wolfurter spaziergänge – wasserwerke am

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WOLFURTER SPAZIERGÄNGE – WASSERWERKE AM IPPACH-BACH – 11.10.2015
Die Mühlen im Holz
Richard Eberle
1. Vorgeschichte zu Schloss und Mühlen im Holz
Auf Wolfurter Gebiet lagen im Hochmittelalter zwei den Udalrichinger Grafen
von Bregenz gehörende Höfe: Der „Hof zur Steig“ in Rickenbach und der
„Kellhof“, dessen Zentrum das heutige Kirchdorf von Wolfurt bildete. Durch
Erbteilung kamen der Kellhof schon 1040 in den Besitz der Grafen von
Pfullendorf. Der letzte Pfullendorfer vermachte nach 1167 den Kellhof und die
dazugehörige Kapelle an Kaiser Friedrich Barbarossa. – Diese Geschichte
kann im Buch „Pfarre Wolfurt St. Nikolaus 1512 - 2012“ detaillierter
nachgelesen werden.
Der Stauferkaiser ließ um 1180 oberhalb des Kellhofs eine Burg errichten, die
sowohl seinen Hof samt Eigenleuten in Wolfurt als auch den Zugangsweg zu
seinen Besitzungen im Bregenzerwald (Schwarzenberg und Egg) schützen
sollte.
Schloss Wolfurt um 1960
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Der Dorfbach, der nördlichste der sieben Bäche, die über Wolfurter
Gemeindegebiet fließen, konnte das Kirchdorf über Jahrhunderte mit Trink-,
Viehtränk- und Waschwasser versorgen. Für einen Mühlenbetrieb reichte das
Wasserangebot und Gefälle aber nicht aus. Daher sind die Mühlen für das
Wolfurter Kirchdorf am Ippachbach in der Parzelle Holz entstanden. Dieser
Bach lieferte mehr Wasser und das in Stufen abfallende Gelände ermöglichte
schon vor Jahrhunderten den Bau eines Stauweihers, der heute als
„Schlossweiher“ bezeichnet wird.
Das älteste Dokument, in dem eine Mühle im Holz erwähnt wird ist nur zehn
Jahre jünger als die erste Nennung von Rickenbach bzw. vierzig Jahre
jünger als die erste Nennung des Ortsnamens Wolfurt. In einer von der
Äbtissin des Klosters und Hospitals Lindau gesiegelten Urkunde tat am 5.
Dezember 1259 der Bruder Heinrich als Prokurator des Lindauer Hospitals
kund, dass ihm ein Herr B. von Wolfurt – vermutlich einer der Ritter auf der
Burg – die mittlere Mühle in Wolfurt verkauft habe.
Dass die Mühlen über Jahrhunderte eng mit dem Schloss verbunden waren
bzw. zum Schlossgut gehörten, lässt sich ebenfalls über mehrere Dokumente
belegen. Unser Wissen über die Mühlen und die Müller am Ippachbach
nimmt mit zunehmender Dokumentendichte ab etwa 1700 stark zu. In
Schuldbriefen aus dem 18. Jahrhundert lassen sich durch die darin
angegebenen Nachbarn und Angrenzer auch die Standorte in der Parzelle
Holz sehr genau bestimmen. Zwei Mühlen standen unterhalb des Weihers an
der steilen nördlichen Flanke des Tobels, eine dritte, eine kleine
Stampfmühle weiter bachabwärts.
2. „im Holz“ – eine uralte Wolfurter Bergparzelle
Die Parzelle Holz besteht bis in die heutige Zeit aus nur fünf Häusern. Die
drei hintereinander stehenden Häuser an der Straße zur alten Schmiede
bilden den eigentlichen und alten Kern. Sie standen schon vor über 250
Jahren an diesem Ort. Die zwei entfernter stehenden – Im Holz 4 („Mäsers“)
und Im Holz 8 („Kompatschers“) – wurden erst 1841 bzw. 1838 auf den
idyllisch gelegenen Hügeln östlich des Weilers erbaut.
Die zwei Mahlmühlen waren mit zwei der drei alten Anwesen verbunden.
Deren Besitzer übten über viele Generationen neben ihrer eigenen
Landwirtschaft das Gewerbe der Mahlmüllerei oder Lohnmüllerei aus. Der
Franzisceische Kataster von 1857 zeigt die Parzelle Holz, in der neben den
drei Wohnhäusern die 1852 erbaute Hammerschmiede Jakob Böhler und die
beiden heute verschwundenen Mahlmühlen dargestellt sind.
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Der Weiler Holz im Kataster von 1857
3. Daten der Mühlen
Die Obere Holzmühle gehörte zum „Böhler-Haus“, Im Holz 3. Ihre
Entstehung soll „in die Zeit der Junker vom nahen Schloss fallen“. In ihr soll
sich über Jahrhunderte auch eine eigene Müllerwohnung befunden haben.
Franisceischer Kataster 1857:
GPZ 96
342 Quadratklafter Weide mit Holznutzen
BPZ 145
Wirtschaftsgebäude Mahlmühle
Eigentümer war 1772 Johann Georg Stadelmann, danach betrieben sie seine
Witwe und Söhne weiter. Der älteste Sohn, Johann, übernahm später die
Kesselmühle in Rickenbach, während der jüngste Sohn, Rochus, die
Holzmühle weiter betrieb. Von dessen neun Kindern heiratete nur die
Tochter Elisabeth. Deren Gatte Jakob Böhler übernahm das gesamte
Anwesen und baute 1852 oberhalb des ihm gehörenden Stauweihers die
Hammerschmiede.
Die Obere Holzmühle wurde von den Brüdern Adolf und August Böhler um
1900 auf Turbinenbetrieb umgerüstet und beherbergte neben der
Mahlmühle auch zwei Gerstenstampfe. Ursprünglich als Kornmühle für den
lokal angebauten Dinkel genutzt, wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg nur
noch als Lohnmühle zum Mahlen des „Türkens“ zu Stopfermehl eingesetzt.
Anfang der 1930er Jahre stellten die Böhler-Brüder den Mühlenbetrieb ein.
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Die Untere Holzmühle gehörte zum „Gunz-Haus“, Im Holz 1. Sie dürfte
etwas jünger gewesen sein, aber lässt sich schon um 1700 nachweisen. Sie
hatte keine Eigentumsrechte am Stauweiher, jedoch das Recht, das von der
oberen Mühle abfließende Wasser zu nutzen.
Franisceischer Kataster 1857:
GPZ 86
321 Quadratklafter Weide mit Holznutzen
BPZ 149
Wirtschaftsgebäude Mahlmühle
Die Eigentümer kamen über mindestens vier Generationen aus der Familie
Schwärzler – vulgo „Holzmüllars“. Die Antriebskraft lieferte ein Wasserrad,
das im inneren der Mühle drei verschiedene Mühlgänge antreiben konnte.
1860 wurde die Mühle als „Türkenmühle“ – als Maismühle – bezeichnet. Der
letzte Holzmüller stellte den Mühlbetrieb schon vor dem Ersten Weltkrieg
ein. Auf Bildern von 1918 sieht man bereits deutliche Verfallserscheinungen.
In den 1930er Jahren waren nur noch die Grundmauern zu sehen, die heute
restlos verschwunden sind.
Untere Holzmühle 1919
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Der Lohr-Stampf im Tobel gehörte ebenfalls der Familie SchwärzlerHolzmüllars. Das schon 1857 auf einer bewaldeten Grundparzelle stehende
Gebäude war so klein, dass es bei der Anlage des Katasters keine eigene
Bauparzellen-Nummer erhielt. Der Stampf dürfte die erste
Wasserkraftanlage am Ippachbach gewesen sein, die – vermutlich schon um
1870 – dem Verfall preisgegeben wurde.
4. Die „Zeugschmiede“ Böhler
Gleich nachdem Jakob Böhler das Mühlenanwesen seines Schwiegervaters
Rochus Stadelmann übernommen hatte, begann er mit dem Bau einer
Hammerschmiede, um darin seinen Beruf als Werkzeugschmied ausüben zu
können. Dadurch löste er einen heftigen Rechtsstreit mit Johann Schwärzler,
dem Müller auf der Unteren Holzmühle aus. Dieser glaubte, durch die
veränderte Wasserzuleitung in den Stauweiher Nachteile zu erleiden. Obwohl
die neue, unterirdische Holz-Deuchelleitung die Wasserversorgung im Winter
verbesserte, wehrte Schwärzler sich vehement gegen die Auflassung der etwa
90 Meter langen, oberirdischen „Kähner“-Leitung aus dem Graben, der das
Hinterfeld entwässerte. Nach vielen Behördeneingaben und einem vor Gericht
ausgetragenen Rechtsstreit erhielt Böhler die Genehmigung für seine
Schmiedewerkstatt.
So fertigte der „Zeugschmied“ im Holz ab 1853 vor allem landwirtschaftliche
Geräte und Werkzeuge für die Waldarbeit. Hauen, Spaten, Schaufeln, Beile,
Äxte, Spaltkeil-Spitzen und Holzbohrer waren anfangs die Hauptprodukte der
Schmiede. Daneben
führte
Jakob Böhler aber
auch
normale
Schlosserarbeiten aus, um „die hungrigen Mäuler von elf Kindern stopfen“ zu
können. Von den sechs Söhnen, die das Erwachsenenalter erreichten,
schlossen fünf eine Lehre als Schmied, Schlosser oder Mechaniker im
väterlichen Betrieb ab.
Neben dem Werkzeugbedarf der Land- und Forstwirte erzeugten die BöhlerSchmiede auch so genannte „Massenartikel“. So stammten die Pilotenspitzen,
die 1871 für die Fundamentierung des Bregenzer Bahnhofs benötigt wurden,
ebenso aus der Hammerschmiede im Holz wie tausende Schlegel, Hämmer
und Brecheisen für den Arlbergbahnbau. Sogar ins Ausland exportierten die
Werkzeugschmiede ihre Spezialitäten. In der nahen Schweiz und in Bayern
gab es viele Kunden, größere Mengen an Holzbohrern lieferten sie nach
Ungarn, geschmiedete Drehstähle nach Mähren und eine Lieferung von
„Kapselstöckchen“ wurde über den Atlantik nach Amerika verschifft.
Der bekannte Werkzeugmacher-Betrieb beteiligte sich auch an der 1887
erstmals stattfindenden „Vorarlbergischen Landes-Ausstellung“ in Bregenz.
Um dem Publikum dieser Großveranstaltung die breite Palette ihrer
Produktion näherzubringen, präsentierten sie eine von ihnen hergestellte
Fleischwiege für Wurstereien, ein Schlacht- und ein Aushaubeil, sieben
verschiedene Bohrer und zwei Paar Wagenachsen.
1892 übergab der Vater seinen Betrieb an die drei Söhne August (*1852), Adolf
(*1854) und Rochus (*1865). Der letztgenannte schied aber einige Jahre später
aus dem Gemeinschaftsunternehmen aus.
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Die Zeugschmiede Adolf und August Böhler
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Neben den genannten Schmiedeteilen fertigten sie als Spezialität auch
Brenneisen“ zur Kennzeichnung von Holzteilen mit dem Namen oder Initialen
der Besitzer. Viele hundert Probebrennungen auf der heute noch erhaltenen
Werkstatttüre und den Fensterläden zeugen von der Vielfalt der individuell
gefertigten Brennstempel. Die Böhler-Schmiede bildeten weiterhin Lehrlinge
aus, von denen über zwanzig im ganzen Land später ihre eigenen Betriebe
gründeten. Vor dem Ersten Weltkrieg war die Schmiede im Holz so gut
ausgelastet, dass Böhlers die Schmiedekohle sogar waggonweise anliefern und
ins Holz transportieren ließen.
Da der abgelegene Weiler Holz bis in die 1930er Jahre nicht an das Stromnetz
des E-Werks Albert Loacker angeschlossen wurde, blieb die Wasserkraft die
einzige Antriebsenergie der Maschinen in der Böhler-Schmiede. Der schwere
Hammer wurde von einem oberschlächtigen Wasserrad mit 3 m Durchmesser
angetrieben. Die Energie für den Blasebalg und eine Drehbank lieferte ein
zweites Wasserrad, das direkt am Weiher stand und seine Kraft über Exzenter
und eine lange Schubstange in die Werkstatt leitete. Nach 1900 kam als dritte
Kraftquelle eine Wasserturbine zum Einsatz, die einen großen Schleifstein und
weitere Maschinen antrieb.
Trotz guter Beschäftigung wurden die Brüder Böhler aber nicht reich. Aus den
1920er Jahren ist eine Anekdote bekannt: Bei einem Gespräch zweier Bauern
im Oberland sei die Rede auf den Ankauf von landwirtschaftlichen Geräten
gekommen. Da soll der eine zum anderen gesagt haben: „Wenn du nommas
reachts witt, gohst ge Wolfurt, döt sind uff am Berg dom zwoa alte Männdle, dia
machand dera Züg - guat und fast ummasus.“
Über 80 Jahre blieb die Schmiede im Betrieb. 1933 übergaben die zwei
Männer – 79 und 81 jährig – die Schmiede in Pacht in fremde Hände. Der
Pächter, der Mechaniker Rettenhaber, verlegte seine Werkstatt nach dem
Zweiten Weltkrieg nach Lauterach. Das idyllische Ensemble blieb über
Jahrzehnte ein dem Verfall preis gegebenes, aber beliebtes Fotomotiv, bis die
Gemeinde Wolfurt es erwarb und der Alpenverein Wolfurt in tausenden
Arbeitsstunden das Gebäude sanierte und zu einem schmuckes Vereinsheim
umbaute.
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