Ikebana: Japanische Blumenkunst in Küsnacht

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Küsnachter
Nr. 24
AKTUELL
11. Juni 2015
Ikebana: Japanische Blumenkunst in Küsnacht
M;t klaren Un;en und der
Reduktion aufs WesentHche
fallen d;e japan;schen Ikeba­
na-Gestecke neben anderen
opulenten Blumenarrange­
ments sofort auf. Am
Wochenende eröffnete [ar­
men Rothmayr, Inhaberin
von Zen-Floristik, ;hr neues
AteHer ;n Küsnacht-Goldbach.
beim Shoka streng verboten. Allge­
mein. treffen im Ikebana drei Elemen­
le, das Göttliche, das Menschliche und
die Erde, zusammen. Sie werden an­
hand verschiedener Linienführungen
wiedergegeben.
Philippa Schmidt
Fast erinnert der geschwung�ne
Eschenzweig an den eleganten Arm ei­
ner Balletttänzerin. «Er ist genauso ge­
wachsen», erläutert Carmen Rothmayr.
«Er war nur etwas buschiger.» Wenn
man durch die Natur streife, sehe man
manchmal anhand der Pflanzen, wie
ein Gesteck aussehen könne. Rothmayr
hat den Zweig passenq arrangiert und
alle grünen Zweiglein mit Ausnahme
von einem, das die Linie gekonnt wei­
terführt, weggeschnitten. Die Eschen­
zweige rahmen ein Ikebana-Gesteck
mit drei dunkelroten Gerbera, lrisblät­
tern und Gräsern ein. Alles ist hier bis
ins kleinste Detail aufeinander abge­
stimmt. «Es so zu reduzieren, dass es
wirkt, das ist die Kunst», sagt Carmen
Rothmayr und ergänzt: «Ikebana ist
sehr linienbetont, jede Pflanze soll zur
Geltung kommen.»
Wer nun das Gefühl hat, dass weni­
ger Pflanzen auch weniger Arbeit be­
deuten, täuscht sich. Sie brauche Mus-
(armen Rothmayr mit einem ihrer
Ikebana-Gestecke mit Pfingstrosen.
se und Konzentration, ein Ikebana zu
erschaffen, so Rothmayr. Das kann
dann manchmal eine Stunde oder län­
ger dauern. «Man muss sehr genau ar­
beiten», betont die Küsnachterin und
fügt mit einem Augenzwinkern an:
«Ich wusste gar nicht, dass ich so viel
Geduld habe.» Ursprünglich war Ike­
bana eine buddhistische Opfergabe. Im
alten Japan gehörte die Kunst des Blu­
menarrangierens neben der Teezere­
monie, der Kalligrafie, der Dichtkunst
und der Musik zu den Fertigkeiten, die
Adlige lernen mussten.
«Spiritueller Zugang zur Floristik»
Hinter der Kunst des Ikebanas steht ein
strenges Regelwerk. «Ich habe 4 von
18 Prüfungen abgelegt», erklärt Car­
men Rothmayr. Nach der sechsten Prü-
Bei Ikebana wird der Fokus aufs Wesentliche gelegt.
fung darf die Küsnachterin auch unter­
richten. Ein Ziel, das sie auf jeden Fall
anstrebe, erklärt die Floristin, die sich
von einer in Deutschland wohnhaften
japanischen Ikebana-Meisterin ausbil­
den lässt. Mit Floristik beschäftige sie
sich, seit sie ein kleines Mädchen sei.
Aufgewachsen ist sie nämlich in einer
Gärtnerei am Waldrand. So begleitete
sie etwa ihre Mutter auf den Markt, um
Sträusse zu verkaufen. Da lag es natür­
lich nahe, dass sie auch eine Lehre als
Floristin absolvierte. Und warum kam
sie vor sechs Jahren zum Ikebana?
«Ich wollte einen neuen, einen spiritu­
ellen Zugang zur Floristik», erklärt sie
ihre Beweggründe. Vor allem das Medi­
tative habe sie gereizt. Vieles habe sie
so in der Floristik nicht gelernt, etwa
wie unterschiedlich Blätter wirken, je
Fotos: Philippa Schmidt
nachdem ob die Schatten- oder die
Sonnenseite oben liegt.
Nicht nur die Pflanzen an sich,
auch die Form der Präsentation macht
viel aus. So verwendet Carmen Roth­
mayr spezielle, meist japanische Vasen
für ihre Gestecke. Ausserdem verwen­
det sie nicht immer einen Blumenigel,
um die Gestecke zu fixieren, sondern
arbeitet auch mit kleinen filigranen
Hölzchen, den sogenannten Kubari.
Nicht alle Ikebana-Arrangements wer­
den nach den gleichen Regeln gesteckt.
So kommt beim Jiyuka, dem soge­
nannten Freestyle, die Kreativität der
Blumenkünstler zum Zug, während bei
den Formen Sho�a und Rikka die Tra­
dition das Machbare vorgibt. Während
bei Jiyuka eine Blume etwa mit einem
Draht gestütz� werden darf, ist dies
Vergängliche Kunst
In Carmen Rothmayrs Atelier sehen
die Ikebana-Gestecke aus wie Skulptu­
ren - vergängliche Skulpturen aller­
dings. Ist sie nicht ein wenig traurig,
wenn ein solches Kunstwerk einfach
verwelkt? Sie schmunzelt, offensicht­
lich hat die Redaktorin da einen wun­
den Punkt getroffen, sagt dann aber di­
plomatisch: « Das Loslassen gehört zur
Zen-Philosophie dazu, und, ich werde
immer besser darin.»
Ikebana-Gestecke zu verkaufen, sei
schwierig, da sie nicht gut transpor­
tiert werden können. Doch Carmen
Rothmayr konnte ihre Kunst auch
schon bei Ausstellungen präsentieren,
etwa bei der Japan-Ausstellung im Mu­
seum Rietberg. Wer sich für Ikebana
interessiert, sollte auf jeden Fall im
Küsnachter Atelier an der Oberen
Bühlstrasse 3B vorbeischauen. Und
wer sich in Floristikkursen von Car­
men Rothmayr inspirieren las�en will,
hat ab dem 30. Juni Gelegenheit dazu.
Vom Sommertraumstrauss über Geste­
cke mit Muscheln bis zu Herbstgeste­
cken reicht ihr Repertoire. Wenn da
das eine oder andere aus Ikebana ein­
fliessen würde, wäre das nicht weiter
verwunderlich ...
Zen-Floristik, Obere Bühlstrasse 3B, Küs­
nacht, 079 763 59 92, www.zen-floristik.ch.