«Klimaflüchtlinge»? – Katastrophenvertriebene!

«Klimaflüchtlinge»? –
Katastrophenvertriebene! Probleme, Perspektiven, Lösungsansätze
Prof. Walter Kälin
Vertreter der Präsidentschaft der Nansen Initiative
ÜBERBLICK
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Was wir wissen Klimaflüchtlinge?
Katastrophenvertriebene
Was die Schweiz tut
Was betroffene Staaten tun Ein Blick voraus – ein Blick zurück
I. WAS WIR WISSEN
2008‐2014: 184 Millionen
Katastrophenvertriebene
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Geophysikalisch
Wetter/Klima
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Quelle: IDMC
Im Durchschnitt der letzten sieben Jahre: 26.4 Millionen pro Jahr neu vertrieben
= eine Person pro Sekunde
(Konflikt: 2014 = 13.9 Millionen neu vertrieben)
Unbekannt: • Grenzüberschreitende Flucht
• Schleichende Umweltveränderungen
Regionale Dynamiken
Afrika:
Amerika:
Asien:
Europe:
Pacific:
Meist intern; oft auch grenzüberschreitend
Meist intern, oft auch grenzüberschreitend
Meist intern; sekundäre Migration
Wenig intern
Intern; Migration; künftige Probleme
Feststellungen
 Die meisten Vertriebenen bleiben im eigenen
Land oder der Region
 Der Umgang mit Vertriebenen ist je nach
Region verschieden
 Regionale Organisationen spielen eine
zentrale Rolle
Zukunft
IPCC Fifth Assessment Summary for Policymakers 2014:
• “Climate change is projected to increase displacement
of people”
• “Populations that lack the resources for planned migration
experience higher exposure to extreme weather events”
• “Climate change can
indirectly increase
risks of violent conflicts”
II. Klimaflüchtlinge?
Der «erste Klimaflüchtling»
• Die Geschichte von Ioane Teitiota, dem
“ersten Klimaflüchtling” von Kiribati
• Das Urteil des neuseeländischen Gerichts:
– Flüchtling = Opfer menschlicher Aktionen welche
Leben, Leib oder Freiheit schwer gefährden
– Hier = kein fehlerhaftes Handeln der Regierung
– Hier = keine unmittelbare Gefahr
Beispiel Tarawa (Kiribati)
- Erosion
- Versalzung
• Armut
• Verschmutzung
von Grundwasser
und Lagune
• Überbevölkerung
14
15
16
Schlussfolgerung: Multiple Gründe
Politische
Faktoren
(Gouvernanz)
Naturgewalt
KATASTROPHEN
-VERTREIBUNG
Demographische
Faktoren
Ökonomische und
soziale Faktoren
(Armut, etc.)
Schlussfolgerung Klimaflüchtlinge?
• Keine Flüchtlinge im Rechtssinn
• Nachweis des Klimawandels als Fluchtursache kaum
möglich
• Diskriminierung gegenüber anderen Katastrophenopfern
• Pazifik: «Wir wollen nicht Flüchtlinge werden!» (reguläre
Migration als Option)
III. Katastrophenvertriebene
Nepal Erdbeben, 25. April 2015
Ausgangspunkt
Katastrophe = «eine ernsthafte Störung der
Funktionsfähigkeit einer Gemeinschaft oder
Gesellschaft, die hohe menschliche, materielle,
ökonomische und ökologische Verluste verursacht
und die Fähigkeit der betroffenen Gemeinschaft oder
Gesellschaft übersteigt, diese aus eigener Kraft zu
bewältigen.« (UNISDR)
“Natur”katastrophen?
ERDBEBEN
STÄRKE
T0TE
Haiti 2010
7.0
> 130’000
Chile 2010
8.8
570
Nepal 2015
7.8
± 4000
Katastrophenflucht
Flucht/Vertreibung =
Naturgewalt +Ausgesetztsein +Verletzlichkeit
Prävention =
Natur‐
gewalt
Ausge‐
setzt‐
sein
• Reduktion der Treibhausgas-Emissionen
• Geplante Umsiedlung
• Migration als Anpassungsmassnahme (präventiv
oder reaktiv)
• Anpassung an den Klimawandel
Verletz‐ • Katastrophenvorsorge
lichkeit • Stärkung der Widerstandsfähigkeit (Resilienz)
IV. WAS DIE SCHWEIZ TUT
Hintergrund
2010
Juni 2011
Dez. 2011
Okt. 2012
UNFCCC Cancun Adaptation Framework, para. 14(f):
“Measures to enhance understanding, coordination
and cooperation with regard to climate change
induced displacement, migration and planned
relocation ….”
“Nansen Conference on Climate Change and
Displacement” (Oslo)
UNHCR Ministertreffen: NO/CH Erklärung
Beginn der Nansen Initiative
Ausgangspunkt
Wissenslücken:
Keine umfassenden Daten
Rechtliche Lücken: Grenzüberschreitende Flucht
Konzeptionelle
Kriterien für die Unterscheidung zwischen
Lücken:
Migration und Vertreibung
Institutionelle
Unklare Mandate; kaum grenzüberLücken:
schreitende Mechanismen
Finanzielle Lücken: Lücke zwischen humanitärer Hilfe und
Wiederaufbauhilfe
Ziel
Nicht: neues Völkerrecht
Sondern:
– Aufbau von Konsens zwischen interessierten Staaten
von unten nach oben (regionale Konsultationen
=>Schutzagenda)
– Beeinflussung aktueller internationaler und regionaler
Prozesse (Sendai; Paris; WHS; Cartagena+30, etc.)
Resultate
• Schutzagenda: Aufbau von Konsens zwischen
interessierten Staaten von unten nach oben
– regionale Konsultationen
– Globale Konsultation
– 12./13. Okt.: von 114 Staaten angenommen
• Beeinflussung aktueller internationaler Prozesse
(Sendai; Paris; WHS)
V. WAS BETROFFENE STAATEN TUN
Schutzkriterien
• Direkte und ernsthafte Betroffenheit:
– Ernste Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit bei Rückkehr
– Ernsthafte/unmenschliche Situation wegen Fehlens (des
Zugangs zu) humanitärer Hilfe und Schutz im Herkunftsstaat
• Solidarität mit Herkunftsstaat
• Weitere humanitäre Gründe
– Medizinische Versorgung
– Regulär anwesende Familienmitglieder
(1) Massnahmen im Zufluchtsstaat
Humanitäre
Aufnahme
Ordentliches
Ausländerrecht
Humanitärer
Rückschiebungsstopp
SCHUTZ FÜR
KATASTROPHEN
-VERTRIEBENE
Flüchtlingsrecht?
Beispiele: Nepal und Neuseeland /Haiti / Mozambik / Somalia, etc.
(2) Massnahmen im Herkunftsstaat
Katastrophenvorsorge
Anpassung
Klimawandel
Geplante
Umsiedlung
MASSNAHMEN
IM HERKUNFTSSTAAT
Schutz von
Binnenvertriebenen
(3) Migration als Anpassung
• Ausbildungsprogramme (Kiribati)
• Saisonarbeiterprogramme mit Unterstützungskomponente
(Australien)
• Einwanderungsquoten für besonders vulnerable Staaten
(Neuseeland)
• Bilaterale Migrationsabkommen (künftig im Pazifik?)
• Grenzüberschreitende Korridore für Nomaden in Dürrezeiten
(z.B. Kenia – Uganda / ECOWAS)
VI. Der Blick voraus – ein Blick zurück
Der Blick nach vorne
1. Bessere Erhebung von Daten / Wissen
2. Besserer Schutz bei grenzüberschreitender Flucht:
– Einzelstaatliche Gesetzgebung
– Harmonisierung nationaler Instrumente zum
Schutz der Katastrophenvertriebenen auf
regionaler Ebene
Der Blick nach vorne ….
3. Wo angemessen, Erleichterung von Migration als
Anpassungsmassnahme auf regionaler Ebene
4. Präventionsmassnahmen:
– Integration von Mobilität in nationale Strategien
der Katastrophenvorsorge und Anpassung an
Klimawandel
– Bessere Methoden für geplante Umsiedlungen
– Verstärkter Schutz/Unterstützung für
Binnenvertriebene
Und zum Schluss ein Blick zurück
Danke!
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