Der widersprüchliche Mahner - Schweizerischer Israelitischer

Kultur
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7. Februar 2016 | sonntagszeitung.ch
Ronald S.
Lauder, 71,
im Zürcher
Kunsthaus
Foto: AFP
Der widersprüchliche Mahner
Warum Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, die Berner Entscheidung für Gurlitt wirklich missbilligt
Ewa Hess
Der Mann mit der Megafonstimme ist eine Sphinx. So kommt es
am Dienstagabend zumindest den
Zuhörern im Zürcher Kunsthaus
vor. Denn kaum steht Ronald S.
Lauder, Präsident des Jüdischen
Weltkongresses, am Rednerpult
im Vortragssaal, schon gibt er dem
Publikum Rätsel auf.
Der Vortragstitel «Lost Art –
Lost Justice» legt nahe, dass es um
die Werke mit Raubkunst-Vergangenheit und ihre Präsenz in den
Schweizer Museen geht. Aber Lauder sagt schon im zweiten Satz: «I
am deeply shocked.» Der Grund
für sein Entsetzen ist das Kunstmuseum Bern. Weil es die finstere Gurlitt-Erbschaft annimmt.
Keine Frage, der Sohn der Kosmetik-Gigantin Estée Lauder ist
ein starker Redner. Die Worte kommen wie aus der Kanone geschossen, sein Blick fixiert das Publikum, ohne zu zwinkern. «Wenn
diese Sammlung Heinrich-Himmler-Sammlung hiesse», fragt der
71-jährige Rhetoriker im dramatisch ansteigenden Tonfall, «würden Sie die auch an die Wand ­Ihres
Museums hängen?»
Man erinnert sich: Damals, als die
Nachricht die Runde machte, dass
Cornelius Gurlitt seinen dubiosen
Bilderschatz dem Berner Museum
vermachte, drohte Ronald S. Lauder Bern mit einer «Prozesslawine».
Wenige Monate später war davon
nichts mehr zu hören. Der Deal zwischen Deutschland, Bayern und
dem Kunstmuseum Bern fand mit
der stillschweigenden Zustimmung
des World Jewish Congress statt –
als die vernünftigste Lösung.
Für Klimts «Woman in Gold»
zahlte er 135 Millionen
Dennoch scheint Lauder die Annahme der Erbschaft durch Bern nie akzeptiert zu haben. Nicht einmal die
Tatsache, dass sein Vorredner an
diesem Abend, der Präsident des
Schweizerisch-Israelitischen Gemeindebundes, Herbert Winter, das
umsichtige Vorgehen des Berner
Museums in warmen Worten lobt,
kann sein Entsetzen mildern. Aus
den jüdischen Haushalten durch
Nazis gestohlene Bilder, das könne
keinem Museum gut anstehen, wiederholt stets der seit 1998 als Vorsitzender der Kommission zur Wiederbeschaffung enteigneter Kunstwerke fungierende Lauder.
Fortsetzung
Die Berner
Posaunen
Teenager identifizierte er sich mit
Hip-Hop, hantierte mit kaputten
Plattenspielern und seinen knackigen Reimen in der Freestyle-Szene. Mit seiner intellektuell angehauchten Band Männer am Meer
erntete er Schulterklopfen, aber
noch keinen Erfolg. Erst jetzt, mit
seiner neuen Band Troubas Kater,
haben seine Texte die passende
Umgebung gefunden, in der sie
nicht nur weltoffen und doch ber-
Diese Unversöhnlichkeit erstaunt
umso mehr, als dass Ronald S. Lauder selbst ein Museumsmann ist
und aufgrund seiner Erfahrung die
Lage differenzierter beurteilen
könnte. Seit Jahrzehnten lenkt er
schon die Geschicke des Museum
of Modern Art in New York als einer der wichtigen Trustees und kam
in dieser Funktion mehrmals in
Kontakt mit – berechtigten und unberechtigten – Restitutionsforderungen von Erben. Als aber 1998 in
einer von ihm gesponserten SchieleAusstellung im MoMA zwei aus
Wien geliehene Bilder beschlagnahmt wurden, hofften die prozessierenden Familien vergeblich auf
Lauders energische Unterstützung.
Dazu kommt, dass in seinem
eigenen, Neue Galerie genannten
Privatmuseum in New York Werke mit Raubkunst-Vergangenheit
dicht vertreten sind – schliesslich
spezialisiert sich das Haus auf österreichische und deutsche Kunst,
die mit Vorliebe von gebildeten jüdischen Familien gesammelt wurde. Das prominenteste darunter ist
Klimts Porträt von Adele BlochBauer, das zu filmischen Ehren gekommene Werk «Woman in Gold».
Dieses hat Lauder seinerzeit der
nerisch klingen, sondern in der
man sie auch mitsingen kann.
«Was dir fäut si Fähler», «I bi
tiefer gheit aus me Löcher cha grabe»: Aphorismen sind die Stärke
von QC. Ob Liebeskummer, Fernweh und oder Hohn – der Sänger
und Rapper packt alles in Geschichten, die immer auf dem
Punkt sind. Und nicht, wie so oft
im Mundartpop, sich im Ungefähren verlieren. «I ha mis Härz guet
konserviert / es schwümmt im
Zwätschgewasser»: Solche Bilder
hat man aus dem Berner Rock
schon lange nicht mehr vernommen. Und einen Refrain wie «Säg
kes Wort» hat es seit Steff la Chef-
Erbin Maria Altmann für 135 Millionen Dollar abgekauft, nachdem
sie es vom österreichischen Staat
endlich zurückerhielt – für mehrere Jahre wurde es dadurch zum teuersten Werk der Kunsthandelsgeschichte.
Offensichtlich kann es Lauder
durchaus mit seinem Gewissen vereinbaren, durch Raubkunst-Vergangenheit «kontaminierte» Werke in seinem Museum hängen zu
haben. Wenn aber andere Museen durch Rückgabe und Wiederkauf die einst gestohlenen Werke
rehabilitieren wollen, lässt er es
nicht gelten. Die Bilder aus der
Sammlung Bührle etwa, die restituiert und wiedergekauft worden
sind, bleiben in seinen Augen verdächtig und tragen dazu bei, «dass
das Verbrechen immer weitergeht», wie er es in seinem Zürcher
Vortrag formulierte.
Zudem monieren New Yorker
Kritiker oft, dass der von ihm (auch
in Zürich) geforderte «goldene
Standard» der Provenienzforschung – das heisst komplette, allen zugängliche Transparenz – ausgerechnet in seinem eigenen Museum nicht so ernst genommen
wird. Die Provenienz-Angaben auf
fes «Ha ke Ahnig» nicht mehr gegeben. Und das ist nun auch schon
drei Jahre her.
Von Akkordeon zu Sousafon:
Die Band strotzt vor Kraft
Entstanden sind QCs erlebte Geschichten auf einer langen Reise.
2014 durchquerte er Amerika vom
Yukon bis Patagonien, saugte den
Bluegrass der Ostküste und den
Brass-Sound von New Orleans in
sich auf. Wieder zu Hause, spielte er seine armseligen Handyaufnahmen, die er unterwegs eingesungen hatte, dem Produzenten
Matthias Urech vor. Gemeinsam
schichteten sie eine handwerklich
der Website der Neuen Galerie
kommen ohne Jahresangaben daher. Einer Journalistin, die scharf
nach den Daten fragte, gab er einst
schnippisch zur Antwort, dass er
ja auch nicht in ihrem Kleiderschrank schnüffle.
Für ihn gibts drei Kategorien:
Oh!, Oh my! und Oh my god!
Widersprüche gehören eben zu
Ronald S. Lauder wie Vanillesauce zu Apfelstrudel, den beliebten,
in seinem Museum immer frisch
servierten Wiener Leckereien.
Selbst seine jüdische Identität hat
er erst spät entdeckt – in den 80er Jahren, in seiner Zeit als der von
Ronald Reagan ernannte US-Botschafter in Wien. Er sah sich, als
die Affäre um die nationalsozialistische Vergangenheit des Präsidenten Kurt Waldheim losbrach, plötzlich mit seiner eigener Herkunft
konfrontiert – bis dahin nahm er
sie gleichgültig zur Kenntnis.
Aus dem amerikanischen Geschäftsmann und Politiker wurde
damals in kurzer Zeit ein jüdischer
Aktivist. Die Lauder-Stiftung finanziert seither jüdische Kindergärten und Schulen in Budapest,
Prag, Talinn, Warschau und den
«I bi tiefer gheit
aus me Löcher
cha grabe, so viu
fautsch gmacht,
gottverdammt i
hätt mi fasch
­begrabe!»
QC: «Affe»
anderen Städten , wo früher jüdisches Leben blühte, wo aber der
Holocaust und der Kommunismus
kulturelle Löcher hinterliessen.
Den untrüglichen Geschäftssinn seiner Mutter Estée, einer ungarischen Immigrantentochter, die
in den Nachkriegsjahren Amerika
mit Lippenstift und Hautcreme im
Sturm eroberte, scheint eher sein
älterer Bruder Leonard geerbt zu
haben, der immer noch der Firma
vorsteht. Der Erfolg von Ronalds
eigenen Projekten war, nachdem
er aus dem Familienbetrieb ausschied, eher durchwachsen.
Seine grösste Kennerschaft und
heisseste Liebe gehört eben der
Kunst. Die er in drei Kategorien
unterteilt: Die Oh!-, Oh-my!- und
Oh-my god!-Werke. Für seine eigene Sammlung interessieren ihn
nur die Letzteren. Worin der wahre Grund für Ronald S. Lauders
profundes Unverständnis für den
Berner Entscheid liegen könnte.
Der Kunstsammler mit dem exklusiven Geschmack kann sich
schlicht nicht vorstellen, wie man
so viel Unannehmlichkeiten auf
sich nehmen kann – für eine qualitätsmässig derart durchschnitt­
liche Sammlung.
ausgerichtete Band aufeinander,
die von einem heimeligem Akkordeon und dem fast mannshohen
Blastrichter Sousafon geprägt
wird. Ein Rumpelorchester, aber
auch mehr: Das Berner Troubadour-Chanson ist mit Troubas Kater im tanzbaren 21. Jahrhundert
angekommen.
Jetzt marschieren die acht Herren erst einmal ins Hallenstadion.
Um sich als Best Talent abfeiern
zu lassen. Obwohl diese Auszeichnung für eine Band, die so saftstrotzend klingt wie eine vollreife
Frucht, schon fast eine Beleidigung
ist. Verdammte Swiss Music
Awards!