Die Rede von Heinz Jörg Fuhrmann

Grußwort von Prof. Dr.-Ing. Heinz Jörg Fuhrmann zur Einweihung
eines Denkmals zu Ehren der Verhinderung der Demontage des
Hüttenwerks Salzgitter
Es gilt das gesprochene Wort
Gesonderte Begrüßung:
OB Klingebiel
Herr Räschke (IG Metall
Herr Lingstädt (Künstler)
Minister Peter Jürgen Schneider
Damen und Herren Ratsmitglieder / Vertreter des Rates
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Geschichte der Stadt Salzgitter und des Hüttenwerkes sind, wie wir
gehört haben, untrennbar miteinander verbunden. Herr Oberbürgermeister Klingebiel hat in seiner Rede vollkommen zu Recht dargestellt,
dass die Verhinderung der vollständigen Demontage und der Sprengung
von Fundamenten 1951 wie eine zweite Geburt der Stadt Salzgitter
gewirkt hat.
Bis zur Verkündung dessen seitens der Alliierten im Januar 1951 war es
für alle vollkommen ungewiss, ob in Salzgitter weiter Stahl erzeugt
werden sollte. Ende der 40er Jahre wurde an Rhein und Ruhr schon
wieder fleißig produziert - auch vor dem Hintergrund des einsetzenden
Koreakrieges, eine Ironie der Geschichte. Leider begegnet uns der OstWest-Konflikt in den jüngsten Tagen wieder. Eine bedenkliche verbale
Aufrüstung findet auch im Westen statt. Es droht ein Rückfall in den
kalten Krieg.
Das nur nebenbei. Zurück zu unserem Thema, zu 1951.
Die britische Militärverwaltung wollte in ihrer Zone die Demontage und
komplette Entmilitarisierung der Reichswerke Hermann Göring als
Symbol der nationalsozialistischen Kriegsindustrie durchsetzen.
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In dieser Region lebten damals auch schon 100.000 Menschen, nur
unter anderen Verhältnissen als heute. Zehntausende Flüchtlinge
mussten ernährt und untergebracht werden. Es herrschten extrem
schwierige Verhältnisse! Die Menschen der Region brauchten eine
Zukunftsperspektive.
Diese Perspektive hätte es jedoch ohne den Mut der Mitarbeiter des
Hüttenwerks Salzgitter nie gegeben!
Sie haben unter Einsatz ihres Lebens dafür gesorgt, dass sich der
britische Hochkommissar 1950 zu Zugeständnissen bereiterklärte und so
die Demontage der Hütte im Januar 1951 endgültig gestoppt werden
konnte.
Nicht nur die Arbeiter des Hüttenwerks haben ihren Beitrag geleistet: Die
ganze Stadt, die ganze Region, alle gesellschaftlichen Gruppen haben
sich gemeinsam diese Zukunftsperspektive erstritten, erkämpft.
Gemeinsinn, dieses füreinander Einstehen im Sinne der gemeinsamen
Zukunft haben dazu geführt, dass sich am Ende auch die Politik aus
Bund und Land für den Erhalt des Hüttenwerks eingesetzt hat – mit
nachhaltigem Erfolg, wie wir heute beurteilen können.
Allen, die sich für das Werk eingesetzt haben, gebührt deshalb unsere
besondere Hochachtung, unser großer Dank!
Es ist richtig und wichtig, dass wir an diese so entscheidende Epoche für
Region, Stadt und Unternehmen mit einem Denkmal erinnern! Dem
Künstler, Herrn Lingstädt, ist es gelungen, ein hervorragendes Symbol
für die Standfestigkeit und Verbundenheit der Menschen mit ihrer
Stahlregion zu schaffen. Auch Ihnen, Herr Lingstädt, gilt dafür mein
Dank. Als ehemaliger Mitarbeiter sind Sie mit der Salzgitter AG ohnehin
eng verbunden!
Das Denkmal ist für uns alle ein Ort des Gedenkens, im Sinne von „denk
mal nach“ über das, was geschehen ist.
Darüber hinaus ist es aber auch ein Mahnmal. Es ermahnt uns, weiterhin
wachsam zu sein und gemeinsam Verantwortung für Wohlstand und
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Entwicklung dieser Region zu tragen. Nicht ohne Anlass, meine Damen
und Herren.
Denn: Auch heute nehmen wir Gefahren für den Fortbestand unseres
Stahlwerkes wahr. Natürlich drohen keine militärischen Demontagen der
Anlagen, keine Sprengungen der Fundamente mehr.
Dafür haben wir es mit der nicht geringen Gefahr einer schleichenden
Demontage zu tun. Wovon spreche ich?
Falsch gesetzte politische Rahmenbedingungen, sei es etwa in der
Energie- oder Umweltpolitik oder bei der Infrastruktur, gefährden unsere
internationale Wettbewerbsfähigkeit
Zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Innovationen
können wir in der Salzgitter AG selbst etwas tun! Nach dem Motto „Wir
helfen uns selbst“ sind im Konzern in den vergangenen Jahren viele
Dinge in Bewegung gekommen. Unser Konzept „Salzgitter 2015“ greift,
das ist offensichtlich!
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist bewusst, dass es in der seit 2009
andauernden Strukturkrise der Stahlindustrie vermehrter Anstrengungen
bedarf. Restrukturierungen wie bei der Peiner Träger GmbH sind
unvermeidlich. Jeder Mitarbeiter übernimmt Verantwortung für den
gemeinschaftlichen Erfolg, für die Sicherheit der Arbeitsplätze im
Unternehmen.
Spektakuläre Erfolge wie der „Turnaround“ der Peiner Träger GmbH
motivieren. Die guten Ergebnisse der vergangenen Monate haben wir
uns selbst erarbeitet. Sie stimmen mich zuversichtlich, dass es mit der
Salzgitter AG und damit in der Region weiter bergauf gehen wird. Der
Aktienkurs zeigt, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine stehe.
Erlauben Sie mir dennoch, dass ich noch einmal kurz auf aus unserer
Sicht falsch gesetzte politische Rahmenbedingungen zurückkomme. Oft
kommt es mir so vor, als würden heute Richtlinien und Verordnungen
anstelle von alliierten Panzern und Soldaten auf eine Demontage
drängen.
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Nur zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit:
Die ökologisch höchst wertvolle Eigenstromerzeugung der Salzgitter
Flachstahl GmbH droht schon ab 2017 auf Intervention aus Brüssel mit
bis zu 120 Mio. Euro EEG-Umlage pro Jahr belastet zu werden.
Die Produktion von Strom und Dampf aus den aufbereiteten Abgasen
der Stahlproduktion wäre damit vollständig unwirtschaftlich und zudem
das Jahresergebnis der Salzgitter Flachstahl selbst in guten Jahren
aufgezehrt. Für Investitionen in Mensch und Maschine bliebe nichts
mehr übrig!
Jeder „Windmüller“ oder „Sonnenanbeter“ bekommt heute mehr
Planungssicherheit zugesichert als hart arbeitende Stahlkocher. Konkret:
EEG-Einspeisevergütung mit 20 Jahren Einnahmesicherheit; EEGBefreiung industriellen Eigenstroms lediglich zwei Jahre
Rechtssicherheit. Das stellt ökologisch-ökonomisch eigentlich sinnvolle
Investitionen zutiefst infrage.
Genauso bedrohen uns weitere Verschärfungen im EUEmissionshandel.
Die für Stahlwerke geplanten Regelungen und Grenzwerte kann keine
Hütte der Welt erfüllen – also auch wir nicht, obwohl wir zu den
effizientesten Anlagen weltweit zählen.
Ohne internationales Klimaabkommen werden nur die Stahlproduzenten
Europas belastet. So kommt jede Tonne importierten Stahls aus China
ohne CO2-Preis in die Europäische Union. Diese Wettbewerbsverzerrung
droht heimische Arbeitsplätze zu vernichten, und dem Weltklima ist erst
recht nicht geholfen.
Von fairen internationalen Wettbewerbsbedingungen sind wir leider
weiter entfernt denn je.
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Von Mitarbeitern werde ich deshalb bereits angesprochen, ob nicht bald
erneut der Zeitpunkt für „zivilen Ungehorsam“ gekommen sei, und zwar,
um diesmal der schleichenden Demontage von außen Einhalt zu
gebieten.
Politiker reagieren auf klar artikulierte, öffentliche Unmutsäußerungen in
ihrem Wahlkreis. Gemeinsam für etwas zu streiten, kann also etwas
bewirken. Dies erfordert aber das Engagement vieler. Wie so etwas
klappen kann, zeigt ein positives Beispiel aus der jüngeren
Vergangenheit:
Mehr als drei Jahre haben die Stadt Salzgitter, die Salzgitter AG und
viele weitere Unternehmen der Region auf den ökonomisch und
ökologisch sinnvollen Ausbau des Stichkanals gedrängt. Trotz
erheblicher bürokratischer Widerstände und einiger Rückschläge hat es
die Interessengemeinschaft schlussendlich erreicht, dass der Kanal ab
dem kommenden Jahr ausgebaut wird.
Wie Sie sehen: „Es geht“ mit Engagement - auch in der Politik!
Das galt nicht nur 1950, das gilt noch heute. Deshalb ist dieses Denkmal
so aktuell und so wichtig!
Vielen Dank und Glückauf!
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