ein Artikel aus der MZ

Die Volkstanzgruppe des Heimat- und Kulturvereins machte ihre Aufwartung.
Fotos: Hueber-Lutz
Stück Oberndorfer Geschichte greifbar
VERTRAUT Die Anwohner ent-
decken sich im alten Herrenhaus auf Bildern von Otto
Baumann nicht nur selbst.
Auch so mancher Geruch erinnert an Früher.
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VON GABI HUEBER-LUTZ
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OBERNDORF. Die Oberndorfer haben ih-
re 900 gesicherten Jahre Geschichte
heuer schon mit mehreren liebenswerten Veranstaltungen gefeiert. Eine
weitere Perle in dieser Reihe war das
Hof- und Weinfest, das die Landfrauen
am Samstag veranstalteten.
Eigentlich sollte es ja ein SpellingFest werden, mit allem rund um die
berühmte Oberndorfer Zwetschgenart. Allein die Spellingbäume haben
ihre Oberndorfer heuer im Stich gelassen und kaum Früchte angesetzt. Aber
die Damen waren da flexibel. Dann
wurde es eben ein Hoffest am Anwesen von Johann Schrödl. Und daraus
entwickelte sich eine echte Kostbarkeit: Schrödl sperrte sein altes Jurahaus auf, und die Familie Dobnig gewährte Zutritt zum Herrenhaus.
Darüber hinaus hatte sie für diesen
Tag eine sehenswerte Ausstellung an
Bildern von Otto Baumann zusammengetragen. Die Leute standen
Schlange, um Haus und Bilder besichtigen zu können. „Schee war’s, super!“,
sagten die, die raus kamen und mach-
Edeltraud Dobnig erläutert eine kleine Zusammenstellung zu den Werken Otto
Baumanns.
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OTTO BAUMANN IN OBERNDORF
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➤ Ein Vierteljahrhundert, von 1934 bis
1959, hat Otto Baumann im Oberndorfer
Herrenhaus gemalt. Damals lebten hier
mehrere Familien. Baumann bewohnte
dort drei Zimmer.
➤ Manche ältere Besucherin erkannte
in den Bildern an der Wand ihr Konterfei
als Kind wieder. Baumann hatte viele
Menschen aus Oberndorf porträtiert.
➤ Oberndorf hatte sich Baumann als
Wohnort ausgesucht, weil es hier halt
gar so schön war. Zu romantisch dürfe
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man sich sein Leben hier aber nicht vorstellen, sagte Edeltraud Dobnig, als sie
das Zustandekommen der Ausstellung
erläuterte. Das Geld war knapp, Baumal
malte teilweise gegen Brennholz oder
Nahrung. Und nicht jeder schätzte seine
Kunst.
➤ Erinnerungen der Besucher tauchen
auf: Manches Bild, mit dem Kinder nach
Hause kamen, wurde gleich eingeschürt,
ein anderes diente als Trennwand zum
Hühnerstall. (lhl)
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ten den Wartenden die Zähne lang.
Werner Sturm breitete viele, viele Fakten und Anekdotisches zu Baumann
aus und Archivar Dr. Georg Köglmeier
erzählte Interessantes zum Haus. Gab
es zu Baumanns Zeiten nicht einmal
in allen Zimmern elektrisches Licht,
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so ist das Haus heute mit viel Liebe
zum Detail saniert. Sein angrenzender
Nachbar wartet da noch drauf. „Betreten auf eigenen Gefahr“ hat Besitzer
Johann Schrödl deshalb in jedem
Stockwerk angeschlagen. Ob er etwas
vorhat mit dem alten Jurahaus?
Ja, mei, so eine Sanierung ist aufwendig und teuer. Eine halbe Million,
schätzt er. „Eine ganze“, wirft ein anderer ein. Und das Denkmalamt zahlt
halt bloß maximal die Hälfte. Ja, mei!
Der Geruch im Keller versetzt manchen Besucher zurück in seine Kindheit: „Das war der Kartoffelkeller, so
hat es bei meiner Oma auch gerochen.“ Nach oben geht es über höchst
unregelmäßige Stufen. Da warten alte
Gerätschaften, ein Holz- und Kohlofen
zum Beispiel, und eine Kiste voller
Blechdosen, an denen der Zahn der
Zeit genagt hat: „In solchen Dosen hat
man früher beim Saustechen das
Fleisch eingemacht!“, erinnert sich eine Besucherin, und ein Grüppchen
Menschen diskutiert die Qualität, die
dieses Fleisch seinerzeit hatte.
Ludwig Hermann wundert sich dagegen über sich selbst. 61 Jahre ist er
jetzt und ein eingefleischter Oberndorfer, aber in diesem Haus war er
noch nie. So wird zur 900-Jahr-Feier
wieder ein Stück Oberndorfer Geschichte greifbar. Draußen sitzen die
Leute auf Bierbänken, schauen der
Volkstanzgruppe zu, genießen Wein
und Winzerbrotzeit. Und bekommen
an diesem Tag ein Fleckchen Oberndorf geschenkt, das bisher im Dornröschenschlaf lag. „So ein schöner Platz
…“ sagt Ingrid Gassner sinnend. Und
sie ist nicht die einzige, die das heute
zum ersten Mal bemerkt. Die Gedanken wandern in die Zukunft: Könnte
man da etwas draus machen?