Nachrichten der AWA | 17 Jahrestagung der AWA in St. Pölten am 2./3.10.2015 Bei bestem Wetter mit Sonnenschein spätsommerlichen Temperaturen trafen sich rund 280 Teilnehmer im Cityhotel Design & Classic in Sankt Pölten am 2. und 3. Oktober zur 17. Jahrestagung der AWA. Das Ulcus cruris in all seinen Facetten In ihrem Grußwort freute sich die Präsidentin der AWA 2015, Frau Sonja Koller , MBA, darüber, dass zum ersten Mal in der Geschichte der AWA, eine Pflegeperson eine Tagung ausrichten darf und stellte das Thema des Kongresses „Ulcus cruris in all seinen Facetten“ vor. Mit anschaulichen Fotos aus der Natur zeigte sie die vielen Möglichkeiten zur Therapie auf. Dermatologie – das „komische“ Ulkus In der ersten Sitzung ging es um dermatologische Aspekte beim Ulkus. Prim. Univ.Prof. Dr. Robert Müllegger aus der Wiener Neustedt stellte das Krankheitsbild des Pyoderma gangränosum vor. Diese seltene, solitäre oder multiple, chronisch-progrediente, Dermatitis bildet spontan- oder druckschmerzhafte, großflächige, häufig die Grenzen des Hautorgans zur Tiefe überschreitende, polyzyk- lische, ulzerierende Areale. Bei Kindern treten die Ulzera auch im Gesäßbereich auf. Häufig assoziiert sind diverse Systemerkrankungen. Die Ätiologie ist bisher nicht klar bekannt. Diskutiert wird eine Fehlfunktion der neutrophilen Granulozyten. Neuere Ergebnisse weisen auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer abnormen T-Zell-Antwort mit konsekutiver erhöhter Freisetzung von TNF-a hin. Spezifische Laborparameter können zumeist nicht festgestellt werden. Die Therapie erfolgt zunächst als Schmerztherapie, gefolgt von einer Immunsuppression mit Glukokortoiden oder Cyclosporin A. Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger stellte die dermatologischen Fallstricke bei den Diagnosen des „komischen“ Ulkus vor. Er zeigte anhand von Abbildungen Ulzera ungewöhnlicher Genese und betonte, dass es bei der Initialdiagnose sehr wichtig sei, mit allen Sinnen zu arbeiten. Sowohl Erfahrung als auch Augen, Ohren und die Hände (Beine berühren und Puls messen“) sind neben den klassischen Instrumenten wie Duplex-Sonographie und Labor wichtig. Dr. Thomas Eberlein aus Leipzig ging auf Aspekte zu Kontaktallergien und Sen- sibilisierung bei Ulcus-cruris-Patienten ein, die per se ein höheres Risiko für Kontaktsensibilierierung haben. Es ist jedoch oft kriminalistisches Gespür bei der Diagnose nötig, so Dr. Eberlein. Nicht immer führt die Epikutantestung, das bisher einzig geeignete Instrument zur Erkennung eines Kontaktekzems zur richtigen Substanz. Die häufigsten Allergene sind nach wie vor Ätherische Öle, Konservierungsmittel, Emulgatoren, topische Antibiotika und Antiseptika. In der Leitlinie „Ulcus cruris“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie sind besonders risikovolle Kontaktallergene aufgeführt. Im letzten Vortrag dieser Sitzung ging es um die „Haut in Flammen“. Juckreiz ist das am häufigsten auftretende dermatologische Symptom und somit auch ein ständiger Begleiter im Bereich der Wundversorgung wie DGKP WM Oliver Kapferer aus Tirol erläuterte. Rund 10 % der Patienten sind von Juckreiz betroffen. Juckreiz kann direkt und indirekt ausgelöst werden. Häufig kommt es zu dem bekannten Teufelskreis aus Jucken, Kratzen und einer Entzündung (Kratzläsion). Eine Therapie ist auch hier eine Ursachentherapie. Allgemeine Maßnahmen St. Pölten zeigte sich während der Jahrestagung der AWA von seiner sonnigen Seite. Fotos: B. Springer 228 · Wund Management 2015; 9 (6) Nachrichten der AWA wie Vermeidung von Hitze, gewürzten Speisen, Stress sowie gute Hautpflege können helfen. Lymphologie – was tun beim „dicken Bein“? Nach einer Kaffeepause ging es mit einer lymphologischen Sitzung weiter. Zunächst gab Frau Dr. Melanie Wohlgenannt aus Innsbruck einen Überblick über die Differenzierung von Lymph-, Lip- und Phlebödem sowie deren jeweilige Therapie. Zum Management von Lymphödemerkrankungen sprach Oberarzt Dr. Gert Apich aus Wolfsberg. Die Therapie der Wahl beim Lymphödem ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) mit Hautsanierung, -Pflege, manueller Lymphdrainage, Kompressionstherapie und Bewegungstherapie sowie die operative Therapie. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Patientenschulung gelegt werden. Für die optimale Versorgung sollte ein multidisziplinär aufgestelltes Team aus Ärzten, Fachtherapeuten und Pflegepersonal mit Wundmanagementausbildung zur Verfügung stehen. Abschließend in der Sitzung zeigte Univ.-Prof. Dr. Erich Brenner neue Ansichten des Lymphsystems. Dabei zeigte er, dass viele Erkenntnisse, die als neu galten, schon zum Teil von 2 bis 3 Jahrhunderten bekannt waren, wie zum Beispiel die Rolle der Lymphknoten bei der Rückführung der Lymphe und der Lymphgefäße in der Hirnhaut. Arterien – keine Heilung ohne optimale „Blutversorgung“ Der Nachmittag begann mit einem Vortrag von Herrn Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Hölzenbein zur arteriellen Verschlusskrankheit. Die chronische Extremitätenischämie aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit gehört zu den Der Gesellschaftsabend fand im rustikalen Ambienten der Burgruine Aggstein statt. Foto: B. Springer häufigsten Erkrankungen im Bereich der Gefäßmedizin. Dr. Hölzenbein stellte Therapien vor wie lumeneröffnenden Maßnahmen, Bypasschirugie und perkutane transluminale Angioplastie. Danach sprach Prim.-Univ.-Prof. Dr. Mirko Hirschl aus Wien zum Raynaud-Syndrom und Frau DGKS, AZWM Brigitte Wirth über die Lebensqualität bei pAVK. Es wurden die verschiedenen Assessmentinstrumente zur Messung der Lebensqualität vorgestellt. Über die Praktikabilität dieser Assessmentinstrumente wurde anschließend viel diskutiert. Wichtig ist, dass über die Lebensqualität der Betroffenen gesprochen und darauf eingegangen wird. Aktuelles vom „Spülen, Schäumen, Pflegen und Wickeln“ Am zweiten Tag ging es zunächst um die antimikrobielle Wirkung von Wundspüllösungen an chronischen Wunden. DGKP Gerhard Kammerlander stellte aktuelle und bisher unveröffentlichte Studienergebnisse dazu vor. Es zeigte sich eine große Bandbreite der Fähigkeit zur Reduktion von Bakterien an Wunden. Die Einwirkzeit in der Nassphase spielt eine wichtige Rolle und sollte 10 min. nicht unterschreiten. Anschließend erläuterte Frau Dr. Brigitte Schneider aus Melk den Stellenwert der Schaumsklerosierung bei Patienten mit Ulcus cruris. Dabei wird eine Flüssigkeit zur Verödung der Vene, die im Sourcing als Ursache des Ulkus erscheint, mit Luft vermischt eingespritzt. Das ist technisch sehr einfache Verfahren wird seit ca. 2000 als Ergänzungstherapie angewendet. Diese Behandlung ist ambulant und auch bei antikoagulierten Patienten möglich. Zu naturheilkundlichen Methoden zur Pflege von Problemhaut sprachen Marianne Hintner und Hermann Schlögl aus Frau Veronika Gerber (Mitte), Vorsitzende der Initiative Chronische Wunden e. V., erhält von Frau Sonja Koller und Herrn Prim.Univ.-Prof. Dr. Robert Strohal die Urkunde als korrespondierendes Mitglied der AWA. Foto: B. Springer Innsbruck. Hierbei kommen Heiltees, Wickel und Kompressen, spezielle rhythmische Einreibungen und die Aromapflege zum Einsatz. Bei letzterer wirken die ätherischen Öle sowohl auf körperlicher als auch auf seelischer Ebene (durch Duftimpulse wird das limbische System stimuliert). Venen – soviel „Aufsehen um eine Vene“? Diese Sitzung begann mit dem Vortrag von dem anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet der Kompression, Univ.-Prof. Dr. Hugo Partsch zum Thema des richtigen Druckes. Beim „physiologischen“ Ödem am Abend ist ein niedriger Druck von 5 mmHg bereits wirksam. Partsch gab einen umfassenden Überblick zum Kompressionsdruck bei verschiedenen Anwendungen. Kompresssion mit niedrigen Drücken von < 20 mmHg ist sinnvoll bei Thromoseprophylaxe-Strümpfe, als Ödem Prävention und begleitend bei AVK und kardialen Ödemen. Der mittlere Druck von 20–40 mmHg wird bei gemischten Ulzera und beim Arm-Lymphöden verwendet und hohe Drücke werden bei venösen Ulzera, Lymphödemen der Beine, nach Varizeneingriffen und großen Schwellungen der Beine angewendet. Wichtig ist die richtige (Wickel)technik. OA Dr. Alfred Obermayer aus Melk widmete sich in seinem Vortrag der funktionellen Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. Zuvor gab es noch Erläuterungen zur Sitzung der Allergien bei Wundpatienten. In seinem lebhaft gestalteten Vortrag wurde der von Dr. Obermayer geprägte Begriff „Sourcing“ (Erfassen von ursächlichen Refluxstrecken mittels Duplex - Zitat AO) erklärt und mit einWund Management 2015; 9 (6) ·229 Nachrichten der AWA drücklichen Videosequenzen hinterlegt. OA Frau Dr. Maria Michaelidou aus St. Pölten stellte Plastisch-chirurgische Therapiekonzepte bei der Versorgung des chronisch-venösen Ulkus vor. Sie sagte, dass es keine echten Richtlinien und Algorithmen zur Therapie gibt und dass die Ursache des chronisch-venösen Ulkus nur plastisch-chirurgisch nicht behoben werden kann. Eine plastisch-chirurgische Deckung ist speziellen Situationen vorbehalten und nur sinnvoll, wenn der venöse Rückstau beseitigt und eine nachfolgende konsequente Kompressionsbehandlung gewährleistet ist. Dr. Markus Goller aus Melk zeigte in seinem Vortrag Fallstricke in der Diagnostik und Behandlung anhand eines Case Reports auf. Ebenso, welche verschiedensten Institutionen durchlaufen werden, wie viele verschiedenste Krankenhausaufenthalte es benötigt hat, bis es letztendlich zur Behandlung der Ursache und nachfolgend zu einer Abheilung kam. Es wurde auch auf die Situation der Betroffenen eingegangen, physisch, psychischer Zustand. Zum Abschluss dieser Sitzung hielt Frau Brigitte Wirth einen sehr bedachten Vortrag zum Thema Palliative Wundversorgung. Urkunden und Preisverleihungen Im Rahmen der Jahrestagung wurden Frau Veronika Gerber als Vorsitzender der Initiative Chronische Wunden e. V und Herrn PD Dr. Severin Läuchli, dem amtierenden Präsidenten der European Wound Management Association Urkunden als korrespondierende Mitglieder der AWA verliehen. Als bestes Poster wurde der Beitrag von Dr. Markus Duft mit dem Titel „Gelbildende Wundauflagen auf dem Prüfstand – ist die Eierlegende Wollmilchsau geboren?“ gewürdigt. Wir gratulieren recht herzlich! Dr. Barbara Springer, Redaktion MBA Sonja Koller, Melk 230 · Wund Management 2015; 9 (6)
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