Die Angst, vom Handy verlassen zu werden

Die Angst, vom Handy verlassen zu werden - science.ORF.at
http://science.orf.at/stories/1762757
Die Angst, vom Handy
verlassen zu werden science.ORF.at
Egal, ob im Menschengewühl, beim Essen
oder im Kino: Viele Zeitgenossen starren auf
ihr Handy, auch wenn es unangebracht ist.
Ihre Angst ist groß, nicht erreichbar zu sein oder Nachrichten zu versäumen.
Besonders verbreitet ist diese Angst in Asien, heißt es in einer neuen Studie. Und
die Betroffenen werden zunehmend jünger.
Kategorie: Nomophobie | Erstellt am 10.09.2015.
Diese Angst, von seinem Smartphone abgekappt und deshalb nicht up to date zu sein, hat bereits
einen Namen bekommen: Nomophobie <https://en.wikipedia.org/wiki/Nomophobia> , ein
Kunstwort, zusammengesetzt aus "No-Mobile-Phone-Phobie" und 2008 geprägt von der britischen
Post, die das Verhalten ihrer Handykunden untersucht hatte. Bei der Studie mit mehr als 2.000
Teilnehmern erwies sich mehr als die Hälfte als "nomophob", Männer waren es noch stärker als
Frauen. Nachfolgestudien kamen zu ähnlichen Ergebnissen mit zum Teil noch höheren Zahlen
von Betroffenen.
Die Symptome der Nomophobie beschreibt Christa Pölzlbauer, die Vizepräsidentin des
Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie <https://www.psychotherapie.at>
, so: "Entzugserscheinungen, wenn das Handy nicht vorhanden ist, extreme Unruhe, Nervosität,
das Gefühl, dass man verlassen und unerreichbar ist, negative Gefühle bis hin zu Konzentrationsund Schlafstörungen."
Ein Viertel der Kinder Südkoreas ist handysüchtig
Die neue Studie <http://www.sciencedirect.com/science/article
/pii/S0747563215300467> zeigt, dass Nomophobe – zumindest in Asien – jünger werden. Laut
dem Kommunikationswissenschaftler Jeong Se Hoon von der Korea University in Seoul und
seinem Team besitzen 72 Prozent der Kinder im Alter von elf und zwölf Jahren in Südkorea ein
Smartphone. Ein Viertel ist ihnen zufolge als handysüchtig zu bezeichnen. Kinder mit weniger
Selbstkontrolle und einer größeren Anfälligkeit für Stress seien eher davon betroffen. Am meisten
süchtig mache das Benutzen Sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter, schreiben die
Forscher. Aber auch Spiele und andere Unterhaltung erhöhen das Risiko für Nomophobie.
In Asien ist das Phänomen besonders stark verbreitet, berichtete vor Kurzem die BBC
<http://www.bbc.com/news/world-asia-33130567> . Slapstickartige Beispiele aus den
vergangenen Jahren betrafen eine Chinesin aus der Provinz Sichuan, die durch ihr Handy
abgelenkt in einem Kanaldeckel hängen blieb <http://shanghaiist.com/2015/06
/23/sichuan-woman-too-busy-playing-phone-stuck-storm-drain.php> , und eine
Taiwanesin, die von einem Pier in Australien ins Meer fiel <http://www.bbc.com
/news/world-asia-25426263> , weil sie gerade auf Facebook war.
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Die Studien
"What type of content are
smartphone users addicted to?:
SNS vs. games"
<http://www.sciencedirect.com
/science/article
/pii/S0747563215300467> von
Jeong Se Hoon und Kollegen ist im
September 2015 in der
Fachzeitschrift "Computers in
Human Behavior" erschienen, "
Exploring the dimensions of
nomophobia: Developing and
validating a questionnaire using
mixed methods research"
<http://lib.dr.iastate.edu
/cgi/viewcontent.cgi?article=5012&
context=etd> auf der Website der
Iowa State University (PDF).
Ö1
Sendungshinweis
Dem Thema widmet sich auch ein
Beitrag in Wissen aktuell
<http://oe1.orf.at/programm
/414457> : 10.9., 13:55 Uhr.
APA/EPA/How Hwee Young
Ein Bub auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking
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2,7 Milliarden der weltweit 4,7 Milliarden Handybenutzer leben in Asien, und nirgendwo ist der
Anteil junger Menschen so groß wie dort. Das Handy wird oft zum einzigen Mittel für menschlichen
Kontakt. "In manchen asiatischen Gesellschaften, in denen Schüler und Schülerinnen schwierige
und zeitraubende Hausarbeiten schreiben müssen, und das ganz alleine, wird das Telefon zur
einzigen Verbindung zu Freunden und zur einzigen Unterhaltungsquelle", schreibt die BBC. "Und
deshalb kann es eine überproportionale Bedeutung erlangen."
In Österreich noch wenig Bewusstsein
Doch nicht nur Asien ist von dem Phänomen betroffen. Es tritt überall auf, wo es Handys gibt, also
rund um den Globus. Wie viele Menschen es in Österreich sind, sei unklar, sagte Pölzlbauer
gegenüber science.ORF.at. Es gebe dazu bisher keine Studien, aber eventuell auch ein fehlendes
Bewusstsein. "Die ständige Erreichbarkeit wird oft als sinnvoll angesehen, sowohl im privaten als
auch im beruflichen Bereich. Um sie zu garantieren, kann man leicht Vorsorge treffen, etwa indem
der Akku des Handys immer aufgeladen ist. Das Bewusstsein, dass sich das zu einer
Suchtkrankheit steigern kann, ist noch nicht stark verbreitet", sagte die Psychotherapeutin. Auch
andere Abhängigkeiten wie die Internet- und Spielsucht hätten eine Zeit gebraucht, bis sie als
Krankheiten problematisiert und entsprechende Therapien angeboten wurden.
Doch wo beginnt die Abhängigkeit vom Handy? Das ist wie so oft eine Frage der Menge. "Wenn
man das Handy auch einmal weglegen kann, ist das ein guter Umgang. Wenn es aber Stress
bedeutet, einmal ohne Handy zu sein und noch andere Symptome dazukommen wie Unruhe und
Nervosität, dann wäre es gut, sich zu überlegen, wie man vernünftig damit umgeht, eventuell im
Rahmen einer Kurztherapie", so Pölzlbauer.
Als ersten Hinweis könnte man einen Test verwenden <http://www.news.iastate.edu
/news/2015/08/26/nomophobia> , den die Universität von Iowa vor Kurzem präsentiert hat.
Jener für das Nomophobierisiko beinhaltet Selbsteinschätzungen wie "Wenn der Akku meines
Handys leer ist, macht mir das Angst" und "Wenn ich mein monatliches Datenlimit erreiche, gerate
ich in Panik".
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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