Auswirkungen von BilMoG im Jahresabschluss

Grundlagen der Betriebsratsarbeit
Auswirkungen von BilMoG im Jahresabschluss
Auswirkungen von BilMoG im
Jahresabschluss
Auch ein Thema für ArbeitnehmervertreterInnen
Die in den letzten Monaten veröffentlichten Jahresabschlüsse für 2010 mussten erstmalig1 nach den Regeln des
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) aufgestellt
werden. Um diese »größte Reform seit dem Bilanzrichtliniengesetz 1985« gab es in den vergangenen Jahren viel
Wirbel. Was ist daraus im ersten Anwendungsjahr geworden?
Hierzu finden Sie im Internet:
Das BilMoG im Volltext
Die nachfolgenden Bemerkungen geben einige Eindrücke
wieder, die EWR Consulting aus der Analyse einer Reihe
von Jahresabschlüssen der letzten Geschäftsjahre (2009/10
oder 2010) gewonnen hat. Repräsentativ sind diese Eindrücke – alleine schon aufgrund der Beschränkung auf
bestimmte Branchen – sicherlich nicht. Sie geben jedoch
unseres Erachtens Tendenzen wieder, die den Umgang mit
den neuen Regelungen zeigen. Mit diesem Beitrag möchten wir auf Basis unserer Erfahrungen den Kolleginnen und
Kollegen in Wirtschaftsausschüssen, die ihre Jahresabschlusssitzung 2010 noch vor sich haben, einige Hinweise
geben, wo sie die Auswirkungen von BilMoG auf den Jahresabschluss »ihres« Unternehmens sehen und wie sie sie
einschätzen können.
Andere Bewertung
Durch BilMoG werden materiell gleich bleibende Aktiva
und Passiva anders bewertet. So ändert sich etwa bei der
betrieblichen Altersversorgung nichts, wenn die dafür jährlich zu bildenden Rückstellungen anders ermittelt werden.
Oder: Aufwendungen für Produktentwicklungen hatten die
Unternehmen schon früher, durften sie aber nicht als Aktivposten in der Bilanz zeigen. Die neuen Vorschriften erlauben dies. Bewertungsänderungen identischer Tatbestände
kennt man auch in anderen Lebensbereichen: Wurst etwa
wird nicht dadurch fetter, dass der Fettgehalt angegeben
1
Eine freiwillige Anwendung war schon für Geschäftsjahre ab dem 31.12.2008
möglich.
wird; die Einstellung der Verbraucher verändert sich dadurch aber sehr wohl.
Bei zwingenden Vorschriften zeigen sich die Umstellungseffekte durch BilMoG im Jahr 2010. Die neuen Wahlrechte
können hingegen auch erst in den Folgejahren angewandt
werden. Die Auswirkungen der Umstellung betreffen in der
Regel nicht nur das Jahr der Erstanwendung, sondern auch
die Folgejahre. Beispielsweise können die Umstellungseffekte der Pensionsrückstellungen auf bis zu 15 Jahre verteilt
werden. Ebenso zieht eine Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen in den Folgejahren Abschreibungen nach sich.
Die umfängliche Literatur zu BilMoG steigt in die Umstellung von der alten auf die neue Rechnungslegung in der
Regel mit der bilanzpolitischen Frage ein, ob ein möglichst
hohes Eigenkapital und/oder Ergebnis und damit verbunden in den Folgejahren höhere Ergebnisbelastungen beabsichtigt sind, oder ob künftige ergebnismindernde Effekte
durch die Beibehaltung bisheriger Wertansätze vermieden
werden sollen.
Die zweite Alternative ist auch diejenige, die mit dem geringsten Umstellungsaufwand verbunden ist, was unserem
Eindruck nach wohl für die meisten Unternehmen ausschlaggebend war.
Die Mehrzahl der von uns analysierten Unternehmen scheinen in BilMoG keinen Anlass gesehen zu haben, sich mehr
bilanzpolitische Gedanken zu machen als bei früheren Jahresabschlüssen. Sie beschränken sich auf die Umsetzung
der zwingend vorgeschriebenen Änderungen – und das
war’s im Wesentlichen.
Bei nur wenigen der von uns analysierten Unternehmen
wurde deutlich, dass sie durch die Ausübung von Wahlrechten ein bilanzpolitisches Ziel zu erreichen versuchten.
Dies bestand überwiegend in der Verbesserung des Ergebnisses und der Eigenkapitalbasis. Dies war – nach unserem
zugegebenermaßen nicht repräsentativen Eindruck – dann
der Fall, wenn die Unternehmen nach den alten Vorschriften vermutlich niedrige Gewinne oder sogar Verluste ausgewiesen hätten.
Welche BilMoG-Regelungen zeigen die größte
Auswirkung im Jahresabschluss?
Am häufigsten ist die Darstellung der Pensionsrückstellungen von den BilMoG-Vorschriften betroffen. Die AnwenAiB 2011 Heft 8-9
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dung des jetzt vorgeschriebenen Marktzinssatzes (ca.
5,2 %) anstelle des bisherigen steuerrelevanten Satzes von
6,0 % führt zu einem höheren Aufwand, der als außerordentlicher Aufwand auszuweisen ist.
... auf der Passivseite der Bilanz
Der umstellungsbedingte Aufwand kann auf bis zu 15 Jahres verteilt werden, was aber nur eine Minderheit der von
uns analysierten Unternehmen getan hat. Die Mehrheit hat
den zusätzlichen Aufwand 2010 verbucht.
Der Ausweis des Zinsanteils der Pensionsrückstellungen
unter dem Finanzergebnis erfolgte bei nahezu sämtlichen
Unternehmen bereits in den Vorjahren, so dass diese Vorschrift des BilMoG nur die bereits gängige Praxis der Rechnungslegung nachvollzieht. Erhebliche Auswirkungen hat
die Saldierungsvorschrift bei denjenigen Unternehmen, die
für ihre Pensionsverpflichtungen externes Deckungskapital
einsetzen. Nach BilMoG sind die Pensionsverpflichtungen
nämlich mit dem dafür vorgesehenen Deckungskapital zu
saldieren, so dass in der Bilanz nur noch die verbleibenden
»echten« Verpflichtungen ausgewiesen werden. Dies führt
zu einer mitunter starken Verkürzung der Bilanzsumme
und einer Zunahme der Eigenkapitalquote. Da die Unternehmen hier keinen bilanzpolitischen Spielraum (Wahlrecht) haben, hängt der Umfang der Bilanzverkürzung von
früher getroffenen Entscheidungen über die Sicherung der
Pensionsansprüche ab. Die Saldierungsvorschrift gilt auch
für Altersteilzeitrückstellungen. Bei einer Minderheit von
Unternehmen war das dafür reservierte Deckungsvermögen höher als die entsprechenden Verpflichtungen. Dieser
überschießende Betrag wird dann als »aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung« auf der Aktivseite ausgewiesen. Die Vorschrift einer Abzinsung der
sonstigen langfristigen Rückstellungen und die Auflösung
von Aufwandsrückstellungen spielt bei den Unternehmen
insgesamt nur eine untergeordnete Rolle, was seinen
Grund darin hat, dass der überwiegende Teil der Rückstellungen kurzfristig, d.h. in weniger als einem Jahr fällig ist.
In einem Fall hat sich gezeigt, dass durch die Ausübung
von Wahlrechten das Ergebnis verringert wurde, um Druck
auf die Belegschaft auszuüben. Hier wurde der außerordentliche Aufwand aus der Umstellung der Pensionsrückstellungen auf fünf – statt der möglichen 15 – Jahre verteilt.
Daraus ergeben sich in den nächsten Jahren höhere Personalaufwendungen. Um sie auszugleichen, forderte die Geschäftsleitung von den Beschäftigten entsprechende Verzichte. An diesem Beispiel zeigt sich, dass BilMoG und
seine betriebliche Handhabung auch unmittelbare Auswirkungen auf die Beschäftigten haben kann.
... auf der Aktivseite der Bilanz
Durch BilMoG besteht ein Wahlrecht, Aufwendungen für
die Entwicklung neuer Produkte – nicht aber die für For538
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Auswirkungen von BilMoG im Jahresabschluss
schung – zu aktivieren. D.h., dass Personal- und Materialaufwendungen, Abschreibungen usw., die im Rahmen einer
Entwicklungstätigkeit anfallen, nicht in der Gewinn- und
Verlustrechnung als Aufwand verbucht, sondern in der
Bilanz angesammelt werden, bis die Entwicklungstätigkeit
für das jeweilige Produkt abgeschlossen ist. Erst dann erfolgt über die Abschreibungen dieses Betrags die Ergebnisbelastung.
Durch die Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen werden Ergebnis und Eigenkapital im jeweiligen Geschäftsjahr
höher ausgewiesen, was eine positivere Beurteilungen
durch Dritte – Kapitalgeber, Lieferanten usw. – bewirken
kann. Der Effekt ist jedoch davon abhängig, dass sich die
Eigenanzeige
Laßmann/Rupp
Handbuch Wirtschaftsausschuss
Handlungsmöglichkeiten für eine aktive Informationspolitik
2011, 427 Seiten, 8. Auflage, Bund-Verlag
ISBN: 978-3-7663-6082-3
34,90 EUR
positiven Erwartungen auch erfüllen. Zeichnet sich nämlich
ab, dass die Neuentwicklungen wider Erwarten nicht zur
Marktreife gelangen, so sind entsprechend Wertberichtigungen vorzunehmen, die den positiven Effekt ins Gegenteil verkehren können.
Von der Kann-Vorschrift, aktive latente Steuern anzusetzen,
haben die Unternehmen mehrheitlich Gebrauch gemacht,
wobei jedoch auf solche aus Verlustvorträgen weitgehend
verzichtet wurde. Voraussetzung für die Berücksichtigung
steuerlicher Verlustvorträge bei der Berechnung aktiver
latenter Steuern ist nämlich, dass die Verlustvorträge innerhalb der nächsten fünf Geschäftsjahre realisiert werden
können, was bedeutet, dass in dieser Frist entsprechend
hohe Gewinne erwartet werden. Ähnlich wie die Entwicklungsaufwendungen sind auch die aktiven latenten Steuern
auf Verlustvorträge wert zu berichtigen, wenn sich die Gewinnerwartungen eintrüben und die Verlustvorträge nicht
mehr genutzt werden können. Die mehrheitlich unterbliebene Berücksichtigung von Verlustvorträgen zeigt, dass die
Unternehmen an der bisherigen konservativen Bilanzierungspraxis festhalten und keine Zukunftshoffnungen bilanzieren.
Die ausgewiesenen aktiven latenten Steuern beschränken
sich daher vor allem auf Abweichungen von Handels- und
Steuerbilanz – zum Beispiel infolge unterschiedlicher Zinssätze bei den Pensionsrückstellungen oder Drohverlustrückstellungen, die in der Handelsbilanz, nicht aber in der
Steuerbilanz gebildet werden dürfen.
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In der Regel sind im Wirtschaftsprüfbericht unter der Position »Grundsätzliche Feststellungen zum Jahresabschluss«
die Hinweise über Anwendung und Auswirkungen von
BilMoG auf den Jahresabschluss zusammenfasst.
... im Anhang und im Wirtschaftsprüfbericht
Darüber hinaus sind sie oftmals noch in einem gesonderten Abschnitt des Wirtschaftsprüfberichts »Auswirkungen
des BilMoG« oder »Bewertungsänderungen« weitergehend
erläutert. Eine vergleichbare Darstellung findet sich entweder zusammengefasst und/oder bei den einzelnen Positionen im Anhang. Ertrags- bzw. aufwandswirksame Umstellungseffekte sind im außerordentlichen Ergebnis der
Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen. In der Bilanz
zeigen sich die Umstellungseffekte im Eigenkapital. Die
Darstellung der Umstellungseffekte fällt jedoch sehr unterschiedlich aus. Bei einigen wenigen Unternehmen geht die
Neigung, sich mit BilMoG nicht mehr als unvermeidlich abzugeben, so weit, dass die entsprechenden Angaben nicht
zusammenfassend dargestellt sind, sondern sich verstreut
im Jahresabschluss und Wirtschaftsprüfbericht finden. Die
in Anspruch genommenen Wahlrechte werden nicht explizit
genannt.
Der lustlose Umgang mit BilMoG dürfte nicht zuletzt mit
dem Aufschwung in 2010 zusammenhängen. Vielen Unternehmen hat er wieder deutlich höhere Umsätze und Gewinne beschert, so dass es kaum Anlass gab, bilanzpolitisch nachzuhelfen. Für diese Vermutung spricht, dass vor
allem diejenigen Unternehmen von den bilanzpolitischen
Möglichkeiten der BilMoG-Umstellung Gebrauch gemacht
haben, die nach den alten Regeln 2010 vermutlich einen
Verlust hätten ausweisen müssen. Salopper formuliert: BilMoG hat denjenigen Unternehmen, die 2010 bereits wieder
hohe Gewinne erzielten, geholfen, sie leicht zu reduzieren
– vor allem durch die Verbuchung der höheren Pensionsrückstellungen als Einmalaufwand. Denjenigen Unternehmen, denen die Krise noch in der Bilanz steckte, bescherte
BilMoG die Chance, sich als ebenfalls vom allgemeinen
konjunkturellen Aufschwung ergriffen darzustellen.
Handlungsmöglichkeiten des Wirtschaftsausschusses
Zusammenfassend sollte der Wirtschaftsausschuss gerade
für das Geschäftsjahr 2010 einen genauen Blick in den Jahresabschluss werfen. Insbesondere bei Unternehmen, die
die BilMoG-Umstellung eher unter dem Gesichtspunkt der
Minimierung des damit verbundenen Aufwands betrieben
haben, sind – gegebenenfalls mit der Geschäftsführung,
Auswirkungen von BilMoG im Jahresabschluss
dem Wirtschaftsprüfer oder auch mit einem externen Sachverständigen – folgende Fragen zu klären:
Fragen:
Bei welchen Positionen führte die Anwendung von BilMoG zu
Bewertungsänderungen gegenüber den Vorjahren?
Wie teilen sich diese Positionen auf Wahlrechte oder verpflichtende Anwendung?
Wie wären die Positionen nach altem Recht bewertet worden?
Welche Auswirkungen zeigen die Änderungen auf
– den aktuell vorliegenden Jahresabschluss?
– die zukünftigen Jahresabschlüsse?
Gibt es Auswirkungen auf eventuell bestehende Vereinbarungen
mit ergebnisabhängigen Komponenten, z.B. Bonusregelungen?
Wenn ja, wie wird mit Umstellungseffekten aus BilMoG umgegangen?
Die Kernfrage für den Wirtschaftsausschuss scheint uns:
»In welchem Ausmaß ist die im Jahresabschluss dokumentierte Geschäftsentwicklung durch die Erstanwendung von
BilMoG geprägt?« Wenn Anlass zu der Vermutung besteht,
dass diese Auswirkungen nicht geringfügig sind, so ist eine
intensive Auseinandersetzung im Wirtschaftsausschuss mit
den genannten Fragen anzuraten. Hat das Unternehmen
Entwicklungsaufwendungen aktiviert oder Verlustvorträge
bei den latenten Steuern berücksichtigt, so sollte der darin
zum Ausdruck kommende Optimismus hinterfragt werden.
Fazit
Der Beitrag fasst erste Eindrücke über die Anwendung von
BilMoG in den aktuellen Jahresabschlüssen zusammen. Bei
der Mehrzahl der Unternehmen reduziert sich BilMoG auf
die Umsetzung der zwingend vorgeschriebenen Neuerungen. Die vom alten Bilanzrecht geprägte konservative
Bilanzierungspraxis wurde weitgehend beibehalten. Die
zwingenden Änderungen betreffen in erster Linie den Ausweis der Pensionsverpflichtungen. Deren veränderte Ermittlung und Darstellung berührt jedoch nicht die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter. Wo die Wahlrechte einer
Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen oder der Berücksichtigung von Verlustvorträgen bei den latenten
Steuern wahrgenommen werden, stellt sich die Frage nach
den Voraussetzungen.
Dr. Joachim Eisbach, Berater, EWR Consulting GmbH,
Andrea Rothkegel Beraterin und Geschäftsführerin,
EWR Consulting GmbH, Sandra Schneider, Beraterin,
EWR Consulting GmbH.
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