Mikrobieller Stoffumsatz in Böden natürlicher Waldgesellschaften 1 Reiches Bodenleben in heimischen Naturwäldern Evelyn Hackl1, Sophie Zechmeister-Boltenstern1, Gert Bachmann2, Michael Pfeffer 3 und Christina Donat Pilze und Bakterien im Boden entscheiden im Zusammenspiel mit der Pflanzenwelt über das Wuchsvermögen des Waldes. In naturnahen Wäldern sind Pflanzen, Boden und Mikroorganismen sehr genau aufeinander abgestimmt. Das veranschaulicht ein vom BMLFUW gefördertes Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Ökologie und Naturschutzforschung der Universität Wien, der Forstlichen Bundesversuchsanstalt Wien und des Instituts für Bodenforschung der Universität für Bodenkultur. Die Ergebnisse dieser Studie liefern Argumente für eine naturnahe Waldwirtschaft. Der Lebensraum Waldboden Der Boden bietet Lebensraum für eine Vielzahl von Lebewesen. Erst in jüngster Zeit wurde die Bedeutung der Pilze und Bakterien im Boden für den Haushalt des Ökosystems erkannt. Die Beziehungen zwischen Bodeneigenschaften, Mikroorganismen und Pflanzenwurzeln nehmen entscheidenden Einfluß auf die Wuchsmöglichkeiten der Pflanzen und somit auf die Produktivität des Waldes. Intakte Ökosysteme sind durch Selbstregulation und ausgeglichene Nährstoffbilanzen gekennzeichnet. Fichten-Tannen-Buchenwald Neuwald Die Bedeutung der Naturwaldreservate Die Zusammenhänge zwischen dem Boden und der Pflanzenwelt können in ihrer Abhängigkeit von den Standortsfaktoren am besten in vom Menschen möglichst unbeeinflußten Ökosystemen studiert werden, wie sie die Naturwaldreservate darstellen. Diese erfüllen eine wichtige Funktion als Modellökosysteme, an denen sich die naturnahe Waldwirtschaft orientieren kann. Das interdisziplinäre Projekt „Mikrobieller Stoffumsatz in Böden natürlicher Waldgesellschaften“ behandelt nun erstmals die im Boden verborgene Komponente dieser Ökosysteme. Die Untersuchungsstandorte Sechs für den Osten Österreichs charakteristische Waldtypen wurden ausgewählt (Abb. 1). 1 S D Kl R JB JE B Me N K M St Abb. 1: Lage der Untersuchungsstandorte. Eichen-Hainbuchenwald (JE Johannser Kogel, K Kolmberg); Waldmeister-Buchenwald (JB Johannser Kogel, Kl Klausen-Leopoldsberg); SilikatBuchenwald (D Dürnstein, S Saubrunn); FichtenTannen-Buchenwald (R Rotwald, N Neuwald); Auwald (M Müllerboden, B Beugenau); Schwarzföhrenwald (St Stampfltal, Me Merkenstein). Inst. f. Forstökologie FBVA Wien Seckendorff-Gudent-Weg 8, 1131 Wien [email protected], [email protected] 2 Inst. f. Ökologie und Naturschutzforschung, Universität Wien Althanstraße 14, 1091 Wien [email protected] 3 jetzt: Inst. f. Ökochemie, Bundesamt und Forschungszentrum f. Landwirtschaft Spargelfeldstraße 191, 1220 Wien [email protected] Mikrobieller Stoffumsatz in Böden natürlicher Waldgesellschaften 2 Effiziente Nährstoffumsetzung Die in den Naturwäldern erhobenen mikrobiellen Umsatzleistungen innerhalb der Nährstoffkreisläufe liegen im oberen Bereich der aus Wirtschaftswäldern bekannten Werte. Eine außerordentlich rasche Nährstoffumsetzung wurde im FichtenTannen-Buchenwald Rotwald, dem größten erhaltenen Urwald Österreichs, festgestellt. Unsere Ergebnisse zeigen, daß in den Böden der Naturwälder große Vorräte an Nährstoffen vorliegen, die die Lebensgrundlage für den Aufbau einer mächtigen mikrobiellen Biomasse sind. Eine hohe Fähigkeit der Mikroorganismen, Nährstoffe aufzunehmen und umzusetzen ist Voraussetzung für geschlossene Stoffkreisläufe und eine effiziente Nährstoffnachlieferung an die Pflanzen. 400 -1 (µg Biomasse-N g Tg) Abb. 3: Substanzen in der Zellmembran (PLFAs) ermöglichen die Zuordnung der Bodenmikroorganismen zu funktionellen Gruppen. Empfindlichkeit schaften 500 Mikrobielle Biomasse Phospholipidfettsäuren (PLFAs) 300 200 100 0 JE K JB Kl D S R N M B St Me Abb. 2: Die höchsten Gehalte an mikrobieller Biomasse liegen in den Böden des Urwalds Rotwald vor. Bezeichnungen der Standorte siehe Abb. 1. Selbstregulation der Ökosysteme Die untersuchten Wälder unterscheiden sich in den Vorräten und in den Umsatzraten von Mineralstickstoff im Boden. Unter den jeweiligen Standortsbedingungen haben sich selbstregulative Mechanismen entwickelt, die Verluste von Stickstoff ins Grundwasser oder - durch gasförmige Emissionen - in die Atmosphäre gering halten. Ungleichgewichte im biologischen Stickstoffkreislauf können entstehen, wenn das Ökosystem durch äußere Einflüsse wie Stickstoffeinträge oder ein stark überhöhter Wildbestand überlastet wird. Ökologisch bedenkliche Stickstoffoxid-Emissionen aus den Böden wurden nur an den Standorten am Johannser Kogel im Lainzer Tiergarten bei Wien gemessen. Urwald Rotwald der mikrobiellen Gemein- In den Zellwänden der Bodenmikroorganismen sind biochemische Substanzen enthalten, die bei verschiedenen Gruppen von Bakterien und Pilzen unterschiedlich gestaltet sind. Diese Indikatorsubstanzen (Phospholipidfettsäuren, PLFAs) geben Aufschluß über die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften. Es hat sich gezeigt, daß jeder Waldtyp eine charakteristische Zusammensetzung von Mikroorganismengruppen aufweist. Dies ist auf die engen Wechselbeziehungen zwischen den Bodenmikroorganismen, der Pflanzendecke und den Bodeneigenschaften zurückzuführen. Sehr spezifische Mikroorganismengemeinschaften sind in den Böden der Schwarzföhrenwälder und der Auwälder ausgebildet, während die Ähnlichkeit der mikrobiellen Gemeinschaften in den Eichen-, Buchen- und FichtenTannen-Buchenwäldern größer ist. Die Abhängigkeit der Mikroorganismen von ihrer Umwelt legt nahe, daß die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden sehr empfindlich auf Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung oder in den Bodeneigenschaften reagieren. Argumente für eine naturnahe Waldbewirtschaftung Die Ergebnisse des Projekts zeigen, wie eng die bodenmikrobiologischen Prozesse unter natürlichen Bedingungen in den Haushalt des Ökosystems eingebunden sind. Das Funktionieren der ökosystemaren Prozesse ist gewährleistet, wenn sich die Waldwirtschaft an den natürlichen Verhältnissen orientiert, indem sie sich um die Wahl standortsgerechter Baumarten und ökologisch angepaßter Nutzungsformen bemüht.
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