III. KAPITALMARKTKONFERENZ DR. EDMUND STOIBER IM INTERVIEW Dr. Edmund Stoiber im Interview mit Yared Dibaba Zwei, die sich gut verstanden: Moderator Yared Dibaba und Dr. Edmund Stoiber Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat nach wie vor zahlreiche Engagements und Ehrenämter, denn er fühlt sich mit seinen 73 Jahren „immer noch topfit.“ Dafür macht er weniger die bayerische Luft verantwortlich als vielmehr „die Freude an dem, was man tut.“ Im Dialog mit Yared Dibaba kam diese Freude deutlich zum Ausdruck! Wir haben die wesentlichen Gesprächsinhalte für Sie zusammengefasst. Vertrauen ist das Eigenkapital der Bank Mit seinem Engagement als Vorsitzender des DONNER & REUSCHEL Beirates möchte Edmund Stoiber zur Imageverbesserung von Bankern und Banken beitragen, die seit der Krise erheblich an Kundenvertrauen verloren haben. Darunter leiden vor allem seriöse Privatbanken. Sie sollten nicht nur im Kundengespräch, sondern auch öffentlich verdeutlichen, dass sie die Krise nicht zu verantworten haben. Häuser wie DONNER & REUSCHEL sind vor allem für den mittelständischen Bereich und seine Kapitalisierung von Bedeutung. Bürokratie-Moloch Brüssel Sieben Jahre lang war Edmund Stoiber der oberste Entbürokratisierer der EUKommission. Seine Gruppe erarbeitete Vorschläge, nach deren Umsetzung ca. 30 Milliarden Euro eingespart werden konnten. Eine Umfrage wies nach, dass für 74 Prozent der europaweit Befragten Brüssel ein Synonym für Bürokratie ist. Doch dieser Ansehensverlust ist in den EU-Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt: In Deutschland verbinden 40 Prozent der Befragten den Begriff Bürokratie mit Europa, in Italien nur 8 Prozent. Seite 1 III. KAPITALMARKTKONFERENZ DR. EDMUND STOIBER IM INTERVIEW 85 Prozent aller neuen Bestimmungen in Europa kommen aus Brüssel, dort wird vereinheitlicht, „verbrüsselt“. Was bei uns kaum öffentlich diskutiert wird: Die Grundlagen dafür haben wir selbst geschaffen. Immer mehr Kompetenzen des Alltags werden Europa übertragen. Alle rufen nach mehr Umweltschutz, doch wenn Brüssel diese Forderungen praktisch umsetzt, gibt es oft Verdruss bei den Verbrauchern, wie z.B. nach dem Glühbirnenverbot oder der Regulierung von Staubsaugern. Die EU erlässt pro Jahr mehr als tausend Verordnungen, denn die Welt wird komplexer und erfordert neue Regeln, die Menschen dazu bringen sollen, ihr Verhalten zu ändern. Brüssel hat inzwischen den EU-Kommissar Frans Timmermanns mit „Better Regulation“ beauftragt. Dieser prüft die Kosten und den Bürokratiegehalt von Verordnungen und ist mit einem Vetorecht ausgestattet. Edmund Stoiber sieht die sperrigen Prozesse als Begleiterscheinung unterschiedlicher Erfahrungswerte. Die EU mit ihren 28 Ländern und 24 Sprachen ist wie „ein Flohzirkus“, in dem die Kompromissfähigkeit die Grundlage für alles ist. Um als Einheit agieren zu können und europäische Standards zu setzen, braucht Brüssel mehr Zuständigkeit, ist „mehr Bundesstaat Europa“ nötig. Das lehnen wiederum die „Rechtspopulisten“ ab, die bereits 20 Prozent der europäischen Abgeordneten stellen und die eine Rückkehr zu mehr nationaler Souveränität fordern. Stoiber als „glühender Anhänger der europäischen Integration“ hält diesen Ansatz für den falschen Weg. Griechenland: Unsere Hilfe darf kein Fass ohne Boden werden! Die europäische Währung ist ein Hochleistungssport, der nur funktioniert, wenn man sich auf Regeln verständigt und diese einhält. Mit Griechenland sind wir keinen Schritt weiter als 2009, da lag die griechische Staatsverschuldung bei mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das Haushaltsdefizit war mit rund 12,5 Prozent weit über den 3 Prozent, die der Stabilitätspakt der Europäischen Union vorsieht. Länder wie Portugal, Irland oder Spanien überschritten diese Grenze auch, sind aber jetzt auf einem guten Weg. Griechenland hat das nicht geschafft wegen mangelnder Strukturen. Das Land wird den Euro nicht bewältigen und sollte deswegen – begleitet – in eine Parallelwährung gehen. „Wir können nicht ewig das zahlen, was Griechenland nicht erwirtschaftet!“ Solidarität bedingt Kooperation. Will Griechenland den Euro behalten, darf es sich nicht über Grundregeln hinwegsetzen. Die EU wird sich in große Probleme hinein entwickeln, wenn sie Griechenland derartige Zugeständnisse macht. Länder wie Slowenien und Lettland haben unter größten Anstrengungen gespart und so ihre ökonomischen Ziele erreicht. Diese Länder sehen die erheblichen griechischen Ausgaben für Renten äußerst kritisch. Seite 2 III. KAPITALMARKTKONFERENZ DR. EDMUND STOIBER IM INTERVIEW Nach Stoibers Auffassung war das letzte Angebot an Griechenland günstiger als alles, was anderen Ländern der EU angeboten worden ist, die Griechen hätten es annehmen sollen. Doch Varoufakis hielt es „für Diktatur“ und verließ den Verhandlungstisch. Stoiber hofft auf ein mehrheitliches Ja-Votum als Ergebnis des Referendums am 5. Juli, das in der Folge eine Regierung der nationalen Einheit ermöglichen könnte. Gibt es weitere Risikokandidaten in der EU? Bei der ersten Griechenland-Rettung ging es noch um den Euro, die Märkte testeten die Währung aus und Stabilisierungsmaßnahmen waren nötig. Inzwischen wurden entsprechende Instrumente geschaffen und Mario Draghi trug mit seiner Ankündigung, so lange Geld zu drucken, bis es reicht, wesentlich zur Beruhigung der Lage bei. Heute geht es nicht mehr um den Euro, insofern sieht Edmund Stoiber auch keine weiteren Risikokandidaten. Eher befürchtet er Schaden für die bisherige europäische Erfolgsgeschichte. Nach zwei Weltkriegen hat der alte Kontinent einstige Feinde zu Partnern gemacht, sich eine gemeinsame Ordnung gegeben. Würde man nun für ein Land Sonderregeln einführen, wäre das nicht gerecht. Der Bundestag ist zudem nicht mehr bereit, für ein drittes griechisches Hilfspaket zu stimmen. Quantensprung in der Kanzler-Entwicklung Angela Merkels Job ist kein leichter. Bisher hat die Kanzlerin das Krisenmanagement gut gemeistert, doch jetzt ist eine Grenze erreicht. Seit Wochen hat Griechenland ein thematisches Übergewicht, die Bürger könnten den Glauben an die Entscheidungsfähigkeit der EU verlieren. Adenauer prägte als Kanzler die Nachkriegs-Ära, Kohl war Kanzler der deutschen Einheit – und heute erleben wir eine Art Quantensprung in der Kanzlerentwicklung: Deutschland hat die Wachstumskrise am besten bewältigt, daraus erwächst seine Führungsrolle. Merkel hat eine Lead-Funktion, was das Volk aber noch nicht wahrnimmt. Sie trägt eine hohe Verantwortung für Deutschland. Doch kann Angela Merkel frei entscheiden, ohne Druck der USA? Stoiber bezeichnet den Druck als moderat, allerdings erwarten die USA von den Europäern, dass sie Griechenland schon aus geostrategischen Gründen im Euro behalten. Er hält es für möglich, dass Angela Merkel dem „lieben Barack“ sagt, er könne das Problem doch auch lösen! Seite 3
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