Ackerbau N-Spätgabe: Feintuning für Ihren Weizen Die verzögerte Entwicklung der Weizenbestände hat Folgen für die N-Spätdüngung. Empfehlungen von Dr. Hansgeorg Schönberger, N. U. Agrar, Schackenthal. D So wirkt die N-Spätdüngung: Die N- Versorgung während der Ährenstreckung bis hin zur Ausbildung der Speicherzellen im Korn in den 20 Tagen nach der Blüte ist eng verbunden mit den erreichbaren Erträgen. In dieser Zeit muss Weizen 3 bis 4 kg N/ha pro Tag aufnehmen können. Das sind 140 bis 220 kg N/ha! Hohe Eiweißgehalte erfordern, dass in den Speicherzellen Stickstoff, vor allem in Form von Aminosäuren, eingelagert wird. Die N-Speicherung ist 30 bis 35 Tage nach der Blüte weitgehend abge- schlossen. Danach speichern die Pflanzen nur noch Stärke ein. Bei langer Abreife nimmt daher der Stärkegehalt im Korn zu, der Proteingehalt dagegen ab. Die Proteinmenge bleibt nahezu konstant. Dies ist der Grund für die negative Wechselbeziehung zwischen Ertrag und Proteingehalt. Raps lagert dagegen statt der Stärke Fett als Reservestoff für den Keimling in das Korn ein. Deshalb nehmen mit langer Abreife des Rapses der Ertrag und der Ölgehalt zu. Steht dem Weizen nach der Blüte Foto: Werkbild as Wintergetreide ist in diesem Jahr 3 bis 4 Wochen später in Gang gekommen. Das verzögert die weitere Entwicklung der Bestände um rund 8 bis 14 Tage. Daher müssen wir in diesem Sommer mit einer eher späten Ernte rechnen. Alle Maßnahmen, die die Pflanzenentwicklung jetzt zusätzlich verzögern, müssen wir auf den Prüfstand stellen. Dazu gehört neben dem Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden auch die N-Spätdüngung. Sind die Böden feucht, ist Harnstoff als Düngerform für die N-Spätdüngung besser geeignet als KAS. 50 top agrar 6/2013 Übers. 1: N-Freisetzung unter Weizen in kg/ha1) Boden S/lS Boden- 35 punkte sL 50 Übersicht 2: Aufdüngungsziele für die N-Düngung zu Weizen (kg/ha) L,uL Löss tL, LT 65 80 50 Boden Bodenpunkte S/lS 35 sL 50 L, uL Löss 65 80 tL/lT 40 Raps 65 90 110 130 80 Standorte mit feuchten Böden und meist kontinuierlicher Abreife, oft ausreichende Einstrahlung, z. B. SchleswigHolstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nordniedersachsen Weizen 30 45 55 70 40 Nmin (0 – 60 cm) 20 40 50 55 35 Ertragsziel (550 – 650 Ähren/m²) 85 100 110 120 90 Aufdüngungsziel 1) 270 320 350 370 340 Vorfrucht Zuckerrüben 60 80 95 110 70 Silomais 35 50 60 75 45 Körnermais 50 65 75 90 60 1) Kalkulierte N-Freisetzung bei günstiger Bodenstruktur (kg N/ha); Korrekturen: bei gleicher Bodenart: ± 10 BP = ± 8 kg N/ha; bei ungünstiger Bodenstruktur: - 30 %; bei im Herbst vor Weizen eingearb. Gülle: + 10 kg N/ha je 10 m3 Gülle, Nachwirkung langjähriger Gülledüngung: + 7 kg N/ha je 10 m3 Gülle pro Jahr Quelle: N.U. Agrar So können Sie die N-Nachlieferung auf Ihrem Standort bestimmen. Standorte mit ausreichender Bodenfeuchte und kontinuierlicher Abreife, aber häufig begrenzter Einstrahlung, z. B. Westfalen, Weser-Ems, Südniedersachsen, Nordhessen Nmin (0 – 60 cm) 15 30 45 65 30 Ertragsziel (500 – 600 Ähren/m²) 75 90 100 100 85 Aufdüngungsziel 250 300 330 320 320 1) Standorte mit noch ausreichender Bodenfeuchte, Gefahr hitzebedingter, schlagartiger Abreife, z.B. Ostdeutschland, Rhein-Main-Gebiet, Südbayern Nmin (0 – 90 cm) 35 55 70 50 40 Ertragsziel (450 – 550 Ähren/m²) 65 85 90 90 85 Aufdüngungsziel 1) 230 290 310 300 320 50 40 30 Mittelgebirgsstandorte mit später Abreife2) Nmin (0 – 60 cm) 20 35 Ertragsziel (500 – 600 Ähren/m²) 70 80 85 85 75 Aufdüngungsziel 1) 260 280 300 290 290 Qualitätskorrekturen 11,0 % Protein 13,5 % Protein 14,5 % Protein - 15 + 15 + 30 - 20 + 20 + 40 - 20 + 20 + 40 - 20 + 20 + 40 - 15 + 15 + 30 nicht genug Stickstoff zur Verfügung, oder kann er nicht genug Aminosäuren ins Korn einlagern, reduzieren die Pflanzen bereits befruchtete Körner und bilden weniger Speicherzellen im Korn. Dadurch bleibt das erreichbare TKG niedriger und der Weizen produziert weniger Eiweiß. Bei hohem Ertragsniveau des Weizens reicht die N-Aufnahme über die Wurzel nicht aus, um den Bedarf der wachsenden Körner zu decken. Immerhin müssen die Pflanzen in den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung 70 bis 120 kg N je ha in die Körner transportieren. Das sind 5 bis 8 kg N/ha pro Tag. Mehr als 4 bis 5 kg/ha N kann Weizen über die Wurzel pro Tag aber nicht aufnehmen. Aus Blättern und Stängeln lagern die Bestände insgesamt rund 20 bis 50 kg N/ha um. Deshalb müssen Sie den Weizen ab der „Großen Periode“ mit Stickstoff richtig füttern, wenn nicht genug N aus dem Boden kommt. Durch die Düngung in EC 32/37 (2-Knoten-Stadium bis Erscheinen des Fahnenblattes) lässt sich zudem der Abbau der Wurzel hinauszögern. stärkt erst ab Mitte Mai einsetzen, sodass eine erhöhte Düngung zum Starten und zum Schossen in diesem Jahr angebracht war. Bei der Spätdüngung müssen wir die höhere Nachlieferung und den höheren Überhang aus der Frühjahrsdüngung berücksichtigen. Die N-Mengen, die unter Winterweizen bei günstiger Bodenstruktur freigesetzt werden, entnehmen Sie Übersicht 1. Damit Sie die Werte näherungsweise auf Ihre Standortverhältnisse übertragen können, haben wir auch Korrekturmengen, z. B. bei ungünstiger Bodenstruktur oder bei langjähriger Gülledüngung, angegeben. Wie viel N aus dem Boden? Wegen der Höhe der N-Spätgabe: Um die optima- meist guten Bodengare in diesem Jahr ist zumindest auf besseren Böden bzw. bei intensiver organischer Düngung mit einer hohen Nachlieferung zu rechnen. Ein Indiz dafür sind springende NminWerte bei mehrmaliger Untersuchung. Die Nachlieferung wird allerdings ver- Um die Höhe der N-Spätgabe zu berechnen, müssen Sie vom Aufdüngungsziel den Nmin-Gehalt, die N-Nachlieferung (Übersicht 1) und die bisherige Düngung im Frühjahr abziehen. 1) Aufdüngungsziel minus – Nmin im Wurzelraum zu Vegetationsbeginn – kalkulierte N-Nachlieferung (Übersicht 1) – bisherige N-Düngung im Frühjahr (ohne Herbst-N) = Höhe der N-Spätgabe 2) Bei abweichender Ertragserwartung: ± 10 dt/ha = ± 20 kg N/ha le N-Menge für die Spätdüngung errechnen zu können, ist zunächst ein Aufdüngungsziel festzulegen (Übersicht 2). Dies hängt neben der Bodenart auch vom Standort und dem Ertragsziel ab. Die Höhe der N-Spätgabe ergibt sich nun aus dem Aufdüngungsziel abzüglich dem zu Vegetationsbeginn gemessenen NminGehalt im Wurzelraum, der N-Nachlieferung (Übersicht 1) und der bisherigen NDüngung im Frühjahr (ohne Herbst-N). Hier ein Beispiel für einen Weizenbestand auf sandigem Lehm mit 50 Bodenpunkten im Rhein-Main-Gebiet mit einem Ertragsziel von 85 dt/ha: Das Aufdüngungsziel liegt hier bei 290 kg N/ha. Davon ziehen wir • den Nmin-Wert zu Vegetationsbeginn von 55 kg N/ha, • die kalkulierte N-Nachlieferung bei Vorfrucht Körnermais von 65 kg N/ha und • die bisherige N-Düngung im Frühjahr von z. B. 100 kg N/ha ab. Unterm Strich beträgt die Höhe der N-Spätgabe dann 70 kg N/ha. Zu viel Stickstoff schadet: Wichtig ist es, die N-Spätdüngung nicht zu überreizen. Dadurch kann sogar das Lagerrisiko noch steigen. Vor allem aber verzögern sich dadurch die Umlagerung von Sticktop agrar 6/2013 51 Fotos: agrarfoto.com Ackerbau Wollen Sie AHL einsetzen, sind Schleppschläuche Pflicht. Beim Einsatz von Mehrlochdüsen besteht dagegen die Gefahr, dass AHL in die Blatttüte des Fahnenblattes tropft. stoff aus den Blättern in die Körner und die Abreife des Strohs. Das gilt besonders, wenn der Stickstoff als Nitrat aufgenommen wird und mit dem Massenfluss verstärkt in die größten Blätter einströmt. Überschüssiges Nitrat, das die Pflanze nicht in Aminosäuren einbauen kann, deponiert sie in den Vakuolen – den „Mülleimern“ der Zellen – und setzt sie daraus erst wieder frei, wenn das Blatt abstirbt. Zudem steigt durch zu viel NitratStickstoff der Cytokinin-Gehalt in diesen Blättern an. Das vermindert die Umlagerung von Assimilaten in das wachsende Korn. Die Folge: Das Stroh bleibt bis zur Ernte grün, während die Ähren abreifen. Damit kann ein Übermaß an Stickstoff den Ertrag und die Qualität mindern. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Lichtmangel bei bedecktem Himmel zu einem Defizit an Kohlenhydraten führt, die für die Proteinbildung notwendig sind. Dieses Risiko besteht insbesondere auf Standorten mit geringer Einstrahlung, wie z. B. im Rheinland, in Westfalen oder im Weser-Ems-Gebiet. Dort hat es auch wenig Sinn, auf hohe Eiweißgehalte zu schielen, wenn diese sowieso nicht bezahlt werden. Harnstoff oder KAS? Aus diesem Grund ist es auch besser, Harnstoff statt KAS für die Qualitätsdüngung zum Ährenschieben einzusetzen, vorausgesetzt der Boden ist ausreichend feucht. Das zeigen aktuelle Untersuchungen. Nach EC 49 empfiehlt es sich, nicht mehr als 40 kg N/ha in Form von KAS zu düngen. Sind die Böden dagegen sehr stark ausgetrocknet, empfiehlt es sich, auf die Spätdüngung zu verzichten. Harnstoff benötigt weniger Wasser als 52 top agrar 6/2013 KAS, um sich zu lösen. Allerdings wird Harnstoff durch die Urease innerhalb von 1 bis 2 Tagen zu NH4-Stickstoff umgewandelt. In sehr trockenen Böden legen die Tonminerale diesen NH4-Stickstoff fest. Auf Böden mit maximal 8 % Tonanteil ist aber auch in Trockengebieten eine Spätgabe mit Harnstoff ohne Probleme möglich. Anders sieht es auf Böden mit hoher Bindigkeit (über 18 % Ton) und nicht optimalen pH-Werten aus. Auf diesen Böden wirkt bei Trockenheit nur der NitratAnteil aus dem KAS schnell genug. Bei der Spätdüngung mit AHL gilt: Der Einsatz von Schleppschläuchen ist Pflicht! Mit Mehrlochdüsen (5- oder 8-Lochdüsen) besteht die Gefahr, dass AHL in die Blatttüte des Fahnenblattes tropft und dort Verätzungen verursacht. Die Spätdüngung mit Schleppschläuchen können Sie dagegen auch während des Ährenschiebens durchführen. An Schwefel denken:Wichtig ist auch die Schwefelversorgung Ihrer Bestände. Diese liegt häufig bei (Stoppel-)Weizen Die N-Spätgabe sollte bis zum Fahnenblattschieben erfolgen. im Argen, wenn im Boden weniger als 50 kg/ha Smin vorliegen. Die Folge einer unzureichenden Schwefelversorgung sind oft schwache Sedimentationswerte oder regelmäßig vorzeitig abstürzende Fallzahlen. Falls Sie bislang weniger als 10 kg/ha Schwefel gedüngt haben, sollten Sie mit der Spätgabe 15 bis 20 kg/ha Schwefel düngen. Geeignet sind z. B. Piamon S, ASS oder KAS mit Schwefel. Damit sichern Sie die Kornausbildung und Eiweißqualität ab. Steht kein S-haltiger N-Dünger zur Verfügung, können Sie Schwefel auch zusammen mit einer K-Düngung (Kornkali mit 4 % S) für die Folgekultur in den stehenden Bestand streuen. Mit 300 kg/ha 40 - er Kornkali (Kamex) düngen Sie 120 kg/ha Kali, 15 kg/ha MgO und 12 kg/ha S. Diese 12 kg/ha S sind mindestens notwendig, um 100 bis 120 kg/ha N sicher wirken zu lassen. Möglich ist auch die Blattdüngung mit 3 kg/ha Netzschwefel, 10 kg/ha SSA oder 10 kg/ha Bittersalz, wenn die Bestände Magnesium benötigen. Schnell gelesen • Die Entwicklung der Weizenbestände ist in diesem Jahr verzögert. Das wirkt sich auch auf die N-Spätgabe in EC 32/37 aus. • Die Höhe der N-Spätgabe berechnet sich aus dem Aufdüngungsziel minus dem Nmin-Gehalt im Frühjahr, der kalkulierten Nachlieferung und der bisherigen Frühjahrsdüngung. • Sind die Böden feucht, ist Harnstoff besser geeignet als KAS. Bei bindigen Böden mit über 18 % Ton wirkt dagegen der Nitratanteil vom KAS schneller. • Bei der Spätdüngung mit AHL sind Schleppschläuche Pflicht.
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