Erfahrungsbericht: University of Birmingham 2014/15

Erfahrungsbericht: University of Birmingham 2014/15
Vorbereitung und Unterkunft
Nach der Zusage der FU Berlin war der erste Schritt, sich noch einmal direkt bei der
University of Birmingham zu bewerben. Jedoch war die Zusage nur noch Formsache.
Vor dem Abflug habe ich beim ADAC noch eine Auslandskrankenversicherung
abgeschlossen. Ebenfalls wichtig ist die Organisation einer Unterkunft. Und die schlechte
Nachricht vorab: Der Wohnstandard in England ist, zumindest für Studenten, weit unter
deutschen Standards. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man sucht
sich eine private Unterkunft oder man geht in ein Studentenwohnheim. Im Gegensatz zu
Deutschland sind Studentenwohnheime viel teurer als private Unterkünfte. Außerdem
ist es grundsätzlich üblich, dass Erstsemester zunächst in ein Wohnheim ziehen und sich
dann mit Freunden ein Haus suchen. Nach Abwägung der Argumente habe ich mich für
eine private Unterkunft entschieden. Die meisten Studenten (Ausnahme: einige Master-
Studenten und Doktoranden) wohnen in Selly Oak. Das ist ein Stadtteil von Birmingham
und liegt direkt neben der Universität. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen
Ort gesehen, in dem der Studentenanteil so hoch ist. Ich schätze ihn auf über 90 Prozent.
Das hat den Nachteil, dass es wirklich schmutzig ist 1 und den Vorteil, dass die
Stammkneipe aller Studenten und die neuen Freunde nur ein Steinwurf entfernt sind.
Es ist üblich, dass mehrere Studenten in einem Haus wohnen. Singlewohnungen gibt es
praktisch nicht. Ich habe am sogenannten House Hunting Event teilgenommen. Das ist
eine von der Universität veranstaltete Suche nach Häusern für internationale Studenten
(Preis: 300 Pfund). Das hatte den Vorteil, dass ich meine Mitbewohner vorher schon mal
gesehen habe bevor ich mich dazu entschloss, mit ihnen eine WG zu gründen. Allerdings
war das House Hunting Event kurz vor Semesterbeginn im September und fast alle
Häuser in Selly Oak waren schon weg. Und das hatte natürlich zur Folge, dass wir und
wirklich einige Bruchbuden angesehen haben und schließlich ein Haus genommen
Deshalb wohnen besonders Master-Studenten und Doktoranden in Harbourne. Das ist
zwar nicht im Zentrum des studentischen Lebens, aber die Häuser dort sollen deutlich
gepflegter sein.
1
haben, in das ich in Deutschland wirklich niemals eingezogen wäre. Es hatte keine
Klingel (was in Selly Oak eher die Regel als die Ausnahme ist), hinter dem
Badezimmerwaschbecken war ein faustgroßes Loch und das Haus war so schlecht
isoliert, dass ich auch bei Tageshöchsttemperaturen von 20 Grad Celsius morgens nach
dem Duschen gefroren habe, wenn die Heizung aus war. Mit der Wohnungssuche ist es
wirklich ein Dilemma in Birmingham. Studentenwohnheime sind unverschämt teuer
(bis zu 8000 Pfund pro Jahr) und angemessene private Unterkünfte sind als
Austauschstudent schwer zu finden, da die ersten heimischen Studenten schon nach
Häusern im November suchen, wenn sie im zu Wintersemester im darauffolgenden Jahr
einziehen wollen. Somit bleibt für Austauschstudenten nur noch der Rest übrig.
Studium
Das akademische Jahr in Birmingham ist in drei terms eingeteilt. Im ersten und zweiten
werden Vorlesungen und Übungen angeboten, im dritten finden die Klausuren statt. Die
Klausurphase beginnt in der Regel im Mai und endet nach der ersten Juniwoche. Nach
Ende des ersten terms im Januar gibt es in manchen Fächern allerdings midterms. Dieses
System hat zurfolge, dass zwischen der letzten Vorlesung und der finalen Klausur fünf
Monate liegen können. Manche Veranstaltungen werden nämlich nur im ersten term
angeboten, die Klausur findet trotzdem erst im Mai statt.
Die für mich größte Überraschung zu Beginn des Studiums war der hohe Anteil an
Asiaten. Es gab in meinem Studiengang (MSc. Economics) schätzungsweise 85 Prozent
Asiaten und sechs Briten von mehreren hundert Studenten. Das macht es natürlich
schwieriger, sein Englisch zu verbessern. Grundsätzlich ist die Struktur des VWLStudiums dem an der FU Berlin ähnlich. Es gibt jede Woche Vorlesungen, die von
Übungen begleitet werden. Anders ist jedoch der Aufbau und die Anforderungen in den
Klausuren und die vielen assignments, die die Studenten während des Semesters
abgeben müssen und benotet werden. Ich habe an der FU Berlin abgesehen von zwei
Ausnahmen nie ein Essay schreiben müssen. In Birmingham bestehen einige Klausuren
sogar nur aus Essays. Da sich die Klausuren vom Aufbau sehr stark an den Altklausuren
orientieren, empfehle ich sich diese vorher unbedingt online anzuschauen.
Freizeit und Alltag
Im Gegensatz zur FU Berlin spielt sich in Birmingham auch ein großer Teil des
Freizeitlebens auf dem Universitätsgelände ab. Von der Guild of Students werden zu
etlichen Themen sogenannte societies angeboten. Societies gibt es zu fast allem: Harry
Potter, Tennis, Schach, Deutschland etc. 2 Ich war in der Tischtennis und Dinner society.
Im Rahmen der Tischtennis society habe ich einmal die Woche trainiert und im Uniteam
gespielt. Bei der dinner society wurden alle Teilnehmer in Gruppen eingeteilt und jedes
Mitglied musste einmal im September für alle anderen Mitglieder (ca. 3 bis 4) kochen.
Dabei hat jede Gast Punkte vergeben und am Ende des terms würde ein Gruppen-Sieger
gekürt. Beides hat mir sehr viel Spaß gemacht und hat mir die Möglichkeit gegeben,
Kontakt zu Engländern aufzubauen, was in meinem Studiengang nicht so einfach war.
Fazit
Nach den knapp neun Monaten in Birmingham ziehe ich ein positibves Fazit. Das einzige,
was wirklich nicht schön war, war die Unterkunft. Im Rahmen der Dinner society erinner
ich mich noch an ein fürchterliches Erlebnis. Ein Gruppenmitglied lud uns zum Essen ein
und das Haus war wirklich ekelig. Beim Eintreten war man direkt in der vermüllten
Küche inklusive undefinierbarem Dreck und auch die Gläser auf den Tischen waren
freundlich formuliert nicht sauber. Ich habe wirklich überlegt sofort zu gehen, bin aber
doch geblieben und habe mir nichts anmerken lassen.
Natürlich gab es auch besonders schöne Erlebnisse. Ich kann nur jedem empfehlen mal
einen echt britischen und dazu noch köstlichen Afternoon Tea im Hotel La Tour zu
trinken und die vielen tollen societies auszuprobieren.
Einen Überblick über alle societies gibt es unter
http://www.guildofstudents.com/studentgroups/find-groups/.
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