Bewertungsbogen AUFGABENTYP: Erörterung eines Sachtextes mit Bezug zu einem literarischen Text TEXTGRUNDLAGE: Emilie Schmidt: „Die Gretchentragödie“ – Das Produkt einer theozentrischen Gesellschaft? BEZUG ZU DEN VORGABEN 2016: Epochenumbruch 18./19. Jh. – unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des Dramas – Johann W. von Goethe: Faust I Name: «Name» Aufgabe Der Prüfling 1 formuliert eine aufgabenbezogene Einleitung unter Berücksichtigung von Titel, Autor, Textsorte. «Einl eitun g_3» 3 2 stellt anhand der Argumente den Standpunkt der Autorin dar: • Ausgangsthese: Goethe klagt mit der Gretchentragödie die Gesellschaft seiner Zeit mit ihrer katholisch geprägten Moral an. • Fragestellung: Inwiefern ist die Gesellschaft Schuld am unmoralischen Verhalten Gretchens hat. • Begründung 1: Konservative, katholische Eltern (als exemplarische Eltern der Zeit) halten auch heute noch Kinder von Problemen und von der Außenwelt fern – sie werden dann allerdings gerade wegen der fehlenden Erfahrung oft zu Opfern. Parallele zu Faust: Behütetes Mädchen kann sich gegen Faust nicht zur Wehr setzen und verfällt ihm. • Begründung 2: Gretchen wird dann auch noch zum Gegenstand des gesellschaftlichen Spotts. Der Bruder Gretchens verdeutlicht diese Doppelmoral der Gesellschaft: Schwangere Frauen sind anstößig und lächerlich, mit den Männern hat dies aber nichts zu tun. • Abschluss: Gretchentragödie ist grundsätzlich immer noch aktuell, was sich geändert hat, ist die soziale Ausgrenzung der Frauen. «Arg ume nte_ 8» 8 3 prüft die Argumente der Autorin, indem Wertungen und Einschätzungen begründet dargelegt «Prüf werden. Zum Beispiel können folgende Punkte genannt werden: ung_ • Die Argumentation Schmidts: Schmidt erläutert ihre Ausgangsthese anhand von 15» Beispielen, die zeigen, das gesellschaftliche Strukturen Gretchen vor sich hertreiben: Sie kann nur einen schmalen Grat gehen, der zwischen Entsagung und Untergang verläuft. Sie belegt ihre These also zunächst. • Dass Gretchen sich von Faust verführen lässt, ist gerade eine solche gesellschaftliche Norm, wie sie von Schmidt kritisiert wird – und doch wird diese Beziehung vor der Ehe herangezogen, um den Verfall Gretchens klarzumachen. Das ist inkonsistent. Zumal sich Gretchen besonders im Hinblick auf die sexuelle Anziehungskraft Fausts (s. „Hexenküche“, vgl. v. 2588) nur durch gesellschaftliche Konditionierung hätte schützen können. • Bezug zum Faust: Was Schmidt vergisst, ist, dass Gretchen nicht nur aufgrund ihrer Naivität auf Faust hereinfällt, sondern aufgrund eines tiefen Gefühls für ihn. Und dieses Gefühl hat viel mit Faust selbst und seinem Begleiter Mephisto zu tun und weniger mit ihrer Unerfahrenheit. Das Geschenk von Faust ist z.B. teuflischen Ursprungs, den Mephisto auch nennt (vgl. vv. 2821f.). 15 4 diskutiert die gesellschaftskritische Intention Goethes, indem eine eigene Position begründet «disk dargelegt und anhand des Textes belegt wird. Zum Beispiel können folgende Punkte genannt ussio werden: n_12 • Hat Goethe das so gemeint?: Fraglich ist, ob man den möglichen Zusammenhang » zwischen der Darstellung Gretchens und der darauf aufbauenden Sozialkritik Goethe zuschreiben kann. Wie Goethe die von Schmidt genannten Aspekte gemeint hat, ist ein nicht zu beendender Interpretationsprozess (Vielleicht fand Goethe das einfach nur spannender?). Man kann das so lesen, mehr aber auch nicht. Im Zusammenhang mit dem Liebestrank scheint die unmittelbare Wahl Gretchens allerdings nicht wirklich zwingend zu sein. • Goethe arbeitet sich hier klischeehaft an einem Milieu ab: Eltern und Bruder Gretchens verharren in ihren gesellschaftlich verfestigten Rollen und müssen an Faust 12 • • und Mephisto scheitern. Auch Gretchens Freundin Marte lässt sich auf Mephisto ein – somit bleibt eine Verführbarkeit der jungen, gut erzogenen Frauen, die nicht in ihrem Stand gerettet werden können. Sie sind ausgeliefert. Wer widersteht dem Teufel?: Welche Gesellschaft, welcher Mensch kann den unmittelbaren Nachstellungen des Teufels widerstehen? Diese nicht einfach zu beantwortende Frage deutet an, dass es sich hier um ungleiche Gegner handelt. Goethe hat im religiös-kleinbürgerlichen Umfeld Gretchens „ideale“ Opfer gefunden, doch scheinen hier auch Adlige denkbar. Epochenbezug: Man kann die Gretchentragödie auch 5 bezieht den Beginn des Gedichts „Das Göttliche“ mit ein: Die Konzeption des idealen «Ged Menschen innerhalb des Gedichts wird mit der These einer Gesellschaftskritik Goethes in icht_ Beziehung gesetzt und bewertet. Zum Beispiel können folgende Punkte genannt werden: 7» • Widerspruch: In seinem Gedicht fordert Goethe geradezu, Menschen sollten so gut sein, dass sie der Figur des Gretchens recht nahe kommen (das auch „edel“, „hilfreich“ und „gut“ ist). Eine Gesellschaftskritik durch das Scheitern Gretchens ist dann entweder durch die zeitliche Distanz noch haltbar (1783 vs. 1806) oder zu verwerfen. • Freiheit: Die menschliche Freiheit, gut oder schlecht zu sein, eröffnet sich für Gretchen sowohl angesichts ihrer Herkunft als auch angesichts der Magie Mephistos nicht. Damit zeichnet sich Gretchen aber gerade durch ihr individuelles Schicksal (Wer trifft schon den leibhaftigen Teufel?) aus – eine Gesellschaftskritik scheint eher unwahrscheinlich. 7 «I_4 5» 45 «strin genz _3» 3 «For muli erun g_4» 4 «Bel ege_ 2» 2 «Stils icher _3» 3 «richt ig_3» 2 Darstellungsleistung 1 2 3 4 5 Der Prüfling strukturiert seinen Text kohärent, schlüssig, stringent und gedanklich klar: • angemessene Gewichtung der Teilaufgaben in der Durchführung, • gegliederte und angemessen gewichtete Anlage der Arbeit, • schlüssige Verbindung der einzelnen Arbeitsschritte, • schlüssige gedankliche Verknüpfung von Sätzen. formuliert unter Beachtung der fachsprachlichen und fachmethodischen Anforderungen: • Trennung von Handlungs- und Metaebene, • begründeter Bezug von beschreibenden, deutenden und wertenden Aussagen, • Verwendung von Fachtermini in sinnvollem Zusammenhang, • Beachtung der Tempora, • korrekte Redewiedergabe (Modalität). formuliert lexikalisch und syntaktisch sicher, variabel und komplex (und zugleich • klar). belegt Aussagen durch angemessenes und korrektes Zitieren: • sinnvoller Gebrauch von vollständigen oder gekürzten Zitaten in begründender Funktion. drückt sich allgemeinsprachlich präzise, stilistisch sicher und begrifflich differenziert aus: • sachlich-distanzierte Schreibweise, • Schriftsprachlichkeit, • begrifflich abstrakte Ausdrucksfähigkeit. schreibt sprachlich richtig. «D_1 15 5» Sehr gut 60-52 Gut 51-43 Befriedigend 42-34 Ausreichend 33-25 Mangelhaft 24-16 Ungenügend 16-0
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