ABSTRACT -‐ Dissertation Ortner Christina Wie junge Erwachsene die EU sehen und was Medien dazu beitragen Zur Bedeutung medienvermittelter Erfahrungen für die Entwicklung von Orientierungen österreichischer junger Erwachsener gegenüber der EU In den letzten Jahrzehnten hat sich die EU von einer vorrangig wirtschaftlichen Vereinigung weniger Staaten zu einer politischen Gemeinschaft mit ausgedehntem Geltungsbereich und weitreichenden Kompetenzen entwickelt. Da sich europäische Politik dadurch immer mehr auf das Leben der Menschen in Europa auswirkt, erfordert sie in verstärktem Maße demokratische Legitimität und Rückhalt in der Bevölkerung. Das Verhältnis der EU zu ihren Bürgern und Bürgerinnen stellt sich seit Anfang der 1990er Jahre jedoch als problematisch dar. Gerade Österreich zählt zu den Ländern, in denen die Zustimmung zur EU besonders wenig verbreitet ist. Als zukünftige Bürgerschaft und politische Elite Europas kommt jungen Menschen dabei eine zentrale Rolle zu. Vor diesem Hintergrund interessiert sich die vorliegende Arbeit dafür, wie junge Erwachsene die EU sehen. Ziel ist es, tiefergreifende Einblicke in das Verhältnis junger Österreicher und Österreichinnen zur EU zu erhalten als dies auf Basis bisheriger, ausschließlich quantitativer Umfragen möglich ist. Um dies zu erreichen, werden Orientierungen im Sinne übergreifender Muster aus Interesse, Wissen, Emotionen und Bewertungen aus der subjektiven Perspektive der Betroffenen in den Blick genommen. Darüber hinaus analysiert die Arbeit, wie junge Erwachsene im Zuge alltäglicher Erfahrungen Haltungen gegenüber der EU entwickeln. Da als Folge der Mediatisierung unserer Gesellschaft sowohl politische Kommunikation und Sozialisation als auch das alltägliche Leben junger Menschen wesentlich durch Massenkommunikation geprägt ist, kommt medienvermittelten Erfahrungen dabei eine wesentliche Rolle zu. Ein weiteres Ziel der Arbeit besteht daher darin, das empirische und theoretische Verständnis der Bedeutung medialer Erfahrungen für die Orientierungsbildung zur EU zu erweitern. Anders als in den bisherigen Wirkungsstudien steht dabei das Subjekt mit seinen individuellen Sichtweisen und alltäglichen Erfahrungen im Mittelpunkt. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Orientierungen junger Erwachsener zur EU nur in ihrer subjektiven Bedeutung in dem konkreten Alltagskontext angemessen nachvollziehen lassen, in dem sie gebildet werden. Eine solche Herangehensweise erfordert einen methodologischen Ansatz in der Tradition qualitativer Sozialforschung. Auf der Ebene der konkreten methodischen Umsetzung werden jedoch im Sinne der Triangulation qualitative und quantitative Vorgehensweisen kombiniert. Den Kern bilden problemzentrierte Interviews mit jungen Erwachsenen (n=30), die im Frühjahr und Sommer 2010 in Salzburg und Oberösterreich stattfanden. Die Auswahl der Probanden und Probandinnen orientierte 1 sich dabei am Prinzip größtmöglicher Heterogenität. Um die gezielte Ansprache von Interviewteilnehmern und -‐teilnehmerinnen zu erleichtern und die Reichweite der Studie zu erhöhen, wurde zeitlich etwas vorgelagert eine standardisierte Online-‐Umfrage (n=274) in ganz Österreich durchgeführt. In einem mehrstufigen Auswertungsprozess, der interpretative Zugänge mit quantifizierenden Verfahren kombinierte, wurden die Daten beider Erhebungsschritte systematisch aufeinander bezogen. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist ein vielschichtiges Bild der Orientierungen junger Österreicher und Österreicherinnen zur EU, das sich nicht auf die Verteilung von Interesse, Wissen oder Bewertungen in dieser Gruppe beschränkt, sondern darüber hinaus Einblicke in die konkreten Gedanken, Gefühle, Hoffnungen, Bedenken, Argumente und Beweggründe junger Erwachsener in Bezug auf europäische Integration und Politik gibt. Zudem liefert die Studie Erkenntnisse, wie Orientierungen zur EU im Zuge alltäglicher Erfahrungen entwickelt werden und auf welche Weise medienvermittelte Erfahrungen im Vergleich zu interpersonellen, direkten oder formalen Lernerfahrungen zur Orientierungsbildung beitragen. Indem Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Befragten über mehrere Dimensionen hinweg systematisch verglichen werden, gelingt es, typische Orientierungsmuster und Erfahrungsrepertoires zu identifizieren und so eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Gruppen junger Erwachsener zu ermöglichen. Zudem liefert die Studie zahlreiche Hinweise darauf, welche Kontextfaktoren für Erfahrungen mit der EU und die daraus resultierenden Orientierungen eine Rolle spielen. Auf diese Weise trägt die Arbeit zu einem erweiterten empirischen Verständnis des Gegenstands bei und liefert Anregungen dafür, wie junge Erwachsene als Bürger und Bürgerinnen der EU ernst genommen und verstärkt eingebunden werden können. Durch die Integration sämtlicher Einzelergebnisse vor dem Hintergrund der Ausgangslage lässt sich ein Modell entwerfen, das das theoretische Verständnis von Orientierungsbildung zur EU im Zuge medialer Erfahrungen erweitert. Junge Menschen werden dabei als aktiv Handelnde verstanden, die auf Basis erster Eindrücke Orientierungen zur EU aufbauen, die wiederum auf neuerliche Erfahrungen einwirken. Unter Einbezug alltäglichen Handelns und lebensweltlicher Bedingungen skizziert das Modell das Bedingungsgeflecht, in das erfahrungsbasierte Orientierungsbildung eingebettet ist. Indem Medienerfahrungen dabei in Bezug zu interpersonellen, direkten und formalen Lernerfahrungen mit der EU gesetzt werden, kann eine verkürzte Sichtweise durch Medienzentrismus vermieden werden. 2
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