Hotzenplotz räubert im Comic-Wald

Coburger Tageblatt, 16. November 2015
Hotzenplotz
räubert im
Comic-Wald
Das Landestheater Coburg bringt mit
Otfried Preußlers unvergleichlichem Märchen ein
herrliches Stück Theater zum Vergnügen der
ganzen Familie.
PREMIERE
CAROLIN HERRMANN
Coburg — Wie sie im Buche stehen, nämlich bei Otfried Preußler. Genau so wie sie jedem vertraut sind, und zwar nach wie
vor auch den kleinen Kindern
von heute, was die ständig passenden Zwischenrufe bei der
samstäglichen Premiere bewiesen. Und gleichzeitig treten uns
der Räuber Hotzenplotz, der
Kasperl, der Seppel, der Wachtmeister Dimpfelmoser, der Zauberer Petrosilius Zwackelmann,
die Fee Amaryllis und die Großmutter in einer herrlich eigenen,
überraschenden und hinreißenden Form des Landestheaters
Coburg entgegen: Im diesjährigen Weihnachtsmärchen „Der
Räuber Hotzenplotz“ in der einfallsreichen Regie des vielseitigen Schauspielers Thorsten
Köhler. Große Begeisterung bei
Jung und Alt am Samstag nach
dem fast zweistündigen Stück,
das auch die kleinen Kinder mühelos durchhielten.
Otfried Preußlers unverwechselbare Figuren stecken in Coburg in den Bauch und Po und
Lebensfülle betonenden Kostümen von Katharina Lorenz. Es
schlottern die größenwahnsinnigen Schulteraufsätze des völlig
unfähigen
Wachtmeisters
Dimpfelmoser. In dessen bauchige Uniform schlüpft Tom
Wild nicht weniger treffsicher
charakterisierend als in den zauberhaft flatternden Mantel von
Petrosilius Zwackelmann.
Der Räuber Hotzenplotz
kann am Landestheater selbstverständlich kein anderer sein
als Stephan Mertl, einzahnig
wüst, mit vielerlei gefährlichem
Instrumentarium am Riesenbauch und praktischer Popoklappe, gefäääährlich und trotz
all seiner Klauerei doch liebenswert. Nur dass mit der singenden Kaffeemühle von der allerliebsten Großmutter (Anne
Rieckhof), das hätt’ er nicht tun
dürfen.
Bekanntermaßen aber lösen
der gewitzte Kasperl (Denis
Wiencke) und der zum fressen
süße, doofkindliche Seppel (Oliver Baesler) den Fall – wenn
auch mit unglaublich viel Glück
– und erlösen nebenbei auch
noch die Amaryllis (nochmal
entzückend: Anne Rieckhof).
Es sind die wunderbar getroffenen, schwarzweiß gezeichneten und gemalten Bühnenbilder
von Marcel Bontempi, die das
unverwüstliche Märchenspiel
auf eine alle Altersklassen entzückende Ebene heben: die des Comics, die bildhaft konzentriert
so viel Raum für die Fantasie
lässt.
Witzig mit Musik
Räuber Hotzenplotz (Stephan Mertl) in seiner Comic-Welt mit Dimpfelmoser (Tom Wild), Kasperl und Seppel
(Denis Wiencke und Oliver Baesler) und der überraschenden Fee Amaryllis (Anne Rieckhof). Fotos: Andrea Kremper
Dass bei der Premiere am
Samstag übrigens auch erneut
Erwachsene gesichtet wurden,
die ganz unverfroren ohne Kind
zu dieserlei Amüsement gehen –
entspricht einem Trend. Das
Selbstbewusstsein nicht nur von
Kindern generell, sondern auch
von ausgewachsenen Theatergängern nimmt offensichtlich
zu. Dem auch noch Vorschub
leistend, hat das Landestheater
Coburg dieses sehr erheiternde,
Regisseur Torsten Köhler wiederum bedient dieses Genre mit
grotesker, aber wohldosierter
Überzeichnung, die durch Takashi Yamamotos Choreografie
tänzerisch weitergeführt wird,
mit nicht minder witziger Musikeinspielung und mit ironischer Kommentierung, die vom
Bildergalerie
allwissenden Erzähler (Sandrina
Viele weitere Fotos finden Sie bei
Nitschke) mit neugescheiten
uns online
Einlassungen aus dem Off vor allem zum Vergnügen der Erwachsenen die Zustände auf den
coburg.inFranken.de
Punkt bringt.
im Sommer spielende Weihnachtsstück als Schauspiel für
die ganze Familie ausgewiesen.
Was soll ich sagen, es ist tatsächlich sogar geeignet für Familienteile ohne Familie. Worauf ohne
Gewähr hingewiesen sei; für unerwartete psychische Nebenwirkungen bei nicht Altersklassen
entsprechendem Theaterbesuch
wird keine Haftung übernommen.
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Witziges Märchenspiel
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VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED
Landestheater Coburg „Der
Räuber Hotzenplotz“, Familientheater nach Otfried Preußler.
Inszenierung Thorsten Köhler,
Bühne Marcel Bontempi, Kostüme Katharina Lorenz, Video
Steve Michaelis, Choreografie
Takashi Yamamoto, Dramaturgie Carola von Gradulewski.
Darsteller Stephan Mertl
(Hotzenplotz), Denis Wiencke
(Kasperl), Oliver Baesler (Seppel), Tom Wild, Anne Rieckhof.
Weitere Aufführungen Zahlreiche Termine bis Januar. Karten gibt es an der Theaterkasse
sowie bei Touristinfo Coburg,
Coburger Tageblatt, Schuhhaus Appis Bad Rodach, Buchhandlung Stache Neustadt.