R A HL EM RE I NE P O R T R Ä T G Ein Jubiläum für die Kunst: Eine langer Weg auf den Spuren von Skulptur, Grafik und der Malerei Kunsthaus und Galerie Keim: Seit 65 Jahren ein „Heim-Spiel“ Ausstellung bis zum 12. September 2015 in der Galerie Keim, Stuttgart Ingeborg van Loock; Landschaft; Acryl auf Leinwand © Ingeborg van Loock Wer Kunst zu seinem Job macht, der muss die erst später und im besten Fall der Fälle, stemmt und es vermag, auch ideelle Werte innerlich für sie brennen. Natürlich werden auch eine dauerhafte Wirkung überzeugend zu erkennen. Der Stuttgarter Galerist Thomas solche Aussagen oft als Stereotype abgetan. unter Beweis stellen. Überzeugungen, in Niecke hat dies bereits seit langem gerne Aber: Was für die Arbeit im Bereich der Kunst Worten ausgedrückt, sind dabei unverzicht- übernommen. „Denn Kunst kommt nicht nur zutrifft, ist auch ungeteilt gültig für jeden an- bar - und das Handeln, es entscheidet letzten von Können, sondern auch von Künden“, so deren Beruf. Nur wer mit Interesse und auch Endes alles: Sei es beispielsweise die bestän- trifft der agile Inhaber vom Kunsthaus und der Leidenschaft motiviert an seine Arbeit geht, dige Arbeit für die Sammler, viele angenehme Galerie Keim in Stuttgart mehr als deutlich den ist authentisch und kann besser überzeugen. Kunden und auch für manch unverfälschten berühmten Nagel auf den Kopf: „Wir bieten Für die Kunst speziell gilt dies vor einem ganz Gucker, sowie ein gezieltes Marketing für dem Kunstliebhaber eine Vielzahl an Dienst- bestimmten Hintergrund: Hier agiert man mit das Kunstwerk selbst samt dem Erzeuger. leistungen an. In der Galerie betreuen wir manch Gegenständlichem. Mit Schöpfungen, Mag es auch zur Selbstverständlichkeit gerei- unsere Kunstschaffenden von der Ausrichtung die in erster Linie zunächst einmal nur emoti- chen, wenn man Notwendigkeiten begreift, von Ausstellungen bis hin zum Katalogdruck.“ onal in der Lage sind, ansprechend zu wirken; die unbequemen Aufgaben ohne Murren Das Kunsthaus offeriert Stiche, Grafiken sowie 12 ARTPROFIL G A L E R I E P O R T R Ä T Nur wenige Kunsthandlungen und Galerien überleben ihre Gründer. Nicht so die Kunsthandlung und Galerie Keim. Bereits 1902 wurde in der Kühlbrunnengasse 6, als zweitem Standbein neben der Glaserei, Kunsthandel betrieben. 1950 dann wurde in der Marktstraße 31, in Bad Cannstatt, die Kunsthandlung Keim gegründet und in den 70er Jahren von Karin und Hans Keim zur Galerie erweitert. Dieser neuerliche Aufbruch wird auch als Gründungsjahr für die „Neue Galerie Keim“ gewertet. Im Oktober 1997 übernahm Thomas Niecke dann die Kunsthandlung und Galerie Keim, ergänzend zum Bestand von zwei weiteren Kunsthandlungen, dem Kunstkabinett Kirchheim und Esslingen. „Trotz der gesicherten Zukunft als Stadtplaner für die Stadt Stuttgart wagte ich 1979 den Sprung in das abenteuerliche Leben eines Kunsthändlers in Kirchheim/Teck. Viele Adam Lude Döring; 5 Figuren; Mischtechnik auf Leinwand, 2009 © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Stationen des Auf und Ab im Kunstgeschäft begleiten mich bis heute, und das sind nun auch bereits schon 36 Jahre. Ganz nach dem Motto: Such dir eine Arbeit die Schmuck und ist als Fachhandel für wertvolle derts gelegt. Thomas Niecke sieht seit damals Einrahmungen jeder Art bekannt. Auch spe- einen Schwerpunkt seiner Galeriearbeit darin, zielle Wünsche, wie das Vergolden oder das zeitgenössische Künstler und Kunden zusam- Restaurieren von Kunstwerken, werden gern menzuführen. Auch projektbezogene Ausstat- ausgeführt. Aber für Thomas Niecke sind tungen werden ganzheitlich betrachtet, mit noch manch andere Kunstdienstleistungen dem Kunden definiert und vor Ort letztendlich wichtig: So ist er stets für den Besuch vor Ort praktisch umgesetzt. Der Galerist präsentiert bereit, auch um in den Räumlichkeiten der übrigens äußerst unterschiedliche Künstlerin- Kunstliebhaber georderte Bilder fachgerecht nen und Künstler und deren Werk. zu positionieren, damit sie ihre optimale Wir- Die Esslinger Künstlerin Ingeborg van Loock kung auch enfalten können. Das Haus Keim beispielsweise gehört, als Autodidaktin, zum ist ein erfahrener Ansprechpartner für Kunst- festen Stamm der Galerie und ist schon seit freunde, die sich für Kunst verschiedenster Art langem mit dabei. Sie malt großformatige, interessieren, wie beispielsweise für Malerei, farblich kraftvolle Landschaften in Acryl, die Skulptur, Grafik oder Installation. Neue Talente den Betrachter emotional einzufangen vermö- werden ebenso gefördert wie auch etablierte gen. Das Fließende des Farbauftrags wechselt Künstlerinnen und Künstler, aber auch soge- sich ab mit malerischen kleinen Gegenpolen, nannte Mehrfachbegabungen: Kurz gesagt, so dass die Kontur einer Landschaft entsteht, es handelt sich um Kunstschaffende, die mit die jedoch neu konstruiert und malerisch einem qualitativen Anspruch eine eigene abstrahiert erscheint. Tiefe, Räumlichkeit und künstlerische Vision mitzuteilen haben. Fläche wechseln sich ab, so dass, analog zur Die Galerie Keim blickt auf eine lange Galerie- Natur, ein Wechselspiel zwischen spannender tradition zurück. Das Fundament wurde bereits Dynamik und stillem Verharren stattfindet. Brele Scholz; Karl der Große in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhun- Völlig anders konzipiert ist Adam Lude Dörings © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 du liebst, dann brauchst du keinen Tag im Leben mehr zu arbeiten, sagte schon Konfuzius“, erklärt Niecke lächelnd. ARTPROFIL 13 G A L E R I E P O R T R Ä T von ihrer eigenen Grenze. Allein die Köpfe wollen stören - wie etwa im Werk „Schild“. scheinen mit leichtem und schnellem Strich Der 1963 im Marburg/Lahn geborene Künstler mehr im informellen Fluss dargestellt und gehört ebenfalls zum festen Stamm der Galerie gewinnen so eine autarke Dynamik, welche und trägt mit seinen spannenden, den Dialog die Besucher in der Galerie gerne „live“ be- fordernden Werken zu einer zeitlosen Dynamik trachten können. des Eigenständigen bei. Authentisch, stark - Nicht nur Malerei fasziniert den Galerieinha- nachdenkenswert. ber Thomas Niecke, besonders augenfällig ist Und diese Charakteristika findet man auch bei auch sein besonderer Hang zur Bildhauerei: Gisela Glucker: Ihre „Gebauten Bilder“, aus Deren faszinierende Möglichkeiten bei der verschiedenen Holzteilen, Bauholz zumeist, Darstellung, die Kraft und emotionale Wucht zeigen vollkommen neue Assoziationen, im einerseits, aber auch die Weichheit und der Zusammentreffen mit anderen Holzteilen; das Fluss des Materials andererseits wie bei Holz Format, die Größe und die Anordnung sind als Ausgangsmaterial: All das formt sich zu frei. Vor allem ihre Serie „Balance“ (hier die Werken, die er zu schätzen weiß. So sind Nr. 6) lässt Anordnungen neu hinterfragen. Skulptur und Plastik integraler Bestandteil Feststehende Konventionen in Blick und Per- seiner Galerie. Brele Scholz´ Skulptur „Karl spektiven geraten - im doppelten Sinne - ins der Große“ beispielsweise eröffnet hier neue Wanken. Die Künstlerin bringt starke Unruhe Blickwinkel, ja im weitesten Sinne sogar neue in herkömmliche Sehgewohnheiten, wie auch Gisela Glucker; Balance 6; Perspektiven: Das Antlitz des Kopfes ist auf- mit diesen, aktuell hier ausgestellten Werken. verschiedene Holzarten klappbar, in den einzelnen Gesichtshälften Der Aspekt des Schiefen hat vielfältige, emo- © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 finden sich Bildervisionen und Bildträume des tionale Folgen: Ein Gefühl der Unvollständig- mittelalterlichen, aus dem Geschlecht der keit, des Störens, der bewussten Absicht, des Werk „5 Figuren“ in Mischtechnik. Seine fünf Karolinger stammenden Kaisers, hier in zarter Eindringens in ein feststehendes Gefüge - all Frauen, fast strichartig angelegt, handeln Malweise sichtbar gemacht. Eine liebevolle, dies führt zu einer Auseinandersetzung des nicht, sondern warten. Es ist also die Beschrei- künstlerische Entzauberung, die zeigen mag, Betrachters mit seinen eigenen Sehgewohn- bung einer Situation, welche vollkommen wie sich Machtstreben und Jugendträume heiten. Was nehme ich eigentlich wahr, wenn offen ist. Der Fokus des gebürtigen Dresdner entwickeln können. ich sehe? Malers, der vor kurzem 90 Jahre alt wurde, Auch Britta Schmierers „Sommerfrische“ zum Und diese Prämisse gilt generell für alle liegt auf der Wahrnehmung der einzelnen Beispiel, eine Holzskulptur, deren langgezo- Künstlerinnen und Künstler, die in der Galerie auftretenden Figuren. In ihrem Habitus und gene Gliedmaßen die Beugung des Körpers ihren Platz gefunden haben. Provozieren, Kleidungsstil sowie dem mimisch-gestischen derart anschaulich und leicht aussehen lässt, hinterfragen, Authentizität und Stimmigkeit Ausdruck verbleiben die Akteurinnen abstrakt, dass man sich unwillkürlich fragt, ob man - diese Schlagwörter kommunizieren einen treten nicht wirklich hervor, sondern bleiben das gymnastisch wohl selbst auch so hinbe- künstlerischen Sachverhalt, welche dem Ga- für sich. Aus der Figürlichkeit kommend, löst kommen hätte. Voller Elan und Esprit strebt leristen und Kunstkenner Thomas Niecke sehr der Maler die Personen aus ihrer eigenen Per- die Figur in den Raum und zieht den Fokus wichtig ist: „Kunst darf nie, nie langweilen. spektive und befreit die Gegenständlichkeit des Betrachters auf sich. Die roten Haare der Das ist der Tod jeglichen Dialogs“. Und des- weiblichen Person sind als Eyecatcher synonym mit der Präsenz der Figur an sich, die in der Weitere Infos: aktuellen Ausstellung zu sehen ist. Die Künst- Kunsthaus & Galerie Keim lerin Britta Schmierer, 1962 geboren, studierte Inhaber Thomas Niecke übrigens in Stuttgart und konzentriert sich auf Marktstraße 31 figürliche Holzbildmalerei. 70372 Stuttgart Rolf Kilians Werke fesseln sofort. Konstruktivis- Deutschland tische Elemente wie Drei-, Vier- oder Mehrecke Telefon: +49 (0) 711-568498 wollen, sie müssen aber die Erwartungshaltung Web: www.galerie-keim.de des Zuschauers sofort enttäuschen, weil die E-Mail: [email protected] gewohnte Symmetrie sich eben nicht einstellen mag. Kilians Werke bleiben unangepasst, 14 ARTPROFIL Rolf Kilian; Schild; Eitempera auf Holz; 2012 © Rolf Kilian G A L E R I E P O R T R Ä T Britta Schmierer; Sommerfrische, Linde, farbig gefasst, Höhe 138 cm, 2014 © Britta Schmierer halb ist es auch so wichtig, dass Kunst zeitlos die Menschen rührt. Die Galerie fördert und fordert, aber Niecke liegt auch ein wertschätzendes, förderndes Miteinander sehr am Herzen. Ein familiärer Ton gehört einfach auch dazu - und die Künstlerinnen und Künstler sind in dieses komplexe Miteinander eingebunden: Regelmäßige Treffs finden natürlich ebenso statt wie auch, bisweilen, ein gegenseitiger Abschied, wenn die gemeinsamen künstlerischen Perspektiven nicht mehr stimmen. Aber es geht ja um eine künstlerische Entwicklung, um Karriere, um das Fußfassen auf dem Kunstmarkt. Und da sowohl Galerist als auch Kunstschaffende das Gleiche wollen - nämlich Erfolg in jeder Hinsicht - steht einer freundschaftlichen, tragfähigen Arbeitsgemeinschaft eigentlich nichts im Wege. Thomas Niecke wird seine Galerie bestimmt noch ein bisschen länger betreuen als es landesweit üblich ist, denn so ganz lassen kann es der Vollblut-KunstMensch natürlich nicht - obwohl eigentlich die Rente lockt. Er weiß es, dass er wohl noch etwas Lebensarbeitszeit „dranhängen wird“, ergibt sich aber resignierend und schmunzelnd seinem Schicksal: „Ich kann halt nicht aus meiner Haut“. Das weiss der Vollblutgalerist natürlich.
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