob sie im Verlauf der
Diskussion irgendetwas von einer anderen Person auf der Bühne gelernt habe. Der Star des
Abends, Heinz Buschkowsky (SPD), sagt kurz und bündig: "Diesbezüglich empfinde ich eine
große Leere." Die anderen sagen das Gleiche, nur blumiger. So gelingt auch Diskussion nicht.
Schade eigentlich.
Die Urania in Berlin ist eine altehrwürdige Institution, und ihr Publikum ist auch ziemlich alt.
Hier sitzt das, was sich für die Mitte der Gesellschaft hält. Zu den wenigen jungen Besucherinnen gehören die zwei aus München und Münster zugewanderte Studentinnen, die bis zum
Veranstaltungsbeginn laut darüber schwätzen, dass ihre gemeinsame hässliche Freundin beim
Urlaub neulich "verzweifelt darüber war, dass sie nicht angetanzt wurde". Und dass Frauen an
der Uni es ganz gut hätten, weil sie unterschätzt würden. "So kann man die Leute überraschen, ohne sich allzu sehr anzustrengen." Man möchte vor Fremdscham in den Boden
versinken. Doch dann beginnt die Veranstaltung. 19.30 Uhr. Erst eine Stunde später wird das
Wort "Köln" das erste Mal fallen.
Auf dem Podium sitzen Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei; Herfried Münkler,
Geschichtsprofessor; Annette Treibel-Illian, Soziologin; Andreas Germershausen, Integrationsbeauftragter des Berliner Senats; und eben Buschkowsky, Ex-Bürgermeister von BerlinNeukölln und Bestsellerautor. Auf der Eintrittskarte steht nur sein Name. Etwa zwei Drittel
der Anwesenden, jedenfalls nach dem Beifall zu urteilen, sind hier, um ihn "Klartext" reden
zu hören.
Er lässt sein Publikum zappeln. In der ersten Runde sind sich alle Diskutanten erstaunlich
einig. Deutschland sei nun einmal ein Einwanderungsland. Wir alle seien gefordert. Besonders aber der Staat. Integration könne gelingen, "wenn alle sie wollen", so Buschkowsky. Man
müsse sich an den Erfolgen orientieren, so Treibel, und außerdem müssten sich nicht nur
Zuwanderer in die Einwanderungsgesellschaft integrieren, sondern auch Einheimische: "Alte,
neue und ganz neue Deutsche." Kipping hält nichts von Gelöbnissen der Zuwanderer, wie sie
in der Union diskutiert werden. "Das kenne ich von den Jungen Pionieren früher. Damit ist
mein Bedarf gedeckt." Dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Gelöbnis, für die
Diktatur des Proletariats zu kämpfen, und dem Versprechen, die Werte der Demokratie zu
achten, scheint niemandem auf dem Podium aufzufallen
- „Wer sich nicht anpasst, muss den Koffer nicht auspacken“ Heinz Buschkowsky (SPD)
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Germershausen redet von "erfolgreichem Verwaltungshandeln", was vor Berliner Publikum
Kichern hervorruft. Buschkowsky fordert die Verankerung von Einwanderung als Staatsziel
im Grundgesetz und die Schaffung eines Ministeriums für Einwanderung. Warum nicht?
Schafft jedenfalls Arbeit für Juristen und Beamte.
Erst spät kommt ein wenig Leben in die Bude. Münkler weist darauf hin, dass wir noch vor
zehn Jahren über die demografische Katastrophe gesprochen hätten und darüber, dass wir
eigentlich 500.000 Zuwanderer pro Jahr brauchten. Jetzt hätten wir sie. Wir müssten Zuwanderung als "Investition betrachten, die sich amortisieren kann", die den Arbeitsmarkt, den
Immobilienmarkt und die Sozialsysteme retten könne. Buschkowsky spitzt die Ohren. Allein
im vergangenen Jahr seien 600.000 alleinstehende junge Männer gekommen, "die wären per
se ein Gefährdungspotenzial, egal ob Biodeutsche oder Zuwanderer".
Dann müsse man den Familiennachzug erleichtern, wirft Kipping ein. Germers-hausen erzählt
etwas von "Integrationslotsinnen und -lotsen, die Zuwanderinnen und Zuwanderer beim Gang
durch die Verwaltung begleiten", sodass es "in allen Bezirken mittlerweile eine solide
Begleitstruktur" gebe. Er scheint in einer anderen Welt zu leben, jedenfalls eine andere
Sprache zu sprechen.
Und dann poltert der Stargast los
So oder so liefert er Buschkowsky die Provokation, die er braucht, um zu Hochform aufzulaufen. Er wolle nichts von Stadtteilmüttern und Integrationslotsen hören, poltert der Rentner,
auch nicht vom Immobilien- und Arbeitsmarkt. Wohnungen und Arbeitsplätze seien "nicht
da". Buschkowsky findet: "Deutschland überhebt sich mit seinem "Helfersyndrom." Acht bis
zehn Millionen seien auf dem Weg zu uns. In einem "geschichtlich einmaligen Vorgang"
habe Deutschland "seine Grenzen für nicht existent" erklärt, die Städte "laufen voll", wir
bekämen "Zustände wie im Londoner Bezirk Brixton, da will ich nicht wohnen".
Jetzt ist der Beifall da, Buschkowsky hat die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Niemand
scheint zu wissen, dass Brixton, wo es 1981 Rassenaufstände gab, heute zu den hippsten
Bezirken Londons gehört, wie übrigens Neukölln zu den angesagtesten Bezirken Berlins –
gerade wegen der ethnischen Vielfalt, den damit verbundenen billigen Mieten für
Künstlerateliers, Klubs und experimentelle Wohnprojekte. Egal.
Übrigens wäre Brixton auch deshalb ein interessanter Untersuchungsgegenstand, weil die
Teilnehmer an den Aufständen junge schwarze Männer mit karibischem Migrationshintergrund waren: Christen größtenteils, jedenfalls nominell so christlich, wie die Kölner
Gewalttäter muslimisch waren. Die soziologische Untersuchung der Ursachen solcher
Gewaltausbrüche und der Möglichkeiten ihrer Eindämmung durch "Verwaltungshandeln",
polizeiliches Zugreifen, vor allem aber durch spontane gesellschaftliche Prozesse wie
Selbstorganisierung und Gentrifizierung wäre ein großes Thema gewesen, schien aber leider
den Horizont der anwesenden Professorin zu übersteigen, die zunehmend – wie der
anwesende Fachmann der Verwaltung – den Faden zu verlieren und sich woanders hinzuwünschen schien.
Dennoch. Bei aller rhetorischen Überhöhung und Selbstinszenierung, die der Dauertalkshowgast Buschkowsky brillant beherrscht, war das Podium sich im Grundsatz erstaunlich einig,
wie die Eingangsrunde bewies. Buschkowsky ist weniger Populist als vielmehr Vertreter der
alten Sozialdemokratie der Willy Brandt und Helmut Schmidt, die an die Möglichkeiten des
"social engineering" im großen Stil glaubte.
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Juncker warnt vor Ende
des Euro und des Binnenmarktes
15.1.2016
Flüchtlingskrise:
Kommissionschef:
Enorme Kosten bei Grenzkontrollen
Wenn die EU-Staaten im Jahr 2016 nicht gewillt seien, die Flüchtlingskrise gemeinsam zu lösen und sich auf eine faire Verteilung der
Lasten zu einigen, drohe der Europäischen Union als Konsequenz ein
langsamer Zerfall. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in einzelnen Staaten verursachten enorme Kosten, bisher geschätzte drei
Milliarden Euro. Sie verschärften die Wirtschaftskrise und die
Arbeitslo-sigkeit. Davor warnte der Präsident der EU-Kommission,
Jean-Claude Juncker, am Freitag in seiner Pressekonferenz zum
Jahresauf-takt in drastischen Worten.
Insbesondere die Initiativen, die das Schengen-System der offenen Grenzen infrage
stellen, anstatt den Schutz der EU-Außengrenze voranzutreiben, sind für ihn offenbar
ein Indiz dafür. "Wer Schengen killt, wird am Ende den Binnenmarkt zu
Grabe getragen haben, dann wird das Arbeitslosenproblem nicht
länger beherrschbar sein", sagte Juncker. Und er fügte an anderer Stelle
hinzu, dass dann auch die gemeinsame Währung Euro an ihre Grenzen stoßen
werde.
"Ein offenes Wort reden"
Was die Probleme in Europa anginge, zeigte er sich "ohne Illusionen",
sie würden eher zunehmen. Nichtsdestotrotz werde die Kommission
nicht davon ablassen, die Vorschläge weiter zu verfolgen, auch zur
Aufteilung der Flüchtlinge. Man werde auch mit diesen "ein offenes Wort
reden" müssen: Flüchtlinge hätten kein Recht, sich der Zuteilung auf
Staaten zu widersetzen, die sie aufnähmen.
Bald will die Kommission einen neuen Vorschlag für ein gemeinsames Asylwesen "statt für Dublin III" machen, das nicht funktioniere. Juncker wirkte desillusioniert über die EU-Staaten. "Ich bin
es langsam leid, dass immer wieder die Kommission dafür kritisiert
wird, sie tue zu wenig", sagte er, aber es müssten die Regierungen
endlich umsetzen, was sie gemeinsam beschlossen haben.
Optimistisch ist er, dass im Februar eine Lösung für die Reformwünsche Großbritanniens gefunden wird.
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Franken-Kredite: Polens Präsident schickt Banken auf Kurstalfahrt
15.1.2016
Präsident Andrzej Duda.
Der neue "Gottseibeiuns" der polnischen Banken
Der von Polens neuem Präsident Andrzej Duda auf den Weg gebrachte Zwangsumtausch für Frankenkredite versetzt Polens Banken in Aufregung. Auch Notenbank warnt vor Doppelbelastung: würde einige Banken in eine "ernste Krise"
stürzen.
Warschau. Der polnische Präsident Andrzej Duda will die Bürger des Landes doch von
der Last befreien, ihre Hypothekenkredite in Schweizer Franken zurückzahlen zu müssen. Duda stellte am Freitag einen Gesetzentwurf zur Umwandlung der vor Jahren
beliebten Franken-Kredite in Zloty vor. Dudas Büro betonte, die Kredite sollten zu einem
"fairen Wechselkurs" auf Zloty umgestellt werden können, blieb Einzelheiten des Vorschlags aber schuldig. Finanzminister Pawel Szalamacha nannte den Entwurf "akzeptabel", meldete aber Änderungswünsche an. Polens Banken, darunter die CommerzbankTochter mBank, fürchten deshalb Milliardenbelastungen, ihre Aktienkurse brachen um
bis zu sechs Prozent ein. Der Staat werde die Kosten jedenfalls nicht tragen, betonten
Vertraute Dudas.
Der Umtausch der Franken-Kredite gehörte zu den Wahlkampf-Versprechen Dudas, der
im Oktober ins Amt gewählt worden war. Viele Banken hatten aber erwartet, dass die
Idee vom Tisch sei, nachdem die Regierung eine Bankenabgabe eingeführt hat, die am
Freitag vom Parlament verabschiedet wurde. Die Banken sollen die Abgabe - 0,0366
Prozent der Bilanzsumme pro Monat - nach Dudas Vorstellungen durch den Umtausch
um bis zu 20 Prozent mindern können. Die Kosten sollten zudem auf mehrere Jahre
verteilt werden.
Notenbankpräsident Marek Belka hatte im Dezember vor einer gleichzeitigen Einführung
der Bankenabgabe und des Hypotheken-Tauschs gewarnt. Die Doppelbelastung würde
einige Banken in eine "ernste Krise" stürzen.
Belastung bis zu acht Milliarden Euro
Mehr als eine halbe Million Polen haben vor allem in den Jahren 2007 und 2008
Hypothekenkredite in der Schweizer Währung aufgenommen, da dafür deutlich geringere Zinsen fällig wurden. Seither hat sich der Franken aber zum Zloty um rund 80
Prozent verteuert, wodurch die Schuldenlast für die polnischen Kreditnehmer massiv
60
gestiegen ist. In den Büchern polnischer Banken liegen Franken-Kredite im
Gegenwert von 144 Milliarden Zloty (32,6 Milliarden Euro). Würden sie zum
historischen Kurs umgetauscht, würde das die Banken zusammen 35
Milliarden Zloty (acht Milliarden Euro) kosten - das ist doppelt so viel wie
sie 2014 verdient haben. Allein die mBank sitzt auf 4,6 Milliarden Euro an
Franken-Krediten, stärker belastet ist nur Marktführer PKO.
Wie viel die Umwandlung die Banken tatsächlich kostet, soll die Bankenaufsichtsbehörde
KNF ausrechnen. In der Branche stieß Dudas Vorstoß auf harsche Kritik. Der Gesetzentwurf sei "völlig unausgegoren", so lange die Kosten unklar blieben, sagte Urszula
Krynska, Volkswirtin bei der Bank Millennium. Die Unsicherheit angesichts der fehlenden Einzelheiten hätten den Markt nervös werden lassen, sagte ein Händler. MBankAktien gaben 3,2 Prozent nach, bei der kleineren Getin Noble waren es sogar 6,3 Prozent.
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Ratingagentur stuft Kreditwürdigkeit Polens herab
Ratingagentur Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit Polens
herabgestuft. Grund sei die Schwächung der "Schlüsselinstitutionen" des Staates durch die neuen Gesetze der Regierung.
Polens System der wechselseitigen Kontrolle der Institutionen sei durch die neuen
Gestze der Regierung um Jaroslaw Kaczynski (M.) deutlich ausgehöhlt worden – so
begründet Standard & Poor's die Herabstufung der Kreditwürdigkeit
Nach umstrittenen politischen Reformen in Polen hat die US-Ratingagentur Standard
& Poor's die Kreditwürdigkeit Polens herabgestuft. Die Ratingagentur bewertete
Polens Kreditwürdigkeit am Freitag mit der Note BBB+ und stufte die weiteren
Aussichten als negativ ein. Zur Begründung hieß es, die unter der
nationalkonservativen Regierung in Warschau verabschiedeten neuen Gesetze
schwächten "Schlüsselinstitutionen" des Staates.
"Die Herabstufung spiegelt unsere Sicht wider, dass Polens System der
wechselseitigen Kontrolle der Institutionen deutlich ausgehöhlt worden ist", erklärte
Standard & Poor's mit Blick auf die umstrittenen Reformen des Verfassungsgerichts
und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Unter anderem sei die Fähigkeit des
Verfassungsgerichts, "effizient und unabhängig zu arbeiten", durch die jüngsten
Reformen geschwächt worden. Das polnische Finanzministerium bezeichnete die
Entscheidung der Ratingagentur am Freitagabend als "unverständlich".
Die Ratingagentur Fitch stufte die polnische Bonität dagegen unverändert mit der
Note A+ ein. Zur Begründung führte sie die starke Wirtschaftsleistung und ein
stabiles Bankensystem an. Einschränkend hieß es allerdings, nach dem Amtsantritt
der nationalkonservativen Regierung im Oktober werde "das politische Leben Polens
weiter polarisiert werden". "Größere Spannungen" seien zu erwarten.
Die nationalkonservative Regierung der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von
Jaroslaw Kaczynski hat seit ihrem Amtsantritt im Oktober mehrere kontroverse
Gesetze erlassen, um das Verfassungsgericht und den Rundfunk unter ihre Kontrolle
zu bringen. Die Reformen stießen bei der Opposition und den EU-Partnern auf teils
61
scharfe Kritik, die EU-Kommission leitete inzwischen ein Verfahren zur Lage des
Rechtsstaats in Polen ein.
16.1.2016
Von den Briten lernen,
heißt in der EU siegen lernen: Es
gibt nicht zu wenig Europa, sondern zu viel und zu schnell. Nur
Demokratie und Marktwirtschaft wird die Krise behe-ben. Alles
andere ist Selbstbetrug.
Deshalb:
-
Großbritanniens Kurs ist richtig.
Großbritanniens Premier David Cameron
beim EU-Gipfel in Brüssel
Skepsis gegenüber der immer engeren Union Europas gilt immer noch als rechte
Position. Die Sozialdemokraten Andrea Nahles und Olaf Scholz haben nun diese
Positionen wieder okkupiert, die von der europäischen Linken vor Jahrzehnten
geräumt wurden. Ein Dammbruch. In einem Beitrag für die "Welt" befürwortete
Scholz einerseits die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der EU, erteilte jedoch dem
Sozialtourismus eine Absage. Niemand habe das Recht, sich das Land
auszusuchen, in dem er Sozialhilfe empfängt. Richtig. Sozialministerin Nahles will
denn auch den Empfang deutscher Sozialleitungen daran knüpfen, dass der nicht
deutsche EU-Bürger mindestens ein Jahr im Land gelebt – und gearbeitet – hat. Gut.
Der britische Premierminister David Cameron stellt im Kern die gleiche Forderung als
Bedingung für einen Verbleib Britanniens in der Europäischen Union. Gewiss,
Cameron will ein längeres Moratorium: Vier Jahre. Das sind aber technische Differenzen, die sich klären lassen, ist einmal das Prinzip einer Wartezeit für Sozialleistungen akzeptiert.
Bisher aber galt gerade dieses Prinzip als Häresie, weil sie die Ungleichbehandlung
von EU-Bürgern festschreibt. Genau diese Ungleichbehandlung fordern nun Nahles
und Scholz. Zu Recht. Zuwanderung in die Sozialsysteme zu fördern, ist keine linke
62
Politik, der es um die Herstellung von Chancen geht, nicht um die Alimentierung des
Abhängens oder der Abgehängten. Sie dient weder der Integration Europas noch der
Völkerverständigung.
Nationale Souveränitäten sind wichtig
Vier Jahre Wartezeit mögen hart erscheinen, aber darum geht es nicht. Ist einmal
das Prinzip des Moratoriums etabliert, könnten sich EU-Kommission, Parlament und
Rat auf einen Korridor – sagen wir, zwischen einem Jahr und vier Jahren – einigen
und die Ausgestaltung den nationalen Gesetzgebern überlassen. Ein solcher Erfolg
würde es Cameron erlauben, entschieden für einen Verbleib Großbritanniens in der
EU zu kämpfen. Er sollte aber mehr tun als bloß bleiben. Er muss führen.
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Atomabkommen mit dem
Iran : Eine neue Ära bricht an
17. Januar 2016
Iranische Hardliner, die Saudis, Israel sowieso: Das Atomabkommen hat viele Gegner. Und doch standen die Chancen auf eine
demokratische Öffnung im Iran nie besser.
Viele Iraner erhoffen sich nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung,
sondern auch neue Demokratiebestrebungen vom Atomdeal.
So spartanisch gibt sich das Wiener Protokoll selten. Fast konnte man am Wochenende den
Eindruck haben, die angereisten Chefdiplomaten wollten ihre Großtat möglichst klein spielen.
Erst spät in der Nacht verlasen die Außenminister von EU, USA und Iran im IAEOHauptquartier ihre Kommuniqués, verzichteten auf einen pompösen Festakt und gingen
anschließend wieder rasch ihrer Wege.
Und das, obwohl der Atomvertrag ohne Zweifel einen historischen Wendepunkt markiert. Er
wird die Dynamik der Weltdiplomatie verändern, genauso wie das regionale Machtgefüge
und nicht zuletzt auch die Islamische Republik. Doch die Beteiligten in Wien wissen auch,
dass ihre Umwälzungen mächtige Gegner haben, in den Vereinigten Staaten, im Nahen
Osten und nicht zuletzt im Iran selbst.
Israel sieht sich von der persischen Atomkompetenz bedroht. Saudi-Arabien rebelliert gegen
die wirtschaftliche Kraft und das Hegemoniestreben des alten Rivalen. Die Saudis sind nicht
mehr länger Exklusiv-Verbündeter von Europa und den USA, was auf der Arabischen
Halbinsel Verunsicherung, Angst und Paranoia auslöst. Der Abbruch der diplomatischen
Beziehungen zwischen Riad und Teheran liegt gerade zwei Wochen zurück. Die provokante
Exekution des schiitischen Predigers Nimr al-Nimr verärgert Brüssel und Washington
gleichermaßen. Und so kam es am Sonntag an den Börsen am Golf zu ähnlichen
Panikverkäufen wie während des Arabischen Frühlings 2011.
Auch die innenpolitischen Spannungen nehmen zu
63
Aber auch die Hardliner und Sanktionsgewinner daheim in Teheran treiben Sorgen um. Sie
fürchten finanzielle Einbußen und eine Liberalisierung der Gesellschaft, die ihrem
Machtanspruch auf Dauer gefährlich werden könnte. Außenpolitik ist Innenpolitik, diese
Formel hatte Hassan Rohani bei seiner Wahl 2013 auf Anhieb mit absoluter Mehrheit ins
Präsidentenamt katapultiert. Er werde den Iran wieder zu einem respektierten Partner auf
dem internationalen Parkett machen und die heimische Willkürmacht der Theokratie durch
eine Grundrechtecharta für alle Bürger begrenzen.
Seit Monaten nun laufen seine Gegner in Teheran Sturm, um diese brisante Verknüpfung zu
durchtrennen. Mit immer neuen Aktionen versuchen sie, das Ansehen der gemäßigten
Führung im Ausland zu diskreditieren. Seit Monaten läuft eine massive Einschüchterungskampagne gegen kritische Intellektuelle, Filmemacher, Künstler und Musiker. Die Zahl der
Hinrichtungen kletterte auf Rekordniveau und liegt mindestens fünfmal so hoch wie beim viel
kritisierten Rivalen Saudi-Arabien. Politische Aktivisten, Journalisten, ja zuletzt sogar zwei
Lyrikerinnen wurden zu hohen Haftstrafen und Peitschenhieben verurteilt.
Das neue Selbstbewusstsein der iranischen Jugend
Die Konservativen ahnen, dass sie bald unter Druck geraten könnten. Am 26. Februar steht
ihre nächste Machtbastion zur Disposition, sollten sie bei den Parlamentswahlen ihre Mehrheit verlieren. Ihr Schutzpatron, Revolutionsführer Ali Chāmeneʾi , ist 75 Jahre alt und krebskrank. Erstmals seit 1979 wird nun auch die Frage seiner Nachfolge offen diskutiert und nicht
mehr tabuisiert. 70 Prozent der 78 Millionen Iraner sind jünger als 30 Jahre und kennen
Staatsgründer Ajatollah Chomeini nur noch vom Hörensagen oder von Propagandaplakaten.
Trotzdem sind in dem ausgeblichenen Gottesstaat die Aussichten
für eine demokratische Öffnung besser als im Rest der
nahöstlichen Welt. Irans Zivilgesellschaft ist entwickelter als alle
arabischen Konkurrenten. Das Land ist reich an Bodenschätzen
und hat eine jahrzehntealte Industriekultur, der in den nächsten
Jahren der größte Innovationsschub aller Zeiten bevorsteht. Die
Bevölkerung ist gebildet, belesen und diszipliniert. Die jungen
Leute aus dem Iran gehören zu den talentiertesten der Region. Sie
wissen, was sie wollen. Und sie sind sicher, dass ihre Zeit bald
kommen wird.
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20. 01. 2016.Flüchtlingskrise: Österreich führt
Obergrenze für Asylbewerber ein
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Österreichs Kanzler Faymann: Die österreichische Regierung hat
eine Obergrenze für Flüchtlinge verkündet. Dieses Jahr will das
Land nur noch 37.500 Hilfesuchende aufnehmen.
Österreich will im Jahr 2016 nur noch 37.500 Asylbewerber aufnehmen,
bis 2019 sollen es insgesamt maximal 127.500 sein. Die Entscheidung fiel
am Mittwoch auf dem Asylgipfel von Bundeskabinett und Landesregierungen im Wiener Kanzleramt
Der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann sprach von
einem "Richtwert". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner von der konservativen ÖVP verwendete den Begriff "Obergrenze". Laut Faymann sei die nun
beschlossene Zahl eine "Notlösung" und "Plan B", mit der Österreich die
EU aufrütteln wolle. Im vergangenen Jahr waren in Österreich 90.000
Asylanträge gestellt worden. Man sei in Zukunft nur noch bereit, "weitere
1,5 Prozent der Wohnbevölkerung aufzunehmen", so Faymann.
Vizekanzler Mitterlehner kündigte auch ein neues "Grenzmanagement" an,
nannte jedoch keine Details. "Die große Anzahl an Flüchtlingen überfordert
unser System", so der Vizekanzler. Möglicherweise würde man auch
Flüchtlinge zurückweisen müssen. Wie das gehen soll, blieb unklar. Was
konkret passiert, wenn die Obergrenze überschritten wird, ist ebenfalls
weiter offen. Dazu sollten zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben werden, kündigte die Regierung in Wien an. Die österreichische Nachrichtenagentur APD meldete, die Gutachten sollten vom Europarechtler Walter
Obwexer und Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk erarbeitet werden.
Österreich baut Grenzzaun zu Slowenien
Nach 37.500 Menschen in diesem Jahr will Österreich die Flüchtlingszahl
weiter zurückfahren: 2017 sollen nur noch 35.000, 2018 dann 30.000
Asylsuchende ins Land gelassen werden. Im ersten Halbjahr 2019 sollen
dann noch maximal 25.000 durchgelassen werden.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erklärte nach dem Treffen,
dass bei 37.500 Anträgen "gestoppt" werde. Das könnte schon bald sein.
Die "Obergrenze" würde wahrscheinlich noch vor dem Sommer erreicht
werden, so die ÖVP-Politikerin. Mikl-Leitner erklärte: "Es wurde alles beschlossen, was mir für die Zukunft unseres Landes wichtig war." Sicherheit, Ordnung und Lebensqualität der Bürger könnten geschützt werden.
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Österreichische Soldaten unterstützen seit Mittwoch die Polizei am wichtigsten Grenzübergang nach Slowenien, um einreisende Flüchtlinge strenger zu kontrollieren. Am Übergang Spielfeld wird derzeit auch an einem
etwa 3,7 Kilometer langen Grenzzaun gebaut. Eigentlich gehören beide
Staaten zum grenzfreien Schengenraum. Langfristig soll Spielfeld der einzige Grenzübergang werden, über den aus Slowenien kommende Flüchtlinge einreisen dürfen.
Zudem hat die Große Koalition in Österreich bereits seit Wochen eine
Reihe von weiteren Maßnahmen diskutiert, mit dem die Migration gedrosselt werden soll. So soll nun das "Asyl auf Zeit" und ein eingeschränkter
Familiennachzug gesetzlich geregelt werden. Der Ministerrat - das oberste
beschlussfassende Gremium der Regierung - soll darüber bereits kommende Woche eine Entscheidung herbeiführen. Auch wird überlegt, die
Liste sicherer Herkunftsstaaten auszuweiten. Ebenso ist geplant, Einschnitte bei Sozialleistungen für Asylwerber vorzunehmen.
-----------------20. Januar 2016
Österreichs Obergrenze für
Flüchtlinge: Paukenschlag in Wien Das bezweckt Österreich mit der
Obergrenze für Flüchtlinge
Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Kanzler Werner Faymann auf der Pressekonferenz zur Flüchtlingspolitik
Jetzt ist es also offiziell: Österreich beendet die Zeit der Willkommenskultur. Nur noch 127
500 Asylbewerber dürfen bis 2019 ins Land - ein politisches Signal, dass auch Folgen für
Deutschland hat. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
"Wir schaffen das nicht" - so lautet ab sofort in Österreich das
Motto in der Flüchtlingspolitik. Als erstes Land in der EU setzt die
Alpenrepublik mit einer Obergrenze für Asylbewerber ein
politisches Signal zur Drossel-ung der Asylzahlen.
Bis Mitte 2019 dürfen nur noch insgesamt 127.500 Asylbewerber ins Land kommen, im laufenden Jahr nur 37.500 Flüchtlinge. Das wären rund 50.000 weniger als 2015. Doch das
recht-liche Fundament ist noch wackelig. Wie kommt die österreichische Regierung auf die
Zahl 127.500?
Die Zahl orientiert sich an der Wohnbevölkerung (rund 8,5 Millionen). 1,5 Prozent davon das sind die vereinbarten 127.500. Das Aufkommen der erlaubten Asylanträge würde dann
mit etwa 30.000 bis 40.000 pro Jahr wieder auf dem Niveau von 2014 liegen. Überträgt man
diese Rechnung auf Deutschland, würde das bis 2019 auf insgesamt 1,2 Millionen
Asylbewer-ber hinauslaufen.
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Was passiert, wenn die Obergrenze erreicht ist?
Den Spielraum sollen zwei Rechtsgutachten ausloten. Insofern ist ein zentraler Punkt des
Vorhabens noch nicht rechtlich abgesegnet. Von der Regierung angedacht sind grenznahe
"Wartezonen" für all diejenigen, die nach Erreichen der Obergrenze eintreffen. Manche
befürchten, dass hier "Elendsquartiere" entstehen könnten. Die Obergrenze soll nicht zuletzt
als politisches Signal nach innen und außen wirken. Sie markiert das Ende der
Willkommens-kultur.
Was passiert an der österreichisch-slowenischen Grenze?
Künftig soll die um- und ausgebaute Grenzstation in Spielfeld das einzige Tor für Flüchtlinge
von Slowenien nach Österreich sein. Dort soll nun jeder einzelne kontrolliert, sein Pass oder
Visum überprüft werden. Mit Zurückweisungen müssen etwa jene rechnen, die nicht
kooperativ sind. Die Grenze wird künftig von mehr Soldaten gesichert.
Wie war die Lage in Österreich bisher?
2015 hatte Österreich zusammen mit Deutschland und Schweden in der EU die Hauptlast
der Flüchtlingskrise zu tragen. 90.000 Asylanträge bedeuteten einen Rekord. 2013 hatte
diese Zahl noch bei 17.000 gelegen. Die Verteilung der Flüchtlinge im Land stieß teils auf
erheblichen Widerstand in den mächtigen Bundesländern.
Wie ist das generelle politische Kalkül?
Der Schritt ist aus Regierungssicht eine Not- und Übergangslösung. Weiter setzt Wien
darauf, dass in absehbarer Zeit die Sicherung der EU-Außengrenzen funktioniert und die
EU-Hot-spots einsatzbereit sind. Wien will den Druck erhöhen, dass auf der Balkanroute
etwas passiert.
Gibt es eine innenpolitische Komponente?
Ja, ganz deutlich. Im Gegensatz zu Deutschland, wo lange Zeit der Kurs von Kanzlerin
Angela Merkel ("Wir schaffen das") populär war, stand die rot-schwarze Koalition in Wien
schon seit dem vergangenen Sommer unter Beschuss. Politik wie Behörden schienen
überfordert. Die ausländerkritische rechte FPÖ liegt in Umfragen weit vorn. Im April
wählen die Österreicher einen neuen Bundespräsidenten. Da wollen SPÖ und ÖVP
rechtzeitig aus dem Stimmungstief kommen.
Aber geht das überhaupt: eine Obergrenze für die
Flüchtlingsaufnahme?
Zahlreiche Rechtsexperten sagen Nein und erklären, Obergrenzen seien mit EU-Recht und
internationalen Abkommen nicht vereinbar. Die CSU, die auch eine Obergrenze will und sich
durch Wien bestätigt fühlt, argumentiert dagegen, in den Abkommen sei nicht vorgeschrieben, dass ein Staat unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen müsse. So oder so bleiben praktische
Probleme: Ohne Sperranlagen und ein großes Polizeiaufgebot wäre eine Obergrenze gar
nicht durchzusetzen, meinen Kritiker.
Welche Folgen hat die Entscheidung der Österreicher?
Nach Expertenmeinung könnte schon die Ankündigung dazu führen, dass sich besonders
viele Flüchtlinge eilig auf den Weg nach Österreich und Deutschland machen - aus Angst,
dass es sonst zu spät ist. Eine abschreckende Wirkung halten Fachleute eher für
unwahrscheinlich. Alles weitere hängt davon ab, ob Wien das Vorhaben durchsetzen kann rechtlich und prak-tisch - und wie die Nachbarn dann mit Flüchtlingen umgehen,
67
die
kommen,
obwohl die
Obergrenze schon
erreicht ist.
Welche möglichen Szenarien gibt es da?
Sollte Österreich in diesem Fall gar keine Flüchtlinge mehr ins Land lassen, dürfte das kaum
die Asylzahlen in Deutschland reduzieren. Fachleute gehen eher davon aus, dass sich die
Fluchtrouten dann verschieben würden und Schutzsuchende zum Beispiel über Polen und
Tschechien kämen. Denkbar wäre auch, dass Österreich Flüchtlinge nicht per se abweisen
würde, sondern, sofern sie in Deutschland um Asyl bitten wollen, den Transport an die
deutsche Grenze organisieren könnte. Die Organisation Pro Asyl warnt, es könne auch zu
einer humanitären Krise kommen, wenn die Transitländer auf der Balkanroute Flüchtlinge
schon vorher aufhalten - aus Angst, dass sie sonst bei ihnen hängen bleiben -, und nicht
für deren Unterbringung sorgen.
Und welche politischen Folgen hat der Schritt für Deutschland?
Merkel gerät noch mehr unter Druck. Mit ihrem offenen Kurs in der Flüchtlingspolitik steht die
Kanzlerin in der EU allmählich ziemlich alleine da, während sich andere Länder zunehmend
abschotten. Auch der Koalitionspartner CSU drängelt nun noch mehr als bislang.
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Kettenreaktion in der Flüchtlingskrise - Der Preis einfacher Lösungen
Nachdem Österreich eine Obergrenze für Flüchtlinge eingeführt hat, droht auf dem Balkan
eine Kettenreaktion. Unkoordinierte Grenzschliessungen kämenganz Europa teuer zu stehen.
Spielfeld, Österreich, 20. Januar
Im Verhalten der EU manifestiert sich eine explosive Mischung aus Überforderung, fehlendem politischen Willen und mangelnder Bereitschaft
Trotz Winterkälte gelangen immer noch jeden Tag Tausende von Flüchtlingen nach Europa. Die Hoffnung auf eine Entspannung hat sich
zerschlagen, die politische Stimmung kippt. Nun hat auch Österreichs
Bundeskanzler Faymann, einer von Merkels engsten Verbündeten in der
Flüchtlingsfrage, einer drastisch reduzierten Obergrenze für Flüchtlinge
zugestimmt. Auch wenn der Regierungsplan offenlässt, was passiert,
wenn die Maximalzahl erreicht ist, hat sie eine grosse Symbolkraft. Angesichts des drohenden Scheiterns einer europäischen Lösung setzt
Österreich – offenbar teilweise in Absprache mit anderen Ländern der
«Koalition der Willigen» – auf eine Begrenzung in Eigenregie.
68
20.1.2016
Wiener Grenzregime rettet Merkels Kanzlerschaft
Das war knapp: Merkels Grenzöffnung hat unsere Nachbarn zu verstärkten Grenzkontrollen genötigt, jetzt auch Österreich. Nun sind Deutschlands Grenzen wieder
gesichert–nicht von innen, aber von außen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann, im Bundeskanzleramt in Berlin
Ein Schelm, wer da an Absprachen denkt. Just am Tag, als Angela Merkel
den Gang nach Kreuth wie nach Canossa antritt, da sich der Bundespräsident von
ihrer Politik der offenen Tür distanziert, tun ihr die österreichischen Großkoalitionäre
den Gefallen, die Grenze zum Balkan dichtzumachen und den Flüchtlingsstrom zu
kappen. Nun müssen die Slowenen, Kroaten, Serben, Mazedonier und letztlich die
Griechen zusehen, wie sie mit dem Rückstau fertigwerden. Das ist gelebte europäische Solidarität.
Merkels Grenzöffnung sollte ja Solidarität gegenüber den bedrängten Südosteuropäern zeigen. Die Szenen im Budapester Hauptbahnhof waren Symbol des drohenden Staatsversagens in dieser immer noch volatilen Region und wirkten in der
deutschen Psyche nach, bis sie zu Silvester verdrängt wurden von den Szenen in
einem anderen Bahnhof.
Da allerdings war schon klar geworden, dass Merkels Wette nicht aufgehen würde,
mit deutscher Willkommenskultur und Effizienz die EU-Partner so zu beschämen und
zu beeindrucken, dass sie sich zu einer europäischen Lösung des Problems
aufrafften.
Die deutsche Maßlosigkeit
-
Maßlosigkeit galt schon immer als deutsches Laster. Der unbegrenzte Asylartikel des
Grundgesetzes wurde unter Helmut Kohl zu einem Nichtasylartikel umgestaltet und
das Problem den anderen Europäern aufgebürdet. Deutschland darf ja jeden
Asylbewerber, der auf dem Landweg zu uns kommt, zurückweisen.
Merkel stellte diese Verhältnisse auf den Kopf. Noch einmal: nicht aus einer Laune,
sondern aus einer europäischen Notsituation heraus. Nun könnte ihr Österreich Luft
verschaffen und den Weg weisen in eine Diskussion über Grenzen und Obergrenzen. Unsere Nachbarn sind ja nicht engherzig. Knapp 40.000 Asylbewerber im
Jahr entsprechen, auf die Bevölkerung hochgerechnet, bei uns 400.000 oder doppelt
so viel, wie die CSU vorschlägt.
Merkels Plan einer großeuropäischen Lösung ist gescheitert. Nun kommt Plan B. Mit
nordafrikanischen Staaten verhandelt man über die Rücknahme abgewiesener
69
Bewerber und ausgewiesener Krimineller. Mit der Türkei und Jordanien über Arbeitserlaubnisse für Flüchtlinge.
Die EU-Grenzbehörde und die "Hotspots" auf dem Balkan nehmen
Gestalt an – und Österreich tut, was inzwischen auch Merkels
Partner SPD fordert. Trotz Köln könnte Merkel so mit einer positiven
Bilanz ins Superwahljahr 2016 gehen. Woran auch die von
Populisten bedrängten politischen Freunde in Wien ihr Interesse
haben.
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Merkel erteilt CSU und Österreich die Absage
"Dieser Tag war enttäuschend"
Dicke Luft in Wildbad Kreuth": Bayerns Ministerpräsident und CSU-Partei-
vorsitzender Horst Seehofer und
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Nach dem Treffen mit Kanzlerin Merkel beklagt sich CSU-Chef
Seehofer, dass von dieser "keine Spur des Entgegenkommens" zu
bemerken gewesen sei. Fast neidisch blickt er nach Österreich.
Merkels Besuch in Kreuth zeigt: Der Graben zwischen CDU und CSU ist tiefer
geworden. Beeindrucken lässt sich die Kanzlerin davon nicht - genauso wenig wie
von der österreichischen Grenzpolitik.Merkel, die die gleiche Situation hier, am
legendären Versammlungsort der CSU in den Alpen, schon vor zwei Wochen erlebt
hat – nur mit den CSU-Bundestagsabgeordneten – wusste, was auf sie zukommt.
Dennoch gibt sie sich gelassen. Und sie bleibt wie vor zwei Wochen bei ihrer Linie.
Mit einem kurzen "Nein", antwortet ein Teilnehmer der Aussprache auf die Frage, ob
sich die CDU-Vorsitzende irgendwie bewegt habe.
"Sind uns einig, dass wir die Zahl der Flüchtlinge
reduzieren sollten"
Merkel ist mit demselben Konzept angereist wie vor zwei Wochen: Das MiteinanderReden sei in so herausfordernden Zeiten von allergrößer Bedeutung, sagt sie und
stimmt der CSU im Prinzip zu: "Wir sind uns einig, dass wir die Zahl der Flüchtlinge
spürbar und nachhaltig reduzieren sollten. Ich glaube, dass das gelingen kann."
Aber bei der Realisierung zieht sie andere Schlussfolgerungen als die Schwesterpartei: "Ich glaube, dass wir eine europäische Lösung finden sollten." Und sie warnt
davor, dass "am Ende ein geschädigtes oder zerstörtes Europa" stehe, wenn nationale Alleingänge unternommen würden. "Nationale Maßnahmen und europäische
Verhandlungen gehen gleichzeitig nicht", hat sich ein Teilnehmer aus Merkels Rede
notiert.
70
"Dann kommen vielleicht noch 300"
Die Grenzschließung soll in Absprache mit europäischen Nachbarn, den Balkanstaaten und sogar Griechenland stattfinden. Die CSU hält nationale Maßnahmen für
unerlässlich in Abstimmung mit nationalen Maßnahmen anderer europäischer
Staaten.
Der Entschluss der Österreicher bekräftigt die CSU in ihrer Strategie. Jetzt könnte
der erhoffte Kaskaden-Effekt eintreten: Wenn europäische Partner Grenzen schließen, machen sie auch schnell ihre Grenzen dicht. Land für Land wird so das Problem
an die EU-Außengrenze zurück verschoben.
Die CSU hofft, dass allein schon die Ankündigung der Obergrenze und einer Grenzschließung den Flüchtlingsstrom schnell abschwellen lasse: "Dann kommen nicht
mehr jeden Tag 3000, 4000, sondern vielleicht noch 300", sagt Fraktionsvorsitzender
Thomas Kreuzer.
Währenddessen wird in der CSU munter spekuliert, wann und wie es zur ultimativen
Eskalation mit Merkel kommen könnte, falls die Kanzlerin nicht in der Flüchtlingspolitik umsteuere. Vor oder nach den drei Landtagswahlen im März oder erst im
Frühsommer, wenn die Obergrenze von 200.000 der CSU schon längst überschritten
sein wird?
Auf Fristen will sich niemand festlegen. "Wir machen das Schritt für Schritt", sagt
Seehofer und betont, dass immer die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachtet werden
müsse – auch von der CSU.
Konsens ist aber,
dass es der Partei nicht schnell genug gehen kann mit der Korrektur. Ein Kabinettsmitglied breitet schon detailliert aus, wie Merkel ansonsten gezwungen sein wird, im
Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, womit der Weg für einen Neuanfang frei
wäre.
"Sechs bis sieben Minuten": So schnell will Österreich
künftig Asylbewerber abweisen
Als erstes europäisches Land hat Österreich die Einführung einer Obergrenze für
Asylbewerber beschlossen. Höchstens 37.500 Asylbewerber will das Land dieses Jahr
aufnehmen. Wie diese Obergrenze umgesetzt werden soll, ist unklar. Die Genfer
Flüchtlingskonvention verbietet es, Asylsuchende an der Grenze ohne Prüfung abzuweisen.
Wie das Alpenland in Zukunft die Abfertigung von Asylbewerbern durchführen will, zeigt
sich am neu umgebauten Grenzübergang Spielfeld. Dort sortieren Beamte die aus Slowenien
kommenden Flüchtlinge zunächst nach Sprache ein. Geschulte Dolmetscher sollen dann
herausfinden, ob die Angaben stimmen – wer lügt, wird zurückgeschickt.
71
"Jetzt wird der Druck in Europa
steigen": Österreichs Außenminister erklärt den wahren Grund für
21.1.2016
die Asyl - Obergrenzen
Es war wie eine Kettenreaktion. Nachdem Österreich angekündigt hatte, eine Obergrenze
für Flüchtlinge einzuführen, gab ein Land nach dem anderen entlang der Flüchtlingsroute
bekannt, dass es die Bedingungen für die Ein- und Weiterreise für Asylbewerber verschärfen
wird.
Genau das hatte Österreich beabsichtigt. In zwei Interviews erklärte Österreichs
Außenminister Sebastian kurz, dass er mit einem "Domino-Effekt" auf dem Balkan rechnet,
der vollkommen beabsichtigt sei.
Kurz sagte der "Bild"-Zeitung: "Wenn ein Land eine Obergrenze setzt, dann reduziert sich
selbstverständlich die Zahl der Flüchtlinge. Aber die österreichische Obergrenze wird per se
noch keine Auswirkungen auf die Flüchtlingszahlen in Deutschland haben. Es kann aber
einen Dominoeffekt geben, bereits gestern haben Serbien und Mazedonien angekündigt, ihre
Grenzen strenger zu kontrollieren. Das kann natürlich mittelfristig auch zu einer Entlastung
Deutschlands führen."
Der ÖVP-Politiker verteidigt die geplante Maßnahme. Sie solle eine drohende
Überforderung Österreichs abwenden. "Wir hatten letztes Jahr 90.000 Asylanträge, das sind
pro Kopf deutlich mehr, als Deutschland hatte, das darf sich dieses Jahr keinesfalls
wiederholen. Wir wollen eine spürbare Reduktion der Asylbewerberzahl."
Erstmals gab er auch Hinweise, wie Österreich die Maßnahme umsetzen will. Es gebe
einen "klaren Plan, wie es möglich ist, eine Obergrenze durchzusetzen", sagte Kurz der
"FAZ". "Das bedeutet, ab einer gewissen Zahl Asylanträge aufzuschieben. Oder Menschen,
die aus Slowenien zu uns kommen, werden zurückgewiesen, da sie dort nach den DublinRegeln ihren Antrag schon hätten stellen können."
Vieles ist aber noch offen. Der konservative ÖVP-Politiker gestand aber ein, dass es dazu in
Österreich noch Diskussionen gebe. Tatsächlich hatte sich der sozialdemokratische
Bundeskanzler Werner Faymann diesen Plänen des kleineren Koalitionspartners ÖVP
ausdrücklich nicht angeschlossen.
72
Die Obergrenze soll auch ein diplomatisches Signal sein. Der nun beschlossene Richtwert so die offizielle Bezeichnung der Obergrenze - könnte nach den Worten des Außenministers
"einen positiven Effekt in Richtung einer europäischen Lösung bedeuten". Kurz sagte der
"FAZ": "Jetzt wird der Druck in Europa steigen, eine gemeinsame Lösung zustande zu
bringen."
Besonders ein Land hat Kurz im Blick. Er nannte besonders Griechenland, das sich zu
lange in der "komfortablen" Lage eines Transitlandes befunden sei. "Solange Griechenland
die Flüchtlinge innerhalb von Stunden an die mazedonische Grenze weitertransportiert und
das sogar noch europäisch gefördert wird, dürfen wir uns nicht wundern, dass es wenig
Interesse daran hat, sich um den Schutz der Außengrenzen der EU zu bemühen." Er hoffe, die
national beschlossenen Maßnahmen von Schweden und Österreich "sind auch ein Weckruf an
Brüssel," sagte Kurz der "FAZ".
----------------------------25.1.2016
Kontinent der Krisen: Was passiert,
wenn Europa scheitert
Zerfetzte EU-Flagge (in Griechenland):
Das Scheitern in der Flüchtlingskrise könnte einen Dominoeffekt haben vor
Kurzem noch undenkbar: Ernst zu nehmende Politiker warnen vor einem
Auseinanderbrechen der EU. Tatsächlich steckt der Kontinent in einer
selbstzerstörerischen Spirale - die Folgen wären dramatisch.
Es sind düstere Warnungen, die sonst um Mäßigung bemühte europäische Politiker dieser
Tage aussprechen. Endzeitstimmung macht sich breit - das baldige Scheitern der EU erscheint
plötzlich möglich. Europa habe sechs bis acht Wochen, um die Flüchtlingskrise in den Griff
zu bekommen, mahnt der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Und falls das
misslingt? Müssten wieder Grenzkontrollen eingeführt werden; das Schengen-Abkommen für
grenzenlose Bewegungsfreiheit in Europa sei dann hinfällig.
Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission, formulierte kürzlich eine Art
europäische Dominotheorie: Scheitert Schengen, gibt es keine Freizügigkeit mehr für
Arbeitnehmer, der Binnemarkt wäre in Gefahr. Ohne offen Grenzen aber macht der
Euro keinen Sinn. So ähnlich sieht das auch Frankreichs Premier Manuel Valls: Er sieht
das gesamte europäische Projekt in ernster Gefahr.
Die lange Eurokrise, in der Risse zwischen den Mitgliedstaaten sichtbar wurden, war
offenkundig nur das Präludium. Nun werden aus Rissen tiefe Gräben. Im Zuge der
Flüchtlingskrise geht es nicht nur um technische Fragen wie die Sicherung der Außengrenzen
oder die zentrale Aufnahme in Hotspots. Die wären bei etwas gutem Willen leicht lösbar.
Inzwischen geht es um das Selbstverständnis der Nationen. Weil es den Europäern an einer
gemeinsamen Vision für eine gute Zukunft mangelt, spielen sich wieder Fragen von
nationaler Souveränität und kultureller Selbstbehauptung in den Vordergrund.
Es droht ein Zerfall der Europäischen Union
73
Vor diesem Hintergrund steigt das Risiko, dass Großbritannien dieses Jahr per Referendum
aus der EU aussteigt - und dann womöglich andere Mitgliedstaaten folgen. Binnen weniger
Monate würden wir uns in einer ganz anderen Welt befinden. Die EU würde schrumpfen und
verfallen, innerlich wie äußerlich.
Unmittelbare Folge: Die Bürger wären von massiven Wohlstandseinbußen getroffen.
Insbesondere drei Effekte würden sichtbar:
•
•
•
Zerrissene Wertschöpfungsketten: Die Industrie hat Europa in den vergangenen
Jahrzehnten mit einem Netz von Zulieferverbindungen durchzogen, mit dem Ziel,
jeweilige Standortvorteile auszunutzen. Der VW-Konzern beispielsweise baut viele
Motoren in Ungarn, die dann an Werke in Deutschland, Tschechien, der Slowakei oder
Spanien geliefert werden. Geländewagen der Marke VW wiederum werden in der
Slowakei gefertigt, ebenso wie Karosserieteile für die Marke Porsche, die dann in Leipzig
montiert werden, wiederum ausgestattet mit Motoren aus Deutschland und Ungarn. Bei
einer Implosion Europas würde ein Teil solcher Wertschöpfungsketten durchbrochen.
Lieferzeiten würden länger, Transportkosten steigen, die Wettbewerbsfähigkeit leiden.
Sparprogramme, Werkschließungen und Jobverluste wären die fast zwangsläufige Folge.
Inflationsschock: Dass die Verbraucherpreise bislang stabil sind, liegt insbesondere
am intensiven internationalen Wettbewerb. Sollten die Schlagbäume wieder fallen,
geschähe das Gegenteil: Weniger Wettbewerb bringt Preissteigerungen mit sich. Die
Inflationsraten dürften deshalb empfindlich anziehen. Sofern auch die Währungsunion
zerfällt, werden die Währungen kleinerer, schwächerer Volkswirtschaften abschmieren,
was den Infla-tionsschub zusätzlich verstärkt. Die Notenbanken werden darauf mit
Zinserhöhungen reagieren. In Ländern mit hochbewerteten Immobilienmärkten, darunter
Deutschland, würden Preisblasen platzen - was weitere wirtschaftliche Probleme mit sich
brächte.
Schuldenkrisen: Am härtesten getroffen wären Volkswirtschaften, die ohnehin auf
wackligem Fundament stehen. Länder, die unter chronischer Wettbewerbsschwäche
leiden und hartnäckige außenwirtschaftliche Defizite verzeichnen - wie Großbritannien,
Frankreich, Rumänien oder Tschechien - müssten sich darauf einstellen, dass der
Kapitalzustrom abreißt. Hoch verschuldete Volkswirtschaften wie Portugal, Italien oder
Griechenland würden durch massiv steigende Zinsen an den Rand der Pleite geraten.
Ökonomische und politische Schäden als Folge eines Scheiterns
Je kleiner ein Land ist und je schwächer es wirtschaftlich dasteht, desto härter würde es die
negativen Folgen einer EU-Implosion zu spüren bekommen. Aber auch Deutschland würde
leiden. Die Bundesrepublik ist eine hochgradig offene Volkswirtschaft, die bislang eng mit
dem übrigen Europa verwoben ist: 58 Prozent der Im- und Exporte werden mit EU-Partnern
abgewickelt. Das gigantische Auslandsvermögen Deutschlands von mehr als einer Billion
Euro ist zur Hälfte im übrigen Europa angelegt. Entsprechend viel hätte Deutschland zu
verlieren, falls Jean-Claude Junckers Dominoszenario Wirklichkeit würde.
Zu den ökonomischen Schäden kommen die politischen. Konflikte zwischen den
europäischen Nachbarn lassen sich noch schwerer lösen, wenn die EU-Institutionen scheitern.
Zumal die absehbare Wirtschaftskrise und die damit einhergehende soziale Krise das
politische Klima in den Mitgliedstaaten weiter vergiften würde. Eine zunehmende
Polarisierung durch den Aufstieg populistischer Politiker wäre die mutmaßliche Folge.
Schuldzuweisungen, verbale Attacken bis hin zu Sanktionen zwischen Nachbarstaaten wären
an der Tagesordnung.
74
So gesehen befindet sich Europa in einer destruktiven Spirale. Sie zu stoppen sollte oberstes
Ziel vernünftig handelnder Staatslenker sein. Es steht zu viel auf dem Spiel.
Zusammengefasst: Viele Politiker fordern angesichts der anhaltenden
Flüchtlingsströme Grenzschließungen. Doch die Abkehr vom SchengenAbkommen und die Rückkehr zur Nationalstaaterei könnten einen Zusammenbruch Europas bedeuten. Und das hätte verheerende Folgen für alle
Mitgliedstaaten - auch Deutschlands Wohlstand wäre dann gefährdet.
Deswegen muss ein Zerfall Europas mit allen Mitteln verhindert werden.
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EU"Umweltschutzprojekt": 12,7 Mrd.
26.01.2016
Euro versenkt!
Mit dieser Summe hätte Brüssel auch zwölf Millionen IkeaFertighäuser für Flüchtlinge in der Türkei finanzieren können: Mit
12,7 Milliarden Euro der EU sollten Rumänien, Ungarn, Tschechien
und die Slowakei die Wasserqualität der Donau verbessern. Jetzt
stellt der EU- Rechnungshof fest: Die Milliarden sind sinnlos
versickert.
Und tatsächlich zeigt auch der neueste Bericht des EU- Rechnungshofs, dass Brüssels
Subventionspolitik manchmal katastrophal scheitert: So hat die EU von 2007 bis 2013 nicht
weniger als 12,74 Milliarden Euro an Rumänien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei
überwiesen, damit die dortigen Regierungen "die Wasserqualität im Einzugsgebiet der
Donau verbessern" - Das Geld ist aber sinnlos versickert, stellten die EU- Prüfer in
ihrem Bericht (nur auf Englisch) nun fest: "Die Wasserqualität entlang der Donau hat
sich kaum verbessert.
Die Mitgliedsstaaten legten nur wenig Ehrgeiz an den Tag."
Denn mit den Summen aus dem Europäischen Fonds für Entwicklung
(6,35 Milliarden Euro) und aus dem Landwirtschaftsfonds (6,39
Milliarden) versorgten Ländern wird jetzt geraten, "ihre Bemühungen zu
intensivieren".
EU
als
versickert
Entwicklungshelfer:
75
15
Mrd.
Euro
Jetzt
664
Millionen Euro für Marokko, 654 Millionen Euro für Nigeria, 427 Millionen
Euro für Ghana: Die Liste der Empfänger von EU- Entwicklungshilfe ist
lang - 2014 dürften 15 Milliarden Euro aus Brüssel wirkungslos
verschwunden sein.
EU- Parlamentarier kritisieren: 98,3 Prozent der Projekte werden nicht
kontrolliert, die Rücknahme von Wirtschaftsflüchtlingen ist nicht mit den
Zahlungen verknüpft. Marokkaner, die von Österreich ohne Chance auf
Asylstatus zurückgeflogen werden sollen, dürfen in ihre Heimat nicht mehr
einreisen - das Königreich verweigert trotz massiver Interventionen aus Wien
jedes Rücknahmeabkommen. Und trotzdem ist die EU großzügig: Laut Bericht
des EU- Rechnungshofes überwies Brüssel 664.182.992,81 Euro im Jahr 2014 an
Marokko. Die Bedingung, auch in Österreich aufgegriffene marokkanische
Wirtschaftsflüchtlinge zurückzu-nehmen, wurde dazu aber nie ausverhandelt.
Auch andere afrikanische Länder erhalten von der EU hohe Summen für ihre
Entwicklungshilfeprojekte: Nigeria 654 Millionen, Burkina Faso 537 Millionen,
Ägypten 459 Millionen, Mali 386 Millionen Euro etc.
Ein Teil der EU-Geldflüsse in afrikanische Länder
76
Aus dem EU-Entwicklungshilfe-Report: Gelder,
Verwendung nicht ausreichend kontrolliert wurde
deren
"Und von diesen 915 Hilfsprojekten werden nur zehn von Experten kontrolliert,
also nur 1,7 Prozent - obwohl die EU dafür 15 Milliarden Euro überweist", hält die
österreichische EU- Parlamentarierin Barbara Kappel (FPÖ) die Vorgangsweise
der EU für "grob fahrlässig".
EU-Abgeordnete Barbara Kappel
Auch 612 Millionen an die Ukraine überwiesen
Ebenso problematisch sei die Zahlung von Entwicklungshilfe an die
Ukraine, warnen Kappel und auch britische Parlamentarier im EU- Haushaltskontrollausschuss: "Die Ukraine hat 612 Millionen Euro erhalten."
Das Bürgerkriegsland lag im Korruptionsindex von Transparency International 2014 auf dem schlechten Platz 142 (von 174). Auf dem vorletzten
Platz (173) ist der Sudan gereiht - dieses Land erhielt von der EU übrigens
268 Millionen Euro.
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77
26.01.2016
Fico:
Premier Fico befürchtet,
"EU begeht mit Flüchtlingspolitik
rituellen Selbstmord"
dass die EU einen " rituellen Selbstmord " begeht.
Die EU begeht nach Auffassung des slowakischen Regierungschefs
Robert Fico mit ihrer aktuellen Flüchtlingspolitik "rituellen Selbstmord". "Und wir alle schauen nur zu", sagte der sozialdemo-kratische Premier in einem Interview mit der tschechischen Tageszeitung "Pravo" am Dienstag.
Fico kritisierte die bisherige Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei , die
nicht so funktioniere, wie sie sollte. "Falls man denkt, dass dies das beste Mittel
ist gegen die Gefahr von weiteren Millionen von Migranten, die laut der UNO nach
Europa kommen sollen, dann irren wir uns alle sehr", so Fico, der eine
gemeinsame EU- Grenz- und Küstenwache forderte. "Ich fürchte jedoch, dass,
wenn erst Ende 2016 oder 2017 darüber europäische Einigkeit entsteht, dann
wird Europa seinen Selbstmord wirklich vollen-den."
"Diskutieren über Quoten, unterdessen kommen Tausende"
Fico bezeichnete die vereinbarte Quotenregelung zur Verteilung der Flüchtlinge
innerhalb der EU als "totales Fiasko". Zunächst müsse der Flüchtlingsstrom
gestoppt werden, und erst dann soll man sich damit befassen, was innerhalb
Europas geschehe, forderte er. "Wir befassen uns mit den Quoten, die sich als
unsinnig und nicht funktionsfähig erwiesen haben. Unterdessen kommen täglich
Die Slowakei lehnt die EU- Quotenregelung ab und klagt dagegen beim Europäischen Gerichtshof in
Luxemburg.
weitere Tausende Migranten."
Die jüngste Wende der österreichischen Flüchtlingspolitik kommentierte Fico mit
Genugtuung. Auch jene Länder, die am großzügigsten zu den Migranten gewesen
seien, würden jetzt beginnen, Maßnahmen zu treffen: "Zunächst breit geöffnete
Arme und Herz, dann unter Druck der Realität eine Ernüchterung", so der
slowakische Regierungschef.
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78
30.01.2016
POLITIK UND
GESELLSCHAFT
François Hollande (l.), David Cameron und Angela Merkel bei einem EUGipfel
Statt der noch engeren die noch kränkere Union angesichts der Flüchtlingskrise regiert in der EU der
Eigennutz:
Mehr Gehalt für die EU - Spitze
79
Die EU-Politiker gönnen sich eine Gagenerhöhung um 2,4 Prozent – rückwirkend (!) ab Juli 2015. So
cashen Kommissionspräsident Juncker und Ratspräsident Tusk nun 31.272
Euro im Monat. Das ist ein Plus von 699 Euro. Die sieben Vizepräsidenten
erhalten 633 Euro im Monat mehr, kommen auf 27.953 Euro.
Für Österreichs Kommissar Hahn und seine Kollegen bedeuten 24.945
Euro ein zusätzliches Körberlgeld von immerhin 570 Euro.
Renten enthüllt: Vernünftige Relationen sehen anders aus:
EU zahlt Beamten bis zu 13.507 Euro Pension
Laut deutscher "Bild"
gab die EU 2014 bereits 1,37 Milliarden Euro für pensionierte Mitarbeiter aus. Die höchste
Rente betrug demnach 13.507 Euro im Monat.Die Europäische Union muss aus dem
Budget immer mehr Geld für Beamte im Ruhestand abzweigen. Allein von
2013 auf 2014 stieg der Bedarf für die mittlerweile 21.341 Pensionäre um
6,4 Prozent auf 1,365 Milliarden. Das zeigen der "Bild" vor-liegende
interne Erhebungen im Auftrag des parlamentarischen
So düster startete Brüssel selten ins neue Jahr, auch nicht auf dem Höhepunkt der Euro-Krise.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte 2015 als „schlimmstes Jahr in meiner politischen
Arbeit“ noch gar nicht verkraftet, da musste er in seiner Auftakt-Pressekonferenz für 2016
wegen der Flüchtlingswelle schon wieder „eine Solidaritätskrise der Länder der EU untereinander“ konstatieren.
80
Sein Freund und enger Vertrauter, Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker, warnte unheilvoll: „Wir sind noch nicht am Anfang unseres
Endes. Ich werde alles dafür tun, dass es nicht dazu kommt.“
"Du machst Europa kaputt", warf Edmund Stoiber der Kanzlerin vor
Das Problem ist nur: Weder Schulz noch Juncker können wirklich etwas tun. Gemeinsame
europäische Einwanderungspolitik? „Es ist bei dem Versuch geblieben“, musste Juncker das
Scheitern all seiner Bemühungen eingestehen. Eine Schuldige hat Ex-CSU-Chef Edmund
Stoiber schon gefunden: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Einwanderungspolitik. „Du
machst Europa kaputt“, hielt er ihr vor.
Die so drastisch wie beispiellos Gescholtene versucht erst gar nicht schönzureden, was Beteiligten wie Beobachtern ins Auge sticht. „Das Bild, das Europa gerade in der Flüchtlingskrise
abgibt, ist nun auch keine Werbemaßnahme für die EU“, bedauerte sie im CDU-Präsidium.
Und gab zu bedenken: Die Streitigkeiten in der Flüchtlingsdebatte könnten dazu beitragen,
dass die Briten sich bei ihrer geplanten Volksabstimmung über einen Verbleib in der EU eher
„für das Modell Schweiz oder Norwegen“ entscheiden könnten. Also für einen Austritt mit
nach wie vor engen Wirtschaftsbeziehungen, aber ohne jedes politische Bekenntnis. Und ohne
Brüsseler Direktiven.
"Ein Auseinanderdriften, eine Renationalisierung in der Europäischen Union"
Es ist das alte Übel Europas: Wenn es was zu verteilen gibt, heben alle den Finger - solange
es sich nicht um Flüchtlinge handelt, sondern um Gaben aus den Brüsseler Wohlfühltöpfen.
Es regiert der reine Eigennutz. Die viel beschworene europäische Schicksalsgemeinschaft ist
nicht zu erkennen. „Wir erleben seit geraumer Zeit ein Auseinanderdriften, eine
Renationalisierung in der Europäischen Union, die Besorgnis erregend ist“, gruselt sich der
Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags, Gunther Krichbaum (CDU). „Europa
fällt auseinander“, stellte der Vorsitzende der Fraktion der Sozialisten und Sozialdemokraten
im Europaparlament, Gianni Pittella, fassungslos fest. Deutsche Spitzenpolitiker werden
hinter verschlossenen Türen noch deutlicher. Da fallen Worte wie: „Das wird Europas
Schicksalsjahr.“ Oder: „Ich mache mir allergrößte Sorgen.“
Briten-Premier Cameron will das "sanfte Monster Brüssel" zähmen
Der britische Premierminister David Cameron wird genüsslich auf diese Tendenzen
hinweisen können, wenn beim nächsten EU-Gipfel Mitte Februar seine Pläne für eine Union
auf dem Tisch liegen, die sich auf nüchterne Zusammenarbeit ohne weitere Visionen
beschränken. David gegen Goliath: Cameron will das „sanfte Monster Brüssel“ zähmen, vor
dem der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger in einer zornigen Streitschrift warnte.
Was der Brite vorhat , mag für die Visionäre eines vereinigten Europas
nicht verheißungsvoll klingen - realistisch erscheint es vor dem Hintergrund eines Kontinents, der die Grenzen der Solidarität dieser Tage mit
Kontrollposten und Maschendrahtzäunen zieht: Reduzierung auf das –
81
vielleicht nur wirtschaftlich - Notwendige und Machbare weniger Europa
wagen.
Unter dem Ansturm der Flüchtlinge haben die Nationalstaaten wieder die Macht
übernom-men, sie schließen nach Belieben Grenzen, schieben Nachbarn Probleme zu,
zeigen mit dem Finger aufeinander. Mittendrin Deutschland, das sich mit der einsamen
Entscheidung Merkels, die Tore zu öffnen, unter Druck setzte, den es nun nicht
weitergeben kann.
Nichts spricht dafür, dass jemand in der EU Merkel zur Seite springen will
Stattdessen wächst der Druck auf die Kanzlerin. Angesichts der Dimension der neuen Völkerwanderung müssten die EU-Gipfel im Februar und März nun endlich zu einer gemeinsamen
Linie führen, mahnt der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger. „Wenn das bis Ostern
kommt, dann ist die Strategie der Kanzlerin völlig richtig.“ Aber Oettinger trägt ihr ebenso
auf: „Wenn sich Mitgliedstaaten verweigern sollten, dann ist ein Umdenken naheliegend.“
In diesem Fall dürfte endgültig jeder sich selbst der Nächste sein und auch Deutschland seine
Grenzen undurchlässiger machen. Auch Krichbaum fordert: „Wenn ein europäischer Konsens
über das Flüchtlingsproblem nicht gelingt, dann können wir als Bundesrepublik Deutschland
nicht weiter große Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen.“
Nichts spricht bisher dafür, dass irgendjemand in Europa Merkel zur Seite springen will. Alle
Solidaritätsappelle verhallen. Die „immer engere Union“ der 28 Völker der EU, von früheren
Generationen erträumt, ist auf dem Boden der Tatsachen angelangt, die Juncker im September
vorigen Jahres schon erbittert festhielt: „Es fehlt an Europa in dieser Europäischen Union, und
es fehlt an Union.“ Bislang fehlt es auch am Mut einzugestehen, dass sich daran nicht viel
ändern dürfte.
Die Flüchtlingskrise bringt zum Vorschein, was vorher notdürftig
kaschiert wurde
Durch die Flüchtlingskrise sind Gegensätze aufgebrochen, die vorher immer nur notdürftig
kaschiert wurden. Die jahrelange Wirtschafts- und Schuldenkrise hat soziale Spannungen
verschärft und Verlustängste gestärkt. „Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise sind die
Menschen verunsichert worden. Das hält an, denn wir sind im Krisenmodus geblieben:
Griechenland, Ukraine, Flüchtlinge“, stellt Krichbaum fest.
Schon der Euro führte die Völker Europas letztlich eben nicht zusammen, sondern teilte sie in
Bittsteller und Besitzstandswahrer. Portugiesen, Zyprioten und Griechen mussten in der EuroKrise Souveränitätsverluste hinnehmen, die ihren Nationalstolz tief kränkten. Die Losung
„Mehr Europa“ war für sie ein Diktat. Vor allem die Griechen ballten in leeren Taschen die
Fäuste und machten dann auf dem Wahlschein ein Kreuz, das sie noch lange tragen werden:
für eine linkspopulistische Regierung, deren wirres Taktieren die Euro-Zone wieder einmal an
den Rand des Abgrunds führte.
Jenseits der Euro-Zone sieht es nicht viel anders aus. Seit Jahr und Tag stimmen die Dänen
alles nieder, was nach mehr Europa klingt. Trotz der Terrorgefahr traf es zuletzt sogar die
Pläne zu mehr Polizeizusammenarbeit in der EU. So sollen im europäischen Strafregister82
system Ecris zwar Urteile von EU-Bürgern grenzüberschreitend gesammelt werden, nicht
aber die Fingerabdrücke von flüchtigen Tatverdächtigen aus Drittstaaten.
Polen und Ungarn, erst ein Vierteljahrhundert vom Joch der sowjetischen Fremdherrschaft
befreit, haben nicht vor, den neu gewonnenen Nationalstaat auf dem Altar der europäischen
Einheit zu opfern, und gaben nationalistisch ausgerichteten Regierungen ein starkes Wählermandat. Europa reagierte aufgeregt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sah in Polen eine
„Putinisierung europäischer Politik“, die Kommission überprüft nun, ob es sich bei Polen
überhaupt noch um einen Rechtsstaat handelt.
EU-Forscher: "Bin zum ersten Mal in meinem Leben wirklich beunruhigt"
Noch immer, so beruhigen sich EU-Veteranen, habe Europa sich in Krisen
erneuert. Doch hält die alte Überzeugung selbst für überzeugte Anhänger
der europäischen Integration keinen Trost mehr bereit. „Ich bin zum ersten
Mal in meinem Leben wirklich beunruhigt“, sagt Ludger Kühnhardt,
Direktor des Zentrums für Europäische Integrationsforschung an der Uni
Bonn. „Das Problem sind nicht die Ausländer, sondern wie wir alle
miteinander umgehen.“ Die EU sei „auf einer ganz schlimmen abschüssigen
Bahn“, denn: „Wir denken wieder in Freund-Feind-Bildern.“
So sei es zwar richtig, die neue nationalistische Regierung in Polen auf demokratische
Normen hinzuweisen, findet der Professor. „Aber die Reaktionen auf beiden Seiten sind
überlagert von Wut im Bauch wegen des Managements der Flüchtlingsfrage.“
Polen habe in der EU keine Feinde, musste der Präsident des Europäischen Rats, Donald
Tusk, den eigenen Landsleuten versichern. Doch ist das Pochen auf eigene nationale Belange
in Brüsseler Kreisen durchaus suspekt. Rund um den Sitz der Kommissionsbürokraten, das
14-stöckige Berlaymont-Gebäude in Brüssel, gibt es einen abschätzigen Begriff für den
gegenüber im ebenso hässlichen Lipsius-Gebäude residierenden Europäischen Rat, die
Vertretung der Nationalregierungen. Das ist „die andere Seite der Straße“, sozusagen das
andere Ufer, wo europäische Visionen nicht geteilt werden, sondern engstirnige nationale
Belange obwalten.
Hans-Peter Friedrich geißelt die "kompetenzgierige EU-Technokratie"
Juncker versprach Selbstbeschränkung und setzte einen Niederländer, den
früheren Außen-minister Frans Timmermans, als Anti-Bürokratie-Aufpasser ein,
der krude Gleichmachereien aus dem Eurokraten-Apparat stoppen soll. Das
Ergebnis kann sich nach einer Analyse des Freiburger Centrums für Europäische
Politik (CEP) (s. Kasten) sehen lassen - an der Oberfläche. Die Zahl der direkten
Verordnungen und Richtlinien hat abgenommen. Dafür wuchs, was
„nachgelagerte Regulierung“ genannt wird - Ausführungsvorschriften, die die
Eurokratie nunmehr besonders emsig auswirft.
Hans-Peter Friedrich, für die EU zuständiger Vize-Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im
Bundestag, hält fest: „Die stärkere Orientierung auf den Nationalstaat ist provoziert durch
83
eine kompetenzgierige EU-Technokratie. Die Frage ist, ob sich die Kommissare gegen die
Technokraten in ihren eigenen Reihen durchsetzen können.“ Auf nationaler wie EU-Ebene
„vernetzen sich Fachbrüderschaften unter Ausschaltung der gewählten Volksvertreter“.
Selbst in gediegenen Gründungsstaaten der „immer engeren“ Union, die nächstes Jahr
ihr 60-jähriges Bestehen feiern will, wird diese Bevormundung als Korsett erfahren.
Anfang des Jahres übernahmen die Niederländer die Ratspräsidentschaft in der EU. Ihr
rechtsliberaler Ministerpräsident Mark Rutte ist ein Altersgenosse und Vertrauter des
britischen Premiers David Cameron. Beide Regierungschefs kämpfen mit starken
populistischen Kräften, die aus der EU herausdrängen.
Camerons Ziel: Europa, wo nötig - national, wo möglich
Gern nahm Cameron in seinen Waschzettel für eine Reform der Union, die einen Austritt
Großbritanniens noch verhindern könnte, den von den Niederländern geprägten Wahlspruch
auf: Europa, wo nötig, national, wo möglich. Den Haag will „eine bescheidenere, nüchternere,
aber effektivere EU“. Zusammen mit den Polen bahnt sich da eine Achse an, der sich auch
Ungarn und Dänen freudig anschließen dürften.
Faktisch werden die Mitgliedstaaten Cameron nachgeben müssen: Das bedeutet dann weniger
Europa. In Berliner Regierungskreisen wird erwartet, dass schon vom Februar-Gipfel in
Brüssel ein großes Signal an die Briten ausgehen könnte. Denn die Alternative, ihr Austritt
aus der Union, wäre für das ganze Projekt noch schädlicher: „Die EU würde sich damit als
starr und reformunfähig erweisen und den EU-Gegnern europaweit in die Hände spielen“,
sagt Nicolai von Ondarza voraus, stellvertretender Leiter der EU-Forschungsgruppe der
Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Kritiker nennen es "Europa à la carte"
Damit öffnet Cameron die Tür zu dem, was seine Kritiker als „Europa à la
carte“ bezeichnen: Jeder Staat sucht sich die Vorteile heraus, die ihm die
EU bietet, mutet seiner europamüden Bevölkerung aber keine weiteren
Einheitsvisionen zu. „Dann wären wir auf dem Weg, wo die politische
Integration allenfalls in der Euro-Zone stattfindet“, urteilt von Ondarza.
Er würde das zwar als „reine Rosinenpickerei“ bedauern, muss aber
zugestehen: „Cameron sitzt nicht mehr allein am Tisch mit seiner Haltung:
Wir wollen nicht mehr Europa, sondern wir wollen zurück zu den
Nationalstaaten.“ Die Empfehlung des Europa-Experten lautet: „Das Ziel
der immer engeren Union an eine EU anpassen, die schrittweise auf ein
Kerneuropa zusteuert.“
Was heute schon punktuell als „differenzierte Integration“ möglich
ist, würde so zum Normalfall: Es muss nicht jeder mitmachen - aber
jeder darf. Viele Freiwillige für ein gemeinsames Projekt sind
84
derzeit - nicht zu erkennen.
Was die Berechnungen noch enthüllen: Der Spitzenreiter unter den Eurokraten-Ruheständlern darf sich über 13.507 Euro brutto freuen – pro Monat natürlich. Unterm Strich bleiben dem Glücklichen 9.755 Euro netto.
Auch abseits davon sind Brutto- Renten von knapp 10.000 Euro monatlich
keine Seltenheit. Was die Kosten noch in die Höhe treibt: EU-Beamte gehen
im Schnitt bereits mit 61,6 Jahren in den Ruhestand. Zusätzlich sind
Frührenten ab 55 ohne Abschläge möglich.
01.02.2016
Wie Länder die EU an der Nase herumführen
Salzburgs EU-Abgeordnete Claudia Schmidt sitzt im Haushaltsausschuss
und macht Zahlen öffentlich.
Fast 30 Milliarden Euro pumpt die EU über ihre
Auslandsdelegationen in die Entwicklungshilfe - und davon gehen
rund 15 Milliarden verloren oder erreichen nicht das vorgegebene
Ziel. Diese Zahlen meldet Salzburgs EU- Abgeordnete Claudia
Schmidt, die im Haushaltsausschuss sitzt und der
Geldverschwendung nach geht.
85
Und ausgerechnet jene Länder, die mithelfen könnten, den Flüchtlingsstrom etwas einzudämmen, sind die Einserkandidaten: An der Spitze steht
Marokko, wo Programme im Wert von 664 Millionen Euro zum Scheitern
verurteilt sind. Dahinter kommen Jordanien und Libanon mit jeweils rund
300 Millionen, in den Krisenländern wie Jemen, Syrien und der Zentralafrikanischen Republik versickert fast das ganze Geld. Auch interessant: Die
Türkei, die ständig der EU neue Milliarden für das Flüchtlingsproblem
abpresst, erhält für die Förderperiode 2014 bis 2020 rund 4,45 Milliarden
Euro unter dem Titel "EU- Heranführungshilfe". Obwohl es mehr als realistisch ist, dass die Türkei in den nächsten sechs Jahren kein EU- Mitglied
werden wird.
Gleichzeitig weigern sich Länder wie Marokko und Algerien ihre Landsleute
zurück zu nehmen, die im Sog der Flüchtlingsbewegung nach Österreich
und Deutschland gereist sind. Ihr Asylantrag wird zwar zu 99 Prozent
abgelehnt, zurück geschickt werden können sie aber nicht, weil die
Herkunftsländer sich quer legen. Das Bundesasylamt muss um jedes
Heimreisezertifikat hoffnungslos mit den marokkanischen Behörden
kämpfen. So bleibt also nur die "Duldung", oder die Flüchtlinge tauchen ab
und versuchen es über die "grüne" Grenze.
EU steckt in der Falle
Trotz halbherziger Verhandlungen um ein Rücknahmeabkommen ist der
Hintergrund dieser Sperrhaltung kein Geheimnis: Menschen, die ständig
aus Europa Geld nach Hause überweisen, sind ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor, der Staat schneidet indirekt mit. Die EU steckt so in der
Falle: Sie kann die Entwicklungshilfe noch erhöhen oder sie streichen:
Aber das würde noch mehr Flüchtlinge in Bewegung setzen.
---------------------30.1.2016
-
Erdölexporteure im
postsowjetischen Raum
Die Erdölexporteure in der Ex-Sowjetunion haben sich zu wenig
vom «schwarzen Gold» gelöst. Ihre hohen Rücklagen sind ein
Schutz, aber keine Strategie.
Jetzt steht sogar interna-
tionale Hilfe im Raum.
86
Das Öl stürzt den Osten in Probleme
Der Zerfall des Erdölpreises bringt die
Produzen-ten im Osten in die Bredouil
Es ist weit gekommen, wenn ein erdölreiches Land klarstellen muss, dass es keine
internationale Finanzhilfe benötigt. Doch so geschah es am Freitag im zentralasia-tischen
Kasachstan, wo sich laut BP immerhin 2% der globalen Erdölreserven befin-den. Der
Wirtschaftsminister wies jede Vermutung zurück, sein Land könne um Unterstützung des
Internationalen Währungsfonds (IMF) bitten. Die Frage drängte sich auf, denn ein anderer
Anrainer des Kaspischen Meers hat jetzt genau das getan. Das ebenfalls rohstoffreiche
Aserbaidschan lud diese Woche eine Delegation von IMF und Weltbank ein, um über
mögliche Hilfen zu verhandeln. Eine rasche Einigung gilt als unwahrscheinlich, aber der
stossende Punkt ist: Baku verfügt noch über einen mit Öleinnahmen gefüllten Staatsfonds
mit Reserven von knapp 34 Mrd. $, was etwa der Höhe der jährlichen Wirtschaftsleistung
entspricht.
Ölpreis stürzt ab - und wird für Russland zum Problem
Wachstumsprognose beruht auf einem Ölpreis von 50 Dollar kalkuliert.
Doch der Preis liegt weit darunter. Der Rubel hat deutlich an Wert verloren. Viele Bürger können sich nur noch Lebensmittel und die nötigsten
Dinge des täglichen Bedarfs leisten.
-
Kunden stürmen russischeRaiffeisen-Filiale laut, aber
friedlich:
Kunden und Polizisten
-
In Moskau haben Dutzende Kreditkunden, darunter Familien mit kleinen Kindern, eine
Raiffeisen-Filiale gestürmt und besetzt gehaltenIn Flugblättern wurde die RBI unter anderem als "Gaskammer für russische Kreditnehmer"
bezeichnet. Hintergrund ist der dramatische Wertverlust des Rubels, der die Rückzahlung von
Euro- und Dollar-Fremdwährungskrediten für die Betroffenen so gut wie unmöglich macht.
Weitere Aktionen sollen folgen
Die Szene hatte eine gewisse Komik, auch wenn der Anlass für die Beteiligten tragisch war:
Einige Dutzend Kunden stürmten am Dienstag die Kreditabteilung der Raiffeisenbank in
Moskau, trommelten auf Töpfe und verlangten, zum Filialleiter vorgelassen zu werden.
Irgendwann nahm der Protest eine politische Wendung. Mit brechender Stimme und Tränen
in den Augen rief eine Frau im Nerzmantel: "Lasst uns die Krim endlich zurückgeben, uns
bleibt sonst nichts mehr zum Leben!"
Menschen, die Devisen-Hypotheken aufgenommen haben, trifft die Schwäche der russischen
Währung besonders hart; mit jedem Kursverlust wachsen ihre Schulden. Seit Jahresbeginn hat
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der Rubel gegenüber Dollar und Euro fast sechs Prozent, in den letzten anderthalb Jahren
sogar mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt.
Am Freitag brachte die russische Zentralbank eine Zinserhöhung ins Spiel, um gegen den
Kursverfall des Rubels zu kämpfen. "Sollten sich die Inflationsrisiken verstärken, wird die
Bank von Russland eine Straffung ihrer Geldpolitik nicht ausschließen", ließ sie mitteilen.
Langsam beginnt sich die wirtschaftliche Lage auf die Stimmung auszuwirkenoch gehen
in Russland nur wenige Menschen so weit wie die Dame im Pelzmantel und machen die
Politik des Kremls für die Krise verantwortlich. Wladimir Putins Zustimmungswerte
liegen weiterhin über 80 Prozent. Doch langsam beginnt sich die wirtschaftliche Lage
auf die Stimmung auszuwirken: Die Zuversicht sinkt. Auf die Frage, ob das Land auf
dem richtigen Weg sei, antworteten dem unabhängigen Levada-Zentrum nur 45 Prozent
der Befragten mit Ja.
Ein jäher Absturz: Im Dezember waren noch 56 Prozent dieser Ansicht. Der Wert ist
außerdem der niedrigste seit Januar 2014. Die Euphorie über die Krim-Annexion hatte ihn
zwischenzeitlich auf 64 Prozent getragen. Doch nun folgt offenbar die Ernüchterung.
Um 3,8 Prozent ist die russische Wirtschaft 2015 geschrumpft. Für 2016 hatte die Regierung
eigentlich ein Wachstum von 0,7 Prozent vorhergesagt, doch die Prognose beruhte auf einem
Ölpreis von 50 Dollar pro Barrel. Am Freitag lag er bei rund 34 Dollar. Weil sich der
Staatshaushalt zu mehr als der Hälfte aus dem Verkauf von Öl und Gas speist, ordnete
Regierungschef Dmitrij Medwedjew zu Jahresbeginn Kürzungen von zehn Prozent über alle
Ressorts an.
Es zeichnet sich ab, dass auch das nicht reichen wird. Am Donnerstag leitete Putin eine
Sitzung des Sicherheitsrates, bei der es ausnahmsweise nur am Rande um den Einsatz in
Syrien ging. Im Zentrum stand die Wirtschaftslage Russlands.
18. Januar 2016 Ölpreis auf 12-Jahres-Tief Wo der niedrige Ölpreis gefährliche Spuren hinterlässt
Öl-Preis auf Rekordtief: Nach dem Ende der Iran-Sanktionen fällt der Preis weiter.
88
Nach dem Ende der Sanktionen gegen den Iran ist der Ölpreis wie erwartet unter die
Marke von 30 Dollar gesunken. Langsam kommen die Verlierer an die Grenze der
Belastbarkeit. Welche Länder und Konzerne am meisten leiden.
Es wird mehr und mehr und mehr. Die Rede ist vom Öl. Bereits in den vergangenen
Monaten war das Angebot deutlich höher als die Nachfrage, unter anderem aufgrund
des Frackings in den USA. Nun dürfte das Angebot noch mal deutlich zulegen.
Grund sind die aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran, das Land darf nun
erstmals seit 2012 wieder Öl am Weltmarkt verkaufen.
Der Ölpreis reagierte prompt. Beide Sorten, die Nordsee-Sorte Brent sowie US-Öl,
kosteten mit 27,70 Dollar beziehungsweise 28,36 Dollar je Fass so wenig wie seit
mehr als zwölf Jahren nicht mehr.
Wissenswertes zum Iran
•
Bedeutung in der Golf-Region
Der Iran ist schon alleine wegen der Bevölkerungszahl von fast 80 Millionen eine
Macht in der Golf-Region. Der Gottesstaat war jedoch wegen seiner kompromisslosen Atompolitik in den vergangenen zehn Jahren international isoliert. Die im
Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Sanktionen führten in dem öl- und
gasreiche Land auch zu einer Wirtschaftskrise. Viele Beobachter rechneten daher mit
einem zweiten Nordkorea am Persischen Golf.
•
Wandel durch Hassan Ruhani
Mit dem Sieg von Hassan Ruhani bei der Präsidentenwahl 2013 im Iran änderte sich
jedoch das Bild. Sein Wahlslogan „Versöhnung mit der Welt“ führte im Juli 2015 zu
einem Atomabkommen mit dem Westen. Der Iran wurde plötzlich zu einem
potenziellen politischen und wirtschaftlichen Partner des Westens in einer von Krisen
geschüttelten Region. Besonders im Syrien-Konflikt hofft der Westen auf eine positive
Rolle Teherans.
•
Rolle im Kampf gegen den IS
Mit seinen beiden gut ausgerüsteten Streitkräften - der klassischen Armee und
den Revolutionsgarden - kann der Iran besonders im Kampf gegen die
Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eine entscheidende Rolle spielen. Diese
Rolle aber ist innerhalb der Region höchst umstritten, unter anderem bei der
anderen Regionalmacht Saudi-Arabien. Ideologische und besonders religiöse
Differenzen zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitisch-wahhabistischen Saudis sorgen daher immer wieder für Spannungen in der Region.
Auf dem Ölmarkt gehen Beobachter davon aus, dass das Ende der Sanktionen
gegen den Iran zu weitreichenden Veränderungen führt. Der Iran hatte bereits
angekündigt, seine Ölexporte auf rund 500.000 Barrel hochzufahren. Zwar dürfte der
Iran auf einen preislich besseren Zeitpunkt für die Rückkehr an den Ölmarkt gehofft
haben, die geringeren Einnahmen dürften das Land aber kaum von Verkäufen
abhalten.
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Der Markt hat die Welle des iranischen Öls über die vergangenen Monate
vorhergesehen und eingepreist. Dennoch werden Prognosen, wonach der Ölpreis
schon bald bei nur noch 20 Dollar liegen könnte, immer wahrscheinlicher. Kein
Wunder, dass einige Analysten immer pessimistischer werden. Am negativsten wird
der Markt zurzeit von der Bank Standard Chartered beurteilt. Analyst Paul Horsnell
senkte seine Preisprognose auf nur noch zehn Dollar und hat damit andere
Pessimisten wie Goldman Sachs und Morgan Stanley nochmals unterboten. Der
Ölpreis, so Horsnell, werde aktuell nicht von fundamentalen Werten getrieben. Ein
Marktgleichgewicht sei nicht in Sicht. Ein Preis von zehn Dollar sei dennoch ein
"Extremfall", erklärt Horsnell. Trotzdem gebe es im Markt einen Konsens darüber,
dass der Preis noch weiter fallen muss, um Angebot und Nachfrage wieder in ein
Gleichgewicht zu bringen.
Rohstoffe Ölpreis unter 31 Dollar - OPEC-Sondertreffen gefordert
Der fallende Ölpreis verunsichert zunehmend die Weltwirtschaft.
Bald könnte die Opec eingreifen, der derzeitige Vorsitzende fordert ein
Sondertreffen der Organisation.
Noch ist der Markt davon weit weg, innerhalb der
Organisation erdölexportierender Länder (Opec) droht ein Preiskrieg. Denn während
die reichen Golfstaaten die sinkenden Einnahmen aus den Ölexporten irgendwie
verkraften können und alles daran setzen, durch einen Preiskrieg Wettbewerber aus
dem Markt zu drängen, kommen andere Ölstaaten wie Venezuela oder Nigeria bald
an die Grenze des Verkraftbaren. Unsere Übersicht zeigt, bei welchen Konzernen
und Förderländern der niedrige Ölpreis überall schon seine Spuren hinterlassen hat.
Venezuela
Die Geschichte des billigen Öls lässt sich gut anhand der Benzinpreise erzählen. Venezuela
ist für die niedrigsten Benzinpreise der Welt bekannt. Eine Tankfüllung ist für einen CentBetrag erhältlich. Das Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt
subventioniert Benzin so stark, dass es quasi an die Autofahrer verschenkt wird. Während
Benzin unvorstellbar günstig ist, sind andere Güter in dem südamerikanischen Land dafür
aber unfassbar teuer. Die Teuerung liegt geschätzt bei etwa 200 Prozent pro Jahr.
Insbesondere Nahrungsmittel sind fast unerschwinglich. Am Freitag musste Präsident
Nicolás Maduro den Wirtschaftsnotstand ausrufen.
Venezuela kämpft nicht nur mit den Folgen des niedrigen Ölpreises, sondern auch mit den
Folgen seiner bisherigen Wirtschaftspolitik. Denn das Land hat sich wie viele andere auf
seine Ölvorkommen verlassen. Fast die Hälfte des venezolanischen Öls wurde bisher in die
USA exportiert. Entsprechend ist die Nachfrage in den vergangenen Jahren immer weiter
zurückgegangen, da die USA durch das umstrittene Fracking größere Teile ihrer Nachfrage
selber decken können.
90
9.2.2016 Die Brexit-Falle
Britischer Premier Cameron:
Hofft auf Zugeständnisse
Nicht nur in Großbritannien, überall in Europa wächst die Europa-Skepsis.
Sollte das Vereinigte Königreich tatsächlich aus der EU aussteigen, könnten
andere folgen. Die Stimmung jedenfalls ist danach, in vielen Ländern.
Bei ganz großen politischen Fragen geht es selten um reine Vernunft. Nicht das rationale
Kalkül fällt dann Entscheidungen, sondern Gefühle. Und die sind manchmal schwer zu
steuern. Streng rational betrachtet sollten die Briten EU-Mitglied bleiben. Tatsächlich aber ist
das Risiko groß, dass sie sich bei der Volksabstimmung im Sommer für den Brexit
entscheiden. Sollte es tatsächlich soweit kommen, dürfte ihr Beispiel viele in Europa
inspirieren - der Zerfall der Europäischen Union könnte in nicht allzu ferner Zukunft Realität
werden.
Bislang wird dieses Szenario heruntergespielt, nicht zuletzt von David Cameron selbst. Der
britische Premier hofft seinen EU-Kollegen beim bevorstehenden EU-Gipfel übernächste
Woche so viele Zugeständnisse abzutrotzen, dass er zu Hause eine Mehrheit zur Zustimmung
bewegen kann. Sicher ist das keineswegs: Noch im November sagte eine knappe Mehrheit der
Briten (47 gegenüber 42 Prozent), ihr Land habe "außerhalb der EU eine bessere Zukunft" vor
sich. Zuletzt fielen die Umfragen zwar wieder proeuropäischer aus. Klar ist aber auch, dass
das Votum zur Zitterpartie wird.
Die Argumente der EU-Befürworter liegen auf der Hand: Der Wohlstand wäre in Gefahr.
Denn ob die Inselökonomie weiterhin Teil des Binnenmarktes sein kann, ist offen.
Internationale Investoren wären nicht amüsiert. Auf deren Wohlwollen aber ist das Land
angewiesen. Schließlich fährt das Königreich ein großes außenwirtschaftliches Defizit.
Unmittelbare Folge einer Brexit-Entscheidung, warnte kürzlich der britische Notenbankchef
Mark Carney, wäre deshalb wohl eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise.
Dazu kommen politische Erwägungen: Selbst wenn Großbritannien den Zugang zum EUBinnenmarkt behielte, säßen seine Gesandten in Brüssel nicht mehr im Ministerrat und im
Parlament. Die einstige Weltmacht dürfte in Europa nicht mal mehr mitreden, müsste sich
aber EU-Entscheidungen beugen. Im globalen politischen Spiel der Riesenmächte, in dem
sich schon die EU als Ganze schwertut, würde die Insel auf sich gestellt überhaupt keine
Rolle mehr spielen. Auch immer Innern droht Ungemach: Wer weiß, ob sich nicht doch noch
die europaaffinen Schotten für die Abspaltung vom Vereinigten Königreich und für den
Verbleib in der EU entschieden.
Gigantische Risiken, hohe Kosten - aus reiner Vernunft sollte der Brexit keine Option sein.
Aber die Gefühlslage ist eben eine andere. Wer sich etwas näher mit der Stimmung in der EU
insgesamt befasst, stellt fest, dass die Briten keineswegs allein stehen mit ihrer Skepsis, dass
es eine Menge europäische Nationen gibt, die durchaus ähnliche Vorbehalte hegen - dass die
Befürchtung keineswegs abwegig ist, andere Länder könnten einem britischen Ausstiegsbeschluss folgen. Die Ergebnisse der zum Jahresende vorgestellten Eurobarometer-Umfrage
sind alarmierend:
91
Weltwirtschaft
Die große Öl-Flut und ihre Folgen
Der Ölpreissturz versetzt die Finanzmärkte in Unruhe. Doch Ängste
vor einer Rezession sind übertrieben: Die Risiken sind eher politischer als ökono-mischer Natur.
In Eagle Ford, einem Landstrich etwa 100 Meilen südlich der texanischen Millionenstadt San Antonio, musste man für eine Übernachtung vor ein paar Monaten
noch mindestens 100 Dollar auf den Tisch legen. Jetzt sind die Zimmer in den Hotels
und in den Bed-and-Breakfast-Häusern schon ab 40 Dollar die Nacht zu haben.
Seitdem der Ölmarkt, von dem die ganze Gegend lebt, kriselt, möchte auch niemand
mehr nach Eagle Ford. Was soll man auch dort in einer Zeit, in der der Treibstoff der
Weltwirtschaft nichts mehr wert ist?
Die weitgestreckte Region ist eines der größten Fördergebiete für Schieferöl und gas in Amerika. Der jahrelange Boom, mit Preisen für ein Fass Öl von weit mehr als
100 Dollar, hat die Gegend zu einem Dorado für Energieunternehmen und Jobsucher
gemacht. Geschäftstüchtige Unternehmer bauten Hotels und Trailerparks, innerhalb
von fünf Jahren verdreifachte sich die Zahl der Übernachtungsmöglichkeiten. Doch
mit der Goldgräberstimmung ist es vorerst vorbei. Der Absturz des Ölpreises hat die
Bilanzen der Förderunternehmen in die roten Zahlen getrieben, viele haben Konkurs
angemeldet, Zehntausende Arbeitsplätze sind verschwunden, Hotelzimmer stehen
leer.
Die Baisse am Ölmarkt zerrt nicht nur an den Nerven der Hoteliers in Eagle Ford. Sie
versetzt auch die internationalen Finanzmärkte in Schrecken.
---------------------19.2.2016
Varoufakis startet europäische
Bewegung für mehr Demokratie
Der ehemalige griechische Finanzminister will die EU transparenter gestalten
und kommt er im Sakko in die Berliner Volksbühne. Das Interesse der Medien
ist groß. Zwar scheiterte Varoufakis als griechischer Finanzminister, aber jetzt
hat er eine neue Mission. Er gründet mit Gleichgesinnten aus zwölf europäischen Ländern an diesem Dienstag in der deutschen Hauptstadt eine neue
paneuropäische Bewegung:
"Democracy in Europe Movement 2025" (DiEM25)
heißt sie, und der Gründungsort ist mit Absicht gewählt. Denn ohne die Deutschen
gehe in der EU bekanntermaßen ja gar nichts, dieser Dominanz setze man etwas
entgegen. "Es ist eine große Ehre und ein Privileg, in Berlin zu sein", sagt Varoufakis.
Sein Befund über die EU in ihrem gegenwärtigen Zustand ist düster. Es gebe ein
"Phänomen der Renationalisierung", eine "Not-in-my-backyard"-Mentalität, das zeige
92
gerade die Flüchtlingskrise. Außerdem sei die Politik in Brüssel wie in Frankfurt bei
der Europäischen Zentralbank (EZB) absolut intransparent.
Das will DiEM25 ändern. Grundlage für die Bewegung ist ein Manifest, das
Varoufakis mit einigen Mitstreitern bereits veröffentlicht hat.
"Hoffnung" statt "Renationalisierung"
Darin bekennen sie sich ausdrücklich zur "außerordentlichen Errungenschaft" der
europäischen Integration, die "Europas Völker in Frieden zusammengeführt" habe.
Doch nun drohe durch "kurzsichtige Politiker, ökonomisch naive Beamte und
unfähige Finanzexperten" ein "gefährlicher antieuropäischer Rückschlag".
"Wir müssen das stoppen! Wir müssen den Bürgern wieder Hoffnung auf einen
demokratischen Prozess geben", sagt Varoufakis, und er klingt genauso überzeugt
wie früher, als er noch Finanzminister von Griechenland war und gegen das
Spardiktat der Deutschen kämpfte. "Renationalisierung und Austerität", so
Varoufakis, seien jedoch nicht die Lösung.
Er will eine Reform der EU-Institutionen, Liveübertragung von deren Sitzungen im
Internet und einen Demokratisierungsprozess von unten. Die Bürger sollen sich ihre
EU zurückerobern. Und sie sollen begreifen, dass Flüchtlinge keine Bedrohung
seien, sondern eine Bereicherung in einem "offenen Europa". Varoufakis ist nicht der
Erste, der solche Überlegungen hat. "Was macht Sie sicher, dass Sie Erfolg haben
werden?", wird er gefragt. "Gar nichts", antwortet er, "aber ich wache in der Früh auf
und denke, dass es richtig ist." Sein Anspruch ist kein geringer: "Die EU wird
demokratisiert werden oder sie wird zerfallen."
Grenzen der Basisdemokratie
Grundsätzlich nicht abgeneigt ist der deutsche EU-Abgeordnete Sven Giegold. Doch
der Grüne beklagt in einem Brief an den Star der europäischen Linken, dass DiEM25
zwar für Demokratie eintrete, aber nicht klar sei, wer eigentlich "die vielen
Änderungen in den verschiedenen Versionen des Manifests verlangt und wer
entschieden hat, welche Änderungen und weshalb akzeptiert wurden." Varoufakis'
Antwort: "Das Manifest kann nicht von jedem gleichzeitig geschrieben werden,
genauso wenig wie ein Gedicht."
Doch grundsätzlich soll es in der Bewegung schon basisdemokratisch zugehen. Zu
den Mitstreitern zählen der italienische Linksintellektuelle Toni Negri, der USÖkonom James Galbraith, der britische Labour-Abgeordnete John McDonnell und
der kroatische Philosoph Srećko Horvat. Debatten werden vor allem über das
Internet geführt, es soll aber auch in den einzelnen Ländern Town-Hall-Meetings
geben.
Ex-KPÖ-Chef an Bord
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Aus Österreich hat Ex-KPÖ-Chef Walter Baier, der nun das europäische Forschungsund Bildungsnetzwerk "transform!" koordiniert, das Projekt von Anfang an begleitet,
er ist heute in Berlin ebenfalls dabei. "DiEM25 ist ein Beitrag gegen den Vormarsch
der radikalen Rechten in Europa", sagt er zum STANDARD. Diese seien so erfolgreich, weil "Regierungen und Institutionen in der EU nicht liefern, was sie versprochen haben – nämlich Beschäftigung und soziale Sicherheit".
Abgesehen von der Demokratisierung der EU erhofft er sich ein Programm gegen die
Massenarbeitslosigkeit, vor allem im Süden Europas. Baier ist überzeugt, dass
Varoufakis der richtige Mann an der Spitze der Bewegung ist: "Sein europäisches
Prestige kann sehr nützlich sein."
die EU vor dem Untergang bewahren
Griechenlands Ex-Finanzminister Varoufakis:
Der selbsternannte Retter Eu, trägt er wie immer dieses breite
Lächeln. "Guten Abend Volksbühne", sagt er auf Deutsch. "Guten Abend
Berlin, guten Abend Europa." Varoufakis ist da, um die EU zu retten.
Nach Berlin ist er gekommen, um die Gründung einer linksintellektuellen
Bewegung bekannt zu geben. Sie heißt "Democracy in Europe Movement
2025", kurz DiEM 25. Das Ziel, wie gesagt: die Rettung Europas.
So soll die Rettung funktionieren
"Die EU wird gerade zerstört", sagt Varoufakis auf der Bühne, jetzt
wieder auf Englisch. Viele Mitgliedstaaten seien dabei, ihre
Grenzen zu schließen oder hätten sie schon geschlossen. Die
Rückkehr der Nationalstaaten stehe bevor. Überall in Europa
befänden sich rechte Bewegungen auf dem Vormarsch. Hinzu
komme, dass die EU sehr bürokratisch und kompliziert aufgebaut
sei. Es fehle an Transparenz und damit an Akzeptanz in der
Bevölkerung. "Wenn wir jetzt nichts tun, fällt die EU auseinander",
sagt Varoufakis.
Sein Rettungsplan sieht vor, die EU von unten her zu
demokratisieren. Als ersten Schritt sollen die Beratungen
von Europäischem Rat, Ministergrup-pen sowie der
94
Eurogruppe öffentlich stattfinden. Geheimverhandlungen
wie über das Freihandelsabkommen TTIP wären damit
passé, politische Entscheidungen besser nachvollziehbar.
"Das könnte sofort umgesetzt werden."
In der Rede macht Varoufakis seine Vision klar. Viele Details fehlen, sie
müssen erst noch erarbeitet werden. Mittelfristig will er Pläne vorlegen,
wie sich Banken, Zinsen, Armut und Migration europaweit besser regeln
lassen. Sind diese umgesetzt, soll eine konstituierende Versammlung bis
2025 das Konzept für ein neues, "wirklich souveränes" EU-Parlament ausarbeiten. Dieses soll dann gemeinsam mit nationalen Parlamenten und
örtlichen Gemeinden über die EU-Politik bestimmen. Der Einfluss von
nationalen Regierungen wäre damit deutlich eingeschränkt.
Status? Es ist kompliziert
In jedem Fall werde die Europarettung kompliziert, wie Varoufakis zugibt,
"aber so ist das Leben". Er hat sich prominente Unterstützer gesucht,
Politiker, Aktivisten, Künstler. Katja Kipping von der Linkspartei darf nach
ihm reden, später die Sprecherin von Blockupy und der Musiker Brian Eno.
WikiLeaks-Gründer Julian Assange wird aus London zugeschaltet, er
murmelt: "Das Ende von Europa kommt."
Es werden viele Reden gehalten an diesem Abend. Manche sind pointiert,
manche stecken voller Allgemeinplätze, manche machen einfach nur
Werbung für die eigene Organisation. DiEM 25 soll als gemeinsame
Aufgabe der europäischen Linken wahrgenommen werden - und nicht als
reines Solo-Projekt von Varoufakis. Das funktioniert an diesem Abend nur
bedingt, weil die meisten Redner inhaltlich wenig Neues zu Varoufakis
Gründungsrede beisteuern können: Die Bewegung weiß noch zu wenig
über sich selbst.
"Wenn du recht hast, kannst du nicht radikal genug
sein", sagt Varoufakis und spielt auf seinen Lieblingsfeind an, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
"Wenn du falsch liegst, kannst du nicht konservativ
genug sein." Das Publikum lacht. Varoufakis lächelt.
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Der Föderalismus in der EU ist tot. Gut so. Der Brite Cameron will
keine Sonderrechte, sondern gleich die gesamte EU revolutionieren. Das "immer engere Europa" ist dahin. Gottseidank. Es entsteht
ein Verbund souveräner Staaten.
Donald Tusk hat mit David Cameron etwas Sensationelles ausgehandelt – und
keiner scheint es zu bemerken: nämlich den Umbau der Europäischen Union gemäß
britischen – und osteuropäischen – Wünschen. Das Ziel der "immer engeren Union"
wird aufgegeben und damit alle Vorstellungen eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten". Die nationalen Parlamente erhalten – so sie es wollen – das letzte Wort
über die EU-Gesetzgebung.
Die freie Bewegung von EU-Bürgern in die Sozialsysteme anderer Länder wird
aufgehoben. Der gemeinsame Markt soll besser funktionieren. Großbritanniens Platz
als Bankenzentrum auch der Euro-Zone wird gesichert. Vor allem aber: Am ganzen
Verfahren wurde und wird das Europäische Parlament nicht beteiligt. Der Föderalismus ist tot. Gut so.
David Cameron hat immer gesagt, dass er, anders als Maggie Thatcher, keine
britischen Sonderwünsche aushandeln will. Er will, soll Großbritannien in der EU
bleiben, eine Reform der gesamten Union. Sollten die mit Ratspräsident Donald Tusk
ausgehandelten Maßnahmen von den 28 Mitgliedsländern gebilligt werden, hätten
wir es mit einer anderen, besseren Europäischen Union zu tun.
Da nicht anzunehmen ist, dass dieses Papier ohne Rücksprache mit Berlin und Paris
verfasst wurde, und da es osteuropäischen Wünschen entgegenkommt, und da
selbst Politiker, die den Vorschlägen skeptisch gegenüberstehen, mit Hinweis auf die
Notwendigkeit, einen Brexit zu verhindern, zustimmen können, muss man davon
ausgehen, dass diese Vertreter zweier Länder am Rand des Kontinents tatsächlich
das Gesicht der EU verändern werden.
Der deutsch-französische Motor ist kalt
Vergessen wir also den deutsch-französischen "Motor"; der funktionierte, solange die
EU eine Art Neufassung des karolingischen Reichs war, also bis zur Osterweiterung.
Jetzt werden die neuen Kräfteverhältnisse in der EU sichtbar.
Beginnen wir mit dem Wichtigsten: der "Finalität" der Union, wie es Joschka Fischer
in seiner berühmten Rede an der Humboldt-Universität formulierte und wie sie –
leicht modifiziert – auch von Angela Merkel noch vor einigen Jahren propagiert
wurde. Sie sieht nun ganz anders aus, als sich das Fischer und Merkel vorgestellt
haben.
Das Tusk-Papier sagt explizit, dass "immer engere Union" eben nicht die – von
Fischer und Merkel vorgestellte – politische Union des Kontinents meint. Ja, es sagt
explizit, dass es überhaupt kein gemeinsames Ziel gebe, und dass verschiedene
Länder beim Verfolgen der weiteren Integration, sofern sie sie wollen, verschiedene
Wege einschlagen können.
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Damit ist die unselige Formulierung Wolfgang Schäubles vom "Europa der zwei (oder
mehrerer) Geschwindigkeiten" vom Tisch, die ja unterstellt, es gebe ein Ziel, die
politische Union, auf das sich alle, nur eben mal schneller, mal langsamer, zubewegen (müssen).
Mit der Aufgabe dieser Vorstellungen – einer Revolution, deren Auswirkungen unabsehbar sind und bis hin zur Abschaffung des Euro und des Europäischen Parlaments
reichen könnten – akzeptiert die EU, dass sie keine Vorform der den USA vergleichbaren "Vereinigten Staaten von Europa" ist, sondern eher dem näher kommt,
was schon früher ein "Imperium" genannt wurde, was man aber auch ein "Commonwealth", einen Staatenbund oder – mit dem guten alten Wort der Zeit vor Maastricht
– eine Gemeinschaft nennen könnte.
Keine Finalität, keine Entmachtung der Nation
Aus dem Verzicht auf eine "Finalität", in deren Logik die Entmachtung der nationalen
Parlamente lag, zugunsten einer ergebnisoffenen Evolution, folgt die Wiederermächtigung dieser Parlamente. Parlamente, die zusammen 55 Prozent des europäischen
Wahlvolks vertreten, können dem Tusk-Vorschlag zufolge dem Rat die "Rote Karte"
zeigen.
Damit ist eines der größten demokratischen Defizite der EU tendenziell aufgehoben.
Ein großer Sieg für die Demokratie, auch wenn Anhänger des Föderalismus den
Beschluss als Sieg des Nationalismus und der Kleinstaaterei hinzustellen versuchen
werden.
Cameron bekommt in Warschau frostige Reaktion auf EU-Reformplan Das Europäische Parlament wird durch diesen Beschluss in seiner Funktion als Kontrolleur der
Kommission nicht entmachtet; aber dessen Abgeordnete dürften jetzt viel öfter auch
als sachkundige "Whistleblower" funktionieren, die die nationalen Parlamente zum
Handeln auffordern, wenn fragwürdige Vorhaben der Kommission im Rat zu passieren drohen.
Explizit heißt es ja in der Passage über die "immer engere Union", sie bedeute nicht
die Übertragung immer mehr Funktionen und Rechte auf die Unionsorgane in
Brüssel. Mit der "Roten Karte" für die nationalen Parlamente ist – da kein einzelnes
Parlament den Rat blockieren kann, sondern Verbündete in anderen Parlamenten
suchen muss – ein Weg der europäischen parlamentarischen Kooperation jenseits
gemeinsamer Ausflüge und Erklärungen vorgezeichnet, der dafür sorgen könnte,
Europa den Bürgern näher zu bringen. Gut.
Arbeitsmigration ja, Sozialtouristen nein
Dass Tusk jeder Nation die Ausgestaltung des Zugangs zu den Sozialsystemen
überlassen will (die Einzelheiten sind kompliziert und dürften noch modifiziert
werden), ist ein Durchbruch, weil ihn ja auch die deutschen Sozialdemokraten
inzwischen fordern; von Seiten der CDU/CSU finden die britischen Forderungen seit
jeher Unterstützung, und auch die Franzosen dürften hiergegen keine Einwände
erheben.
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Mag sein, dass die südosteuropäischen Länder, deren Bürger hauptsächlich von
dieser Einschränkung der Niederlassungsfreiheit betroffen sind, dagegen protestieren, aber deren Stimmen sind, um es unverblümt auszudrücken, käuflich.Immer
mehr Briten befürworten den Brexit
Ein paar Milliarden für Projekte in diesen Ländern, die angeblich oder wirklich der
Arbeitsbeschaffung dienen, dürften reichen, um deren Bedenken zu zerstreuen.
Deren politische Klassen wissen ja längst, dass sie nicht auf Dauer ihre Probleme in
Gestalt von Bettlern und Arbeitslosen exportieren können, ohne das Gefüge der EU
zu erschüttern.
Infolge dieser Reform, die dafür sorgen wird, dass sich Arbeitsmigranten weiterhin
innerhalb der EU frei bewegen können, Sozialtouristen aber nicht, dürfte die
Akzeptanz der EU nicht nur in Großbritannien steigen, sondern auch in Frankreich,
den Benelux- und skandinavischen Ländern, wo sie zuletzt kaum populärer war als
bei den Briten. Wir reiben uns die Augen und sehen ein neues Europa vor uns. Und
das Irrste ist: Niemand hat es gemerkt. Sage keiner, die Flüchtlingskrise habe nicht
ihr Gutes.
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Milliarden für europäisches Politikversagen
Ohne kontrollierte Außengrenze ist Europa wohl bald Geschichte.
Mindestens 1,2 Mrd. Euro im Jahr würde Österreich ein Zusammenbruch des
Schengen-Raums kosten, hat WKO-Chef Christoph Leitl neulich vorgerechnet. Man
müsse deshalb dringend vor Grenzzäunen innerhalb Europas warnen.
Da hat der Wirtschaftskammer-Chef natürlich recht: Das Europa ohne Grenzen war
eine der großen politischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Man darf es
deshalb nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Wenn wir aber schon beim Aufsummieren sind, machen wir seriöserweise auch die
Gegenrechnung auf: Die Nichtsicherung der Schengen-Außengrenze hat zu einer
Migrationswelle geführt, die Deutschland nach Berechnungen des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft im günstigsten Fall (Flüchtlingszahl sinkt bis 2018 auf ein Drittel) 25
und im ungünstigsten Fall (alles bleibt, wie es 2015 war) 55 Mrd. Euro pro Jahr
kosten wird.
Nach der groben Eins-zu-zehn-Regel auf Österreich heruntergebrochen wären das
hierzulande dann zwischen 2,5 und 5,5 Mrd. Euro an Migrationskosten. Selbst wenn
man das um die Kosten der „echten“ Kriegsflüchtlinge (das sind je nach Szenario 20
bis 40 Prozent der Ankommenden) reduziert, sind die, die die ungeregelte Einreise
von Wirtschaftsmigranten verursacht, noch immer deutlich höher als die, die durch
die in Notwehr errichteten innereuropäischen Grenzzäune entstehen.
In Wahrheit muss man die beiden Schadenspositionen ohnehin addieren. Die
ungeregelte Einreise von Wirtschaftsmigranten und die Wiedererrichtung von
innereuropäischen Grenzbarrieren haben ja eine gemeinsame Ursache: das
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Versagen der Schengen-Länder bei der Sicherung der gemeinsamen Außengrenze,
die eine Grundbedingung für offene Binnengrenzen ist.
Dieses Versagen liegt zwar durchaus auf einer Linie mit dem Zustand anderer
Europa-Vereinbarungen – von Dublin bis Maastricht. Aber wenn hier nicht sehr
schnell eine Umkehr gelingt, dann kann man das gemeinsame Europa gleich
begraben. Traurig, dass man nicht den Eindruck hat, dass das schon tief genug ins
Bewusstsein der wichtigeren westeuropäischen Staatskanzleien vorgedrungen ist.
---------------------------18.2.2016
Erdogan, sein Sohn und das große Geld
Bilal (links) neben Vater
Recep Tayyip Erdogan und Mama Emine Bilal Erdogan gerät ins
Visier italienischer Fahnder: Er soll Geld in Italien waschen.
Bilal Erdogan, der Sohn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, lebt zurzeit in
Bologna. Dort wird jetzt gegen ihn wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt.
Der 35-jährige Bilal ist der jüngere von zwei Erdogan-Söhnen, studierte in den USA und
arbeitete unter anderem bei der Weltbank. In Istanbul betätigte er sich als Geschäftsmann und
als Vizepräsident der Stiftung Türgev, die sich um die Bildung islamisch-frommer Schülerinnen und Studentinnen kümmert. Im vergangenen Jahr zog er nach Italien, um an der JohnsHopkins-Universität in Bologna seinen Doktor im Fach Internationale Beziehungen zu
machen. Türkische Regierungsgegner mutmaßten damals, Bilal sei vor einer möglichen
Strafverfolgung geflohen.
Hakan Uzan, ein türkischer Unternehmer, dessen Bruder Cem einst mit einer rechtspopulistischen Partei zum Konkurrenten Erdogans wurde und anschließend ins Ausland floh,
alarmierte nach Bilals Umzug die italienische Staatsanwaltschaft: Der Präsidentensohn habe
große Summen Geld undeklariert nach Italien gebracht. Da die Uzans dem türkischen
Präsidenten eine politisch motivierte Hexenjagd auf ihre Familie vorwerfen, steht hinter ihrer
Anzeige möglicherweise nicht nur der brennende Wunsch nach Gerechtigkeit. Dennoch
ermittelt die italienische Justiz.
30 Millionen Euro
Es ist nicht das erste Mal, dass Bilals Name im Zusammenhang mit illegalen finanziellen
Machenschaften genannt wird. Vor gut zwei Jahren tauchten Telefonmitschnitte im Internet
auf, die von der Opposition als Beweis gewertet wurden, dass Bilal seinem Vater half,
angehäufte Millionensummen vor der Staatsanwaltschaft zu verstecken. "Da sind noch 30
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Millionen Euro", soll Bilal gesagt haben, nachdem er einen ganzen Tag damit zugebracht
hatte, Bargeld aus dem Haus zu schaffen. Erdogan wies die Mitschnitte als Manipulationen
und Teil einer Verschwörung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zurück.
Doch das blieb nicht der einzige Vorwurf gegen Bilal. Die türkische Regierung bestätigte vor
zwei Jahren den Eingang einer Spende von fast 100 Millionen Dollar bei Bilals Stiftung
Türgev.
Woher das Geld stammte, konnte nicht aufgeklärt werden, die Opposition sprach von
Korruption.
Bilal Erdogan wurde auch im Zusammenhang mit dem saudischen Unternehmer Yasin alKadi genannt, der in den USA wegen angeblicher Nähe zu Al Kaida als "Terrorist" gilt.
Istanbuler Ermittler luden Bilal Erdogan wegen seiner Kontakte zu Al-Kadi zum Verhör –
doch dann wurden die Staatsanwälte auf Druck der Regierung Erdogan abgelöst.
Auch über eine Verwicklung Bilals in den illegalen Ölhandel des Islamischen Staates (IS)
wurde spekuliert. Die russische Regierung beschuldigte Erdogan und dessen Familie, am
Export von IS-Öl mitzuverdienen. Handfeste Beweise wurden jedoch nie vorgelegt.
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Wie sich Araber in Bosnien einkaufen
Investoren aus den Golfstaaten und Saudiarabien
lassen Häuser und Ferienanlagen in Zentralbosnien bauen. Die Einwohner
fürchten den radikalen wahhabitischen Einfluss. Eine Reportage.
Sarajewo. Weitläufige Parks durchziehen das Gelände. Im Sommer fahren Fiaker
entlang einer von alten Bäumen gesäumten Allee hin zur Quelle des Bosnaflusses,
wo am Rande des Igman-Bergmassivs das Wasser aus dem Gestein sprudelt und
einen Fluss bildet. Mehmed Alicehajic liebt diesen Ort: Ilidža vor den Toren
Sarajewos. Bei Wanderungen durch die fast unberührten Wälder „kannst du jetzt
aber Überraschungen erleben“, sagt der 82-jährige ehemalige Germanistikprofessor.
Kamen im 19. Jahrhundert die Damen und Herren aus Wien und Budapest in die
Hotels und Kuranlagen, sind es nun vornehmlich arabische Familien. Die nach dem
letzten Krieg renovierten Kurhotels, wie das Hotel Hungaria oder Bosna sind seit
Jahren mit Touristen aus den Golfstaaten und aus Saudiarabien ausgebucht, zumal
die traditionellen Sommerfrischen in Syrien und dem Libanon seit dem Krieg unsicher
geworden sind. Mit Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent ist Bosnien und
Herzegowina zum Touristenland geworden.
100
Jannah lautet das arabische Wort für Paradies. „Jannah“, rief auch der Großinvestor
Ismail Ahmed von der Firma Buroj Property Development aus Dubai aus, als er im
Hochplateau von Dejčići die Aussicht auf das von Schnee bedeckte Massiv des
Treskavica genoss. Seine Firma hat das Hochplateau gekauft und will 2,2 Milliarden
Euro in das Projekt stecken. Eine für Bosnien nahezu unvorstellbare Dimension. Hier
sollen 2000 Villen, 60 Hotels, 186 Mehrfamilienhäuser, ein Krankenhaus, Einkaufszentren und Restaurants entstehen.
Die Investition wird sich nach dem Kalkül der Firma rechnen, denn die Baupreise in
Bosnien sind niedrig. Zement und Baumaterialien werden im Land produziert. Die
Firma rechnet mit einem Drittel der Baukosten im Vergleich zu Projekten in der
Heimat. Schon im April soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. Auch andere
arabische Firmen sind in Zentralbosnien aktiv. Während die Superreichen aus den
Golfstaaten in London investieren und den Sommer in Chalets in Kitzbühel oder der
Schweiz verbringen, ist es hier eher die Mittelschicht, die nach preiswerteren Alternativen sucht.
Typisch gemischte Dörfer
Die von Schnee und Eis bedeckte Straße schlängelt sich den Berghang zum Dorf
Osjenik hinauf. Unten im Tal ist noch der Ort Pazarić zu erkennen. Bereits von den
ersten Häusern des Dorfes aus bietet sich ein einmaliger Blick auf die umliegende
Bergwelt. Auf dem Bjelašnica-Massiv locken die 1984 angelegten olympischen
Pisten noch täglich Tausende Skifahrer an.
Der ehemalige Professor Alicehajic deutet auf den muslimischen Friedhof, anschließend auf den christlichen Friedhof mit den eingravierten Bildern der Verstorbenen auf
den Grabsteinen. Die Moschee und die Kirche verraten, dass dieses Dorf zu den für
Zentralbosnien typischen gemischten Dörfern gehört, in denen seit Jahrhunderten
Menschen verschiedener Religionen zusammenleben.
Nach wenigen Hundert Metern ist die Hochebene erreicht. Zweistöckige Mehrfamilienhäuser umschließen ein Terrain, wo ein künstlicher See angelegt werden soll.
Darauf weist das am Eingang zum Gelände angebrachte Schild hin, auf dem die
geplante Anlage der aus Kuwait stammenden Firma Gulf.doo grafisch dargestellt ist.
Manche der Häuser sind erst halb fertig, daneben werden von Baggern Gruben
ausgehoben. Überall wird gearbeitet. Es wird ein Einkaufszentrum geben, eine
Moschee, Restaurants und Cafés. Betreten darf man das Gelände noch nicht.
Immerhin lässt der bosnische Wachmann durchblicken, dass schon im Sommer die
ersten Touristen kommen sollen. In den 160 Häusern werden mehr als 1000
Touristen aus den Golfstaaten und Saudiarabien ihren Urlaub verbringen können.
Viele Männer aus der Region hätten jetzt Arbeit, ungelernte Hilfsarbeiter bekämen
zwar nur umgerechnet 15 Euro am Tag, aber „besser, als arbeitslos herumzuhängen“, sagt Alicehajic. Der frühere Professor ist ein Teil der Raja, der traditionsbe101
wussten Bildungsschicht aus dem multinationalen Sarajewo. Religiös sei er nicht,
sagt der Bosniake. Er fürchte aber um den Bestand des traditionellen, toleranten
bosnischen Islam. „Wahhabismus und Salafismus gehören nicht hierher“, grummelt
er. „Was bedeutet dieser radikale arabische Islam für die muslimische Dorfbevölkerung? Nicht zu sprechen von den Christen“, kritisiert er.
Die Investoren hätten das Land von der Gemeinde gekauft, denn nach dem Krieg
und der Unabhängigkeit fiel das im sozialistischen Jugoslawien staatliche Land in
den Besitz der Gemeinden in Bosnien und Herzegowina, erzählt Alicehajic. „Man
braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Korruption das bei Bürgermeistern und politischen Parteien nach sich zieht. Und die Wahhabiten werden
versuchen, die muslimischen Politiker auf ihre Seite zu ziehen.“ Nach dem Ausflug
auf das Plateau kehrt er in ein Restaurant in Pazarić ein, auf dem Tisch vor ihm
stehen Bohnensuppe, Kräutertee und der Birnenschnaps Kruska.
Der rundliche Besitzer des Lokals hat Alicehajic' Thesen zugehört. „Moment, so
einfach ist das nicht. Die Araber haben im letzten Sommer viel Geld ausgegeben“,
sagt er. Er baue das Restaurant jetzt aus, im Sommer sollen Dutzende Gäste
draußen am Bach sitzen können. Geld komme nun in die Region, allen werde es
besser gehen. Aber darf er dann noch Alkohol ausschenken? „Ach was, die
arabischen Gäste haben letzten Sommer schon viel Wein, Bier und Schnaps
getrunken, bei uns ist das erlaubt. Die freuen sich über unsere bosnisch-muslimische
Lebensweise.“
Plakate auf Arabisch
Im Zentrum Ilidžas ist eine neue Welt entstanden. Die arabischen Immobilienfirmen,
die sich um das nach dem Jugoslawien-Krieg gebaute Hotel Hollywood herum
angesiedelt haben, preisen ihre Objekte auf Arabisch an. In der Cafeteria des Hotels
sitzen bei Tee und Softdrinks mehrere Gruppen von Männern, Araber und Bosnier,
eng zusammen und wälzen Papiere.
Auch Emir möchte mit den Arabern verhandeln. Der junge Bosnier aus Mostar hat
sich einen Bart wachsen lassen. Er will mit den großen arabischen Investoren über
die Lieferung von Fleisch verhandeln. „Die Lebensmittel für die Araber müssen halal
sein, argentinisches Fleisch können wir denen nicht liefern.“ Hat sich Emir nur aus
Geschäftsinteresse einen Bart wachsen lassen? Oder geht er wirklich in Richtung
des „Neuen Islam“? Alicehajic ist sich unschlüssig. Emir zeigt sich bereit, über
Glaubensfragen zu diskutieren, kritisiert die oberflächliche Konsumwelt des Westens:
„Nur Partymachen ist langweilig.“
Emirs Auftreten gefällt einer Begleiterin, einer bosnischen Muslima, jedoch gar nicht.
„Er wollte mir als Frau nicht die Hand geben, wir sind doch nicht in Arabien“, zeigt sie
sich brüskiert. „Fehlt noch, dass sie von uns bosnischen Frauen fordern, uns zu
verschleiern.“
102
18.2.2016
Die EU ist tot
80 Jahre beklagten Tiroler dies- und jenseits der Staatsgrenzen diese
unselige Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg – jetzt könnte die
Forderung nach Wieder-Aufnahme der Grenzkontrollen sogar Wählerstimmen bringen
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Die Idee, die Zersplitterung Europas durch
ein Vehikel wie die Europäische Union zu überwinden, steht vor dem Scheitern.
Nein: Sie ist bereits gescheitert.
Nachdem Schengen de facto zu Grabe getragen ist, kommt jetzt die PersonenFreizügigkeit dran. Sie wird den Briten geopfert, um sie doch noch zum Bleiben in der EU
zu bewegen (auch wenn dieses Opfer nichts mehr nützen wird – David Cameron wird den
Zug, den er da in Bewegung gesetzt hat, nicht mehr aufhalten können und so als
Totengräber nicht nur der EU sondern auch der britischen Wirtschaft in die Geschichte
eingehen). Und Populisten aller Ländern werden die Gelegenheit begeistert nutzen, auch
den Zuwanderern im eigenen Land das Leben zu vergällen – die entsprechende
Diskussion in Österreich läuft ja bereits (und dass sie ausgerechnet von einem
Arbeiterkammer-Funktionär angestoßen wurde, verringert die Hoffnung, es könnte doch
noch anders laufen, weiter).
Nun ist Schengen nicht die Substanz der Union, es ist ein Zusatz-Abkommen, das nie von
allen EU-Mitgliedern getragen wurde. Aber Schengen ist ein Symbol. Ein Symbol dafür,
dass Europa die Aufhebung der nationalen Grenzen ernst meint. Ein Symbol, das in die
Richtung endgültiger Reduktion von Staatsgrenzen auf bloße Verwaltungsgrenzen
gewiesen hat. Letztlich eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sich der
Staatenbund namens EU einmal doch in Richtung Bundesstaat nach Vorbild der USA
entwickeln könnte.
Mehr als ein Symbol
Mit der Personenfreizügigkeit ist es etwas anderes: Sie ist nicht bloß ein Symbol, sondern
eine der Säulen der europäischen Einigung, gleichwertig mit der Freizügigkeit von Waren
und Kapital. Wenn diese Säule gekappt wird, ist es nur eine Frage relativ kurzer Zeit, bis
auch die anderen Säulen kippen. Daher werden auch die, die eigentlich immer schon ein
lockeres Handelsbündnis anstelle der EU wollten (also z.B. die Briten oder die aktuellen
Regierungsparteien in Ungarn oder Polen) am Ende durch die Finger schauen. Ein
Binnenmarkt zwischen 28 Staaten kann auf Dauer nur funktionieren, wenn man sich auf
eine Gerichtsinstanz einigt, die im Streitfall das letzte Wort hat. Da hat sich der
Europäische Gerichtshof in den letzten 60 Jahren bestens bewährt, aber an seiner
Demontage wird von allen Seiten gearbeitet. Jeder österreichische Versuch, den
Transitverkehr einseitig zu begrenzen, jedes zweite Gesetz in Ungarn – und zuletzt die
Mautpläne des Integrations-Musterschülers Deutschland – ist ein klarer Verstoß gegen
den Geist (und zumeist auch gegen den Buchstaben) europäischen Rechts.
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Europa hat sich als Gemeinschaft des Rechts definiert. Aber eine solche Gemeinschaft
kann nur funktionieren, solange der Konsens besteht, dieses Recht auch zu achten –
schon vorweg, nicht erst, wenn man durch ein Urteil dazu gezwungen wird.
Was von der EU, die wohl noch einige Zeit weiter bestehen wird, übrigbleiben wird, ist
also zunächst ein multilateraler Freihandelsvertrag und dann – wenn dieser über eine
Serie von Fouls und Revanchefouls zerfallen ist – eine Art multilateraler Nichtangriffspakt. Und wie lange Nichtangriffspakete in Europa halten, lässt sich in den
Geschichtsbüchern des 20. Jahrhunderts nachlesen.
Gegen die Geschichtslüge
Europa ist also tot. Was uns noch bleibt ist, die Geschichtslüge zu bekämpfen, die sich
bereits klammheimlich auf den Weg in die Schulbücher gemacht hat: Europa ist nicht am
Ansturm einiger Millionen Flüchtlinge gescheitert – mit gutem Willen und Zusammenhalt wäre die Aufnahme und auch Integration von Fremden, die nicht einmal einem
Prozent der europäischen Bevölkerung entsprechen, kein Problem gewesen.
Gescheitert ist Europa am Rechtspopulismus, der die latente Fremdenfeindlichkeit, die
es in allen Staaten immer schon gegeben hat, ausnützt, um mehr Einfluss zu gewinnen,
an der Dummheit seiner Regierungen, die noch immer glauben, der Siegeszug
rechtspopulistischer Parteien ließe sich aufhalten, indem man ihre Forderungen in
vorauseilendem Gehorsam erfüllt (das Gegenteil ist der Fall), und an der Indifferenz
derer, die es eigentlich besser wüssten. Ein gepflegter Außenfeind war immer schon ein
beliebtes Muster, um von eigenen Fehlern abzulenken, und wir haben es zugelassen, dass
die EU mehr und mehr in die Rolle eines solchen Außenfeindes gedrängt wurde, weil sich
die nationalen Regierungen mehr und mehr als unfähig erwiesen, die steigenden sozialen
und verteilungspolitischen Probleme im eigenen Land zu lösen. Und dieselben Politiker,
die in Brüssel mit aller Macht verhindern, dass die europäischen Institutionen mehr
Kompetenzen bekommen, beklagen dann daheim wortreich, dass die EU an der Lösung
europäischer Probleme scheitert.
Konkret in Sachen Flüchtlingspolitik: Den ersten Anlauf der EU zu einer gemeinsamen
Asylpolitik hat – unter Schwarz-Blau – auch Österreich verhindert. Und jetzt, wo auch
der Dümmste einsehen muss, dass eine gemeinsame Asylpolitik Europas auch im
nationalen Interesse Österreichs wäre, beklagen die an dieser Verhinderung beteiligten
Parteien, dass die EU nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen – und nehmen das als
Rechtfertigung für weitere nationale Alleingänge. Sie ignorieren die leicht fassliche
Tatsache, dass es in einem wirtschaftlich und gesellschaftlich so eng verflochtenen
Europa kaum noch nationale Interessen gibt. Und sei es bloß über die simple Anwendung
des alten Grundsatzes: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern
zu. Konkret z.B. auf die Flüchtlingsfrage angewandt: Was der eigenen Bevölkerung nicht
zuzumuten ist, das sollte man auch dem Nachbarn nicht zumuten. Grenzkontrollen an
Schengen-Grenzen sind daher nicht nur in sich widersinnig, sie verlagern das Problem
bestenfalls in den Nachbarstaat, statt es zu lösen.
Es lebe die Brennergrenze
80 Jahre beklagten Tiroler dies- und jenseits der Staatsgrenzen diese unselige Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg – bis sich diese Grenze durch Schengen praktisch in
Luft auflöste. Und jetzt hoffen pseudo-patriotische Lokalpolitiker in Tirol auf Wählerstimmen, wenn sie genau an dieser Grenze wieder neue Kontrollen fordern.
Hinter all diesen Problemen steht natürlich, dass wir es verabsäumt haben, die EU mit
den für ihr Einigungswerk nötigen Kompetenzen auszustatten. Wir haben eine
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europäische „Regierung“, die nicht nach Kompetenz sondern nach dem Prinzip „Jedem
Land sein Kommissar“ zusammengesetzt ist, wir haben eine gemeinsame Währung ohne
gemeinsame Wirtschaftspolitik (dafür aber mit Bailout-Verbot), und das viel beklagte
Demokratiedefizit der EU ist vor allem darauf zurückzuführen, dass letztlich nicht das
direkt gewählte Europäische Parlament das Sagen hat, sondern eine sich als
Versammlung von Staatsmännern (gut, ein paar Frauen sind auch meist dabei)
gebärdende Landeshauptleutekonferenz, die bei jedem europäischen Beschluss vor allem
die Wählerstimmen im eigenen Dorf vor Augen hat.
Dass das nicht funktionieren kann, hätten wir wissen müssen. Nein: Wir haben es
gewusst. Aber wir haben es hingenommen, weil mehr halt auf die Schnelle nicht
erreichbar war, und weil wir in den 60 Jahren europäischer Einigung gelernt haben, dass
es trotz mangelnder Voraussetzungen halt immer doch irgendwie geht. Über weite
Strecken hat dort, wo nationale Eifersüchteleien echte europäische Lösungen
verhinderten, der EuGH in Eigenregie die europäische Sache vorangebracht, indem er
dort, wo nationale Eifersüchteleien gemeinsame Regelungen verhinderten, im
Zweifelsfall für die europäische Idee und gegen nationale Einzelinteressen entschied.
Hätte der EuGH nicht in Sachen „Cassis de Dijon“ entschieden, dass ein Johannisbeerlikör aus Frankreich in Deutschland auch dann verkauft werden darf, wenn er nach
dortigem Recht zu wenig Alkohol enthält, dann hätte es in Europa nie einen Binnenmarkt gegeben.
Diesmal ist es anders: Bisher haben die unzähligen Stolpersteine auf dem Weg das
Einigungswerk zwar verzögert, aber nie gab es echte Rückschritte, nie wurde eine bereits
erreichte und implementierte Errungenschaft wieder zurückgenommen oder auch nur
aufgeweicht. Mit der Außerkraftsetzung von Schengen und der Aushöhlung der
Personenfreizügigkeit kommt es jetzt zu einer Schubumkehr. Und die führt, wie wir
wissen, zum Absturz.
Von den Bienenzüchtern lernen
Falls es je zu einem weiteren Anlauf für die europäische Einigung kommen sollte, wissen
wir jedenfalls: Sie kann nur funktionieren, wenn der Einfluss der einzelnen Staaten auf
ein Mindestmaß zurückgeschraubt wird. Und sie scheitert jedenfalls, wenn – in welcher
Frage auch immer – Einstimmigkeit gefordert wird. Jeder Bienenzüchterverein weiß,
dass man für eine Änderung der Statuten eine qualifizierte Mehrheit, aber keinesfalls
Einstimmigkeit vorschreiben darf. Denn das führt nicht zu Einigkeit, sondern zu
Erpressung der Mehrheit durch eine Minderheit.
Die USA – der einzige Fall, in dem die friedliche Zusammenführung mehrerer Staaten zu
einem Ganzen tatsächlich funktioniert hat – haben das von Anfang an berücksichtigt: Die
US-Verfassung zu ändern ist unendlich mühsam (das verhindert, dass z.B.
Taxikonzessionen dort festgeschrieben werden können), aber es ist auch gegen die
Stimmen einzelner Bundesstaaten möglich.
Es wird nicht leichter
Die EU war sicher nicht der letzte Versuch, zu einer europäischen Einigung zu kommen.
Dafür steht zu viel auf dem Spiel, und der alte Kontinent ist im Vergleich zum Rest der
Welt bereits viel zu klein und unbedeutend geworden, um seine Zersplitterung in 30, 40
oder 50 Staaten länger aufrecht erhalten zu können. Aber der nächste Versuch wird
zweifellos noch schwieriger als der, den wir fast schon hinter uns haben.
Auch die deutsche Einigung ist im 19. Jahrhundert nicht im ersten Anlauf geglückt, als ab
1848 in der Frankfurter Paulskirche eine Versammlung von Delegierten aller deutscher
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Staaten in mühevollen Verhandlungen, aber friedlich, ein gemeinsames Regelwerk für
ein größeres Deutschland aushandelte. Gelungen ist sie erst 1871 – und erst nachdem
einander die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen die Schädel
eingeschlagen hatten und Österreich bei dieser Einigung außen vor bleiben musste.
Wollen wir hoffen, dass uns wenigstens das erspart bleibt
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Europa droht Talfahrt ins Chaos
Tatsächlich ist die Gefahr groß, dass sich das Leben in Europa
grundlegend zum Schlechteren verändert.
Die EU, die Frieden und Wohlstand sichern sollte, bröckelt: Die EU-Spitzenpolitiker
erwarten offenbar immer noch, dass die Migrationskrise einfach von selbst vorübergeht.
Und in Großbritannien versucht ein weitgehend hilfloser Premier David Cameron die
katastrophale Lage um sein EU-Referendum, die er selbst verursacht hat, unter Kontrolle
zu bringen.
In völliger Verkennung der Tatsachen bauen die Regierungen vieler EU-Staaten
Grenzzäune. Sie führen Grenzkontrollen innerhalb der EU wieder ein oder planen dies,
wie die österreichische Regierung am Brenner und einigen weiteren Grenzübergängen im
Süden und Osten. Dass damit Schengen, der Binnenmarkt und das Rückgrat der
Wirtschaft in Form der KMU den Bach hinuntergehen, wird ganz offenbar billigend
hingenommen.
Die EU ist tot
Schon heute beträgt der Schaden für die Transportwirtschaft laut WKÖ rund 2,5
Millionen € am Tag. Sollten die Grenzkontrollen ausgeweitet werden, wären die Kosten
nur für den Warenverkehr zwischen 1,2 und 2,5 Milliarden € pro Jahr anzusiedeln.
Österreichische KMU, die „just in time“ etwa nach Deutschland zuliefern, wären die
Aufträge über kurz oder lang los. Die in Westösterreich wichtigen Tagestouristen meiden
Österreich längst. Die Auswirkungen wären völlig unabsehbar, die wirtschaftliche
Talfahrt wäre nicht aufzuhalten.
Und auch die Debatte um die Zugeständnisse an Großbritannien, um dessen Verbleib in
der EU zu sichern, geht an der Realität vorbei. Der für den EU-Gipfel geplante Deal hat
keine Auswirkung auf das Abstimmungsverhalten am 23. Juni. Je nach Umfrage ist eine
knappe Mehrheit der Briten für oder gegen die EU. Längst schaudert es sie vor den
Flüchtlingsströmen aus Nahost, die sie bisher gar nicht gröber treffen.
Und dennoch: Der EU-Gipfel soll nur der Bestandsaufnahme
der bisherigen – erfolglosen – Flüchtlingspolitik dienen. Wann
wachen die EU-Spitzenpolitiker endlich auf? Da sind die
Osteuropäer, die massiv von EU-Hilfen profitieren, ebenso
gefragt wie die störrischen Franzosen und die Regierung in
Wien. Wenn sie nicht beginnen, konstruktiv zusammenzuarbeiten, die Zuwanderer nach fairen Quoten aufzuteilen und
die Außengrenzen – auch mithilfe der Türkei – effektiv zu
schützen, dann droht das Chaos. Die EU-Feinde vom
französischen Front National und seine Verbündeten wie die
FPÖ sind schon voll fiebriger Vorfreude.
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Brexit heikles Thema bei EU-GipfelLösung unmöglich? Warum es so schwer
ist, Großbritannien in der EU zu halten
18.2.2016
Es geht um nicht weniger als die Zukunft der Europäischen Union beim Gipfel in Brüssel.
Neben der Flüchtlingskrise ist das Hauptthema des EU-Gipfels, ob man auf Großbritannien
zugeht und das Land so in der EU bleibt – oder nicht. Die Mitgliedsländer, aber auch Premier
David Cameron, stehen vor einer Aufgabe, die kaum lösbar scheint.
David Cameron beteuert gerne, keine romantische Beziehung zur EU zu unterhalten. Das
würde auf dem Kontinent auch niemand von ihm verlangen. Dass aber die britische EUPolitik nach seiner fast sechsjährigen Amtszeit in Scherben liegt, ist etwas Anderes.
Mit dem Countdown zu einem Referendum, das Cameron selber nicht wollte, zu dem ihn
vielmehr die Euroskeptiker inner- und außerhalb seiner Partei gezwungen haben, bricht
vielleicht das letzte Kapitel einer komplizierten Zweckehe an.
Europa in seiner größten Krise - und Großbritannien raubt
die Energie mit Befindlichkeiten
Zum EU-Gipfel in dieser Woche liegen Londoner Reformforderungen vor, gentlemanlike als
Vorschläge bezeichnet. Das Timing könnte kaum schlechter sein. Wirtschafts- und
Finanzkrise, Gefechte in der Ost-Ukraine, Syrien in Flammen und seit letztem Jahr die größte
Flüchtlingsbewegung seit Ende des Zweiten Weltkrieges: Die Gemeinschaft hat nach innen
wie außen die schwerste Bewährungsprobe ihrer Geschichte zu bewältigen.
Welchen Beitrag leistet dabei jetzt das Vereinigte Königreich? Es zwingt dem Rest der EU
eine Diskussion über britische Befindlichkeiten auf, die Zeit und Energie von der
Bewältigung echter Krisen abzieht.
Manche britischen Forderungen sind durchaus sinnvoll
Geradezu tragisch dabei ist, dass viele britische Forderungen auf tatsächlich notwendige
Reformen abzielen. Die Vollendung des Binnenmarktes ist längst überfällig, scheitert aber
allzu oft an nationalen Egoismen. Nur durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wird es
gelingen, das Versprechen auf beste Lebenschancen auch in Zukunft einlösen.
Die Vorschläge zum Verhältnis zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern sind ebenfalls
sinnvoll: Aus liberaler Sicht ist es selbstverständlich, dass die Eurozone ihre Regeln den
anderen nicht aufzwingen oder sie zur Haftung heranziehen darf. Umgekehrt muss
ausgeschlossen sein, dass Nicht-Euro-Länder ein faktisches Veto-Recht über Entscheidungen
im gemeinsamen Währungsraum erhalten.
Geschichte zu bewältigen.Welchen Beitrag leistet dabei jetzt das Vereinigte Königreich? Es
zwingt dem Rest der EU eine Diskussion über britische Befindlichkeiten auf, die Zeit und
Energie von der Bewältigung echter Krisen abzieht.
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Ein Veto-Recht für nationale Parlamente ist unsinnig
Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ermöglicht politischen Fortschritt, zeitliche
Flexibilität und Rücksichtnahme auf nationale Gegebenheiten. Ein Veto-Recht für nationale
Parlamente aber ist unsinnig, da die Zahl der Veto-Akteure im EU-Gesetzgebungsverfahren
schon heute viel zu hoch ist. Nationale Parlamente müssen entscheiden, wie eng sie ihre
jeweilige Regierung an die Kandare nehmen wollen, für eine direkte Beeinflussung von
Prozessen auf EU-Ebene fehlt es ihnen an Kenntnissen und Kompetenz - und den einzelnen
Abgeordneten oft auch einfach an Zeit.
Ein Vorschlag enthält echten Sprengstoff
Echten Sprengstoff enthält der Vorschlag, Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern erst nach
vierjähriger Beschäftigung die Vergünstigungen zu gewähren, die ihren britischen Kollegen
zustehen. Die "Migrations-Notbremse" richtet sich nämlich nicht zuerst gegen arbeitslose
Einwanderer, die ohne Vorleistungen das britische Sozialsystem in Anspruch nehmen wollen.
Sie wendet sich vielmehr gegen Menschen in Lohn und Brot, die dieselben Steuern und
Abgaben zahlen wie Briten im gleichen Arbeitsverhältnis. Das ist Diskriminierung und daher
mit EU-Recht unvereinbar.
Ein solcher Beschluss wäre ein fatales Signal
Politisch wäre ein solcher Beschluss des Rates ein ebenso widersprüchliches wie fatales
Signal. Widersprüchlich, denn die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine der vier Säulen des
europäischen Binnenmarktes, den Cameron ja gerade vollenden will.
Fatal, weil Zugeständnisse in diesem Bereich die Büchse der Pandora öffnen würden. Polen
könnte vielleicht eine Notbremse gegen deutsche Handelsunternehmen verlangen, die von der
Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt profitieren. Frankreich sieht den freien Kapitalverkehr
ohnehin skeptisch, und Italien könnte den freien Warenverkehr einschränken wollen mit einer
Notbremse gegen Autoimporte. Der Binnenmarkt, eine der wichtigsten Quellen des
Wohlstands in Deutschland und Europa, wäre am Ende.
Cameron und die EU stehen vor der Quadratur des Kreises
Cameron und die EU stehen somit vor der Quadratur des Kreises. Als Liberale wollen wir das
Mutterland des Liberalismus in der EU halten – aber nicht um den Preis der Zerstörung des
Binnenmarktes. Die Abkehr von der Arbeitnehmerfreizügigkeit wäre so folgenschwer, dass
der Rest der EU, Deutschland zumal, ihr nicht zustimmen kann.
Zugleich geht selbst diese Idee den anti-europäischen Hardlinern auf der Insel nicht weit
genug. Die britische Presse verhöhnt den Forderungskatalog bereits als "Farce" und "Witz".
Dennoch sollten die anderen Europäer alles daran setzen, die Briten vom Verbleib zu
überzeugen. Mit Großbritannien in der EU schlägt der Kompass marktwirtschaftlicher aus,
die europäische Stimme in den internationalen Beziehungen hat mehr Gewicht, der
Freihandel einen starken Anwalt.
108
Es braucht eine flexiblere Union mehrerer Geschwindigkeiten
Wie auch immer sich die Briten am Ende entscheiden, die Arbeit an einer flexibleren Union
mehrerer Geschwindigkeiten wird immer dringender. Eine solche EU, in der Franzosen,
Deutsche und Belgier sich genau so wiederfinden wie Briten, Tschechen und Dänen, strahlt
kaum Romantik aus, aber viel Pragmatismus – das sollte auch nach dem Gusto von David
Cameron sein.
--------------------------19.2.2016
"Großbritannien wird niemals Teil eines EU-Superstaates"
Nach dem Marathon-Gipfel in Brüssel präsentiert sich David Cameron als
Sieger.
David Cameron auf der Abschluss-PK
nach dem EU-Gipfel: Der britische Premier fühlt sich als Sieger. Doch seine
eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an
Die Regierungschefs mussten ihre Hotelbuchungen verlängern, aus einem eigentlich
geplanten englischen Frühstück wurde ein englisches Dinner. Die polnische Regierung grätschte in die Gipfelplanung, dann setzte Griechenlands Premier Alexis
Tsipras seinen Amtskollegen vorübergehend die Pistole auf die Brust. Und der
britische Premier David Cameron selbst drohte mehrfach damit, das Treffen zu
verlassen, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden.
Der sogenannte Brexit-Rat, bei dem Großbritannien mit den anderen EU-Staaten
einen Deal für das bevorstehende Referendum aushandeln wollte, war an Dramen
nicht arm. Doch wie hoch ist der Preis, den die Europäer dafür zahlen mussten? "Ich
glaube, dass wir Großbritannien nicht zu viel gegeben haben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss der Marathonverhandlungen.
Die "Welt" beantwortet die wichtigsten Fragen:
Kommt die europäische Integration jetzt zum Stillstand?
Cameron sagt, sein Land habe die politische Union noch nie gemocht noch
gewollt. "Großbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaats werden",
erklärte er nach der Einigung in der Nacht zum Samstag.
EU - Experte warnt
"Wir werden einen Zerfall der Europäischen Union haben"
109
Die britische Sonderrolle wird in dem Abkommen zementiert. Es wird darin festgehalten, dass sich Großbritannien nicht zu einer weiteren politischen Integration
bekennt. Darüber hinaus steht in dem Vertragswerk, dass das Ziel einer "immer
engeren Union" keine "Rechtsbasis" für weitere EU-Integrationsschritte darstellen
solle.
Die Möglichkeit anderer Mitgliedstaaten, künftig enger zusammenzuarbeiten, wird
damit allerdings nicht begrenzt. So wird ausdrücklich festgehalten, dass sich etwa die
Staaten in der Euro-Zone das Recht beibehalten, künftig noch enger zu kooperieren.
"Ich gehöre zu denen, die dafür sind, dass die Integration voranschreitet in der
Europäischen Union", sagte Merkel.
Großbritannien wird
künftig mehr Mitspracherechte in Angelegenheiten der Euro-Zone haben. So
soll ein Land etwa beantragen dürfen, dass Entscheidungen auf der Ebene der
Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat besprochen werden.
Welche Auswirkungen hat der Deal auf die Euro-Zone?
Eine Schwächung der Euro-Zone sieht sie darin allerdings nicht, sagte Merkel.
Sofern sich die Euro-Zone in einem Punkt einig sei, werde man das Anliegen auch
durchsetzen können. "Es ist mehr eine Frage der Euro-Zone selber, als dass uns
Großbritannien im Wege stehen würde."
Welche Vorteile hat London nun als Finanzstandort?
Cameron jubelt. Er habe sichergestellt, dass die Bank of England die Aufsicht
über die Banken und Versicherungen des Landes behalte. Er stelle damit
sicher, dass die Ersparnisse der Briten gesichert seien.
Allerdings stellten die EU-Partner vor allem auf französischen Druck hin klar: Das
dürfe nicht dazu führen, dass London als Finanzstandort einen Wettbewerbsvorteil
erhalte. Zwar darf Großbritannien die Bankenaufsicht übernehmen, doch das müsse
im Rahmen der geltenden, europäischen Regeln erfolgen.
Die Formulierung erlaubt es zudem der Europäischen Union, sich noch mehr Kompetenzen
anzueignen. Darauf hatte insbesondere Frankreich in den Verhandlungen hingewirkt. Auf
Betreiben von Paris wurde etwa eine Formulierung gestrichen, wonach nur die bereits
"existierenden" europäischen Regeln anzuwenden seien.
Darf Großbritannien jetzt die Sozialleistungen kürzen?
Camerons zentrales Anliegen war es, der Zuwanderung aus anderen EULändern Grenzen setzen zu können. Und er beansprucht dabei einen vollen
Erfolg für sich. Das Abkommen bereite der Idee ein Ende, wonach "Menschen
in unser Land kommen und Geld ohne Gegenleistung" erhalten", erklärte er.
Ich glaube, dass wir Großbritannien nicht zu viel gegeben haben
Angela Merkel
Bundeskanzlerin
Cameron wird das Recht erhalten, eine Notbremse zu ziehen, und das sofort. In
einem Zeitraum von sieben Jahren – Cameron hatte 13 gefordert – kann er
Sozialleistungen für EU-Arbeitnehmer, die neu ins Land kommen, kappen. Vier Jahre
sollen diese Arbeitnehmer geringeren Anspruch auf Sozialleistungen haben.
110
Darüber hinaus wird Großbritannien das Recht erhalten, beim Kindergeld zu kürzen.
So soll die Höhe des Kindergelds, das die britische Regierung ausbezahlt, an den
Lebensstandard des Landes angepasst werden, in dem die Kinder leben. Für ein
Kind in Rumänien etwa müsste die Regierung weniger überweisen als für ein Kind,
das in Großbritannien lebt. Ab 2020 können auch die anderen EU-Staaten diese
Regelung anwenden.
Führt das zu generellen Kürzungen in Europa?
Die Notbremse ist ganz speziell auf die Situation in Großbritannien maßgeschneidert.
Weil die Briten 2004 nach der EU-Osterweiterung ihren Arbeitsmarkt öffneten – im
Gegensatz etwa zu Deutschland – betrachtet die EU-Kommission das Königreich in
einer "exzeptionellen Situation". Daher darf London die Notbremse sofort umsetzen.
Für die meisten anderen Länder, Deutschland eingeschlossen, gilt das aber nicht.
Ich liebe Brüssel nicht, ich liebe Großbritannien
David Cameron
Britischer Premier
Die Neuregelung für das Kindergeld allerdings können alle Staaten anwenden. Und
sie werden damit auch liebäugeln. So kündigte bereits die dänische Regierung an,
dass sie durchaus Interesse daran hätte. Und auch Merkel möchte das Thema in
Berlin auf den Tisch bringen. "Auch Deutschland kann davon Gebrauch machen, das
kann ich mir vorstellen", sagte sie.
Es warte allerdings noch viel Arbeit auf alle Beteiligten. Die Vorschläge werden noch
vom Europäischen Parlament in Rechtsakte gegossen werden müssen. Der EUAbgeordnete Elmar Brok (CDU) ruft die Regierung in London daher zu einer guten
Zusammenarbeit auf. "Wir erwarten, dass die britische Regierung konstruktiv mit
dem Europäischen Parlament zusammenarbeitet", sagte er.
Was bedeutet der Deal eigentlich für Cameron?
Für den Briten fängt die wahre Schlacht jetzt erst an. Die Umfragen stehen fünfzigfünfzig, aber mindestens 25 Prozent der Wähler sind noch nicht entschieden. Die
muss der Tory in den nächsten Monaten überzeugen.
Zurück in London wird er am Samstag
zuerst sein Kabinett versammeln. Während Cameron danach den Referendumstermin – voraussichtlich der 23. Juni – ausruft, werden einige seiner Minister sofort
mit dem Wahlkampf für einen EU-Ausstieg beginnen. Deal hin, Deal her.
111
Camerons enger Freund, der Justizminister Michael Gove, beispielsweise hat sich
bereits gegen den eigenen Boss gestellt und der "Leave"-Kampagne angeschlossen.
Jetzt warten alle darauf, was Boris Johnson macht. Londons Bürgermeister, der auch
im Kabinett sitzt, ist extrem populär und gilt deshalb als Schlüsselfigur. Und: Er
schielt auf die Nachfolge Camerons. Daher ist seine Entscheidung für "In" oder "Out"
weichenstellend. Bekennt er sich zu "Leave" und es gibt ein Nein zur EUMitgliedschaft, muss Cameron gehen – und Johnson kommt.
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Das
Öl - Reich Norwegen befindet sich in der Mega-Krise
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24. 2. 2016 Alarmierende Zahlen im TraumlandAbsturz eines Superstars:
Norwegen profitiert vom Öl und gilt deswegen auch als sicherer Hafen für Investoren. Doch
jetzt zeigen sich alarmierende Zahlen: Das Wachstum ist faktisch zum Erliegen gekommen,
die Zahl der arbeitslosen Norweger so hoch wie lange nicht mehr. Die Regierung muss den
Pensionsfonds des Landes anzapfen.
Norwegen ist ein Land, in dem unablässig Öl fließt - und damit jede Menge Geld in die
Kassen des Staates. Die Rohstoff-Industrie macht hier ein Fünftel der Wirtschaftsleistung aus.
Mehr als 200.000 Arbeitsplätze hängen an der Branche.
Doch seit dem Absturz der Ölpreise ist nichts mehr wie vorher. Während sich etwa deutsche
Autofahrer über billiges Benzin freuen, ist die Krise der Branche für Zehntausende
norwegische Arbeiter existenzbedrohend. Wird ihnen die Öl-Abhängigkeit zum Verhängnis?
Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet auch für das kommende Jahr mit einem
Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt - dies ist eine der Botschaften einer Fachkonferenz in der US-Ölmetropole Houston. Gleichzeitig sieht sie einen drastischen Anstieg der
Preise bis 2021. "Selbst wenn sich der Ölpreis bis zu einem gewissen Grad erholt, wird er
nicht mehr auf das hohe Niveau von vor zwei Jahren zurückkehren", glaubt aber der
Wirtschaftsprofessor Steinar Holden von der Universität Oslo. Geplante Projekte seien längst
auf den Prüfstand gekommen, die Investitionen in Öl und Gas dramatisch gesunken.
30.000 Jobs weg, Arbeitslosenquote deutlich gestiegen, Wirtschaftswachstum erlahmt
Der Ölmulti Statoil - zu 67 Prozent im Staatsbesitz - reagierte mit Kostenschnitten und
Entlassungen. Über den Berg ist der Förderriese jedoch nicht. Vor Sonderposten verdiente
er 2015 nur 19,5 Milliarden Kronen (2,05 Mrd Euro) - halb so viel wie im Vorjahr. Inklusive
Sonderbelastungen machte der Konzern ein Minus von 37,3 Milliarden Kronen. Bis Ende
2016 sollen weitere Mitarbeiter und Berater gehen.
Aber nicht nur die Ölindustrie ist betroffen - auch ihre Zulieferer kämpfen. Von den Bohrinseln über die Maschinenhersteller bis hin zu Hotels und Restaurants bekommen alle die
Krise zu spüren - vor allem im Südwesten des Landes, um Stavanger, wo Statoil seinen Sitz
hat.
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Alarmierende Zahlen
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•
Rund 30.000 Jobs sind nach Berechnungen des Finanzdienstleisters DNB Markets in
dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land schon weggefallen, seit der Ölpreis den Sinkflug
angetreten hat. Es wird nicht damit gerechnet, dass sie nach der Krise wieder
entstehen.
Die Arbeitslosenquote in Norwegen ist seit Anfang 2015 von 3,8 auf 4,6 Prozent
gestiegen. "Sie ist jetzt deutlich höher als während der globalen Finanzkrise", sagt
Knut Anton Mork von der norwegischen Handelsbanken.
"Das Wirtschaftswachstum ist zum Stehen gekommen."
Regierung bedient sich an milliardenschwerem Pensionsfonds
Die Regierung in Oslo versucht gegenzuhalten - auch mit niedrigeren Steuern. Sowohl
Einkommen- als auch Unternehmensteuern sollen sinken, um die Wirtschaft auf Kurs zu
bringen. Dafür bedient sich Norwegen auch aus dem umgerechnet 800 Milliarden Euro
schweren Pensionsfonds, der sich aus den Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung speist.
Auf Dauer muss aber eine andere Lösung her, mahnen Experten.
"Es gibt schon eine Umstellung, und die wird durch die Tatsache begünstigt, dass die
norwegische Krone sehr an Wert verloren hat", meint Forscher Holden. Davon profitiert etwa
die Lachs-Industrie. Für viele Branchen ist es plötzlich einfacher, Arbeiter und Ingenieure zu
finden, weil die einst so attraktive Ölindustrie nicht mehr lockt.
Hoffnungsträger: Fischexport und Tourismus
Hoffnungen ruhen neben dem Fischexport vor allem auf dem Tourismus. "Aber auch hier
sind die Effekte zu gering, um die Schwäche in der Industrie rund um das Öl auszugleichen",
erklärt Mork. Auf den Lachsfarmen sei die Anzahl der möglichen neuen Jobs begrenzt.
Deshalb muss sich das Land langfristig nach anderen Wegen umsehen, attraktive Produkte
zu schaffen, für die Menschen auf der ganzen Welt zahlen wollten. "Es ist schwierig
vorauszusehen, welche Industrie in Zukunft in Norwegen erfolgreich sein wird. Was aber klar
scheint, ist, dass die Zukunft eher auf menschlichen Einfallsreichtum als auf natürliche
Ressourcen gegründet sein muss."
"Norwegen ist immer noch teuer"
Bis dahin stehen die Skandinavier auch vor Herausforderungen, die dem Öl-Reichtum geschuldet sind: Durch den Boom wurde Norwegen zu einem extrem teuren Land, jetzt ist das
Kostenniveau ein Problem. "Selbst mit dem geringeren Wechselkurs ist Norwegen immer
noch teuer. Es ist teuer, Arbeiter anzustellen - das muss sich ändern", sagt Mork.
Immer mehr Ökonomen fordern die Zentralbank auf, die Zinsen weiter zu senken. "Sie sind
in Norwegen immer noch höher als im Rest Europas. Dazu gibt es angesichts der Wirtschaftslage keinen Grund."
"Wir haben immer noch einen ziemlich großen Pensionsfonds"
Zu übertriebener Panikmache sehen die besonnenen Norweger trotz Krise aber keinen
Grund. "Wir können nicht erwarten, in Zukunft weiter so hohe Einnahmen aus der Ölindustrie
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zu haben", räumt Holden ein. "Aber wir haben immer noch einen ziemlich großen Pensionsfonds."
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Migranten auf der Balkanroute
Österreich übernimmt die Führung
25.1.2016
Eine Konferenz der Balkanstaaten hat zu zwei Schlussfolgerungen geführt. Der
Zustrom aus Griechenland soll massiv gesenkt werden, und Mazedonien fällt
dabei eine Schlüsselposition zu. Wien hat gerufen, und fast der ganze Balkan ist
gekommen. Auf Einladung von Aussenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner konferierten am Mittwoch die Amtskollegen
aus Mazedonien, Bulgarien, Serbien, Kosovo, Bosnien, Montenegro, Kroatien
und Slowenien. Das Ministertreffen zum Thema «Managing Migration
Together» machte klar, dass Österreich eine Führungsrolle bei der Reduktion
der Flüchtlingswanderung über den Balkan beansprucht.
Zu diesem Zweck will Wien die Koordination zwischen den Transitstaaten
verbessern. Nicht eingeladen war Griechenland – Wien scheint den südlichsten
Balkanstaat als Teil des Problems und nicht der Lösung zu betrachten. Um diesen
Eindruck abzuschwächen, wurde in einer schriftlichen Erklärung festgehalten, die
Kooperation mit Griechenland «bleibe wesentlich».
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Stau in Griechenland
Nachdem Österreich eine Obergrenze von 80 Asylsuchenden täglich und eine Transitquote
von 3200 Durchreisenden beschlossen hatte, schloss Mazedonien am Wochenende die
Grenze für Afghanen. Nur Syrer und Iraker mit gültigen Papieren werden durchgelassen.
Zurzeit sind das etwa 700 Personen pro Tag. Allerdings gibt es eine wachsende Zahl von
Flüchtlingen in den Balkanländern, die an den Grenzen zurückgeschickt werden, weil sie qua
Herkunft als Wirtschaftsmigranten betrachtet werden. In Griechenland haben die
mazedonischen Restriktionen bereits zu einem vieltausendköpfigen Stau geführt. Die
Versorgung dieser Flüchtlinge wird sehr schnell zum Problem.
Tsipras droht der EU mit Blockade
.
Griechenland will in der Europäischen Union solange politische Beschlüsse blockieren, bis
die vereinbarte gleichmässigere Verteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten in die
Tat umgesetzt wird. Dies sagte Regierungschef Alexis Tsipras am Mittwoch im Parlament in
Athen. Griechenland fordere die sofortige Einhaltung der Vereinbarungen zur Flüchtlingspolitik, sagte er weiter. Athen werde nicht akzeptieren, dass es Staaten gebe, die einerseits
keinen einzigen Migranten aufnehmen, aber andererseits Zäune bauten.
Tsipras nannte es zudem eine «Schande», dass Österreich und weitere Länder der
Westbalkan-Konferenz am Dienstag in Wien eine Konferenz zur Asylpolitik abgehalten haben - ausserhalb des EU-Rahmens und ohne griechische Beteiligung.
azedonien wird zum «Schleusenwart»
Aussenminister Kurz machte klar, dass die verbesserte Koordination zwischen den
Balkanländern und Österreich zur massiven Reduktion der Flüchtlinge führen solle. Im
österreichischen Dispositiv kommt Mazedonien eine Schlüsselstellung zu. Dessen Südgrenze
zu Griechenland soll so befestigt werden, dass die Einreise von Flüchtlingen kontrolliert und
reduziert werden kann. Dies erfordert eine massive personelle und bauliche Verstärkung des
Grenzschutzes. Mazedonien wäre damit zweifellos überfordert. Aber die Konferenzteilnehmer versprachen dem Land Unterstützung. Auch der von Wien schon früher erwogene
Einsatz des Bundesheers wurde mit dem österreichischen Verteidigungsminister unter dem
Titel «zivile-militärische Kooperation» diskutiert. Mazedonien
wird damit zum
«Schleusen-wart», der gemäss westeuropäischen Vorgaben
den Zustrom an Flüchtlingen reguliert.
Allerdings befindet sich die vormals jugoslawische Republik in der schwersten
institutionellen Krise seit der Unabhängigkeit. Ein Abhörskandal hat die Verhältnisse
zwischen Regierung und Opposition so zerrüttet, das nur dank massivem Druck
seitens der EU und der USA Reformen in Gang gesetzt wurden. Sie sollen im Juni zu
Neuwahlen führen. Wie sich die regionale Aufwertung des Landes zum Schleusenwart auf den Machtkampf im Innern auswirkt, bleibt abzuwarten. Wien scheint
davon auszugehen, dass für die Abschreckung der Flüchtlinge vor allem Polizei und
Armee funktionieren müssen.
Nicht untätig zuwarten
Mehrfach wurde an der Pressekonferenz in Wien betont, dass eine gesamteuropäische Lösung notwendig sei. Eine solche, so die Innenministerin, brauche Zeit. Bis
dahin könne man die Hände nicht in den Schoss legen, sondern müsse regional und
in Eigenverantwortung handeln. Ausser Griechenland war auch Ungarn nicht an der
Konferenz vertreten. Aber es bleibt der Eindruck, dass es für die Flüchtlingskrise jetzt
so etwas wie einen österreichisch-ungarischen Ansatz auf dem Balkan gibt.
115
Tsipras droht mit Blockade der EU
Griechenland ruft Botschafterin aus Wien zurück
Im Streit um die EU-Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingskrise verschärft der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras den Ton. Nach Drohungen in Richtung Brüssel ruft
Athen am Donnerstag seine Botschafterin aus Wien zurück.
Im Herbst war der
Empfang für den österreichischen Kanzler Faymann (links) auf Lesbos noch
ganz herzlich; nun hat die Regierung von Alexis Tsipras den Ton verschärft.
Als Folge der umstrittenen Konferenz zur Flüchtlingspolitik in Wien hat Griechenland am Donnerstag seine Botschafterin aus Österreich zurückgerufen. Dies sei
geschehen, um sich mit der Diplomatin zu beraten, teilte das Aussenministerium am
Donnerstag in Athen mit. Ziel sei, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den
beiden Völkern und den beiden Staaten zu bewahren.
Reaktion auf die Balkankonferenz
Zahlreiche Länder hatten sich auf Initiative Österreichs am Mittwoch zu einer Westbalkankonferenz getroffen. Griechenland war nicht eingeladen, was für viel Kritik
sorgte. Dabei verständigte man sich darauf, in der Flüchtlingskrise stärker zusammenzuarbeiten und die Zahl der Neuankömmlinge zu verringern. Die Regierung in
Athen fürchtet, dass viele Migranten festsitzen bleiben, wenn immer mehr Balkanstaaten ihre Grenzen stärker sichern.
Vor Abgeordneten des Parlaments in Athen sagte der griechische Ministerpräsident
Tsipras am Mittwochabend, Griechenland werde Entscheidungen in Brüssel blockieren, wenn andere Länder der Europäischen Union (EU) ihrer Verantwortung nicht
gerecht würden. Die griechische Regierung hatte bereits zuvor die Balkanstaaten für
ihre Verschärfung von Einreisebestimmungen kritisiert. Sie befürchtet eine humanitäre Krise, wenn Tausende Einwanderer festsitzen. Man werde nicht zulassen, dass
Griechenland zu einer Lagerhalle für Menschen werde, sagte Tsipras.
Konferenz in Wien als «Schande »
Griechenland werde nicht akzeptieren, dass es Staaten gebe, die einerseits keinen
einzigen Migranten aufnehmen, aber andererseits Zäune bauten. Tsipras nannte es
zudem eine «Schande», dass Österreich und weitere Länder der WestbalkanKonferenz am Mittwoch in Wien eine Konferenz zur Asylpolitik abgehalten haben ausserhalb des EU-Rahmens und ohne griechische Beteiligung.
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Bei Merkel beschwert
Tsipras hatte sich zuvor bei Bundeskanzlerin Angela Merkel über das Verhalten
einiger EU-Länder in der Flüchtlingskrise beschwert. Österreich hat eine tägliche
Obergrenze zur Aufnahme von Asylbewerbern beschlossen. Dies wurde von der EUKommission als illegal bezeichnet und löste weitere Massnahmen von Staaten an der
Balkanroute aus. So lässt Mazedonien nur noch Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak
ins Land, Afghanen werden an der Grenze zu Griechenland zurückgewiesen. Der
Athener Regierung wird vorgeworfen, die EU-Aussengrenze nicht effektiv zu
schützen. Zu einer Konferenz Österreichs mit den Ländern an der Balkan-Route war
Griechenland nicht geladen.
Kein Weiterwinken mehr
Der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz sagte in einem im Internet
veröffentlichten Interview, sein Land sei mit dem Flüchtlingszustrom überfordert.
«Deshalb besteht aus unserer Sicht die dringende Notwendigkeit, nicht mehr das
Weiterwinken nach Mitteleuropa zu perfektionieren, sondern den Zustrom zu
reduzieren.» Kurz warf unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, 2015 mit
ihrem Eintreten für offene Grenzen die Flüchtlingskrise verschärft zu haben.
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28. 2. 2016
Mit diesem Schachzug riskiert Putin alles
Russland spielt auf der Weltbühne die Supermacht. Wirtschaftlichsteht
der Staat vor dem Kollaps. Präsident Wladimir Putin die Sanktion
Sanktionen zu umgehen – und riskiert dabei alles
Mit Staatsanleihen im Wert von 3 Milliarden US-Dollar will Russlands Präsident
Wladimir Putin frisches Geld ins Land holen. Kritiker warnen: Von der Finanzspritze
können auch Unternehmen profitieren, die eigentlich auf der Sanktionsliste stehen.
Quelle: Die Welt
Es ist ein Wagnis. Eine Alles-oder-nichts-Strategie. Geht der Plan auf, schafft Wladimir Putin nichts weniger, als die Sanktionen des Westens zu umgehen. Scheitert er,
ist das ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht. Russlands Präsident stünde blamiert da, vor seinem eigenen Volk, vor der Welt.
Putin versucht nicht nur, mit Bombardements in Syrien offenbar die Stabilität Europas
zu gefährden, indem er Menschen in die Flucht schlägt, die dann auf den Kontinent
drängen. Er führt noch einen zweiten Kampf gegen den Westen, ohne Flugzeuge
und Soldaten: Moskau plant, den Kapitalmarkt anzuzapfen und sich frische DollarDevisen zu beschaffen – ein Versuch, das Embargo zu brechen, das Europa und die
Vereinigten Staaten vor etwa zwei Jahren verhängt hatten.
117
Konkret will der Kreml Anleihen im Wert von drei Milliarden Dollar ausgeben. Es soll
sich um Schuldtitel mit zehn Jahren Laufzeit handeln. Russland hat nicht nur chinesische Banken eingeladen, bei der Emission mitzubieten – sondern auch europäische und amerikanische. Die Bank of America, die Citigroup, Goldman Sachs, J.P.
Morgan und Morgan Stanley. Putin umgarnt die Wallstreet-Giganten.
Sollte die Emission gelingen, wäre das ein Schlag gegen den Westen. Die Sanktionen verbieten es den Banken zwar nicht, bei Auktionen von Anleihen mitzubieten.
Dem russischen Staat darf durchaus Geld geliehen werden. Nicht Russland selbst
steht auf der Sanktionsliste, nur Geschäfte mit einzelnen Geldhäusern und Unternehmen sind untersagt. Putin könnte also über die Emission Dollar ins Land holen – und
dann an jene Firmen weiterleiten, die auf der Sanktionsliste stehen. Die Investmentbanker prüfen die russische Offerte dennoch, allen Warnungen aus Washington zum
Trotz.
Für die EU und die USA wäre es ein politisches Fiasko. Westliche Banken, die bei
der Finanzierung des russischen Staates mithelfen – ein fatales Signal. Gelingt es
den Russen tatsächlich, über diesen Umweg Geld ins Land zu holen, wären die
Sanktionen de facto wertlos. Es gäbe kein wirtschaftliches Druckmittel mehr. Putin
hätte den Westen genarrt.
Fatales Signal
"Offenbar will Moskau den Westen vorführen und zeigen, dass Amerikas Einfluss
nicht weit reicht", sagt Tim Ash, Leiter der Abteilung Schwellenländer des Finanzunternehmens Nomura in London. Eine geglückte Emission wäre auch ein Signal, dass
die Banken für ihre langfristigen Geschäfte mit Russland auch Ärger mit der USRegierung riskieren.
Tatsächlich nimmt Washington den Vorstoß der Russen offenbar sehr ernst. Die US-Regierung hat die großen US-Banken
umgehend davor gewarnt, auf die Pläne einzugehen und Moskau Geld zu leihen
oder anderweitig Geld zu beschaffen. Doch viele Banken sind angesichts der
geschäftlichen Aussichten dem Ansinnen Moskaus zugeneigt.
"Nicht jedes Geldhaus hat Nein gesagt", erklärte Russlands stellvertretender Finanzminister Sergej Storchak zufrieden: "Einige Banken haben uns nicht geantwortet,
andere hingegen schon. Wir haben genug Reaktionen, um auswählen zu können."
Der Verkauf der Anleihen werde unabhängig von den amerikanischen Warnungen
118
über die Bühne gehen, hieß es auch aus dem Moskauer Finanzministerium. Man
warte lediglich noch eine günstige Marktphase ab.
Zuletzt hatten sich die Märkte Schwellenländern gegenüber äußerst reserviert gezeigt. Insbesondere aus rohstoffreichen Nationen hatten Investoren sogar Geld abgezogen. Doch sollte sich die Lage am Ölmarkt stabilisieren, könnten viele gewillt
sein, Liquidität wieder einzusetzen. Das gilt umso mehr, als Russland den Investoren
wohl eine anständige Rendite bieten würde. Experten rechnen mit einer Verzinsung
zwischen vier und fünf Prozent.
Auf diesem Niveau rentieren vergleichbare Staatsanleihen der Türkei oder Brasiliens.
Es wäre die erste große internationale Emission Russlands seit 2013. Vor drei
Jahren hatte der Kreml Papiere im Volumen von rund 14 Milliarden Dollar platziert,
2012 war es ein ähnlich hohes Volumen, 2010 waren es rund sieben Milliarden.
Spiel mit dem Feuer
Russland ist auf Dollar dringend angewiesen.
Viele russische Unternehmen haben sich in harten Devisen verschuldet.
Solange die Ölpreise hoch notierten, war das kein Problem. Die Zinsen ließen
sich aus den Einnahmen der Energieverkäufe begleichen. Doch mit den
niedrigen Ölpreisen kommen viele Firmen in die Bredouille. Wegen der Sanktionen können sie die tiefen Notierungen nicht durch neue Anleihen ausgleichen. Bedrohlich wird die Lage spätestens 2017. Dann werden zahlreiche
Kredite fällig – Geld, das viele Firmen nicht haben.
Ölpreisverfall und Rubelkrise/Russland steht kurz vor dem Bankrott
Putins aggressiver Anleihen-Plan ist deshalb nicht ohne Risiko. Jetzt, wo er so offensiv nach neuem Geld greift, muss er es auch bekommen. Findet die Anleihe nicht
genügend Käufer, wird der finanzielle Engpass des flächenmäßig größten Landes
der Welt noch offensichtlicher und die Kreditwürdigkeit sinkt ins Bodenlose. Schon
jetzt haben die beiden Ratingagenturen Standard & Poor's sowie Moody's das Land
mit Schrottstatus belegt.
Lediglich Konkurrent Fitch stuft die Bonität Moskaus auf der niedrigsten InvestmentStufe ein. "Wegen des Drucks im Inland muss Putin riskante Manöver wagen",
erklärte der Milliardeninvestor George Soros bereits vor einige Wochen den Wagemut des russischen Präsidenten. Es dränge sich zudem der Verdacht auf, dass Putin
mit den westlichen Protagonisten spiele.
Dieses Spiel allerdings ist ein Spiel mit dem Feuer. Und Putin spielt es mit dem
Rücken zur Wand. Nicht einmal mehr eineinhalb Jahre Zeit gibt etwa Bill Browder
dem Kreml noch. "Sollte es Moskau bis dahin nicht schaffen, die westlichen
Sanktionen aus dem Weg zu bekommen, ist das Land am Boden", sagte der
Gründer der Anlagegesellschaft Hermitage Capital Management jüngst auf dem
Weltwirtschaftsforum in Davos. Russland befände sich in einer prekären Situation.
Durch den historischen Verfall des Ölpreises nehme es mit seinem wichtigsten
Wirtschaftsgut immer weniger ein, zugleich gingen die Reserven zur Neige.
119
27. Februar 2016
Der Bau der Transadria-Gasleitung TAP
soll jetzt im März beginnen. Dies erklärte Aserbaidschans Energieminister Natig Alijew dem amerikanischen Botschafter Robert
Cekuta laut aserbaidschanischen Medien am 26. Februar 2016.
Die TAP ist als Anschlussleitung der transanatolischen Gaspipeline Tanap
quer durch die Türkei zum Transport von jährlich 10 Milliarden Kubikmeter
Gas aus Aserbaidschan über Griechenland, Albanien durch die Adria nach
Italien ab 2020 vorgesehen. 20 Prozent der Bauarbeiten im Rahmen der
Tanap seien ausgeführt, erklärte Alijew. Der Minister schätzt die Position
der USA zu diesem Projekt. Südkaukasusgasleitung, Tanap und TAP bilden
den südlichen Gaskorridor. Der Botschafter empfahl auf einer Sitzung des
Konsultativrates das Projekt zu diskutieren, um die Durchführung zu
beschleunigen. Für die Europäische Union ist der Südliche Gaskorridor ein
Vorzugsprojekt.
25. Februar
Gazprom-Chef Alexej Miller, Marc Benayoun, CEO von Italiens Edison, und
Theodoros Kitsakos, CEO von Griechenlands DEPA unterzeichneten in Rom
ein Abkommen, um eine südliche Transportroute für russischen Gas nach
Europa zu etablieren. Das Gas soll über das Schwarze Meer via Drittstaaten nach Griechenland und von dort nach Italien transportiert werden,
informierte Gazprom am 24. Februar 2016 zum Abkommen. Die beteiligten Unternehmen hätten sich geeinigt, dafür das Projekt zum PipelineInterconnector Türkei-Griechenland-Italien ITGI zu nutzen. Das Vorhaben
von Gazprom, Edison und DEPA müsse einen Beitrag zu Europas Strategie
zur Diversifizierung und Energieversorgungssicherheit leisten und dazu
den Vorschriften des Dritten Energiepaketes entsprechen, ließ ein Sprecher der Europäischen Kommission Medien zufolge wissen.
21. Februar
120
„Wir unterstützen dieses Projekt absolut“, sagte der Vorstandsvorsitzende
der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer Michael Harms russischen
Agenturen zufolge auf einer Wirtschaftskonferenz in Berlin am 19. Februar
2016 zur geplanten Pipeline Nord Stream 2 und verwies dabei auf die
Projektteilnehmer aus Deutschland, Holland, Frankreich und Österreich,
die sich darum bemühten, die formalen Anforderungen zu erfüllen.
Zwischenstaatliche Abkommen hält er nicht für nötig. Die Politisierung
sieht Harms kritisch, handle es sich doch um ein rein wirtschaftliches Projekt, das die Versorgungssicherheit Deutschlands und ganz Europas stärke. Im Interview mit Der Welt betonte der russische Energieminister Alexander Nowak, „dass dieses Projekt vor allem ein wirtschaftliches ist. Die
größten Energiekonzerne Europas sind daran interessiert. Denn es ist ein
langfristiges Projekt. Und als solches kann es mit anderen Gas- und
Flüssiggaslieferanten, auf die jetzt gesetzt wird, konkurrieren.“ Dazu
schloss er nicht aus, „dass ein Teil der Lieferungen auch weiterhin über die
Ukraine läuft“, wenn dies wirtschaftlich zweckmäßig sei.
Alternativpipelines schaffen Nowaks Worten nach Konkurrenz und verbilligen so den Transport auch für die europäischen Kunden. Ein Transitmonopol wirke auf den Transportpreis und schaffe Risiken. Die Ukraine habe
gerade eine mehrfache Erhöhung des Transitpreises angekündigt.
18. Februar
Das türkische Bauunternehmen Tekfen Insaat ve Tesisat habe die
Ausschreibung zum Bau von Kompressor- und Messstationen an der 1850
Kilometer langen Trasse der transanatolischen Pipeline Tanap gewonnen,
teilte das Tanap-Konsortium mit. Hierzu unterzeichneten Tekfen und das
Konsortium Tanap Natural Gas Transmission einen dementsprechenden
Vertrag. 11 lokale und ausländische Unternehmen nahmen an der
Ausschreibung zum Bau von zwei Kompressor- und vier Messstationen
teil.
15. Februar
Albanien sei bereit, den Balkan mit dem europäischen Energiemarkt
mittels Transadriagasleitung TAP zu verbinden, erklärte der albanische
Premier Edi Rama auf einem Besuch des amerikanischen Außenministers
John Kerry in Tirana. Dies teilte Kerrys Ministerium am 14. Februar 2016
mit.
13. Februar
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warnte laut Medien auf der
jährlichen Sicherheitskonferenz in München davor, dass die geplante
Gaspipeline Nord Stream 2 die Europäische Union von Russland noch abhängiger macht. Dies sei ihr politisches Ziel. Die Ukraine, Polen, die
Slowakei, Kroatien und andere europäische Länder würden dadurch
geschwächt. Zu Nord Stream 2 werde die Europäische Kommission in den
121
nächsten
Tagen
eine
Entscheidung
treffen,
erklärte
der
Kommissionsvizepräsident, verantwortlich für die Energieunion, Maros
Sefcovic in München. Er erwartet vom Konsortium Nord Stream 2
ergänzende Informationen, da noch nicht alle hierzu vorlägen. Außerdem
sei ein dreiseitiges Gespräch zwischen Russland, der Ukraine und der
Europäischen Kommission im Gespräch. Der Bau von Nord Stream 2 kann
nach Worten von Gazprom-Chef Alexej Miller Anfang 2018 beginnen, hieß
es bei russischen Agenturen. Derzeit bereite sich das Konsortium auf den
Kauf der Leitungsrohre vor. Alles liefe nach Plan, bekräftigte Miller. Die
Ausschreibung zum Legen der Leitung soll im September erfolgen. Mit der
Fertigstellung der zweiten Ostseegasleitung rechnet Miller Ende 2019.
Dann können 110 Milliarden Kubikmeter von russischen Gasfeldern zum
Anleger bei Lubmin an der deutschen Ostseeküste transportiert werden.
Bei Nord Stream 1 beträgt die Transpotkazaität 55 Milliarden Kubikmeter
Gas. Die Leitungsrohre von Nord Stream 2 sollen entlang der Route von
Nord Stream 1 in schnellerer Geschwindigkeit gelegt werden.
12. Februar
Der serbische Slavenko Terzic Botschafter in Russland bedauerte auf einer
Pressekonferenz in Moskau, dass das Gasleitungsprojekt South Stream
eingestellt wurde. Es liefen verschiedene Gespräche über den
Versorgungsweg. Dennoch erwartet er eine Erhöhung der Menge im
Gasspeicher.
11. Februar
Das Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 unterscheide sich vom einstigen
Schwarzmeerprojekt South Stream darin, dass es hier keine Leitungsabschnitte auf dem Festland von europäischen Mitgliedsstaaten gebe,
erklärte laut russischer Nachrichtenagentur Ria Novosti Wladimir Tschischow, Russlands ständiger Vertreter bei der Europäischen Union.
Tschischow rechnet damit, dass Nord Stream 2 gebaut wird. Europäische
Energieunternehmen hätten daran Interesse. Schlüssel dafür sei die
wirtschaftliche Attraktivität dieses Projektes. Die europäischen Verbraucher benötigten ohnehin russisches Gas. Dagegen äußerte deutschen
Medien zufolge Maros Sefocovic, Vizepräsident der Europäischen Kommission und für die Energieunion Europas zuständig, gegen das Projekt
Bedenken: „Der Bau der Pipeline würde die Gasversorgung Europas
grundlegend verändern. 80 Prozent des aus Russland importierten Gases
würde über eine einzige Route fließen“. Das kann seiner Ansicht nach
nicht im Sinne der Versorgungssicherheit der EU sein. Das Projekt Nord
Stream 2 müsse daher noch einmal neu diskutiert werden, um eine
„möglichst vernünftige und günstige Lösung“ zu finden.
10. Februar
Die Europäische Union habe den Stopp des Pipelineprojektes South
Stream im Schwarzen Meer nicht veranlasst, erklärte Vygaudas
122
Ušackas, EU-Botschafter in Russland, in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti. Sollte das Projekt doch noch realisiert werden, müssten das europäische Energiepaket 3 und weitere
Rechtsnormen der EU eingehalten werden. Diese Forderung hatte Russland seinerzeit dazu veranlasst, vom Bau von vier Leitungssträngen von
der russischen an die bulgarische Schwarzmeerküste abzusehen und diese
dafür zum türkischen Bosporus zu legen. Doch sind die Gespräche aktuell
eingestellt. Russland will sie wieder aufnehmen, wenn sich die Beziehungen zur Türkei nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch
die türkische Luftwaffe im letzten November wieder normalisiert haben.
9. Februar
Noch habe Russland das Gasleitungsprojekt Turkish Stream im Schwarzen
Meer nicht aufgegeben, erklärte Agenturen zufolge der russische Botschafter Andrej Karpow in der türkischen Hauptstadt Ankara. Der Ball liege hier
im Spielfeld der Türkei. Doch wie es mit dem Projekt weiter geht, sei nach
der Krise der Beziehungen zwischen den Ländern schwer zu prognostizieren.
In einem Fernsehinterview erklärte Wladimir Tschischow, Russlands ständiger Vertreter bei der Europäischen Union, dass er eine Rückkehr zum
Vorgängerprojekt South Stream im Schwarzen Meer für möglich hält.
Russlands Präsident Wladimir Putin erwägt derweil, welche Route im
Schwarzen Meer sich für Gasexporte nach Europa eignet. Nord Stream 2
scheint gesetzt zu sein, angesichts dessen, dass europäische Energiegesellschaften sich mit dem russischen Gasmarktführer Gazprom darüber
verständigt haben. Österreichs OMV, die britisch-holländische Shell,
Frankreichs ENGIE und die beiden deutschen Energieversorger E.on und
Wintershall unterstützen Gazprom. Gegenwind kommt aus Italien und
einer osteuropäischen Allianz mit dem Baltikum, Polen und der Slowakei
an der Spitze. Eine Zerreißprobe für Europas Energieunion?
2. Februar
Auf seinem Arbeitsbesuch in Moskau erklärte der österreichische Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, langfristig an guten
Beziehungen mit Russland interessiert zu sein. „Zusätzlich unterstützen
wir eine Diversifizierung der Transportrouten, um die Versorgungssicherheit Europas und damit Österreichs zu stärken. Das wird für beide Länder
Kontinuität bringen“, betonte Mitterlehner unter Verweis auf das
Pipelineprojekt Nord Stream 2. Immerhin beziehe Österreich derzeit mehr
als 50 Prozent seines Gasverbrauchs aus Russland, teilte sein Ministerium
zum Treffen des Vizekanzlers mit Russlands Vizepremier Dmitri Kosak auf
der 15. Tagung der Gemischten Kommission für Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit. Mitterlehner betrachtet Gas als wichtigen
Brückenenergieträger zur Ökoenergie, da der Umbau des Energiesystems
seinen Worten nach nicht von heute auf morgen stattfinden kann.
123
Über den aktuellen Stand der laufenden Pipelineprojekte beim russischen
Gaskonzern Gazprom informierte in New York auf einem Treffen mit
Investoren Vorstandsmitglied Oleg Aksjutin. Verlaufe bei Nord Stream 2
und Kraft Sibiriens alles nach Plan, soll die Umsetzung des Gasleitungsprojektes Turkish Stream im Schwarzen Meer soll starten, wenn sich die
Beziehungen zwischen Russland und der Türkei normalisiert hätten und
das das zwischenstaatliche Abkommen hierzu unterzeichnet sei, erklärte
Aksjutin laut russischer Nachrichtenagentur Ria Novosti.
Der Bau der 870 Kilometer langen Transadria-Gasleitung TAP von der
türkischen Westgrenze über Griechenland und Albanien durch die Adria
nach Italien liegt im Ranking der wichtigsten Projekte für die
Weltwirtschaft in Jahr 2016 auf Platz 7. Das Ranking durchgeführt hat das
italienische Wirtschaftsmedium Il Sole 24 Ore. Die TAP ist als
Anschlussleitung der Südkaukasus- und transanatolischen Gasleitung
Tanap vorgesehen, über die ab 2020 aus Aserbaidschan 10 Milliarden
Kubikmeter Gas nach Europa transportiert werden soll. An ihr sind BP,
Socar und Snam S.p.A zu je 20 Prozent beteiligt. Fluxys hat 19 Prozent
inne, Enagás 16 Prozent and Axpo 5 Prozent.
Die Tanap erstreckt sich auf
1850 Kilometer von der türkisch-georgischen Grenze bis zur Westgrenze.
Bis zur Stadt Eskişehir in Anatolien sind es 1350 Kilometer. Aserbaidschans Nationaler Ölgesellschaft Socar, im Interview des asbaidschanischen Fernsehsenders ANS. Der größte Teil der Rohre werde in der
Türkei und der Rest in China hergestellt.
124
6. Januar
Der ukrainische Gasversorger Naftogaz legte bei der Europäischen
Kommission Beschwerde gegen Nord Stream 2 ein. Das Ostsee-PipelineProjekt von Russlands Gaskonzern Gazprom mit seinen Partnern entspreche nicht dem gesetzlichen Rahmen der europäischen Energiegemeinschaft und stehe dem Wettbewerb entgegen, teilte Naftogaz mit. Derweil
sprach sich Polens Außenminister Witold Waszczykowski in einem Interview mit der deutschen Bildzeitung am 4. Januar 2016 dafür aus, dass die
künftige Gasleitung russisches Gas über das polnische Territorium nach
Westeuropa transportieren soll. Darin sieht er ein Zeichen der Solidarität
und Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Ländern Ostund Zentraleuropas. Im letzten Jahr kritisierte sein Land das Projekt Nord
Stream 2.
-------------------1. März 2016
Wer hat die EU-Flüchtlingspolitik
getötet? Wir nicht
Federica Mogherini, Frans Timmermans,
Johannes Hahn, Miro Cerar, Jean-Claude Juncker, Angela Merkel + Donald Tusk in Brüssel.
Österreich und die Balkanstaaten kappen die Fluchtroute auf ihrem Territorium; Griechenland gerät in
Panik, Deutschland sieht hilflos zu. Europa zerbricht an der Flüchtlingsfrage. Wer ist schuld?
Wer hat die EU-Flüchtlingspolitik getötet? Die französische Tageszeitung „Le Monde“ prognostiziert
bereits, dass die Jahre 2015/2016 von Historikern dereinst als Beginn der Auflösung Europas gesehen
würden, sollte nicht auf dem Gipfel im April ein Wunder geschehen. Aber wer trägt die Schuld daran?
Wer hat dafür gesorgt, dass die Europäische Union in der Frage der Flüchtlingsströme nicht mehr
existent ist, abgelöst von Egoismen der Nationalstaaten oder kleineren Allianzen, die ihre
Eigeninteressen bündeln?
profil sucht eine Antwort und leiht sich dafür eine Idee von Bob Dylan. Der Songwriter fragte 1963 in
seinem Lied „Who Killed Davey Moore“, wer für den Tod des US-Boxers David S. „Davey“ Moore
verantwortlich gewesen sei, der an den Folgen eines Kampfes gestorben war. Sein Gegner, der zu hart
zugeschlagen hatte? Sein Manager, der ihn in den Ring geschickt hatte? Das Publikum, das bezahlt
hatte, um einen Kampf zu sehen? Im Lied entgegnen alle: „Wir nicht.“ Letztlich kommt heraus, dass
es keiner und zugleich jeder war. Weil alle gute Gründe für ihr Handeln hatten und erst die Summe all
dieser Handlungen Moore das Leben kostete.
125
Die Antworten auf die Frage „Wer hat die EU-Flüchtlingspolitik getötet?“ sind dieselben: „Wir nicht.“
Klar steckt dahinter ein Mangel an europäischer Solidarität, aber die meisten Beteiligten handeln aus
teils egoistischen, aber nicht zwangsläufig illegitimen Motiven. Hinzu kommt, dass sich
Interessenlagen zum Teil erst mit der fortschreitenden Eskalation bildeten, also auch eine Reaktion auf
das Scheitern einer gemeinsamen Lösung waren.
Irgendwo in den folgenden Rechtfertigungen versteckt sich die wahre Antwort, wer die Schuldigen
sind.
Türkei
Wir nicht, sagen die Türken. „Wir tragen kein Schild mit der Aufschrift ,Idiot‘ auf unserer Stirn“, so
der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. An die drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien und
dem Irak hat sein Land in den vergangenen fünf Jahren aufgenommen, ohne dafür nennenswerte
Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zu bekommen. Lange Zeit haben sich die
Einheimischen in höchstem Maße hilfsbereit gegenüber den Kriegsvertriebenen gezeigt. Inzwischen
regt sich aber auch unter ihnen Unmut. Und die Situation, in der sich das Land befindet, ist ohnehin
kompliziert genug – Stichwort Kurdenkonflikt.
Die EU drängt die Türkei, ihre Grenzen zu Syrien für Flüchtlinge offen zu halten und noch mehr Syrer
ins Land zu lassen. Gleichzeitig macht Europa der Regierung in Ankara kein Angebot, ihr einen Teil
der Asylwerber abzunehmen. Welches Interesse hätte die Regierung in Ankara also, Flüchtlinge daran
zu hindern, in andere Staaten weiterzureisen? „Wir können sie nicht dazu zwingen, bei uns zu bleiben.
Wer in der Türkei Zuflucht sucht, ist weiterhin willkommen. Aber denjenigen, die weiterziehen
wollen, um in westlichen Ländern eine Zukunft zu suchen, denen werden wir nichts sagen“, so
Erdogan.
Wenn das dazu führt, dass der Druck auf die EU steigt und die Verhandlungsposition der Türkei bei
anderen Themen gestärkt wird – umso besser. Die drei Milliarden Euro, die Brüssel für Maßnahmen
gegen die Flüchtlingskrise versprochen hat, sind nach Angaben der Regierung auch noch nicht
eingetroffen.
Die Türkei bleibt das Land mit den meisten Flüchtlingen. Ankara ist sich keiner Schuld bewusst.
Griechenland
Wir nicht, sagen die Griechen. „Ich schäme mich“, so Alexis Tsipras. Dem griechischen Premier liegt
das Schicksal der Flüchtlinge am Herzen. In einer emotionalen Rede im Oktober des vergangenen
Jahres drückte er seine Scham darüber aus, Mitglied einer europäischen Führung zu sein, die unfähig
sei, „mit dem menschlichen Drama fertig zu werden“, und in der jeder den Schwarzen Peter an den
nächsten weiterreiche.
Hunderttausende Flüchtlinge haben von der Türkei aus die gefährliche Bootsfahrt auf eine der
griechischen Inseln unternommen. Hunderte sind dabei ertrunken. Griechenland selbst verzeichnet
eine sehr geringe Anzahl an Asylanträgen. Doch seit die österreichische Regierung vergangene Woche
gemeinsam mit den Staaten des Westbalkan beschlossen hat, nur noch syrische und irakische
Flüchtlinge weiterziehen zu lassen, fürchtet Tsipras, sein Land werde zu einer „Lagerhalle“ für
gestrandete Migranten.
Griechenland wird von Österreich und anderen vorgeworfen, seine Grenze nicht zu sichern und die
Flüchtlinge nicht zu registrieren. Athen wehrt sich: Wie solle es verhindern, dass kleine Boote an den
küstennahen Inseln landen? Vier von fünf der vereinbarten „Hotspots“ zur Registrierung der
Flüchtlinge sind nach mehrmonatiger Verzögerung in Betrieb, wenn auch zum Teil unter schaurigen
Bedingungen. Athen klagt, es sei überfordert, Massen von Flüchtlingen in Empfang zu nehmen, zu
126
versorgen und zu überprüfen – zumal die EU-Staaten kläglich daran scheitern, die Flüchtlinge gerecht
zu verteilen.
Der griechische Staat ist hoffnungslos überfordert, nicht zuletzt deshalb, weil er notorisch pleite ist.
Die aktuelle Administration hat, so wie die Vorgängerregierung, kein Geld, um zehntausende
Bedürftige unterzubringen. Griechenland ist sich keiner Schuld bewusst.
Italien
Wir nicht, sagen die Italiener. „Mit Blick auf die Flüchtlingsströme hat sich Italien als Vorbild für die
Welt erwiesen“, so Italiens Senatspräsident Pietro Grasso. Das Mittelmeerland habe 2015 an die
170.000 Flüchtlinge aufgenommen. Ob diese allerdings tatsächlich in Italien Asylanträge gestellt
haben, darüber schweigt die italienische Statistik.
Italien spricht sich jedenfalls für eine europäische Lösung aus, von der das Land nur profitieren kann.
Die Schließung von Grenzen, besonders der italienisch-österreichischen durch Österreich, hält Premier
Matteo Renzi für „absolut falsch“. Dass nur ganz wenige Flüchtlinge in Italien bleiben wollen und
stattdessen nach Norden weiterziehen, ist nicht der Fehler der römischen Regierung. Renzi sagt, ihm
sei klar, dass Österreich in einer schwierigen Situation sei.
Italien ist sich keiner Schuld bewusst.
Frankreich
Wir nicht, sagen die Franzosen. „Mehr Flüchtlinge können wir nicht aufnehmen“, so Frank-reichs
Premierminister Manuel Valls Mitte Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz. 30.000
Asylwerber, verteilt über zwei Jahre, das ist Frankreichs Beitrag zu einer gerechten
Flüchtlingsverteilung. Allein im Januar dieses Jahres kamen fast doppelt so viele über das Meer nach
Griechenland. Ideell unterstützt die französische Regierung eine Willkommens-kultur und spricht sich
auch für eine gemeinsame europäische Lösung aus. Schließlich handelt es sich um eine sozialistische
Alleinregierung. Folglich gehört sie auch dem sogenannten „Klub der Willigen“ an, wenn es um die
Bereitschaft geht, Flüchtlinge aufzunehmen. Aller-dings kennt diese Bereitschaft Grenzen.
Gleichzeitig fordert Premier Valls, Europa müsse „die Kontrolle über seine Grenzen und seine
Migrations- und Asylpolitik wiedererlangen“. Die Vorgangsweise der deutschen Kanzlerin Angela
Merkel, die seit vergangenem Sommer die Grenzen für Flüchtlinge weitgehend offen gehalten hat,
kritisiert Valls als „auf Dauer nicht durchzuhalten“.
Woher kommt der forsche Ton gegenüber Berlin? Paris hat mehrere Gründe für seine restriktive
Haltung: Die wirtschaftliche Lage ist dauerhaft miserabel, dazu kommen eklatante Probleme bei der
Integration bereits im Land lebender Immigranten. Flüchtlinge hausen in elenden Verhältnissen.
Zudem haben die islamistischen Terrorattentate vom 13. November 2015 in Paris Angst vor
massenhafter Einwanderung geschürt. Und über all diesen Fragen schwebt drohend ein Ereignis: die
Präsidentschaftswahl 2017, bei denen Marine Le Pen, die Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei
Front National, antreten wird. Laut aktuellen Umfragen würden sie und der Kandidat der
konservativen Republikaner in die Stichwahl kommen – nicht aber der derzeitige Amtsinhaber, der
Sozialist François Hollande.
Soll Hollande durch eine Öffnung der Grenzen Le Pen den Weg in den Präsidentenpalast ebnen? Da
Freundlichkeit gegenüber Asylwerbern beim Volk offenbar nicht en vogue ist, setzen er und die
Regierung auf law and order: Die Grenzen bleiben wegen der Terrorgefahr dicht, die Flüchtlinge
draußen. Frankreich ist sich keiner Schuld bewusst.
Ungarn
127
Wir nicht, sagen die Ungarn. „Schengen ist ein Gesetz, das gilt!“, so Ungarns Ministerpräsi-dent
Viktor Orbán. Er ließ bereits im Oktober des vergangenen Jahres die Schengen-Außengrenzen zu
Serbien und Kroatien schließen. Dafür wurde er heftig kritisiert. Gleichzeitig wird nun Griechenland
dafür kritisiert, weil es entgegen seinen Verpflichtungen die Schengen-Außengrenze eben nicht
„schützt“.
Aus der Perspektive von Premier Orbán hat die Strategie, das Land durch brachiale Ab-schottung aus
der Flüchtlingskrise herauszuhalten, funktioniert. Die Wanderungsrouten ver-laufen um Ungarn
herum, die Bevölkerung steht hinter dem Regierungschef. Und die Tatsache, dass inzwischen eine
Reihe anderer Länder zu einer Politik der geschlossenen Grenzen zurückgekehrt ist – allen voran
Österreich, dessen Bundeskanzler Werner Faymann Ungarn noch im vergangenen Sommer mit NaziDeutschland verglich – gibt Orbán zusätzlich recht.
Gegen eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen in Europa setzt sich die mit breiter Mehrheit
regierende Fidesz-Partei auch deshalb zur Wehr, weil sie ihrem Konzept von einem ethnisch und
konfessionell homogenen Land widerspricht. „Wir können nicht über die Köpfe der Menschen hinweg
Entscheidungen treffen, die ihr Leben und jenes künftiger Genera-tionen schwerwiegend ändern. Und
die Aufnahmequote würde das Profil Ungarns und Europas verändern – ethnisch, kulturell und
religiös“, sagt Orbán, der darin auch eine Gefahr für den gesamten Kontinent sieht. Für ihn gibt es
daher keinen Grund, auf eine solidarisch-europäische Linie einzuschwenken.
In ähnlicher Art und Weise gilt das auch für Polen und andere osteuropäische Staaten. Im Übrigen
funktioniert das europäische Verteilungssystem ohnehin nicht – und das liegt wahr-lich nicht nur an
Orbán. Ungarn ist sich keiner Schuld bewusst.
Europäische Union
Wir nicht, sagt die EU-Kommission. „Die Mitgliedsstaaten bewegen sich sehr langsam, obwohl sie
eigentlich laufen sollten“, so EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon zu Beginn der
Flüchtlingskrise. Vergeblich. Alle Rügen an die Adressen der nationa-listischen Rechtsausleger wie
Viktor Orbán oder Jaroslaw Kazcynski verhallten wirkungslos, alle Vorschläge für eine europäische
Gemeinschaftsbewältigung wurden von den Mitglieds-staaten verschleppt, boykottiert, ignoriert.
Je stärker der „Klub der Willigen“ schrumpfte, umso schwieriger wurde es für die EU, öffentlich
große Pläne zu schmieden. Die Gefahr, sich damit lächerlich zu machen, war größer als die Hoffnung
auf Realisierung.
Falls die Staats- und Regierungschefs irgendwann doch der Meinung sind, die EU sei die geeignete
Institution, um ein Flüchtlingskonzept zu erstellen, stünde die Kommission bereit.
Die EU ist sich keiner Schuld bewusst.
Balkanländer
Wir nicht, sagen die Balkanländer. „Es geht nicht, dass wir zum Opfer einer nicht abgestimmten
Politik der Länder im Norden und der Länder im Süden werden“, so die slowenische Innenministerin
Vesna Györkös-Znidar vergangene Woche. Sie brachte damit die Ängste aller Anrainer der BalkanRoute auf den Punkt: Wenn im Norden die Grenzen zugehen, im Süden aber de facto offen bleiben,
würden binnen kurzer Zeit Zehn-, wenn nicht gar Hunderttausende Flüchtlinge in Slowenien, Serbien,
Kroatien und anderen Staaten stauen – mit unmittelbaren humanitären, logistischen, finanziellen und
politischen Folgen.
Bislang haben sich die Balkanländer immer für eine gesamteuropäische Lösung ausgespro-chen. Da
diese nicht in Sicht ist, folgen sie inzwischen dem Beispiel Österreichs. Was Innenministerin Johanna
Mikl-Leitner (ÖVP) als „Kettenreaktion der Vernunft“ bezeichnet, führt vorerst dazu, dass Serbien
128
sein Militär in Alarmbereitschaft versetzt hat und an der mazedonisch-griechischen Grenze chaotische
Zustände herrschen.
Wenn die reichen Aufnahmeländer wie Schweden, Deutschland und Österreich aus Überfor-derung
die Flüchtlingszahlen begrenzen, können die weit ärmeren Balkanländer dies nicht ausgleichen. Sie
sind sich keiner Schuld bewusst.
Deutschland
Wir nicht, sagen die Deutschen. „Wir schaffen das“, so Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel im
September vergangenen Jahres. Inzwischen steht sie mit dieser Überzeugung allein da. Schweden
kann nicht mehr, Österreich verfolgt einen anderen Plan, alle anderen – kleine Staaten wie die
Benelux-Länder ausgenommen – haben sich nie als Aufnahmeländer gesehen.
Auch in ihrem eigenen Land ist Merkel zusehends isoliert. Die Schwesterpartei CSU oppo-niert offen
gegen ihren Kurs, rechts erstarkt die Alternative für Deutschland (AfD). Deutschland hat
Grenzkontrollen eingeführt und weist Migranten aus Staaten wie etwa Marokko ab.
Die Regierung in Berlin hat sich für eine gemeinsame europäische Politik eingesetzt und die Grenzen
so lange offen gehalten wie es ihr Regierung möglich schien. Langsam geht der Balken runter.
Deutschland ist sich keiner Schuld bewusst.
Österreich
Wir nicht, sagen die Österreicher. „Die Flüchtlingskrise ist nur menschlich zu bewältigen“, so
Bundeskanzler Werner Faymann. Also hielt Österreich seine Grenzen lange Zeit offen, schleuste die
Mehrzahl der Flüchtlinge Richtung Deutschland und Schweden weiter und nahm selbst die stattliche
Zahl von rund 90.000 Asylanträgen entgegen.
Dann jedoch stoppte Schwedens linke Regierung schweren Herzens die flüchtlingsfreundliche Politik
und führte Grenzkontrollen ein. Österreich folgte und setzte eine Obergrenze: 37.500 Asylanträge für
das Jahr 2016. Die Zahl übertrifft – gerechnet auf die Einwohnerzahl Österreichs – die
Aufnahmebereitschaft fast aller EU-Staaten. Dennoch hagelte es Proteste. Diese wurden noch stärker,
als die Regierung in Wien auch noch die Zahl 80 als Obergrenze für Asylwerber pro Tag einführte.
Doch Österreich vereint die Probleme mehrerer Staaten auf kleinem Raum: Es
ist Zielland wie Schweden und Deutschland, Transitland wie Griechenland und
die Balkanstaaten, und es lebt mit der Gefahr, dass eine rechtspopulistische
Partei auf Platz eins vorrückt, wie in Frankreich. Gleichzeitig nützten die
flehend vorgetragenen Bitten der Bundesregierung, eine europäische Verteilungslösung zu etablieren, nichts.
Österreich und Deutschland könnten die Flüchtlingskrise nicht allein
bewältigen, sagt Faymann. Österreich ist sich keiner Schuld bewusst.
Wer also hat die europäische Flüchtlingspolitik getötet?
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129
3. 3. 2016
Juncker kritisiert Österreich: „Mag diese Entscheidung nicht“
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die jüngsten Entscheidungen Österreichs in der Flüchtlingspolitik deutlich kritisiert.
seht, seht, Er hat es tatsächlich schon
bemerkt
- es gibt Flüchtlingströme !
Er mag das nicht, wenn Österreich
sich nicht überschwemmen lässt,
der Jean-Claude Juncker.
Wahrscheinlich haben die Österreicher die Leistungen des
Jean-Claude nicht wahrnehmen können, weil es solche nicht
gibt? Oder weil diese das Tageslicht scheuen und gemeinsam
mit den Amerikanern, hinter verschlossenen Türen (TTIP) vereinbart werden? Auch der fürsorgliche Schutz der Europäer vor
Steuerzahlungen amerikanischer Großkonzerne sind bei JeanClaude als luxemburgischer Finanzminister zu bedanken!
Nicht zu übersehen, wie er für Bankenrettung durch Europa
flitzt und sich auf Kosten der Mitgliedsstaaten den Arsch
aufreißt, den Profit er Geldgeber zu sichern, jedes Wachs130
tum in Griechenland wirksam zu unterdrücken und das
Volk zu verelenden.
Aber der Jean-Caude kann auch anders – ein lieber Chef,
verteilt das Geld der Mitgliedsstaaten gekonnt
11. 11. 2015 BERICHT DES EUROPÄISCHEN
RECHNUNGSHOFS ENTHÜLLT TEURE SCHLAMPEREIEN
So verpulvern die Eurokraten UNSER Geld
Milliarden an Steuergeldern werden von der EU offenbar verbrannt!
Beim Einsatz von EU-Geldern wird weiter im großen Ausmaß
geschlampt oder getrickst: Der Europäische Rechnungshof (EuRH)
kommt in seinem Kontrollbericht zu dem Ergebnis, dass im
vergangenen Haushaltsjahr geschätzt 6,3 Milliarden Euro ohne
Rechtsgrundlage ausgegeben wurden.
-
Das erklärte Rechnungshof-Präsident Vítor Caldeira
Morgen bei der Vorstellung seiner Untersuchungen.
am
Heißt: EU-Gelder wurden beispielsweise für Projekte beantragt, die eigentlich gar
nicht gefördert werden dürften. Ausgezahlt wurden diese Gelder trotzdem. In
einzelnen Fällen werde man das Geld zurückfordern, hieß es aus der EU.
Pikant: Die Schummel-Quote von 4,4 Prozent hat sich im Vergleich zu 2013
(4,5 Prozent) kaum verändert.
Im Jahr 2014 beliefen sich die Ausgaben aus dem EU-Haushalt auf insgesamt 142,5
Milliarden Euro oder rund 300 Euro je Bürger. Diese Ausgaben entsprechen etwa
einem Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU und machen etwa zwei
Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben der EU-Mitgliedstaaten aus.
131
Schlampereien schon 2013 Nach dem Kontrollbericht aus
dem vergangenen Jahr flossen 2013 sieben Milliarden Euro
in falsche Kanäle.
Betroffen waren vor allem die Bereiche Verkehr, Energie und Regionalpolitik. In
einigen Fällen ging es sogar um Betrug. Am fehlerträchtigsten waren die
Bereiche Regionalpolitik, Verkehr und Energie mit einer geschätzten Fehlerquote von
6,9 Prozent. Die Prüfer fanden in fast allen Bereichen zu Unrecht ausgezahlte EUGelder. Insgesamt untersuchten sie 149 324 Vorgänge.
Jedes Jahr prüft der EuRH die Einnahmen und Ausgaben der EU
und beurteilt, inwieweit die Jahresrechnung zuverlässig ist und die
Einnahmen- und Ausgabenvorgänge mit den maßgebenden Regeln
und Rechtsvorschriften in Einklang stehen.
Schwerwiegendste Fälle in Deutschland 2014:
► Bei einer von der EU geförderten Modernisierung eines Autobahnab-schnitts
vergab der öffentliche Auftraggeber einen Auftrag ohne vorherigen Aufruf zum
Wettbewerb. Eine Ausschreibung schreibt die EU bei geförderten Projekten aber vor.
► Bei einem Projekt des Europäischen Strukturfonds im Zusammenhang mit der
Renovierung und Sanierung eines Universitätsgebäudes wurde das Honorar des
Architekten deutlich erhöht. Das sei aber nicht förderfähig gewesen, hieß es.
► Rechnungen über die Sanierung von Straßenbahngleisen aus Zeiten vor der
Förderung wurden verzögert eingereicht, so dass die EU-Gelder trotzdem flossen.
► Überhöhte Gehälter: Die EU finanzierte Lehrkräfte zur Qualifikation von
Jugendlichen. Laut Rechnungshof arbeiteten die Lehrkräfte aber wenige
► Falsch ausgewiesene Ackerflächen. Offenbar haben Bauern in Rhein-land-Pfalz
und Schleswig-Holstein Förderungen für Ackerflächen bekom-men, die eigentlich
keine waren.
► Fördergelder wurden von
Landwirten in Rheinland-Pfalz kassiert, die nach eigenen Angaben Weideflächen aus
ökologischer Sicht nur zeitweise bewirtschafteten. Diese Angaben waren laut
Rechnungshof falsch.
Kontrolleure fordern mehr Flexibilität
Die Kontrolleure fordern nun auch angesichts der Flüchtlingskrise einen
„völlig neuen Ansatz” für die Ausgabenpolitik der EU.
„Die Entscheidungsträger müssen mehr Flexibilität zulassen und die
Regeln vereinfachen”, sagte Vítor Caldeira zur Vorstellung des Berichts
in Brüssel. Nur so könne sichergestellt werden, dass EU-Geld dort zum
Einsatz komme, wo es am dringendsten gebraucht werde.
132
58,6 MILLIARDEN EURO = Kosten für EU-
Pensionen steigen in gigantische Höhe
Die Kosten der Pensionen für die EU-Beamten steigen in immer gigantischere Höhen.
Laut EU-Kommission beliefen sie sich Ende 2014 auf 58,6 Milliarden Euro –
rund 12 Milliarden Euro mehr als Ende 2013. Die neue Kostenschätzung geht aus
der Jahresrechnung der EU-Kommission für das vergangene Jahr hervor. Sie enthält
alle Ruhestandskosten (inklusive Krankheitsfürsorge) der heute noch aktiven
und bereits pensionierten Eurokraten.
Danach belaufen sich die reinen Ruhestandsbezüge auf 52,2 Milliarden
Euro und die Kosten der Krankheitsfürsorge auf 6,3 Milliarden Euro.
-Monatlich 24.000 €
netto (!) für EU- Parlamentschef
05.12.2014
10,62% Steuersatz für Martin Schulz
Wohn- und Repräsentationspauschale, Wahlkreisbüropauschale, dazu 365 Mal pro Jahr 304 Euro Sitzungsgeld und
8.252 Euro Abgeord-netengehalt: Martin Schulz erhält als EUParlamentschef monatlich 26.892 Euro. Dank Steuerzuckerl
bleiben ihm davon netto 24.034 Euro - das entspräche einem
Steuersatz von 10,62 Prozent.
Martin Schulz spricht gerne und viel über soziale Gerechtigkeit und über die
"falsche Verteilung des Reichtums". Auch bei seinem Auftritt als Stargast des
133
SPÖ- Bundesparteitags vor einer Woche waren das Kernaus-sagen in seiner
Rede.
Selbst scheint der SPD- Politiker allerdings weniger von Steuersorgen geplagt zu
sein. Sein Büro für Öffentlichkeitsarbeit bestätigte jetzt gegen-über der "Krone"
sämtliche Recherchen über die Bezüge des Sozialde-mokraten. Sie summieren
sich auf ein Monatseinkommen von 26.892 Euro brutto:
Das monatliche Abgeordnetengehalt beläuft sich auf 8.252 Euro. Der deutsche
Einkommenssteuersatz (35,13 Prozent) macht daraus 5.394 Euro netto.
Dazu kommt monatlich eine Repräsentationspauschale von
1.418 Euro. Steuerfrei.
Zusätzlich fließen 4.299 Euro als Wahlkreisbüropauschale.
Steuerfrei.
Und Schulz kann sich auch über eine Wohnkostenpauschale von
3.803 Euro per Monat freuen. Steuerfrei.
-------------------9.3.2016
"Mehr Sicherheit" EU- Bonzen gönnen sich neue
Luxus-Limousinen
Darüber kann man wohl nur den Kopf schütteln: Mindestens 10,5 Millionen Euro pro Jahr soll
ein neues Limousinenservice für die EU- Parlamentarier kosten, wie die Website "Politico"
berichtet . Dies entspricht satten 3,7 Millionen Euro bzw. 54 Prozent mehr als bisher für den
Transport der Abgeordneten ausgegeben wurde. Als offizieller Grund werden
Sicherheitsvorkehrungen angegeben - so soll etwa auch ein "Panikknopf" in die Autos
eingebaut werden. Politische Beobachter halten dies aber für höchst fragwürdig.
Bisher wurden für Dienstfahrten der EU- Parlamentarier in Brüssel und Straßburg immer
wieder extern Chauffeure angeheuert. Dies kostete jährlich 6,8 Millionen Euro. Nun sollen
allerdings aufgrund der angespannten Sicherheitssituation ein eigener Fuhrpark angeschafft
und Chauffeure fix angestellt werden. Die Limousinen könnten dann auch etwa mit
"Panikknopf" und anderen Sicherheitsvorrichtungen ausgestattet werden, erklärte Klaus
Welle, der Generalsekretär des Europäischen Parlaments, die Notwendigkeit der Änderung.
Klaus Welle (links) und Martin Schulz, Technologische "Extras" könnten noch teurer kommen. In den nun anvisierten Kosten von 10,5 Millionen Euro pro Jahr wären aber solche
technologischen "Extras", ebenso wie etwa auch die Ausrüstung mit Mobiltelefonen und
134
Tablets, noch keineswegs eingepreist. Immerhin sind aber bereits die Kosten für die eigenen
Uniformen der Chauffeure im Kostenvoranschlag enthalten: 116.000 Euro, 1000 Euro pro
Mann, sind dafür im Jahr vorgesehen. Auch die durchgängig gestylten Fahrer sollen
übrigens die Sicherheit der Abgeordneten erhöhen. "Parlamentarier sind oft mit dem
Chauffeur alleine im Auto. Außerdem haben sie auch immer wieder vertrauliche Papiere mit",
argumentierte Welle. Direkt bei der EU angestellte Fahrer würden dabei weit
vertrauenswürdiger sein.
"Schlicht eine faule Ausrede"
"Das ist schlicht eine faule Ausrede", polterte hingegen ein EU- Insider gegenüber "Politico".
"Sowohl aus Kosten- als auch aus Sicherheitsgründen ist das nicht verantwortbar. Für mich
ist die ganze Sache verrückt. Warum brauchen wir ein eigenes Limousinenservice? Warum
sollen die Parlamentarier nicht mit dem Taxi fahren wie jeder andere auch?" Die Sprecherin
des Europäischen Parlaments, Marjory van den Broeke, widersprach dem allerdings heftig:
"Es gab schon einige Vorfälle, die mehr Sicherheitsvorkehrungen begründen. Aus
Datenschutz- und Sicherheitsgründen kann ich aber nicht genauer darauf eingehen."
Infobox
Die Politbonzen in Brüssel lassen massenweise eine unkontrollierte Zuwanderung aus allen
möglichen Ländern zu. Vor Analphabeten und Terroristen schützen sich diese Politiker mit
mehr Sicherheit. Die Bürger hingegen dürfen die Grapscher und den Terrorismus auskosten.
Die Hauptsache ist sich selber zu schützen. Es ist ihnen die Sicherheit ihrer eigenen Bürger
Für Österreich gilt wie für England nur raus
aus diesem Verein.
gleichgültig.
antworten Donnerstag, 10. März 2016, 07:32 von Mastermind
Diese unnötigen Steuerfresser sollen sich einen
Schleudersitz einbauen lassen. Vielleicht befördert der sie
auf den Mond damit wir sie los sind! Es gibt nur mehr einen
EU AUSTRITT!!!!
-------------------4.3.2016 VW-Anleger nicht gewarnt Winterkorn wusste
von den Schummeleien
und sagte es Vorstand Angeblich erörterte der damalige
Vorstand das Thema schon im Frühjahr 2014 VW hat weltweit
Messdaten bei elf Millionen Fahrzeugen manipuliert, alleine in
Deutschland rief der Konzern 2,4 Millionen Diesel-Autos zurück.
Die Führungsriege des Konzerns wusste wohl früher als bekannt ist von den Manipulationen in den USA.
135
Hätte VW-Anleger warnen müssen: AufsichtsratBoss Pötsch wusste von Schummelei
09.47 Uhr: In der VW-Abgasaffäre gerät nun auch der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter
Pötsch in Erklärungsnöte. Wie die „Bild am Sonntag“ berichtet, wurde Pötsch bereits am 8.
September 2015 über die Betrugssoftware informiert. Bei der Sitzung des Konzernvor-standes habe der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn seine Kollegen unterrichtet, dass
der Autobauer gegenüber den US-Umweltbehörden einen sogenannten Defeat Device eingeräumt hatte.
Als Finanzvorstand war Pötsch dafür verantwortlich, ob und wann der Konzern seine
Aktionäre über Risiken informieren muss. Das Gesetz schreibt vor, dass bei kursrelevanten
Ereignissen eine sogenannte Ad-hoc-Meldung veröffentlicht werden muss. Doch Pötsch
schwieg dazu am 8. September und warnte laut "BamS" nicht vor etwaigen Folgen. An der
Sitzung habe auch der damalige Porsche-Chef und heutige VW-Vorstandsvorsitzender
Matthias Müller teilgenommen. Erst zwei Wochen später veröffentlichte VW eine Ad-hocMeldung.
„Zu den Inhalten von Vorstandssitzungen äußert sich Volkswagen grundsätzlich nicht“, sagte
ein VW-Sprecher.
Winterkorn gesteht: Hatte Hinweis auf Schummelsoftware gelesen
Sonntag, 6. März, 08.55 Uhr: Der damalige VW-Chef Martin Winterkorn hat im Mai 2014
den Hinweis auf Schummelsoftware wohl gelesen. Das räumte Winterkorn einem Bericht der
"Bild am Sonntag" zufolge in seiner Vernehmung bei der US-Kanzlei Jones Day ein, die von
VW mit der Aufklärung der Affäre beauftragt wurde. Winterkorn betonte, er habe seine
Techniker gefragt, ob das Problem lösbar sei. Ihm sei versichert worden, das sei kein
Problem.
Im Dezember 2014 gab es einen Rückruf der betroffenen US-Autos. Daraufhin sei die Sache
für Winterkorn erledigt gewesen, erklärte er gegenüber Jones Day. Weiter sagte er laut
"BamS" aus, er hätte seine Sorgfaltspflichten nicht verletzt. Diverse Gerichte in den USA und
Europa werden in den nächsten Monaten entscheiden, ob Winterkorn richtig liegt.
VW hatte am Mittwoch eine ausführliche Pressemitteilung veröffentlicht. Darin war auch die
Information, dass Winterkorn bereits im Mai 2014 einen Hinweis auf einen Defeat Device
erhalten hat. „Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz damals Kenntnis
genommen hat, ist nicht dokumentiert“, heißt es in der Mitteilung.
VW wehrt sich gegen Vorwurf der Aktionärstäuschung
08.39 Uhr: Volkswagen setzt sich gegen den Vorwurf zur Wehr, die Öffentlichkeit im
vergangenen September zu spät über den Abgasskandal informiert und dadurch Anleger
geschädigt zu haben. Beim Landgericht Braunschweig sei eine Klageerwiderung eingereicht
worden, teilte der Autokonzern am Mittwoch in Wolfsburg mit. Nach sorgfältiger Prüfung
sehe sich Volkswagen "in der Auffassung bestätigt, dass der Vorstand seine kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat".
Der Sachverhalt ist kompliziert. So räumt VW in der Pressemitteilung ein, der damalige
Vorstandschef Martin Winterkorn sei "durch eine Notiz vom 4. September" über den Einsatz
136
der Schummelsoftware informiert worden, die die Abgaswerte auf dem Prüfstand senkte. Der
Öffentlichkeit wurde aber erst 18 Tage später - am 22. September - in einer ad-hoc-Meldung
verraten, welche enormen Finanzrisiken dem Konzern drohen, was dann sofort den Kurs
abstürzen ließ.
Das Wertpapierhandelsgesetz schreibt vor, dass kursrelevante Firmennachrichten sofort
veröffentlicht werden müssen.
VW schiebt den Schwarzen Peter seinen juristischen Beratern zu: Wegen deren
"Empfehlung" sei der Konzern auch nach dem internen Bekanntwerden der massiven
Manipulationen davon ausgegangen, dass "die Thematik" mit den US-Behörden "im üblichen
Rahmen gelöst werden könne" - durch das Einräumen der Schummelei und deren
technische Behebung und etwaige Bußzahlungen, "die für ein Unternehmen mit der Größe
Volkswagens nicht besonders hoch seien".
Der VW-Erklärung zufolge wurde der Konzernspitze erst "nach der unerwarteten
Bekanntmachung" der US-Behörden am 18. September bewusst, dass der Skandal den Kurs
belasten würde. Für eine "halbwegs belastbare" Abschätzung der weltweiten Risiken habe
es noch einige Tage Zeit bedurft - eben bis zum 22. September.
Trotz Abgas-Skandals: VW gewährt Tarif-Belegschaft Bonus
Donnerstag, 03. März, 05.57 Uhr: VW zahlt seinen 120.000 Mitarbeitern im Haustarif trotz
der milliardenschweren Belastungen aus der Abgas-Affäre auch für das Jahr 2015 einen
Bonus. Der Konzern-Vorstandschef Matthias Müller und der Betriebsratsboss Bernd Osterloh
einigten sich auf eine "Anerkennungsprämie", deren genaue Summe jedoch noch nicht
feststeht.
Das geht aus der zur Frühschicht an diesem Donnerstag verteilten Mitarbeiterzeitschrift
"Mitbestimmen" hervor, von deren Inhalt die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Der
Haustarifvertrag sichert eine Gewinnbeteiligung bei der Kernmarke VW-Pkw. Doch die steckt
wegen Rückstellungen für die Abgas-Affäre derzeit tief in den roten Zahlen.
Osterloh und Müller begründen die alternative Anerkennungsprämie mit einer herausragenden
Leistung voll Mehrarbeit und Sonderschichten an den Standorten, aber auch mit dem
Einstehen der Belegschaft für ihren Arbeitgeber in den schwierigen Zeiten des weltweiten
Abgas-Skandals.
Zur Summe der Prämie sagte Osterloh: "Über die konkrete Höhe müssen wir uns in weiteren
Gesprächen verständigen." Der Bonus soll mit dem Mai-Entgelt 2016 fließen. Zuletzt vor
rund einem Jahr hatte es mit der regulären Erfolgsbeteiligung für 2014 pro Kopf 5900 Euro
gegeben.
Der Haustarif gilt für die sechs westdeutschen Werke Emden, Hannover, Salzgitter,
Braunschweig, Wolfsburg und Kassel sowie für die VW-Bank.
----------------------------------
Union der Unaufrichtigkeit
EU in der Krise
Warum die Überwindung des Nationalstaats - Europa destabilisiert
7.3.2016
137
Gurke gefunden? Eine geschichtsträchtige Aufnahme des Europäischen Parlaments in Strassburg (2011).
Hätte ihn das Lampenfieber nicht zur Aufgabe seines ursprünglichen Berufswunsches
gezwungen, Wynne Godley wäre wahrscheinlich Oboist geworden. Nach einem Abschluss in
Philosophy, Politics and Economics studierte der gebürtige Londoner drei Jahre am
Conservatoire de Paris. Später, als Professor in Cambridge und als langjähriger Mitarbeiter
im britischen Finanzministerium, erwarb er sich den Ruf eines unbestechlichen Analytikers.
Als flexibler Keynesianer kritisierte Godley sowohl die harte Geldpolitik Margaret Thatchers
als auch die auf Kredit finanzierte Prosperität der Ära Greenspan-Clinton.
Auch der Maastrichter Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union(EU) mochte
diesem Ökonomen mit dem skulpturhaften Gesicht nicht ganz behagen. Er hegte Vorbehalte,
deren Berechtigung sich seit der Einführung des Euro allesamt bestätigt haben.
Volkswirtschaftlich sinnvoll und damit politisch verantwortbar waren für Godley nur zwei
Positionen: Die erste sah die Errichtung einer europä-ischen Währungsunion mittels
vorgängiger Schaffung einer politischen Union vor; die zweite bestand in der Abkehr vom
Ziel einer Einheitswährung im Interesse der nationalen Selbstbestimmung.
Godley selbst sympathisierte mit der ersten Position, während Margaret Thatcher
bekanntlich die zweite favorisierte. Dagegen entsprach der Vertrag von Maastricht einem
währungspolitischen Eintopfgericht. Der Verdacht auf Unverträglichkeit bestand bei
profilierten Liberalen von Anbeginn. Ralf Dahrendorf warnte 1995 vor dem Versuch,
unterschiedliche Wirtschaftskulturen ins Korsett einer Währung zu pressen. Die
Währungsunion bezeichnete er – damals weitsichtig – als «ein wag-halsiges und verfehltes
Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet» (NZZ 8. 10. 15).
Was Godley an Maastricht besonders missfiel, war die Unaufrichtigkeit der EU-Chefbeamten
im Umgang mit der europäischen Öffentlichkeit. Als der Inhalt des Vertrags weitherum
Bedenken auslöste, reagierte EU-Kommissions-Präsident Jac-ques Delors mit der ihm
eigenen nervösen Gereiztheit. Die Bürger, so verkündete er nun allenthalben, müssten
künftig stärker in die Pläne der Gemeinschaft mit einbezogen werden. Die Geschicke des
Kontinents, so versicherte der Sozialist und bekennende Christ Delors, würden auch künftig
keineswegs von Brüssel aus bestimmt; Europa funktioniere nach dem Prinzip der
Subsidiarität.
Strategie des Verwedelns
Für Wynne Godley war indes klar: Anstatt den Menschen zu erklären, dass der Maastrichter
Vertrag auf eine Revolution der Machtstrukturen in Europa abziele, versprach man ihnen ein
Mitspracherecht bei der Gestaltung von Gemüse. «Vielleicht erlaubt uns Jacques Delors doch
noch, ringförmige Gurken zu züchten. Grossartig!»
In Wirklichkeit begann mit Maastricht das Projekt der Überwindung des europä-ischen
Nationalstaats. Auch hier gab sich der EU-Befürworter Godley unverblümt: Ein Land, das
mit seiner Währung auch seine eigenständige Konjunkturpolitik aufgibt, begebe sich auf die
Stufe einer «Kommunalbehörde oder Kolonie».
Wenige Jahre nach der Vertragsunterzeichnung bekräftigte der heutige Präsident der
Kommission, Jean-Claude Juncker, den Weg der diskret-verklausulierten Kommu-nikation.
Es sei für das Gelingen des europäischen Projekts entscheidend, irreversible Schritte als
unbedeutsame zu deklarieren. Laut einem Bericht des «Spiegels» aus dem Jahr 1997
umschrieb Juncker diese Strategie folgendermassen: «Man muss eine Idee haben und ein
Datum. Und das muss möglichst harmlos wirken.»
138
Die europäische Währungsunion war so eine Idee mit einem Datum; eine Idee, die harmlos
wirken sollte. Sie war die grosse Wette, die man schon deshalb einging, weil man
wusste, dass die Mehrheit der Europäer die Vision der «immer engeren Union» nicht
teilte. Unaufrichtigkeit im Namen des Fortschritts schien indessen vertretbar. Wie hatte
doch der grosse Jean Monnet verkündet? «Europa wird in Krisen geformt werden und wird
die Summe der zur Überwindung der Krisen gewählten Lösungen sein.»
Dass Monnets «self-fulfilling prophecy» in den letzten Jahren nur noch selten rezi-tiert
wurde, dürfte auch daran liegen, dass die Krisen sich häuften und der Fortschritt ausblieb. In
Südeuropa pendelten sich die Jugendarbeitslosenquoten auf bisher nicht für möglich
gehaltenen Höhen ein. Dann kamen die Migrations- und Flüchtlings-krise, die multiplen
Selfies der deutschen Kanzlerin mit Asylbewerbern; heute ist Schengen in Europa faktisch
ausser Kraft gesetzt. In keinem europäischen Land (mit Ausnahme Deutschlands und der
Niederlande) wurde der manifeste Verlust an politischer Selbstbestimmung mit
Wohlstandsgewinnen kompensiert. Damit scheint die Lust des Publikums auf
Durchhalteparolen à la Monnet, Delors oder Juncker bis auf weiteres gestillt.
Und doch macht seit einigen Jahren eine alt-neue Meistererzählung die Runde. Ihre
Anhänger postulieren zweierlei. Erstens handle es sich beim Nationalstaat angeblich um ein
historisches Auslaufmodell, das den Herausforderungen der Globalisierung in keiner Weise
gerecht werde; zweitens verlange unser globales Zeitalter nicht nach mehr Mitbestimmung,
sondern nach mehr supranationaler Machtkonzentration. Irgendwann begann dieses Axiom
der globalen Notwendigkeiten Jean Monnets Integrationstheorie den Rang abzulaufen: Eine
neue geschichtsphilosophische Deutungsformel war geboren. Die ihr zugrunde liegende
Logik war den politischen Milieus, die den Ausbau der EU am entschiedensten vorantrieben
– Christlichdemo-kraten, Sozialdemokraten, karrierebewusste Marxisten –, gleichermassen
vertraut.
Dabei gibt es keinen stichhaltigen Grund, weshalb eine Organisation wie die EU mit globalen
Herausforderungen besser fertigwerden sollte als stabile, demokratisch verfasste
Nationalstaaten, die aufgrund gemeinsamer Interessen – auch im Sinne eines «give and
take» – miteinander kooperieren. Natürlich können supranationale Institutionen helfen,
Opportunitätskosten zu reduzieren und Kontrollmöglichkeiten zu erweitern. Nur heisst das
nicht, dass diesem Ziel mit einer engen politischen Union am besten gedient wäre. Auch
wenn führende EU-Politiker das immer noch nicht wahrhaben wollen: Zur europäischen
Union à la Monnet und Delors gab und gibt es Alternativen. Das setzte allerdings voraus,
dass man jene, die mit Brüssels Dekreten schon lange Mühe bekunden, nicht
gewohnheitsmässig als Rosinenpicker oder Bremser diffamiert.
Reale Lebenswelten
Der Nationalstaat gründet auf einer affektiven Bindung seiner Bürger. Diese ist nicht das
Produkt von nationalen Mythen und Erzählungen. Letztere bilden lediglich die symbolische
Dramaturgie einer elementareren menschlichen Befindlichkeit. Die Nation ist, mit Benedict
Anderson gesprochen, eine «imagined community», eine imaginierte Solidargemeinschaft.
Wie war es historisch möglich, dass Menschen sich als Teil eines nationalen Kollektivs
empfanden, von dem sie die meisten Angehörigen nie zu Gesicht bekommen würden?
Andersons Erklärung dieser Revolutionen modernen Denkens und Fühlens – stark
verdichtet:
Reformation
plus
Gutenberg
plus
Print-Kapitalismus
plus
Sprachstandardisierung.
Worauf Anderson hingegen kaum einging: dass sich Menschen «ihre» Nation als ein
ortsähnliches Gebilde vorzustellen pflegen. Der Punkt ist bedeutungsvoll. Denn ob wir uns
nun als Kosmopoliten verstehen, obschon wir unser Land nie für länger als ein Jahr verlassen
haben; ob wir schon lange nicht mehr dort leben, wo wir geboren sind; ob wir einer
exklusiven politischen oder akademischen Elite angehören; ob wir als Handwerker in einer
kleinen oder als Journalisten in einer leidlich grossen Stadt leben – von unserer
anthropologischen Ausstattung her sind wir ortszentrierte Wesen und verhalten uns
entsprechend.
Die Metaphorik des Ortes dominiert selbst das Internet. Denn dort draussen im Cyberspace
spricht man nicht nur von Networks, sondern auch von Chatrooms, Platforms und
Acquaintances; sogar von Friends spricht man. Wo ihm die starken Orte ausgehen, versucht
139
der Mensch verzweifelt, neue zu erfinden. Das ist kein Kinderspiel – war es noch nie. Auch
fällt es leichter, solche starken Orte – sie sind die Grundlage der vielbeschworenen
Zivilgesellschaft – zu destabilisieren, als neue zu schaffen.
Vielleicht hätte Benedict Anderson die Nation deshalb besser als «imagined place»
bezeichnet. Denn dieses erstaunliche Kunststück menschlicher Projektion – sich als Teil
einer Nation mit im Regelfall mehreren Millionen Angehörigen zu sehen – funktioniert nur
dank realer Ortsbezogenheit. Dagegen ist und bleibt die Europäische Union für die meisten
ein kultureller Raum. Der affektive Unterschied, der aus dieser Differenz resultiert, ist
gewaltig. Dies sollte man erstens zur Kenntnis nehmen und zweitens danach handeln.
Politisch. Auf gesamteuropäischer Ebene.
Dabei täte man gut daran, den Ratschlag Wynne Godleys zu beherzigen: Die nötige Reform
der Europäischen Union bedarf keiner weiteren terminologischen Zauber-formeln. Sie bedarf
der Erkenntnis, dass praktische Verantwortung an jenen Orten gedeiht, wo Menschen sich zu
Hause fühlen.
Oliver Zimmer lehrt als Professor für moderne europäische Geschichte an der
University of Oxford.
12. 3. 2016
Wohlstand in Gefahr
Die internationale Schuldenkrise ist nach wie vor ungelöst.
Sie gefährdet zunehmend die Marktwirtschaft, Freiheitsrechte
und letztlich die Demokratie.
Die Schuldenkrise droht enorme Volumen an Vermögen zu
vernichten. Es gilt, endlich ihre Ursachen anzugehen.
Wirklich weg war sie nie – und dass die internationale Schuldenkrise nach wie vor ungelöst
ist, haben die Turbulenzen an den Börsen zum Jahresbeginn gezeigt. Ausgehend von Sorgen
über die Konjunktur in China, schwappten die Ängste über auf Bankaktien, und plötzlich war
von der Gefahr einer weltweiten Rezession die Rede. Nicht wenige Investoren und
Ökonomen fürchten, dass nach der US-Immobilienkrise 2007, dem Beinahe-Zusammenbruch des Finanzsystems 2008 und der 2010 ausgebrochenen Euro-Krise nun die nächste
Eskalation anstehen könnte. All diese Krisen sind miteinander verwoben, ihren Kern bilden
die über Jahrzehnte hinweg gewachsenen, immer weniger tragbaren Schulden privater und
staatlicher Akteure. Diese Schuldenkrise umfasst die meisten westlichen Industrie-staaten,
Japan, einzelne Schwellenländer sowie das internationale Finanzsystem. Wie die Geschichte
zeigt, haben Schulden- und Finanzkrisen das Potenzial, enorme Volumen an Vermögen und
Wohlstand zu vernichten. Auch dieses Mal wird dies kaum zu verhindern sein. Damit die
Krise nicht zu einer immer grösseren Gefahr für Marktwirtschaft, bürgerliche Freiheitsrechte
und Demokratie wird, gilt es, das Übel an der Wurzel zu packen.
Vielfältige Krisen-Symptome
Die unterschwellige Zuspitzung der Krise in den vergangenen Jahren zeigt sich bereits an der
Entwicklung der Staatsschulden. Diese sind laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) seit dem Jahr 2007 übermässig stark gestiegen und dürften Ende 2015 in den
fortgeschrittenen Volkswirtschaften bei rund 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts gelegen
haben. 2007 hatte dieser Wert noch 75 Prozent betragen. In Ländern wie Japan (234
Prozent), Griechenland (180 Prozent) oder Italien (149 Prozent) lag die Staatsverschuldung
Ende des vergangenen Jahres derweil noch viel höher. Dieser Schuldenturm hemmt –
zusammen mit der demografischen Alterung der Bevölkerung in vielen Ländern – das
Wirtschaftswachstum immer stärker. Als Sorgenkinder gelten Europa und Japan. Hinzu
140
kommen nun Ängste über die Konjunktur in China und in anderen Schwellenländern.
Bedenklich ist, dass die Schulden in diesen Ländern in den vergangenen Jahren ebenfalls
stark gestiegen sind.
Derweil bröckelt der Glaube der Investoren an die Allmacht der Zentralbanken. Diese haben
in den vergangenen Jahrzehnten zwar Krise um Krise mit billigem Geld bekämpft. Nun zeigt
sich aber immer deutlicher, dass sich mit dieser ultraexpansiven Geldpolitik zwar Zeit
gewinnen lässt, dass sie aber kein Wachstum schafft und das Überschuldungsproblem nicht
löst. Zunehmend scheinen sich die Zentralbanken einer Art «keynesianischem Endpunkt» zu
nähern, ab dem ihre Massnahmen nicht mehr wirken. Die mittlerweile von einigen
Notenbanken eingesetzten Instrumente wie Negativzinsen bergen derweil erhebliche Risiken.
So beeinträchtigen die Negativzinsen beispielsweise das Zinsgeschäft der Geschäftsbanken.
Dies könnte den vor allem bei Europas Finanzhäusern dringend nötigen Aufbau von Kapital
beeinträchtigen, denn viele Banken operieren weiterhin mit zu wenig Eigenmitteln. Auch das
«Too big to fail»-Problem, das darin besteht, dass Banken zu gross sind, um fallengelassen zu
werden, besteht weiterhin. Im Ernstfall müsste bei einigen Instituten in Europa wohl erneut
der Steuerzahler einspringen, um sie vor dem Kollaps zu retten. In Zukunft könnten hier die
Bankkunden noch stärker zur Kasse gebeten werden. Wie das aussehen könnte, hat sich
bereits gezeigt, als sich 2013 die Krise in Zypern zuspitzte. Um kollabierende Banken zu
retten, wurden damals private Sparguthaben auf Bankkonten oberhalb der Grenze der
Einlagensicherung von 100 000 Euro eingezogen.
An den Finanzmärkten äussert sich die Schuldenkrise derweil in einem regelrechten
Anlagenotstand der Investoren. Im September 2015 hatten in Europa rund 65 Prozent aller
emittierten Staatsobligationen eine Rendite von weniger als einem Prozent, wie der
Rückversicherer Swiss Re festhielt. Die ultraexpansive Geldpolitik der Zentralbanken hat
auch die Immobilienpreise und die Aktienkurse in die Höhe getrieben. Diese Entwicklung
birgt die Gefahr von Fehlallokationen und der Bildung von Blasen, deren Platzen dann sogar
zur nächsten Eskalationsstufe der Schuldenkrise führen könnte.
Eine weitere Ausprägung der ungelösten Schuldenkrise ist die immer stärkere finanzielle
Repression. Mittels dieser bringen staatliche Akteure Bürger um Teile ihres Vermögens und
schränken deren Handlungsmöglichkeiten ein. Neben den künstlich tief gehaltenen Zinsen,
die auf Sparer wie eine zusätzliche Steuer wirken, sind hier etwa die Einschränkungen beim
Bargeldverkehr in Ländern wie Frankreich oder Italien zu nennen. Drastische Massnahmen
der finanziellen Repression waren derweil in Griechenland zu beobachten, als sich 2015 die
Krise zuspitzte. Bürger konnten nur noch 60 Euro pro Tag von ihren Konten abheben, und
weiter wurde ihnen der Zugang zu ihren Bankschliessfächern verweigert.
Hoffen auf die Amerikaner
Es ist zu befürchten, dass die finanzielle Repression im weiteren Verlauf der Schuldenkrise
noch deutlich zunehmen wird. Manche Zentralbanken könnten die Zinsen noch tiefer in den
negativen Bereich drücken, was den Anlagenotstand verschärfen würde. Ausserdem drohen
beim Bargeldverkehr weitere Einschränkungen. So plant auch die deutsche Bundesregierung,
eine Obergrenze beim Bargeldverkehr einzuführen, und EZB-Präsident Mario Draghi hat
gemäss Medienberichten Offenheit für eine mögliche Abschaffung des 500-Euro-Scheins
erkennen lassen.
Mit den künstlich niedrig gehaltenen Zinsen werden nicht nur die Signale freier Märkte
manipuliert, sie dürften auch den Vorsorgeeinrichtungen und Versicherungen in Zukunft
immer grössere Schwierigkeiten bereiten. Die OECD geht davon aus, dass die ultraniedrigen
Zinsen die Zahlungsfähigkeit von Pensionsfonds und Versicherungen bedrohen und
erhebliche längerfristige Risiken schaffen könnten. International würde diese Entwicklung
141
die Altersvorsorge von Millionen von Menschen schmälern. Dies birgt die Gefahr sozialer
Unruhen. Angesichts der in vielen Ländern hohen Arbeitslosenzahlen ist der Unmut in der
Bevölkerung gross, was sich im Aufstieg von links- und rechtspopulistischen Parteien zeigt.
Angesichts der Prognosen für das Wirtschaftswachstum sind die Hoffnungen auf schnelle
Besserung eher gering. Die BIZ sieht auf lange Sicht die Gefahr, dass die Weltwirtschaft
instabil und chronisch schwach bleibt, wie sie in ihrem Jahresbericht für 2015 schreibt. Von
einer «Weltwirtschaftskrise in Zeitlupe», die wir derzeit erleben, spricht derweil der Ökonom
Daniel Stelter. Dass solche tiefgehenden Schulden- und Wirtschaftskrisen verheerende
Folgen für Demokratie und Marktwirtschaft haben und den Zwist zwischen Nationen
befördern können, hat die Weltwirtschaftskrise von 1929 hinlänglich bewiesen.
Es gilt also, endlich die Ursachen der Schuldenkrise anzugehen. Die Zentralbanken haben mit ihrem vielen billigen Geld
die Lösung der Krise in die Zukunft verschoben. Zudem hat
dieses sogar Druck von den Regierungen genommen, so dass
dringend notwendige strukturelle Reformen weiter verschleppt wurden. Nun wäre es höchste Zeit, den Stimulus
Schritt für Schritt zurückzunehmen. Der kleine Zinsschritt der
US-Notenbank Federal Reserve im Dezember 2015 war immerhin ein Anfang. Auch wenn Zinserhöhungen für erhebliche
Marktschwankungen sorgen, ist es besser, den Einstieg in den
«Exit» zu wagen, als mit immer neuen Stimuli weiterzumachen. Der nötige Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik dürfte umso schmerzhafter werden, je später er erfolgt.
Auch beim «Retten» von kollabierenden Banken und Staaten
ist ein Umdenken nötig. In der Vergangenheit hat diese
«Rettungskultur» dazu geführt, dass die öffentlichen Haushalte überlastet wurden und die Schuldenberge immer weiter
wuchsen.
Es ist zu befürchten, dass der Schuldenturm mittlerweile so hoch ist, dass sich die Krise nur
noch mit drastischen Mitteln lösen lässt. Die Entwicklung geht wohl immer stärker in
Richtung einer Monetarisierung von Schulden. So könnten die Zentralbanken immer mehr
Schulden aufkaufen und versuchen, diese zu neutralisieren. Die Folgen dieses «grossen
Experiments» sind aber völlig ungewiss. So wachsen die Zweifel am System mit ungedecktem
Papiergeld, in dem Banken durch Kreditvergabe Geld «aus dem Nichts» schaffen können.
Eine neuerliche Verschärfung der Krise könnte Debatten über eine Reform des Geldsystems
auslösen.
Gefährlich dürfte es werden, wenn die Schuldenkrise sich
immer stärker zur Vertrauenskrise auswächst. Wirtschaftsund Finanzsysteme können nur bis zu einem gewissen Grad
«gedehnt» werden. Werden sie überfordert und geht das
Vertrauen der Bevölkerung in das System verloren, können
Krisen eine unkontrollierbare Dynamik entwickeln.
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12.3.2016
Österreich will auch Italien-Mittelmeer-Route schließen
Nach der Balkanroute müsste dringend auch die Italien-
Mittelmeer-Route geschlossen werden,
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz fordert die Schließung weiterer
Grenzen in Europa für Flüchtlinge. "Schlepperei lässt sich nicht ganz verhindern. Wir
werden daher alles, was wir jetzt an der Westbalkanroute tun, auch entlang der
Italien-Mittelmeer-Route tun müssen, damit klar ist, die Zeit des Durchwinkens der
Flüchtlinge nach Mitteleuropa ist vorbei – egal auf welcher Route", sagte Kurz der
"Bild am Sonntag".
Der Außenminister kritisierte die bisherige Politik scharf. "Wir mussten aufhören,
jeden Flüchtling, der in Griechenland ankommt, staatlich organisiert nach Mitteleuropa zu transportieren. Damit haben wir zwar den Wünschen der Flüchtlinge entsprochen, was menschlich nachvollziehbar war. Wir haben aber auch dafür gesorgt,
dass sich immer mehr Flüchtlinge auf den Weg gemacht haben."
Kurz verlangte: "Die Grenzen müssen geschlossen bleiben." Sie
könnten erst wieder aufgehen, "wenn der Flüchtlingszustrom nach
Europa abgeebbt ist".
Beim EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am Donnerstag und Freitag erwartet Kurz eine
Einigung mit der Türkei. Er warnte aber davor, sich ganz auf die Regierung in Ankara
zu verlassen. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir der Türkei nicht ausgeliefert sind.
Das tun wir, indem die europäischen Regierungen wieder eigenständig Kontrolle
darüber erlangen, wer zu uns kommt. Also die Flüchtlinge in Griechenland versorgen
und nicht weiter nach Deutschland oder Österreich reisen lassen", erklärte Kurz.
Österreichs Kanzler fordert Obergrenze von Deutschland
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat Deutschland derweil erneut
aufgefordert, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen. "Erst
wenn Deutschland einen Richtwert nennt und Flüchtlinge nur noch direkt aus den
Krisenregionen holt, durchbricht man die Logik der ungeordneten Migration", sagte
Faymann der Tageszeitung "Österreich". Gemessen am Wiener Richtwert sollte die
Bundesrepublik jährlich 400.000 Flüchtlinge aufnehmen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll nach Meinung Faymanns klare Regeln für die
Verteilung der Menschen einführen. "Sie muss das Modell durchbrechen, dass in
einem Wettlauf jener der Sieger ist, der Deutschland erreicht. Man kann sich das
Aufnahmeland nicht aussuchen", sagte Faymann der "Kronen Zeitung".
Alle Flüchtlinge würden Schutz in Europa finden, aber das Aufnahmeland dürften sie
sich nicht selbst aussuchen. "Die Franzosen würden 30.000 Asyl-Suchende nehmen,
haben aber nicht einmal 1000 bekommen, weil alle nach Deutschland und Österreich
wollen", so Faymann.
143
Fifa-Ethikkommission
Verfahren gegen Beckenbauer eröffnet
22.3.2016
Die Fifa-Ethikkommission eröffnet ein Verfahren wegen der Vergabe der WM-Endrunde
2006. Von den Untersuchungen betroffen sind Franz Beckenbauer und zwei frühere DFB-
Präsident
Franz Beckenbauer.
Die Fifa-Ethikkommission eröffnet ein Verfahren wegen der Vergabe der WM-Endrunde
2006 an Deutschland. Die Untersuchungen richten sich unter anderem gegen den früheren
DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und den damaligen OK-Chef Franz Beckenbauer.
Neben Niersbach und Beckenbauer wird auch gegen den damaligen DFB-Chef Theo
Zwanziger, die früheren Generalsekretäre Helmut Sandrock und Horst R. Schmidt sowie den
ehemaligen Direktor Stefan Hans ermittelt. Alle sechs waren Mitglieder des Organisationskomitees für die WM. Sie werden jeweils verdächtigt, den Fifa-Ethikcode verletzt zu
haben.
Die Fifa-Ethikhüter erklärten, dass sie vor Einleitung des Verfahrens den Untersuchungsbericht der vom DFB beauftragten Kanzlei Freshfields geprüft hätten.
Im Zentrum der Affäre stehen zwei Zahlungen von 6,7 Millionen Euro. Mit Hilfe von Robert
Louis-Dreyfus überwiesen Beckenbauer und sein Manager Robert Schwan diese Summe
2002 zunächst über ein Konto in der Schweiz an eine Firma des damaligen Fifa-Funktionärs
Mohamed bin Hammam in Katar. 2005 zahlte das WM-OK die 6,7 Millionen an den früheren
Adidas-Chef Louis-Dreyfus zurück – allerdings bewusst falsch deklariert als Beitrag zu einer
WM-Gala, die am Ende nie stattfand
Fifa-Korruptionsskandal Es regnet kein Geld mehr
3,6 Millionen Franken hat Joseph Blatter im Krisenjahr 2015 verdient. In guten Zeiten soll es
wesentlich mehr gewesen sein. Der neue Präsident Infantino wird wohl bescheidener sein.
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Die fatalen Folgen einer verfehlten
Schweizer Landwirtschaftspolitik
Um die Wettbewerbskraft der Schweiz zu stärken, wären Massnahmen zur Öffnung
der Landwirtschaft dringend erforderlich. Unter der Marktabschottung leiden nicht
nur Konsumenten und Steuerzahler.
Nur eine produktivere Agrarwirtschaft und mehr
Importe können die Versorgungssicherheit
garantieren.
Die Landwirtschaftspolitik bildet nicht nur einen Tolggen im Reinheft, sondern sie ist
schlicht der Sündenfall der liberalen Schweiz. Keine andere Branche wird derart stark
staatlich umsorgt und von der ausländischen Konkurrenz abgeschirmt wie die
Landwirtschaft. Rund 50% der Bruttoeinnahmen der Schweizer Landwirte
entstammen öffentlichen Transfers, die vom Konsumenten und vom Steuerzahler
finanziert werden. Weltweit verzeichnen lediglich die Bauern in Japan, Korea,
Norwegen und Island ein ähnlich hohes Stützungsniveau. Die Transferleistungen sind
insgesamt mehr als doppelt so hoch wie in der EU.
Bremsklotz gegen Freihandel
Obwohl seit Mitte der 1990er Jahre staatliche Eingriffe teilweise abgebaut, Preis- und
Absatzgarantien abgeschafft und der Zollschutz etwas reduziert wurde, liegen die
landwirtschaftliche Produzentenpreise in der Schweiz immer noch 40% über dem
Weltmarktniveau. Es sind aber nicht nur die Kosten, die sich für Steuerzahler und
Konsumenten laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) derzeit auf 5,5 Mrd. Fr. pro Jahr belaufen, die Anlass zur Sorge
bieten.
Verheerend sind vielmehr die indirekten volkswirtschaftlichen Schäden des
praktizierten Agrarschutzes. Zum einen belastet eine solche Politik nämlich Branchen
wie das Gastgewerbe und den Tourismus, für die landwirtschaftliche Produkte einen
wichtigen Kostenblock darstellen, oder auch die Nahrungsmittelindustrie, weil die
hiesigen Rohstoffe überteuert sind. Zum anderen erweist sich der
Agrarprotektionismus immer wieder als Bremsklotz, wenn es darum geht, für die
Exportwirtschaft zentrale Freihandelsabkommen abzuschliessen. Von der
Frankenstärke hart getroffene, aber insgesamt hochprofitable Exportzweige sind die
Leidtragenden einer solchen Abschottung.
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Zwar sind im Bereich der Landwirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren durchaus
Fortschritte erzielt worden. Dazu zählt der stufenweise Abbau von
produktionsgebundenen Unterstützungsleistungen zugunsten von Direktzahlungen.
In die richtige Richtung zielt auch die Agrarpolitik 2014–2017, die unter anderem
vorsieht, dass Direktzahlungen nicht mehr massgeblich von der Zahl der gehaltenen
Tiere abhängen, sondern von der Grösse der bewirtschafteten Fläche. Aber
gleichzeitig versuchen Landwirtschafts-Lobbyisten – angeführt von der SVP sowie
oftmals mit tatkräftiger Unterstützung von FDP und anderen Parteien – das
Reformrad zurückzudrehen. Die jüngsten Vorstösse zielten dabei auf die Aushebelung
des Cassis-de-Dijon-Prinzips, eine privilegierte Besteuerung von Baulandreserven, die
Ernährungs-Sicherheits-Initiative oder Steuerprivilegien für Schnapsbrenner.
Erfolgreich gelingt es dieser unheiligen Allianz in der Regel auch, drohende
Budgetkürzungen im Agrarbereich zu verhindern.
Preissignale sind zweitrangig
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Gleichzeitig haben die Direktzahlungen der Bauern im Vergleich mit dem, was sie mit
dem Verkauf ihrer Produkte verdienen, mittlerweile ein so hohes Niveau erreicht,
dass Preis- und Marktsignale für ihre Entscheidungen nur noch eine untergeordnete
Rolle spielen. Erst mit einer deutlichen Senkung dieser Transferleistungen würden
vermehrt Anreize geschaffen, qualitativ hochwertige Produkte zu wettbewerbsfähigen
Preisen zu produzieren. Hinzu kommt ein wahrer Dschungel an Transferzahlungen,
die von landwirtschaftlichen Investitionskrediten über Beiträge für die Sömmerung
und für Hänge in Steillagen bis zu Vernetzungszahlungen für wertvolle
Biodiversitätsförderflächen reichen.
Notwendig wären eine erhebliche Entflechtung sowie eine klare Unterscheidung von
privaten und öffentlichen Gütern. So handelt es sich bei Nahrungsmitteln um rein
private Güter – sie sind verkäuflich und werden individuell konsumiert. Es besteht
somit keine staatliche Veranlassung, in das marktwirtschaftliche Spiel von Nachfrage
und Angebot eingreifen. Im Gegenzug sollten Stützungsbeiträge nur noch für
öffentliche Güter wie Landschaftspflege, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen
oder Tier- und Naturschutz ausgerichtet werden.
Die Schweizer Landwirtschaft steuert weniger als 1% zur Wertschöpfung bei und
umfasst rund 3,5% der Erwerbsbevölkerung: Punkto Produktivität gehört sie damit
im OECD-Vergleich zu den Schlusslichtern. Dass eine aus volkswirtschaftlicher
Perspektive unbedeutende Branche die übrige Wirtschaft derart im Würgegriff hat, ist
erklärungsbedürftig. Ein wichtiger Faktor ist dabei nicht nur die mächtige, gut
organisierte Bauernlobby, die auch kleinste Marktöffnungen im Keime erstickt.
Ebenso bedeutsam ist die sozialromantische Verklärung der Landwirtschaft in der
Bevölkerung, die «dem vom Aussterben bedrohten Bauernstand» grosse Sympathien
entgegenbringt. Wie Avenir Suisse bereits vor Jahren in einer Analyse festgehalten
hat, sind es nicht zuletzt Mythen, die es erlauben, den teuren Agrarschutz
aufrechtzuerhalten.
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Dazu zählt das Argument der Ernährungssicherheit, das automatisch mit einer
intakten Landwirtschaft gleichgesetzt wird. Eine möglichst hohe Selbstversorgung ist
für die Schweiz mit ihrer beschränkten Agrarfläche jedoch eine Illusion. Da die
rohstoffarme Volkswirtschaft auf Importe angewiesen ist, lässt sich die
Ernährungssouveränität
am
wirksamsten
mit
Freihandel
und
einer
wettbewerbsfähigen Landwirtschaft sicherstellen. Auch die Behauptung, «in der
Schweiz finde ein ungebremstes Bauernsterben statt», muss relativiert werden. So
haben in der Industrie seit dem Jahr 2000 mit einem Minus von 54 000 (Vollzeit)Erwerbstätigen absolut betrachtet deutlich mehr Personen ihre Arbeitsstelle verloren
als in der Landwirtschaft (–13 000). Auch mit Blick auf die schwindende Zahl der
Landwirtschaftsbetriebe handelt es sich um einen sanften beziehungsweise
zurückgestauten Strukturwandel – mit der Folge einer kleinbetrieblich strukturierten
und wenig produktiven Branche.
Landwirtschaftspolitische Agenda
nrü. ⋅ Eine liberale Landwirtschaftspolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit der
Schweizer Landwirtschaft stärken würde, müsste folgende Reformmassnahmen
umfassen: Abschaffung von Ausfuhrsubventionen für verarbeitende Erzeugnisse
(«Schoggigesetz»). Erfüllung des Verfassungsauftrages der Nahrungsmittelsicherheit
durch möglichst freie Importe. Ein erster Schritt wäre die Streichung der
Ausnahmeregelung für Nahrungsmittel im Rahmen des Cassis-de-Dijon-Prinzips.
Vollständige Liberalisierung des Agrar- und Nahrungsmittelmarktes mit der EU –
eventuell in Kombination mit vorübergehenden Ausgleichszahlungen. Sukzessiver
Abbau von Agrarzöllen und weiteren Schutzmassnahmen auch gegenüber anderen
Handelspartnern. Direktzahlungen nur noch für Dienstleistungen, bei denen es sich
um öffentliche Güter handelt (Landschaftspflege, Erhalt der natürlichen
Lebensgrundlagen, Tier- und Naturschutz) in Verbindung mit konkreten Auflagen.
Abgeltung des Verfassungsauftrages der dezentralen Besiedlung des Landes über
Finanzausgleich und nicht über landwirtschaftliche Stützungsbeiträge.
Ebenso falsch ist die Behauptung, dass die Schweizer Bauern ohne staatlichen Schutz
dem Untergang geweiht wären. Die Wettbewerbschancen für landwirtschaftliche
Qualitätsprodukte sind durchaus intakt. Darauf lässt nicht nur die rege Nachfrage der
Konsumenten nach Bio- und Premium-Produkten schliessen, für die sie einen
Zuschlag zu bezahlen bereit sind, sondern auch die erfolgreiche Liberalisierung des
Käsehandels mit der EU. Diese förderte die Qualität und die Innovation der
schweizerischen Käsewirtschaft, führte zu wieder steigenden Exporten und
vergrösserte gleichzeitig das Sortenangebot in der Schweiz. Ähnliches trifft auch auf
den seit 2001 weitgehend liberalisierten Weinmarkt zu. So räumen selbst
Weinproduzenten ein, dass sich die Qualität von Schweizer Wein seither deutlich
verbessert habe. Insofern müssten die Vorzüge einer Marktöffnung auch dem neuen
Bundesrat und Winzer Guy Parmelin bekannt sein.
Liberalisierung als Chance
Dass eine landwirtschaftliche Liberalisierung sich volkswirtschaftlich auszahlen
würde, zeigt eine Simulations-Analyse der OECD. Laut Berechnungen der Ökonomen
würden die Kosten zur Stützung der Landwirtschaft (inklusive Rückgang der
stattlichen Transferzahlungen, Anstieg der Konsumentenrente und Verlust der
Zolleinnahmen) bei einer vollständigen Marktöffnung gegenüber der EU um 1,49
Mrd. Fr. sinken. Der gleichzeitig resultierende Verlust der landwirtschaftlichen
Produzenten läge mit 1,01 Mrd. Fr. deutlich darunter. Selbst wenn nun zur
Kompensation Übergangszahlungen an die Bauern geleistet würden, wäre ein solcher
Schritt durchaus sinnvoll.
Dank günstigeren Beschaffungspreisen und dem gestiegenen Konkurrenzdruck liesse
sich damit nämlich gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft steigern
– wie auch diejenige nachgelagerter Industrien, die Zugang zu günstigeren
landwirtschaftlichen Rohstoffen hätten
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Schweizer Landwirtschaft
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Warum die Agrarlobby so mächtig ist
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Ein Geflecht von politisch-administrativen Entscheidungsmechanismen schafft eine
asymmetrische Interessendurchsetzung zugunsten der Bauern und zulasten der
Konsumenten und Steuerzahler.
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Hauptprofiteure der Schweizer Agrarpolitik sind grosse Landwirtschaftsbetriebe,
kaum Kleinbauern wie dieser.
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Man ist immer wieder verblüfft, wie die Agrarlobby ihre Interessen durchsetzt.
Jüngstes Beispiel ist der Beschluss des Nationalrats vom 6. Mai 2015, für
Lebensmittel das Cassis-de-Dijon-Prinzip nicht anzuwenden. Begründung: Es
gelte, die schweizerische Bevölkerung vor minderwertigen ausländischen
Erzeugnissen zu schützen – als ob die Konsumenten dazu nicht selber in der
Lage wären. Wie ist es überhaupt möglich, dass die Bauern, die lediglich etwa
2% der Beschäftigten ausmachen und weniger als 1% zum
Bruttoinlandprodukt beitragen, dem übrigen Teil unserer Volkswirtschaft
enorme Lasten aufbürden können?
Teure Protektion
Die Steuerzahler und Konsumenten werden Jahr für Jahr mit über 6 Mrd. Fr.
belastet. Die Nahrungsmittelindustrie wird in ihren Exportchancen gehemmt,
weil inländische Rohstoffe zu teuer sind. Der künstlich verteuerte Kostenblock
Nahrungsmittel beeinträchtigt die Konkurrenzfähigkeit von Gastgewerbe und
Tourismus. Der Detailhandel leidet unter dem Kaufkraftabfluss ins grenznahe
Ausland. Die Agrarlobby erweist sich immer wieder als Bremsklotz, wenn es
darum geht, mit Drittstaaten Freihandelsabkommen zugunsten unserer
Exportindustrie abzuschliessen. Dabei könnte eine umfassende Reform der
nach wie vor protektionistischen Agrarpolitik einen Beitrag zur Bewältigung
der Frankenstärke leisten (vgl. NZZ 7. 5. 15). Realistisch betrachtet, wird die
ausgezeichnet organisierte und schlagkräftige Agrarlobby dies zu verhindern
wissen.
Reformen werden wohl erst möglich, wenn einmal für jedermann sichtbar
Arbeitsplätze in grossem Ausmass ins Ausland verlagert worden, die
Arbeitslosenzahlen stark gestiegen, die Unternehmensgewinne und die
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Steuereinnahmen drastisch geschrumpft sind. Wer nicht so lange warten
möchte, muss der Frage nachgehen, wie die Macht der Agrarlobby zu erklären
ist – und geschwächt werden könnte.
Dafür eignet sich die Neue Politische Ökonomie (engl. «public choice»). Dieser
ab den 1950er Jahren entwickelte Zweig der Volkswirtschaftslehre
unterscheidet
mehrere
Möglichkeiten,
wie
wirtschaftliche
und
gesellschaftliche Entscheidungen über die Herstellung und Verteilung von
Waren und Diensten erfolgen können. Im Vordergrund stehen der
Marktmechanismus, die demokratischen und bürokratischen Prozesse sowie
das Aushandeln zwischen Interessenorganisationen («collective bargaining»).
Das Zusammenspiel dieser Entscheidungssysteme wird im Folgenden anhand
der heutigen schweizerischen Agrarpolitik skizziert.
Verzerrte Marktsteuerung
Bei der Herstellung von Nahrungsmitteln greift der Staat in das Spiel von
Angebot und Nachfrage ein. Er fördert die inländische Produktion durch
offene und versteckte Subventionen und hemmt den Import ausländischer
Produkte durch Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse. Als vorgeschobene
Begründung dient die süffige Vokabel «Versorgungssicherheit». Faktisch geht
es um Einkommenssicherung für die Bauern. Daraus resultieren
gesamtwirtschaftliche Effizienzverluste: Knappe Ressourcen werden nicht
optimal eingesetzt. Auch die Verteilungswirkungen entsprechen nicht den
gängigen Gerechtigkeitsvorstellungen.
Hauptprofiteure sind grosse Landwirtschaftsbetriebe im Tal- und Hügelgebiet,
kaum Kleinbauern im Alpenraum, schon gar nicht die zum Teil viel ärmeren
Bauern im Ausland. Kostenträger sind die unteren Einkommensklassen. Für
sie machen die Lebensmittelausgaben im Haushaltsbudget einen grösseren
Anteil aus als für die oberen.
Hauptargumente für staatliche Eingriffe in den Agrarbereich sind die in der
Bundesverfassung formulierten Ziele «dezentrale Besiedlung» und «Erhaltung
der natürlichen Lebensgrundlagen». Dies sind durchaus legitime Anliegen,
nur sind finanzielle und regulatorische Massnahmen zugunsten der Bauern
nicht die zweckmässigsten Instrumente, um die Ziele zu erreichen. Über den
Finanzausgleich kann die dezentrale Besiedlung besser realisiert werden als
über die Subventionierung von Agrarprodukten und Importzölle.
Die Landschafts-, Umwelt- und Naturschutzziele lassen sich gezielter durch
Ausschreibungen verwirklichen. Bauern, aber auch Nichtbauern sollten
Offerten einreichen können. Die besten Angebote kämen zum Zuge – gleich,
wie dies im Rahmen des öffentlichen Submissionswesens beim Bau von
Strassen, Schulhäusern und sonstigen Infrastrukturanlagen gang und gäbe ist.
Warum geschieht dies nicht? Weil im Landwirtschaftsbereich die
Marktsteuerung durch politisch-administrative Prozesse überlagert wird, und
zwar in einem Ausmass wie in keiner anderen privatwirtschaftlich
organisierten Branche.
Nostalgische Verklärung
Den Bauernverbänden ist es durch Verweis auf den Zweiten Weltkrieg
gelungen, der Bevölkerung einzureden, die staatliche Förderung der
Landwirtschaft sei unerlässlich für unsere Versorgungssicherheit. Schön wär's.
Doch in den letzten siebzig Jahren haben sich die Rahmenbedingungen
grundlegend geändert. Aus der globalen Verflechtung kann und will die
Schweiz nicht ausscheren. Die schweizerische Landwirtschaft ist auf
importierte Rohstoffe (vor allem Futtermittel) und wie alle anderen Sektoren
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auf importierte Energieträger angewiesen. Welcher Bauernhof würde heute
noch funktionieren, wenn es an Treibstoffen für den Traktor oder Strom für
die Melkmaschine fehlen würde?
Solche Fragen müssen sich die Stimmbürger und die Politiker nicht stellen,
solange es unserer Volkswirtschaft gut geht. Aus sentimentaler Erinnerung an
ihre bäuerlichen Vorfahren vertrauen sie den Agrarverbänden und ihren
Werbeagenturen, wenn diese versichern: «Wir wollen euer Bestes und
schützen euch. Schweizer Lebensmittel sind besser als ausländische und
rechtfertigen höhere Preise.»
So erreichen die relativ wenigen Bauern in der demokratischen Arena
sagenhafte Mehrheiten. Das jüngste Beispiel: 109 der 200 Nationalräte
unterstützten das Cassis-de-Dijon-Begräbnis und legten damit wider jegliche
gesamtwirtschaftliche
Vernunft
einen
Zacken
zu
in
Sachen
Agrarprotektionismus. Hoffentlich korrigiert der Ständerat diesen Entscheid.
Möglich werden solche Abstimmungsergebnisse nur, wenn zwei weitere
Faktoren in die gleiche Richtung wirken: das Verhalten der Agrarbürokratie
und die Unterstützung durch nichtbäuerliche Interessenorganisationen.
Wie jede Bürokratie neigen auch die für die Vorbereitung und den Vollzug
landwirtschaftlicher Gesetze, Verordnungen und Verfügungen zuständigen
Abteilungen des Bundes, der Kantone und öffentlichen Anstalten zur
Expansion. Wie Verhaltensstudien zur Bürokratie belegen, lautet deren
Devise: Je mehr Mitarbeitende, desto besser; je höhere Ausgaben, desto
besser. Ihr Bestreben ist darauf ausgerichtet, eine Klientel zu schaffen, diese
wenn möglich zu vergrössern, bei Laune zu halten und im Gegenzug von ihr
unterstützt zu werden. Nur in seltenen Fällen, wenn der Spardruck gewaltig
zunimmt, gelingt es, den mitarbeiter- und ausgabenmaximierenden
Expansionsdrang zu blockieren oder sogar den Rückwärtsgang einzuschalten.
Auch private Unternehmungen leiden unter diesem Phänomen, doch sind für
sie die Signale, die die Umsatz- und Gewinnzahlen aussenden, über kurz oder
lang wirksam genug, um Korrekturen durchzusetzen. Im steuerfinanzierten
Bereich fehlen derartige Kontrollmechanismen.
Ungleiche Machtverteilung
Die Bauern sind aus zwei Gründen in der Lage, ihre Anliegen erfolgreich
durchzusetzen. Erstens sind ihre Interessen im Vergleich zu jenen der
Konsumenten und Steuerzahler recht homogen, was die Verbandsbildung
erleichtert. Zweitens wissen die Landwirte, dass es sich lohnt, in
Bauernverbänden mitzumachen. Für sie bringt ein Franken an
Mitgliedschaftsbeitrag einen viel grösseren Ertrag in Form von höheren
Preisen und Subventionen als ein Franken, den die Konsumenten für
Preissenkungen und die Abgabenzahler für Gebühren- und Steuersenkungen
einsetzen. Dadurch entsteht eine asymmetrische Machtkonstellation, die es
den Bauern erlaubt, die Konsumentinnen und Steuerzahler «auszubeuten».
Eigentlich wäre zu erwarten, dass die wichtigsten Abnehmer von Produkten
der Landwirtschaft ein Gegengewicht zur Agrarphalanx schaffen. Die
Grossverteiler Migros und Coop beklagen zwar – eher kleinlaut – den
Einkaufstourismus, sind jedoch kaum bereit, ihre Marktmacht gegenüber der
Bauernlobby im Interesse ihrer Kunden und Genossenschafter einzusetzen. Im
Gegenteil, sie stützen den schweizerischen Agrarprotektionismus, weil sie sich
davon höhere Margen versprechen. Migros und Coop haben mit ihren
Produktlinien «Heidi» beziehungsweise «Montagna» durchaus Löbliches für
die Schweizer Bergbauern aufgebaut. Leider haben sie es unterlassen, diese
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Programme an die Bedingung zu knüpfen, dass die Bauernlobby dem Abbau
des Agrarprotektionismus zustimmt. Die Zeit wäre reif, dies nachzuholen.
Druck zur Öffnung
Es ist naiv, zu glauben, die Hauptakteure der schweizerischen
Landwirtschaftspolitik liessen sich durch die hier vorgestellten Analysen in
ihrem Tun beeinflussen. Transparenz allein reicht nicht. Der Druck in
Richtung Liberalisierung wird von aussen kommen.
Im
Falle
einer
starken Wirtschaftskrise werden sich
andere
Wirtschaftsbereiche (vor allem die Exportindustrie, der Handel, das
Gastgewerbe, der Tourismus) und andere Interessengruppen (vor allem die
Konsumenten und Steuerzahler) aufrappeln und gegen die offenen und
versteckten Lasten ankämpfen. Internationale Organisationen (OECD und
WTO) und Staaten, mit denen die Schweiz Freihandelsabkommen
abschliessen möchte, werden ausserdem immer weniger bereit sein, unsere
tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse für Agrarprodukte
hinzunehmen.
Gute Beispiele zeigen, dass freie Lebensmittelmärkte der Schweiz Vorteile
bringen. Belege hierfür sind der Käsemarkt. Seit der Liberalisierung sind die
schweizerischen Exporte stark gestiegen; sie übersteigen sogar die Importe.
Kaffee (z. B. Nespresso) und Schokolade (z. B. Lindt & Sprüngli) zählen unter
anderem darum zu den Exportschlagern der Schweiz, weil die
Rohstoffbeschaffung weniger staatlichen Beschränkungen unterliegt.
René L. Frey ist emeritierter Professor für Nationalökonomie an der
Universität Basel und heute Mitglied des Center for Research in Economics,
Management and the Arts (Crema).
Vorstösse zur landwirtschaftlichen Abschottung haben Hochkonjunktur
nrü. Wie gut die Bauernlobby funktioniert, lässt sich derzeit eindrücklich
anhand der diskutierten Initiativen und Vorstösse im Parlament aufzeigen. So
wird der Ständerat am Mittwoch darüber beraten, ob Lebensmittel vom
Cassis-de-Dijon-Prinzip ausgenommen werden sollen. Die von FDPNationalrat Jacques Bourgeois, Direktor des Bauernverbandes, eingereichte
parlamentarische Initiative bezweckt die vollständige Aufweichung des
Prinzips, das die Einfuhr von Produkten aus der EU erleichtert. Es wurde zwar
bereits bei seiner Einführung mit zahlreichen Ausnahmen durchlöchert. Mit
der Ausklammerung von Lebensmitteln würde man die wettbewerbsfördernde
Regelung, die zum Abbau bürokratischer Handelshemmnisse und zur
Bekämpfung des hohen Preisniveaus beitragen sollte, aber definitiv begraben.
Der Nationalrat hatte im vergangenen Monat der Initiative Bourgeois
zugestimmt. Offenbar verfingen die Argumente der Initianten, die die
befürchtete «Verwässerung der Schweizer Qualitätsstrategie» ins Feld führten.
Im Gegenzug hat die Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerats sich dafür
ausgesprochen, nicht auf die Vorlage einzutreten. Ähnliche Blüten des
Protektionismus zeigen sich auch bei der Swissness-Vorlage. Der Bauernlobby
ist es dabei nicht nur gelungen, für Lebensmittel, die unter dem Qualitätssiegel
«Swiss made» verkauft werden, einen minimalen inländischen Rohstoffanteil
von 80% durchzusetzen. Für Milchprodukte beträgt der vorgeschriebene
Inländeranteil gar 100%, wobei bereits die Ausklammerung von Schokolade
und Biskuits von dieser 100%-Regel von der Politik als «Umsetzung mit
Augenmass» gefeiert wird (NZZ 11. 6. 15).
Ein weiterer Vorstoss, der auf die Ausweitung der Agrarabschottung zielt, ist
die eingereichte parlamentarische Initiative «zur Sicherung der
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Ernährungssicherheit». Damit soll der Bundesrat dazu verpflichtet werden,
bei der Aushandlung und Änderung von Staatsverträgen die Einfuhr von
Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Gütern zu beschränken. Unschwer
erkennbar ist, dass es sich dabei um einen rein strukturerhaltenden Vorstoss
zugunsten der Agrarwirtschaft handelt. Begründet wird das Anliegen nämlich
vonseiten der SVP-Initianten mit den zahlreichen landwirtschaftlichen
Betrieben und Arbeitsplätzen, die in der Schweiz in den vergangenen Jahren
«verschwunden»
sind.
Um
dieser
unaufhaltsamen
Entwicklung
entgegenzutreten, wird offenbar auch eine weitere Abschottung der Schweizer
Wirtschaft in Kauf genommen, denn der Abschluss neuer Freihandelsverträge
wäre mit der Annahme der Initiative kaum mehr möglich.
------------------------------6.42016
Von der Idee einer EU-Steuer:
Mögliche Szenarien
Ein möglicher Brexit, also ein Austritt des Vereinigten Königreichs aus der
Europäischen Union könnte bald die Debatte wieder anfachen, wie die
Finanzierung der EU erfolgreich umgestaltet werden sollte.
In regelmäßigen Abständen lodert die Debatte wieder auf, in welchem Maße europäische
Gemeinschaftsorgane Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen der jeweiligen Mitgliedsländer
haben dürften. Ob indirekter (oder eher direkter) Art − er ist schon lange Gegenstand von
ausgiebiger Behandlung, soll hier aber nicht hinterfragt werden. Es geht hingegen mittlerweile
auf das Jahr 2010 zurück, als der Plan einer EU-Steuer zur reformierten Finanzierung der
Europäischen Union besonders intensiv zur Debatte gestanden hat. Dieses Thema (wie alle
gemeinschaftlichen Fragen) ist in wirtschaftlicher und juristischer Hinsicht von schwieriger
Analyse – und man könnte wohl umso froher sein, dass entsprechende Rufe (im mancherorts
immer noch kriselnden Europa) nicht mehr so stark widerhallen. Da die Existenz der
Europäischen Union schon aufgrund ihres besonderen Wesens – die Beteiligung von 24
Mitgliedsnationen wäre andernfalls noch beschwerlicher – auf Kompromissen basiert, lässt
sich aber umso weniger ausschließen, dass die Diskussion bei Gelegenheit einmal mehr
entbrennen könnte.
Ein möglicher Austritt des Vereinigten Königreichs infolge des Volksentscheids vom 23. Juni
2016 könnte sich schon rasch als Anstoß entpuppen, weil dem EU-Etat trotz sinkender
Ausgaben bei nunmehr 28 Mitgliedern auch ein beitragsstarker Teilhaber abhandenkommen
würde: selbst bei Verbleib des britischen Mitglieds könnte aber bald die Frage aufgeworfen
werden, ob die EU-Finanzierung nicht anderweitig gestaltet werden sollte. Neben diesem
ersten Damoklesschwert, das schon über der unmittelbaren Zukunft des europäischen Projekts
schweben könnte, gibt es eine (noch greifbarere) Unbekannte, nämlich die Endfassung des
Transatlantischen Abkommens (TTIP) zwischen EU und USA. Falls sich aus ihr massive
Streichungen von Einfuhrabgaben ergeben sollten, könnten dem EU-Budget Teile seiner
Erträge abhandenkommen kommen. Diesen einleitenden Bemerkungen ist zugleich
hinzuzufügen, dass die Europäische Kommission auf ihrer Internetsektion mit dem Namen
153
Myths and facts immer noch erwähnt, wie mit einer EU-Steuer nur eine Umgestaltung des
europäischen Finanzierungssystems (und keine Steuererhöhungen) anvisiert werde : das
Thema ist jedenfalls nicht vom Tisch. Der Proaktivität zuliebe, die in manch einer Frage
immer noch zu kurz kommt, werden zeitige Überlegungen zum Thema umso unerlässlicher.
Es besteht kein Zweifel, dass Steuererhebung ein gebräuchliches Mittel für öffentliche Organe
− egal ob supranationaler, nationaler oder lokaler Art − ist, um Finanzressourcen einzutreiben.
Von ganz besonderem Interesse ist dabei das europäische Fallbeispiel, das sich immer durch
mindestens zwei Regierungsebenen, nämlich die europäische und jeweils nationalen,
auszeichnet, obwohl mehrere Mitgliedsländer in föderalistischer Hinsicht sogar noch
artikulierter sind. Entsprechend fällt die Steuerbelastung auf dem europäischen Territorium
inhomogen aus und keine Pauschallösung nach dem one-size-fits-all-Prinzip scheint adäquat,
um die Komplexität an wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen realitätstreu
widerzuspiegeln. Europäische Institutionen werden jedenfalls über die Beiträge teilnehmender
Länder finanziert. Wie von der Europäischen Union zusammengefasst tragen zum heutigen
Finanzierungsbedarf vor allem folgende Geldquellen bei :
1.
0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (Gross National Income (GNI)), das zur
bedeutendsten Finanzierungsform des europäischen Etats gehört;
2.
0,3 Prozent aller Mehrwertsteuererträge (MwSt.);
3.
Importabgaben (import duties) auf Nicht-EU-Produkten in einem hohen Prozentanteil.
Die graphische Zusammensetzung der sich im Jahre 2013 bei 149,50 Mrd. € belaufenden EUEinnahmen sieht also folgendermaßen aus:
Wenn man nun die obigen Ausführungen in mathematischen Jargon übersetzen wollte, würde
die entsprechende Formel vermutlich ähnliche Konturen haben:
(1) Haushalt (EU)= w/100 BNE+ x/100 MwSt.+ y/100 Traditionelle Eigenmittel+ z/100
Andere Erträge
154
wo w, x, y und z Beträge zwischen 1 und 100 sind, die den Prozentanteil jedes Posten am
Budget wiedergeben sollen. Unter „traditionellen Eigenmitteln“ und „anderen Beiträgen“
verstehen europäische Institutionen zudem jeweils Zollabgaben und Steuern auf EUGehältern oder Geldstrafen zulasten von (gegen Gesetze verstoßende) Unternehmen . Wenn
solche Einzelbeiträge im extremen Szenario von der neuen EU-Steuer ganzheitlich ersetzt
werden sollten, ließe sich der Komplexitätsgrad der Formel (1) scheinbar in Luft auflösen, da
sie nunmehr zu folgender mutieren würde:
(2a) Haushalt (EU)=Erträge aus neuer Steuer
Wenn die neue EU-Steuer hingegen nur einen Teil aller Jahreseinnahmen ausmachen sollte,
würde die resultierende Gleichung noch artikulierter aussehen:
(2b) Haushalt (EU)=Erträge aus neuer Steuer+ [a/100 BNE+ b/100 MwSt.+ c/100
Einfuhrabgaben+ d/100 Andere Erträge]
wo a, b, c und d die (nun reduzierten) Anteile jedes Posten darstellen, von 0 bis 100 reichen
würden und die Summe aller drei wie immer 100 nicht überschreiten dürfte. „Null“ würde
hingegen bedeuten, dass die entsprechende Finanzierungsquelle komplett ersetzt worden
wäre. Sicher: man könnte sich bei Betrachtung von Gleichung (2a) leicht für die
vereinfachende Lösung aussprechen. Was würde sie aber nicht offenbaren? Es wäre das
potenzielle Risiko, das aus mehr Rigidität, nämlich weniger Ertragsposten zur EUFinanzierung, ergehen würde. Da europäische Verträge ohnehin an Straffheit leiden, bleibt es
fraglich, ob Gleichung (2a), nämlich die neue EU-Steuer als All-in-one-Finanzierungsmöglichkeit, überhaupt zur Debatte stehen sollte. Im Falle von Gleichung (2b), nämlich bei
Einführung der neuen EU-Steuer als Ergänzung heutiger Finanzierungsquellen, könnte das
Komplexitätsniveau (zumindest bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der weiteren vier Posten)
hingegen zunehmen.
Land
Standard-MwSt.
(in %)
BNE nach der Atlas-Methode (in
Mrd $, 2014)
Belgien
21
530,55
Bulgarien
20
55,04
Dänemark
25
345,78
Deutschland
19
3.853,62
Estland
20
24,99
Finnland
24
264,55
Frankreich
20
2.844,28
Griechenland
23
250,10 (2013)
Irland
23
214,71
Italien
22
2.102,25
Kroatien
25
55,02
Lettland
21
30,41
Litauen
21
45,19
Luxemburg
17
42,26
155
Land
Standard-MwSt.
(in %)
BNE nach der Atlas-Methode (in
Mrd $, 2014)
Malta
18
8,89 (2013)
Niederlande
21
874,59
Österreich
20
423,91
Polen
23
520,15
Portugal
23
222,13
Rumänien
20
189,51
Schweden
25
596,94
Slowakei
20
96,20
Slowenien
22
48,63
Spanien
21
1.366,03
Tschechische Republik
21
193,12
Ungarn
27
131,60
Vereinigtes Königreich
20
2.801,50
Zypern
19
22,519
Quellen: ec.europa.eu /
data.worldbank.org
Im europäischen Musterbeispiel ist jedenfalls viel Feingefühl erforderlich, weil strukturelle
Ungleichgewichte schon jetzt bei Verteilung und Wirkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen
mitmischen. Zu den erschwerenden Faktoren gehört natürlich auch, dass:
1.
Geldpolitik zur ausschließlichen Domäne der Europäischen Zentralbank geworden ist,
was monetäre Spielräume für Mitgliedsnationen zunichtemacht;
2.
Haushaltspolitik durch den Vertrag über die Europäische Union alias Vertrag von
Maastricht (1992) und später noch den Europäischen Fiskalpakt alias European Fiscal
Compact (2012) stark eingeschränkt worden ist;
3.
Fiskalpolitik, die majoritär aus Steuereintreibung und Umverteilungsmaßnahmen
besteht, nunmehr der einzig verbliebene Weg ist, um den nationalen Finanzierungsbedarf zu
decken. Dass selbst dieser wirtschaftspolitische Hebel einem besonders strukturellen
Gebrauchslimit, nämlich der Akzeptanz des durchschnittlichen Steuerzahlers, unterliegt, ist
dennoch Fakt.
Je nach Entscheidung könnte der Beliebtheitsgrad der Brüsseler also Eurokratie noch
gefährdeter sein. Da Mehrwertsteuersätze – das Gleiche gilt aber auch für die Besteuerung
von Privat- sowie Unternehmenseinkommen oder Vermögen – und Bruttonationaleinkommen
in Europa eher weit auseinanderklaffen, sollte der Effekt einer potenziellen „neuen“ EUSteuer besonders gut abgewogen werden, um nichtproportionale Auswirkungen je nach
Mitgliedsland zu vermeiden. Etwas spitzzüngig ließe sich natürlich behaupten, dass die EU
einen Vorteil aus dem Erhöhungstrend bei nationalen Mehrwertsteuersätzen hätte, die seit
dem 1. Januar 1993 in der Tat nicht den Mindestbetrag von 15% unterschreiten dürfen:
genauso gut gilt aber auch, dass europäische Institutionen einen Nutzen aus mehr Wachstum
ziehen, weil von ihm schließlich die Entwicklung des Bruttonationaleinkommens (und der
156
EU-Finanzen selbst) abhängt. Egal aber wie die Umsetzung einer potenziellen EU-Steuer im
Detail aussehen würde, sollte sie sich nach einigen Prinzipien richten:
1.
Formen der Besteuerung – im Falle additiver Art sowieso, aber auch substitutiven
Typs – sollten immer weniger in Frage kommen. Europäische Gemeinschaftsorgane sollten
nämlich ihre Finanzierungsquellen zunehmend von fiskalischen Konnotationen loslösen, um
nicht mit dem Begriff „Steuern“ in Zusammenhang gebracht zu werden und ihre positive
Wahrnehmung bei den EU-Bürgern zu konsolidieren;
2.
Es ist hingegen empfehlenswert, verschiedene Lösungsansätze zu verfolgen. Erträge
aus Renditen auf Finanzaktiva europäischer Organismen oder Seigniorage der Europäischen
Zentralbank könnten sich besser eignen, wobei selbst heutige Anteile am Bruttonationaleinkommen passender erscheinen, weil ihr Einfluss Variablen wie Investitionen, Produktion oder Konsumausgaben eher verschonen würde.
Der Polarstern sollte jedenfalls der gleiche bleiben: das europäische Projekt (wenn es schon
als Dogma gilt) sollte als zu groß behandelt werden, um zu scheitern (too big to fail) oder gar
an chronisch sinkender Reputation zu leiden. Falls die bevorstehenden Entwicklungen den
EU-Steuer-Gedanken wieder aufflammen ließen, wäre er a priori weder gut noch schlecht: nur
seine praktische Umsetzung könnte es sein.
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Referendum in den Niederlanden
Wilders: „ Das ist der Anfang vom Ende der
EU“
07.04.2016
Die Niederländer haben das EU-Ukraine-Abkommen abgelehnt. Die
Rechtspopulisten um Geert Wilders wollen nun über ein „anderes
Europa“ diskutieren. Die Ukraine will trotz des gescheiterten
Abkommens an der EU-Annäherung festhalten.
157
Der Ministerpräsident der Niederlande Mark Rutte hat nach der Ablehnung des Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine eingestanden, dass die Gegner überzeugend gewonnen hätten. Nach dem deutlichen Nein der niederländischen Wähler ist die Ratifizierung des Vertrages unsicher. Das Referendum ist zwar rechtlich nicht bindend, doch will
die Regierung die Ratifizierung aussetzen. Die Spitzen der Koalitionsregierung kündigten in
der Nacht zum Donnerstag an, dass das Votum der Wähler nicht ignoriert werde.
Ministerpräsident Rutte sagte, er wolle die Ratifizierung überdenken. „Wenn das Referendum
gültig ist, dann können wir den Vertrag nicht einfach so ratifizieren", sagte Rutte im
niederländischen Fernsehen. Eine Entscheidung soll erst in mehreren Wochen fallen. Das
amtliche Endergebnis soll erst am 12. April veröffentlicht werden. Über die Auswirkungen
des Votums müsse nun „Schritt für Schritt“ in Abstimmung mit der Regierung und Brüssel
entschieden werden, sagte Rutte.
61 Prozent der Wähler stimmten dagegen
Jubel hingegen gab es im Lager der Rechtspopulisten. Der niederländische Abgeordnete
Geert Wilders begrüßte das Ergebnis. Die Niederländer hätten sich gegen die „europäische
Elite“ gewandt. „Das ist der Anfang vom Ende der EU.“ Der Rechtspopulist twitterte: „Große
Mehrheit der Wähler ist dagegen, das ist fantastisch.“
Die Initiatoren äußerten sich zufrieden. Der Jurist Thierry Baudet vom „Forum für
Demokratie“ erklärte: „Das Ergebnis kann man nicht ignorieren.“ Nun beginne eine
Diskussion „über eine andere EU“. Die Gegner des Abkommens hatten zu einem deutlichen
Votum gegen die „undemokratische EU“ und ihren „Expansionsdrang“ aufgerufen. Baudet
forderte neue Verhandlungen mit der Ukraine. Er kündigte auch weitere Abstimmungen „zum
Euro und zu den offenen Grenzen“ an. In seiner Kampagne verwies das Nein-Lager zudem
auf Korruption in der Ukraine sowie auf den bewaffneten Konflikt im Osten des Landes.
Ukraine will an Annäherung an die EU festhalten
Nach vorläufigen Angaben hat die Mehrheit der Niederländer bei dem Referendum über das
Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine mit Nein gestimmt. Rund 61
Prozent der Teilnehmer lehnten das Abkommen ab, wie die Nachrichtenagentur ANP am
Mittwochabend berichtete. Nach dem vorläufigen Endergebnis, zu diesem Zeitpunkt waren
99,8 Prozent der Stimmen ausgezählt, hatten 32,2 Prozent der Wähler ihre Stimme
abgegeben. Damit war die gesetzlich vorgeschriebene 30-Prozent-Marke erreicht worden
und das Referendum gültig. Rund 38 Prozent hatten dem Vertrag zugestimmt.
Die Ukraine will auch nach dem Votum der Niederländer an ihrem Annäherungskurs an die
Europäische Union festhalten. Sein Land werde sich weiter in Richtung EU bewegen, sagte
Präsident Petro Poroschenko am Donnerstag in Tokio. Er verwies zudem darauf, dass das
Referendum für die niederländische Regierung nicht rechtlich bindend sei.
Offiziell ging es bei dem Referendum um die Billigung oder Ablehnung des 2014
unterzeichneten Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Kiew. Es wurde bereits von
allen übrigen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert. Auch die niederländische Regierung hatte
den Vertrag bereits unterzeichnet. Auch beide Kammern des Parlaments hatten zugestimmt.
Rutte: Hilfe für Rechtsstaat und Demokratie
Regierungschef Rutte hatte bei seiner Stimmabgabe in einer Grundschule in Den Haag
hervorgehoben, dass das Assoziierungsabkommen der Ukraine dabei helfen solle, „einen
158
Rechtsstaat und ihre Demokratie aufzubauen“. Einerseits sollten dadurch in der Ukraine
Minderheiten wie Juden und Homosexuelle geschützt, andererseits die „Ränder“ Europas
stabilisiert werden.
Die Niederlande, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne haben, haben das neue
Abkommen mit der Ukraine als einziger der 28 EU-Mitgliedstaaten noch nicht ratifiziert. Das
Parlament hat bereits seine Zustimmung gegeben. Der politische Teil des Assoziierungsabkommens wird seit Ende 2014 bereits vorläufig angewandt, seit dem 1. Januar auch das
darin enthaltene Freihandelsabkommen. Russland hatte das Assoziierungsabkommen scharf
kritisiert.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte vor dem Referendum um die
Zustimmung der Niederländer geworben und schickte dazu sogar Minister in die
Niederlande. Die Ukraine dürfe nicht zum Opfer einer „internen niederländischen Debatte
über die Zukunft der Europäischen Union werden“. Aber das Auftauchen von Poroschenkos
Namen in den Enthüllungen über Briefkastenfirmen in Steueroasen könnte Unentschlossene
zuletzt abgeschreckt haben.
--------------------------------08.04.2016,
EU- Grüne wollen Verbot von
Volksabstimmungen!
Nach der herben Niederlage für die EU- Politik bei der aktuellen Volksabstimmung in den
Niederlanden soll die direkte Demokratie begrenzt werden: Die Fraktionschefin der Grünen
im EU- Parlament, Rebecca Harms, will nationale Abstimmungen über EU- Themen
verbieten. Die ÖVP sieht das ähnlich.
"Volksabstimmungen, die so angelegt sind wie jene in den Niederlanden, können die EU in
ihrem Bestand gefährden", sprach sich die EU- Fraktionschefin der Grünen deutlich gegen
die direkte Demokratie auf EU- Ebene aus. Europäische Themen würden sich für
Volksabstimmungen in den einzelnen Mitgliedsländern "nicht eignen", sagte Harms.
Die Deutsche Rebecca Harms ist EUFraktionschefin der Grünen. Und sie argumentierte: Das Plebiszit in
den Niederlanden, bei dem nun ein Freihandelsabkommen der EU
mit der Ukraine abgeschmettert wurde, habe "weitere Schwächen
von Referenden aufgezeigt, sie können die EU in ihrem Bestand
gefährden".
159
Othmar Karas, EU- Abgeordneter der ÖVP, bringt seine Partei auf
die Linie der Grünen: "Nationale Referenden über EU- Beschlüsse
sind eine Flucht aus der Verantwortung, ein Zeichen von
Schwäche." Diese Position könnte einige Fragen an Andreas Khol
beim nächsten TV- Duell zur Bundespräsidentenwahl provozieren.
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18. 10. 2014
-
Salzburg legt für 2015 ausgeglichenen Haushalt vor
Die Salzburger Landesregierung präsentierte am Freitag den Budgetausblick für 2015.
Im nächsten Jahr wird es ein Plus geben, aber auch mehr
Ausgaben. auch Rückerstattung gestohlenen Eigentums ?
Die behördliche Befehls- und Zwangsgewalt, wie sie durch
die Landeshauptleutleute von Salzburg in rechtsstaatlicher
Willkür ausgeübt wird:
EINSCHREIBEN
e-mail: [email protected] 15. 10. 2014
An die
Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung
von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption
Dampfschiffstr. 4
1030 W i e n
Strafanzeige nach § 28a StPO
Rechtsverweigerung Richard LEEB
Sehr geehrte Damen und Herren,
160
Aus den erstattetten Strafanzeigen vom 25. 06., 28. 06., 31. 07., 20. 09. 30.
09. 07. 10. 2013, 10. 04. 15. 04. 25. 08.. 22., 24., 29. 09. 12. 10., und 15.
10. 2014 hinsichtlch der Vornahmen außerhalb der Rechtsordnung zur
Anregung der Beigabe eines Sachwalters für Richard Leeb, vom 20. 09.
2012 durch Herrn Staatsanwalt Mag. Marcus Neher, sind Ihnen die
ursächlichen Straftatbestände aus dem Wasserrechtsverfahren Zl. 6/20344/2001 BH Zell am See iVm der seitens der Staatsanwaltschaft Salzburg
und Richter am Landesgericht Salzburg geübten Rechtsverweigerung zur
Kenntnis gebracht.
Aus gegebenem Anlass ergänze ich meine Strafanzeigen gegen
1.
2.
3.
4.
5.
Frau
Herr
Herr
Frau
Frau
Dr. Eva Danninger,
als erste Staatsanwältin StA Salzburg;
Mag. Marcus Neher,
als Staatsanwalt der StA Salzburg;
Dr. Helmut Krallinger,
als Richter des LG Salzburg;
Mag. Lisa Bauer, als federführende Richterin am LG Salzburg;
Mag. Herlinde Oberauer, als Pflegschaftsrichterin am BG Zell;
6.
7.
Herr Dr. Friedrich Gruber,
Frau Mag. Christine Außerhofer,
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
Herr RR Kurt Reiter,
Bezirkshauptmannschaft Zell am See;
Herr Mag. Phillipp A. Nill
als Richter am LG Salzburg;
Frau Dr. Edeltraud Stadlhofer Richterin am Verwaltungsgericht Salzburg;
Herr Ing. Mag. Dr. Adalbert Lindner, Richter Verwaltungsgericht Salzburg
Herr LGVPräs. Dr. Imre Juhasz, als Vorsitzender des Senates Abt.21;
Frau Dr. Dagmar Bramböck, als Senatsmitglied am Landesgericht Salzburg;
Herr Mag. Lorenz Kirschner, als Senatsmitglied am Landesgericht Salzburg;
Frau Mag. Michaela Slama, als Richterin? Landesverwaltungsgericht Salzburg;
Kurt Reiter,
Bezirkshauptmannschaft Zell am See;
Herr Mag. Dr. Bernhard Gratz, MBA, Bezirkshauptmannschaft Zell am See;
Frau HR Mag. Claudia Jindra-Feichtiger, Präsidentin LVwG Salzburg;
Herr Ing. Mag. Dr. Adalbert Lindner, Vizepräsident und Richter LVwG;
Frau Dr. Edeltraud Stadlhofer Richterin am Verwaltungsgericht Salzburg;
Frau Mag. Michaela Slama, als Richterin? am LVwG Salzburg;
Herr Mag. Johann Fenninger, Referat Abfallwirtschaft u, Umwelt Landesreg.
als Richter am LG Salzburg;
als Richterin am LG Salzburg;
und erstatte die
Strafanzeige
gegen:
1. Herrn Dr. Franz Schausberger, vorm. Landeshauptmann
2. Frau Mag. Gabriele Burgstaller, vorm. Landeshauptfrau
3. Herrn Dr. Wilfried Haslauer, Landeshauptmann von Salzburg
wegen:
Straftatbestand nach § 33 Abs 1 Z 1, 3, 4, 7 StGB als Urheber und Anstifter zur
Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 2,3 StGB iVm § 278a Z 2 und 3
StGB in Zusammenhang mit Verbrechen im Wasserrechtsverfahren Zl. 6/20344/2001 BH Zell am See, gegen Rersonen- und Eigentumsrechten von Mitglieder der
Familie LEEB und zugehöriger Firmen Leeb Betriebs GmbH, Glocknertrade GmbH
und Voltaik Handels GmbH wie diese einfachgesetzlich und verfassungsgesetzlich
gewährleistet sind.
Zitat zum Sachverhalt hunsichtlich Herrn Dr. Wilfried Haslauer
EINSCHREIBEN
e-mail: [email protected]
am 15. 10. 2014
der zerbrochene Krug in Salzburg XVI - B - 2 - 2 vom Dorfrichter Adam
161
>zur STRAFANZEIGE an WKStA gegen 1. Dr. Franz Schausberger; 2. Mag.
Gabriele Burgstaller; 3. Dr. Wilfried Haslauer zur KENNTNIS
BUNDESKANZLERAMT WIEN Bundesminister Dr. Josef Ostermayer
Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer.
der Familie Leeb und zugehörigen Firmen verursachte Eigentumsschäden:
1.) aus der Vorbereitung zur Einleitung des Wasserrechtverfahren
a)
die SALZBURGER SPARKASSE hat die Liegenschaft um ATS 4,85 Mio ersteigert und
um ATS 6,3 Mio an PECILE weiterverkauft. Dies bei einem Schätzwert von ATS 10,5
Mio, also weit unter dem Verkehrswert, der sich nach der Ortsüblichkeit bestimmt und
allgemein offenbar ATS 2.000,- je m² beträgt. Der Verkehrswert der Liegenschaft
mit 7.796 m² beträgt sohin ATS 15,592.000,--.
Herr Dr. Werner Kreiseder hat als Prokurist der Salzburger Sparkasse
Bank AG die Liegenschaft EZ 8, Kaprunerstraße 3 mit einem Verkehrswert von ATS 14,500.000,00 als Besitzer des Exklusivpfandrechtes für
die Zahlung von ATS 4,0 Mio der Oberbank Immobilien Service GmbH
überlassen
der zerbrochene Krug in Salzburg VIII/ F 1- vom Dorfrichter Adam
> zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E gegen 1.) Ernst P E C I L E 2.)
Stefan PECILE
der zerbrochene Krug in Salzburg VIII/ G - vom Dorfrichter Adam
> SCHADENERSATZKLAGE gegen Salzburger Sparkasse Bank AG wegen
Vorbereitung zur Einleitung des Wasserrechtsverfahren BH Zell am See und
Vornahmen außerhalb der Rechtsordnung in der Verwertung von
Pfandliegenschaften zum Nachteil von LEEB
der zerbrochene Krug in Salzburg VII/ J - vom Dorfrichter Adam
> zur WIEDERAUFNAHME der Schadenersatzklage zu 9 Cg 71/01v LG
Salzburg gegen Ernst Pecile wegen Verleumdung und Einleitung des
Wasserrechtsverfahren Zl. 6/203-44/2001 BH Zell am See
b) Wolfgang Schaal, Prokurist BP Austria Marketing GmbH FN 128195 y übermittelt
am 2.2.2001 um 8:oo Uhr einen verfälschten Bericht vom 18. 12.1996 über die
162
Bodenuntersuchung durch die Firma Intergeo vom 3. Dezember 1996 bei Leeb in
der Bahnhofstr.
der zerbrochene Krug in Salzburg VI/ D 1 - vom Dorfrichter Adam
> zur SCHADENERSATZKLAGE gegen 1.) BP Austria Marketing GmbH FN
128195 y; 2.) Intergeo Umwelttechnologie u Abfallwirtschaft GmbH, 3.) Dr. Werner
Fürlinger, Sachverständige
c) Ebenfalls am 2.2.2001 wurde Herr Dr. Werner Fürlinger als nichtamtlicher Sachverständiger von Kurt Reiter telefonisch beauftragt, Bodenverunreinigungen bei LEEB un Bruck
festzustellen:
der zerbrochene Krug in Salzburg VII/ I - vom Dorfrichter Adam
> zur WIEDERAUFNAHME der Schadenersatzklagen zu 9 Cg 124/03m + 5Cg
137/03y LG Salzburg gegen Herrn Dr. Werner Fürlinger, Geologe und
Sachverständiger im Wasserrechtsverfahren Zl. 6/203-44/2001 BH Zell am See
d) Betrugstatbestand: wie die Oberbank AG gemeinsam mit der
Salzburger Sparkasse Bank AG mit Hilfe des Masseverwalters Dr. Erhard
Hackl und des Konkursrichter Dr. Gregor Sieber die Verwertung der
Pfandliegenschaften in Betrugs- und Bereicherungsvorsatz zu Gunsten
des Dr. Anton Waltl und seiner Frau Erna Waltl zum Nachteil des Beschwerdeführers das Tatbild nach § 278 Abs.b StGB der Bildung einer
Kriminellen Vereinigung verwirklicht haben:
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ I - vom Dorfrichter Adam
> PRIVATANKLAGE gegen 1.) Mag. Dr. Josef Weißl MBA 2.) Dr. Anton Waltl
3.) Erna Waltl 4.) Dr. Erhard HACKL 5.) Dr. Gregor Sieber wegen Bildung
einer kriminelle Vereinigung
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ G1 - vom Dorfrichter Adam
> zur FESTSTELUNGSKLAGE gegen
Dr. Gregor SIEBER, vormaliger Konkursrichter am Landesgericht Salzburg
2.) Einleitung des Wasserrechtverfahren u Österreichweiter
Verleumdung
a) Leeb Betriebs GmbH
GESELLSCHAFTSKAPITAL 100 %
ATS 500.000,-
KONKURSERÖFFNUNG zu 23 S 185/01b wegen Betriebseinstellung am 25.02.2001 auf
Grund Wasserrechtsverfahren ZI. 6/203-44/2001 Masseverwalter Dr. Hans Wabnig 5600 St.
Johann/Pg
Feuerversicherung vom Masseverwalter für Gebäude bezahlt
€ 19.610,30
Der ortsübliche Grundpreis beträgt € 145,35 je m² (wie dieser auch im Schätzgutachten
zu 2 E 35/98 y angesetzt ist) und sich daraus für 1.376 m" ein tatsächlicher Verkehrswert von €
200.001,60 errechnet. Dr.. Wabnig beantragt am 13.10.2004 bei Gericht, die geringsten Gebote
für beide Einlagezahlen auf zusammen € 108.360,- herabzusetzen.
Vorsätzlich verursachter Verlust
€ 91.641,60
EIGENTÜMERIN des abgebrochenen Objektes Bahnhofstraße 6
EZ 24 und 97 Grundbuch 57303 Bruck Wertfeststellung BG Zell
ATS 4,270.000,-€ 310.222,82
STATUS letzte Bilanz 1999 ausgewiesen Reingewinn 998.000,-ATS für Firmenverkäufe wird der Wert auf Basis des 10-fachen
163
Jahres-Ertrages festgelegt ATS 9, 980.000,€ 725.064,12
FORDERUNG aus Verwaltungstätigkeit (auf Grundlage des verbücherten
Fruchtgenussrechtes ) gegenüber der Voltaik GmbH ist bevorrechtet - mit
entsprechender Fassung allfälliger Versteierungsbedingungen - vor
dem vorrangigen Pfandrecht der Sparkasse beim Bezirksgericht Zell am
See angemeldet mit ATS 5,073.408,80
€ 368.591,85
RECHTE mit 30. 06. 1994 wurde die Einräumung des Fruchtgenussrechtes gemäß §§ 509 ff ABGB ob den im Eigentum der Voltaik Handels
GmbH stehenden Liegenschaften EZ 501 und 601 Grundbuch 57303
Bruck einverleibt.
Rechtswidrige Löschung im Grundbuch EZ 601> Pecilc der zerbrochene
Krug in Salzburg II D - vom Dorfrichter Adam
> PRIVAT ANKLAGE gegen 1.) Ernst PECILE; 2.) Dr. Werner Kreiseder; 3.)
Dr. Hans Reitstätter; 4,) Dr. Gerald Simmer wegen Löschung Grundbuchseintrag
am BG Zell am See ohne einverleibungsfähiger Urkunde 7.796 m² je € 145,€ 1,130420,00
KUNDENSTOCK bewertet zu 9 Cg 71101LG Salzburg mitSchadenersatzklage gegen Ernst Pecile mit 13.4. 2001 unterbrochen / Höhe des
Schadersatzanspruches aus Kaufvertrag vom 8.11.1996 mit BP Wien.
€ 417.747,36
gerichtliche Einigung LG Salzburg mit ATS 5,750.000,-FORDERUNG der GESCHÄFTSFÜHRER
Ingrid Leeb wurde durch die BH Zell zu Unrecht bestraft wurde durch
Finanzamt zu Unrecht exekutiert und hat darüber hinaus € 14.000,- für
€
27.440,57
die Einstellung bezahlt ATS 185,000,-- € 13.440,57
Richard Leeb sen hat die 14-jährige Rechtsvertretung geführt
und Schadens- und Feststellungsklagen Gerichtsanhängig gemacht,
so dass der Eintritt der Verjährung gehindert ist; zu € 3.000,-/mtl.
€ 504.000,00
Konkursverfahren Firma Leeb
Betriebs GmbH GZ 23 S 185/01b
FORDERUNGSSALDO per 31. 05. 2014
Sehr geehrter Herr Konkursrichter,
da Sie unverändert 2.400 Liter Lösungsmittel Zyklosolvan aus dem Massevermögen der Firma Leeb Betriebs GmbH illegal im Garagentrakt der Firma
Voltaik Handels GmbH lagern und so die Realisierung des abgeschlossenen
Reparatur- und Bestandvertrag verhin-dern setze ich meine Schreiben vom
21. 11. 08, 31. 12. 08, 31. 01.2009 fort, in welchem ich Ihnen die Ersatzforderung über entgangenen Mieterlös bekannt gegeben habe für
325 m²
LAGERFLÄCHE zu € 4,50 je m²/mtl € 1.462,50 bis 30. 09. 2014 € 133.803,64
zuzüglich Bestandzins vom
1. 10. – 31. 10. 2014
€
1.462,50
zuzüglich Verzugszins 4 % p.a. > 0,333 p.m. von € 133.803,64
€
445,57
FORDERUNGSSALDO PER 30. 11. 2014
b) GLOCKNERTRADE GMBH FN 53395y
GESELLSCHAFTSKAPITAL ATS 1.800.000,00
KONKURSERÖFFNUNG zu 23 S 345/03k Glocknertrade GmbH
wegen Betriebseinstell-ung am 25.02.2001 auf Grund Wasserrechtsverfahren Zl. 6/203-4412001 BH Zell am See Betriebsaufgabe
STATUS Bilanz per 31. 12. 1998 samt Anlageverzeichnis derFirma
Glocknertrade GmbH durch Finanzamt an Dr. Huber vorgelegt;
164
€ 137.295, 03
€ 130.773,09
€ 217.955,14
Wegen unterbliebener Veranlagung zur Körperschaftssteuer
Geldwerter Nacheil im Gesamtwert von ATS 2,773.452,00
€ 201.496,04
monatlich € 335,83 gegenüber Ihrer Behörde geltend machen.
FORDERUNGSSALDO
PER 30. 09. 2014
€ 28.955,80
Zinsverlust für die Zeit vom 01.10. 2014 bis 31.10. 2014 €
490,95
€ 30.429,65
der Firma Glocknertrade GmbH Ersatzleistung für Schäden – verursacht
aus dem, ohne Rechtsgrund durchgeführten Wasserrechtsverfahren –
beziffert mit EUR 4,054.559,19 zu 5 Nc 1/09y LG Salzburg
FORDERUNGSSALDO
PER 30. 11. 2014
Als Geschäftsführer der Klägerin mache ich den durch Ihr rechtswidriges Verhalten
eingetretenen Vermögensnachteil durch Zinsverlust wie folgt geltend:
FORDERUNGSSALDO
PER 30. 09. 2014
€ 20.645,22
Zinsverlust für die Zeit vom 01. 10. 2014 bis 31. 10. 2014 €
335,83
FORDERUNGSSALDO
PER 30. 11. 2014
€ 21.672,71
Investitionen Glocknertrade GmbH in Objekt Kaprunerstr.3
zur Klage der Oberbank Immobilien Service GmbH zu GZ
3Cg 94/01 g LG Salzburg in compensando eingewendet mit
ATS 1,063.182,60
€ 77.242,04
€ 72.651,71
GRUNDEIGENTUM - BILANZWERT ATS 1,000.000,GRUNDBUCH 75306 Frießnitz EINLAGEZAHL 212
BEZIRKSGERICHT Villach GST-ADRESSE 109 GSTFläche
5501 Landw. genutzt 3135 m2 Wald 2366 m2
ANTEIL: 1/1 Glocknertrade Gesellschaft m.b.H ADR:Kaprunerstraße
3 Bruck 5671 f7862/1997 IM RANG 12984/ 1996
Kaufvertrag 1996-07-23 Eigentumsrecht Baurecht für 200 mZ
GERICHTSANHÄNGIG GEMACHTE FORDERUNGEN
€
BESTANDBERECHTIGTE am abgebrochenen Objektes Bahnhofstraße
6 EZ 24 und 97 Grundbuch 57303 Bruck Wertfeststellung BG Zell
€
Schätzgutachten Ing. Ebner ATS 4,270.000,-- I
an den Liegenschaften EZ 501 und 601 Grundbuch Bruck durch Einräumung 30.6.1994 des Fruchtgenussrechtes gemäß §§ 509 ff ABGB ob den im
Eigentum der Voltaik Handels GmbH stehenden Liegenschaften und Kauf-,
Miet-, Übernahmeund Bestandvertrag vom 12.8.1998 zwischen der Leeb
Betriebs und Gloclmertrade GmbH berechtigen die Glocknertrade GmbH
zur uneingeschränkten Nutzung der EZ 501 und 601 Betriebsliegenschaft
Hochtanklager.- Rechtswidrige Löschung im Grundbuch EZ 601> Pecile
483.762,65
310.222,82
7.796 m² GEWERBEGRUND mit Brückenwage und Überdachung vorenthalten seit 18.1.01 156 Monate zu
€ 0,50/mtl
€ 608.088,00
c) Voltaik Handels GmbH Schäden am Betriebsgelände Hochtanklager ( am 14. 07. 03 am Gendarmerieposten Bruck zu Protokoll gegeben
und aufgenommen von den Firmen Strauss Metall, Bruck; Tichy Glasbau,
Zell am See und Zwicknagl, Bruck
Die vorgenannten Firmen haben in ihren damaligen Angeboten die Reparaturskosten mit zusammen € 184,489,20 beziffert.
Weitere Beschädigungen seit dem 18. 01. 2001 festgestellter Vermögensverlust
165
a) Radlader, Caterpillar 920 im Werkstättengebäude;
b) Gabelstapler, 2,5 to Desta im Werkstattgebäude;
c) Schneefräse, Totalschaden im Werkstättengebäude;
d) Absackautomat, selbstfahrend im Werkstättengebäude;
e) Öl – Warmwasser Heizanlage im Werkstattgebäude;
f) Segelboot, Mader Korsar Doppelschale im Garagentrakt
g) West in
treuhändige Verwahrung genommen;
h) dtto Mercedes SL + Porsche lt 5 Cg 97/03s LG Salzburg
i) Buchhaltungsunterlagen am 01. 08. 2001 aus dem Bürohaus in der Bahnhofst.6 durch die BH Zell am See ausgelagert
und unbrauchbar im Garagentrakt West eingelagert.
Meldung an das Finanzamt Zell am 07. 08. 2001. Überprüfung per Ortsaugenschein am 24. 02. 2003.
€
€ 9,000,00
€ 5.000,00
€ 2.200,00
€ 2.800,00
€ 48.000,00
€ 6.907,00
€ 11.075,34
7.000,00
€ 276.471,54
Erfordernisse zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft
vermag der Antragsteller nur abschätzen:
Stromversorgung im gesamten Betriebsgelände inkl. vorgeschriebener
€
technischer Überprüfung ( Entfernt durch die BH Zell am See) ;
Mauerarbeit in den Garagen Nr. 7 u 8 ( verursacht durch BH Zell am See ); €
Bodenuntersuchung Heizöl-Leicht-Verunreinigung an der östlichen Grundgrenze zum ÖBB- Umspannwerk ( verursacht BH Zell am See April
bis Juni 2003 );
€
Reparatur der Asphaltschäden ( verursacht seit 18. 01. 2001 );
€
Reparatur Brückenwaage samt abgebrochenes Wiegehaus
€
14.470,46
20.100,00
200.000,00
109.000,00
129.000,00
Grundwasseruntersuchung im Bereich der ehemaligen Pegel
LKB 19, 20 und 32 ( unbehobene AOX- Belastung );
€ 240.000,00
Vorschuss an VOEST Röngtenprüfung + ReparaturHocht € 140.000,00
durch Sachverständige zu prüfen und festzustellen
€ 1,042.000,00
der zerbrochene Krug in Salzburg V/ B4 - vom Dorfrichter Adam
> zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E wegen VERMÖGENSVERLUST
gegen 1.) Mag. Franz Mühlböck, Wasserreferent der Bezirkshauptmannschaft Zell
am See 2.) HR Dr. Rosemarie Drexler, Bezirkshauptfrau vom Pinzgau
der zerbrochene Krug in Salzburg VI/ B 1 - vom Dorfrichter Adam
> zur SCHADENERSATZKLAGE gegen
1.) Hans TONIS als Chefinspektor der Kriminalabteilung Salzburg
2.) OAR Kurt REITER, als Obereinsatzleiter im Wasserrechtsverfahren BH
der zerbrochene Krug in Salzburg VII/ G - vom Dorfrichter Adam
> SCHADENSERSATZKLAGE gegen 1.) Dr. Werner Fürlinger 2.) Dr. Ger-hard
Forstinger 3.) Ernst Fürstauer 4.) Hannes Fürstauer wegen rechtswid-riger
Vornahmen im Wasserrechtsverfahren Zl. 6/203-44/2001BH Zell am See
der zerbrochene Krug in Salzburg VII/ H - vom Dorfrichter Adam
> SCHADENSERSATZKLAGE gegen 1.) Dr. Werner Fürlinger 2.) Dr. Gerhard
Forstinger
3.) Forstinger + Stadlmann ZT GmbH 4.) Ingenieurbüro
Laabmayr & Partner ZT GmbH wegen Erstattung vorsätzlich unrichtiger
Befunde u Gutachten im Wasserrechtsverfahren BH Zell/See
1.)
Geldwerte Nachteile aus Österreichweiter Verleumdung
der zerbrochene Krug in Salzburg V/ B2 - vom Dorfrichter Adam
166
> zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E wegen VERLEUMDUNG gegen
1.) Dr. Rosemarie DREXLER, als Bezirkshauptfrau vom Pinzgau
2.) Kurt REITER, als Amtssekretär der Bezirkshauptmannschaft Zell am See
3.) Mag. Franz Mühlböck, Wasserrechtsreferent Bezirkshauptmannschaft Zell/See
der zerbrochene Krug in Salzburg V/ B3 - vom Dorfrichter Adam
> zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E wegen VERLEUMDUNG gegen
1.) Dr. Franz Schausberger, Landeshauptmann und oberste Wasserrechtsbehörde d2.) Dr. Riner Braunstingl, Amtssachverständiger des Landes Salzburg
3.) DI Dr. Angelika Brunner, Amtssachverständige des Landes Salzburg
der zerbrochene Krug in Salzburg VII/ J - vom Dorfrichter Adam
> zur WIEDERAUFNAHME der Schadenersatzklage zu 9 Cg 71/01v LG
Salzburg gegen Ernst Pecile wegen Verleumdung und Einleitung des Wasserrechtsverfahren Zl. 6/203-44/2001 BH Zell am See
4.) Nachprüfung des Wasserrechtverfahren u fortsetzen der
Verleumdung
a) Dr. Robert MARSCHALLINGER hat im Auftrag von Dr. Rainer BRAUNSTINGL
die von Dr.
Werner FÜRLINGER erstellten pysischen Messergebniss zu virtuell veränderbaren 3D-Modelle
- als zentrale Beweismittel im Wasserrechtsverfahren – verarbeitet:
der zerbrochene Krug in Salzburg VI/ F 1 - vom Dorfrichter Adam
> zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E gegen 1.) Dr. Robert
MARSCHALLINGER 2.) Dr. Rainer BRAUNSTINGL 3.) Dr. Werner FÜRLINGER
b) Dr. Siegfried W. Hermann hat als gerichtlich bestellter
Sachverständiger falsche Befunde und Gutachten erstattet (31 Hv
140/09g + 40 Hv 14o/10g LGS)
der zerbrochene Krug in Salzburg IX/ D - vom Dorfrichter Adam
> zur S C H A D E N E R S A T Z K LA G E gegen Dr. Siegfried W. Hermann,
allgemein gerichtl beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger,
Frauentalerstr. 51 8530 Deutschlandsberg
5.) Betrugshandlung am Konkursgericht Salzburg und BG Zell am
See bei Verwertung von betrieblichen und privaten
Pfandliegenschaften
a) Herr Dr. Gregor Sieber, hat als vormaliger Konkursrichter am Landesgericht Salzburg mit
seinen Masseverwaltern Dr. Hans Wabnig, Dr. Reinhard HUBER und Dr. Erhard Hackl für
die Bereicherung von Oberbank AG, Oberbank Immobilien Service GmbH, Salzburger
Sparkasse Bank AG, Land Lalzburg, Dr. Anton Waltl, Frauau erna Waltl und Ernst Pecile
durch Vornahmen außerhalb der Rechtsordnung gesorgt:
der zerbrochene Krug in Salzburg IV / A - vom Dorfrichter Adam
> zur SCHADENERSATZKLAGE gegen Herrn Dr. Gregor Sieber, vormaliger
Konkursrichter am Landesgericht Salzburg
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ K - vom Dorfrichter Adam
>SCHADENERSATZKLAGE gegen Dr. Hans Wabnig, Masseverwalter wegen
Straftatbestände am Konkursgericht Salzburg
der zerbrochene Krug in Salzburg IV / A 1 - vom Dorfrichter Adam
> zur SCHADENERSATZKLAGE gegen Herrn Dr. Reinhard HUBER ,
Rechtsanwalt, als Masseverwalter Glocknertrade GmbH
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ L - vom Dorfrichter Adam
>SCHADENERSATZKLAGE gegen OBERBANK AG, wegen Konkurstreiberei
und Vornahmen außerhalb der Rechtsordnung in der Verwertung von
167
Pfandliegenschaften zum Nachteil von LEEB
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ M - vom Dorfrichter Adam
>SCHADENERSATZKLAGE gegen 1.) OBERBANK Immobilien Service GmbH
2.) Dr. Isabella Eberl 3.) Martin Rexeisen 4.) Ingrid Mayr wegen Vornahmen
außerhalb der Rechtsordnung in der Eigentumsübernahme des Objektes
Kaprunerstraße 3 5671 Bruck zum Nachteil von LEEB
der zerbrochene Krug in Salzburg VII/ M - vom Dorfrichter Adam
>zur WIEDERAUFNAHME des Verlassenschaftsverfahren AZ 45 A 366/2005
wegen Vorliegen von Straftatbeständen am Bezirksgericht Zell am See
der zerbrochene Krug in Salzburg II E 1 - vom Dorfrichter Adam
> zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E gegen
1.) Dr. Isabella Eberl - 2.) Dr. Johann Poulakos
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ J 1 - vom Dorfrichter Adam
>zur S C H A D E N E R S A T Z K L A G E gegen
1.) DDr. Manfred König * 2.) Mag. Erich Frenner * 3.) Dr. Johann Poulakos
der zerbrochene Krug in Salzburg IV/ N - vom Dorfrichter Adam
>zu S C H A D E N E R S A T Z K L A G E N abgerichtet an das Landesgericht
Salzburg
VERWEIGERUNG DES ZUGANGS ZU GERICHT LG SALZBURG
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-C vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG I an den Obersten Gerichtshof wegen 12.- jähriger
RECHTSVERWEIGERUNG
SACHVERHALT DR. GREGOR SIEBER
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-D vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG I I an den Obersten Gerichtshof wegen Einleitung eines
SACHWALTERSCHAFTSVERFAHREN
ANREGUNG ZUM SACHWALTERSCHAFTSVERFAHREN
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-E vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG I I I an den Obersten Gerichtshof wegen Straftatbeständen
des Konkursrichters – Dr. Gregor Sieber am Landesgericht Salzburg
Die Schadensersatzklagen gegen den Rekursrichter Dr. Gregor
Sieber:
INGRID L E E B co KONKURSGERICHT SALZBURG Schadenersatzforderung
€ 349.807,50 >12 Cg 19/10h OLG Innsbruck AZ 1 Nc 16/10h
90.10J
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-F vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG I V an den Obersten Gerichtshof zur Prüfung der
Rechtsmittelentscheidungen an den Oberlandesgerichten in Innsbruck und Linz
ILSE LEEB sen. co KONKURSGERICHT SALZBURG Schadenersatzforderung
€ 200.000,00
90.10Q
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-G vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG V an den Obersten Gerichtshofbzur Prüfung der
Rechtsmittelentscheidungen an den Oberlandesgerichten in Innsbruck und Linz
DI RICHARD LEEB jun. co KONKURSGERICHT SALZBURG Schadenersatzforderung
€ 1,350.000,00
AZ12 Cg 24/10 t > OLG Ibk AZ 1 Nc 11/10y
168
90.10P
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-H vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG VI an den Obersten Gerichtshof zur Prüfung der
Rechtsmittelentscheidungen an den Oberlandesgerichten in Innsbruck und Linz
RICHARD LEEB sen. co KONKURSGERICHT SALZBURG Schadenersatzforderung
€ 2,941.405,02 AZ12 Cg 27/10 h > OLG Innsbruck AZ 1 Nc 14/10i
90.10O
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII-I vom Dorfrichter Adam
>zur VORSTELLUNG VII an den Obersten Gerichtshof zur Prüfung der
Rechtsmittelentscheidungen an den Oberlandesgerichten in Innsbruck und Linz
GLOCKNERTRADE GMBH co KONKURSGERICHT SALZBURG
Schadenersatzforderung
€ 4,054.559,19 AZ12 Cg 25/10 i > OLG Ibk AZ 1 Nc 13/10t 90.10N
Jedenfalls ist Ersatz für eingetretene Schäden zu leisten:
a) den Gesellschaftern der Leeb Betriebs GmbH FN 56254b den Abbruch
des Objektes Bahnhofstraße 6 mit EUR 310.222,82;
Rückübereignung der Grundflächen EZ 24+97 GB 57303 Bruck
Bahnhofstraße 6
sowie geldwerte Nachteile aus der Eröffnung des Konkursverfahren AZ 23
S 185/ 01b LG Salzburg über das Vermögen der Leeb Betriebs GmbH;
und geldwerte Nachteile aus der unterbundenen Fruchtnießung der
Betriebsliegen-schaft Hochtanklager GN 91/6, EZ 501 KG 57303 Bruck;
Wiederherstellungskosten der vollen Gebrauchsfähigkeit, wie diese vor
dem 18. 01. 2001 Bestand hatte
EUR 1,042.000,--
b) Richard Leeb, geb. 01. 02. 1938 Verlust des unentgeltlichen
Wohnrechts seit 01.
08. 2001 und weiter, über 100 m²
Wohnfläche inklusive Betriebskosten im abgebrochenen Objekt
Bahnhofstraße 6 in 5671 Bruck / Glocknerstraße;
c)der Voltaik Handels GmbH FN 120968w den Mietentgang auf
Grund illegaler Lösungsmittellagerung per 31. 03. 2016
€ 168.222,37;
d) ser Glocknertrade GmbH FN 53395y geldwerte Nachteile aus der
rechtswidri-gen Unterbrechung der Bestandrechte an den Liegenschaften
EZ 501, 601, 24, 97 je KG 57303 Bruck;
sowie geldwerte Nachteile aus der Eröffnung des Konkursverfahren AZ 23
S 345 03k LG Salzburg über das Vermögen der Glocknertrade GmbH;
sowie den Verlust des gersamten Anlagevermögen durch strafrechtlich
relevante Vornahmen außerhalb der Rechtsordnung im Betrage von ATS
2,773.452,00 /
€ 201.496,04 ausgewiesen per 31. Dezmber 2013,
weiterhin vorenthalten bleibt.
169
Als Geschäftsführer der Firma Glocknertrade GmbH muss ich daher den
durch Zinsverlust eingetretenen Vermögensschaden mit 2 % p.a.
monatlich
FORDERUNGSSALDO
PER 31. 03. 2016
€ 27.046,99
sowie für Schäden – verursacht aus dem, ohne Rechtsgrund durchgeführten Was-serrechtsverfahren – beziffert mit EUR 4,054.559,19 zu 5 Nc
1/09y LG Salzburg
Als Geschäftsführer der Klägerin mache ich den durch Ihr rechtswidriges Verhalten
eingetretenen Vermögensnachteil durch Zinsverlust wie folgt geltend:
FORDERUNGSSALDO
PER 31. 03. 2016
€
37.805,10
e) Richard und Ingrid Leeb aus 14- jähriger Österreichweiter Verleumdung
und unabdingbarer Rechtsverteidigung entstandenen geldwerten Nachteil,
wie dieser durch Sachverständigengutachten zu beziffern ist;
Die mir und meinen Familienmitgliedern vorsätzlich, vierzehn Jahre lang
zugefügten Beschädigungen in Ansehen und Fortkommen gehen weit über
Geldwerte Maßstäbe hinaus und sind ebenso durch ein Sachverständigengutachten zu beziffern.
Zum Thema: www.leeb-oel.at
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII - 1 vom Dorfrichter Adam
>zum JUSTIZMINISTERIUM
Vorstellung an den Herrn Justizminister
der zerbrochene Krug in Salzburg XIII - 2 vom Dorfrichter Adam
>zum LANDESGERICHT SALZBURG Vorstellung an den Herrn Präsidenten
Allfällige schuldbefreiende Zahlungen sind ausschließlich an die
Firma Anton Seber, Erdbauunternehmen, Achleitweg 35 in 5730
Mittersill, auf Konto IBAN: AT73 3503 9000 0002 0628 BIC:
RVSAAT2S039 BLZ 3503 Raika Mittersill zu leisten.
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