16 SYNAPSE Mai Psychiatrie Psychosoziale Arbeitsgemeinschaften und Regionale Steuerungsverbünde Unterstützung psychisch kranker Menschen Thomas Fehr, Renate Neuhierl Die Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften (PSAG) beziehungsweise die Regionalen Steue rungsverbünde (RSV) sind Zusammenschlüsse aller an der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beteiligten Dienste, Einrichtungen und Behörden einer Oberpfälzer Region. Ihr Ziel: Vernetzung und Kooperation zum Wohl und im Interesse aller psychisch kranken Menschen in der Oberpfalz. A uftrag der PSAG/RSV ist die Feststellung von Versorgungs lücken in der Region, die Erarbeitung von Vorschlägen zur Behebung von Defiziten sowie die Vernetzung und Kooperation aller an der Versorgung psychisch kranker Menschen beteiligten Professionen und Einrichtungen. Dazu erfassen die PSAG/RSV die Strukturen der psychiatrischen Versorgung und fördern die Zusammenarbeit. Sie ermitteln den Bedarf im Bereich der regionalen psychosozialen Versorgung und erarbeiten Vorschläge zur Verbesserung. Die PSAG/RSV möchten aber vor allem eines: Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen abbauen. Verbund der Oberpfälzer Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften Die PSAG/RSV sind zusätzlich zur Organisation vor Ort oberpfalzübergreifend in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft der Oberpfalz zusammengeschlossen und wählen einen Sprecher, der sie unter anderem im Planungs- und Koordinierungsausschuss des Bezirks Oberpfalz vertritt. Der Bezirk Oberpfalz ist einer der wichtigsten Partner der PSAG/ RSV. Über die Bezirkssozialverwaltung bietet er nicht nur finanzielle Hilfen für psychisch kranke Menschen an. Über seinen Krankenhausträger medbo betreibt der Bezirk an sechs Standorten – Amberg, Cham, Parsberg, Regensburg, Weiden und Wöllershof – Einrichtungen mit ambulanten, stationären und/ oder teilstationären Versorgungsangeboten. Was viele nicht wissen: In Bayern haben die Bezirke den gesetzlichen Auftrag zur stationären Versorgung der Bevölkerung in den Fachbereichen Psychiatrie, Neurologie und Suchtmedizin. Wenngleich alle PSAG/RSV die gleichen Aufgaben haben, unterscheiden sie sich dennoch in ihren jeweiligen Strukturen. Exemplarisch soll hier die Struktur der PSAG Nord oberpfalz kurz dargestellt werden. Struktur am Beispiel PSAG Nordoberpfalz Derzeit sind in der PSAG Nordoberpfalz nahezu 70 Organisationen und Einrichtungen aus dem psychosozialen Bereich – von der Beratungs- stelle, über das Bezirks klinikum Wöllershof bis hin zu Jugend- und Sozialämtern – organisiert. Oberstes Gremium ist die Mitgliederversammlung, die dreimal im Jahr tagt und aus deren Mitte der Vorstand gewählt wird. Die Geschäftsführung wird von den Landratsämtern Tirschenreuth und Neustadt an der Waldnaab wahrgenommen. Anträge von Einrichtungsträgern, etwa zur Schaffung von Plätzen für eine betreute Wohngemein- Die Aufgaben der PSAG/RSV Diese ergeben sich aus den Grundsätzen zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern der Bayerischen Staatsregierung und sind im Wesentlichen: • Regionale Berichterstattung über Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik • Erfassung vorhandener Einrichtungen und Dienste im Bereich der psychiatrischen Versorgung und Betreuung • Durchführung von Präventionsmaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit • Unterstützung der Anti-Stigma-Bewegung • Initiierung von regionalen Beschwerdestellen • Anregung von und Mitwirkung bei sozialpolitischen Initiativen • Koordinierungsfunktionen • Ermittlung und Formulierung des regionalen Bedarfs Die Geschäftsstellen sind bei den jeweiligen Gesundheitsämtern der Landkreise angesiedelt. schaft für psychisch kranke Menschen, müssen an die Geschäftsführung der PSAG gerichtet werden. Die Mitgliederversammlung entscheidet über den Antrag mehrheitlich. Als Entscheidungshilfe dient die Stellungnahme des vorgeschalteten Prüfungsausschusses, der mit Fachleuten aus unterschiedlichen Fachrichtungen (Psychologie, Sozialarbeit, Ämter et cetera) besetzt ist. Nur Anträge, zu denen die PSAG/ RSV ein Votum abgegeben haben, werden auch im Planungs- und Koordinierungsausschuss des Bezirks Oberpfalz behandelt. Dieser gibt eine Empfehlung per Mehrheitsbeschluss an den Sozialhilfe-Ausschuss des Bezirkes, der letztlich über die Genehmigung und Finanzierung entscheidet. Die PSAG/ RSV kommen damit ihrer Koordinierungs- und Steuerungsfunktion im weiteren Sinne nach. Die Versorgungsverantwortung im engeren Sinne bleibt bei den Leistungsträgern im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenzuweisung. Die Initiative für neue Angebote und Dienstleistungen geht aber nicht nur von den Trägern selbst aus, sondern wird auch sehr oft in den Arbeitskreisen der PSAG ermit- telt und formuliert. Derzeit gibt es in der PSAG Nordoberpfalz Arbeitskreise in den Bereichen Kinder und Jugendliche, Erwachsene, alte sowie suchtkranke Menschen. Aufklärung und Anti-Stigma-Arbeit Ein weiterer breiter Aufgabenbereich ist die Öffentlichkeitsarbeit und die Unterstützung der Anti-Stigma-Bewegung. Diesen Aufgaben hat sich die PSAG Nordoberpfalz in den vergangenen Jahren intensiv gewidmet. Unter starkem Einbezug von psychiatrieerfahrenen Menschen wurde etwa 2010 die Ausstellung „Grenzen erleben“ in Weiden gezeigt, die der Bevölkerung nicht zuletzt über Selbsterfahrungsräume die Krankheitsbilder Psychose und Depression vorstellte. Aber auch das Psychose-Seminar, in dem sich Selbstbetroffene, in der Psychiatrie Tätige sowie Angehörige regelmäßig zu einem trialogischen offenen Austausch treffen, wird von der PSAG mit veranstaltet. Ein wichtiges Modul sind die Oberpfälzer Psychiatrietage, die alle zwei Jahre von den PSAG/RSV ausgetragen werden. Die PSAG/RSV setzen auch regelmäßig Themen auf die Agenda, deren Bearbeitung und Lösung dringend notwendig sind. So hat die PSAG Nordoberpfalz in einem mehrjährigen Prozess immer wieder auf die Unterversorgung im psychotherapeutischen Bereich in der Nordoberpfalz hingewiesen und dies auch breit medial kommuniziert. Die Thematik wurde im Jahr 2013 auch in einem gemeinsamen Fachtag mit dem Bezirksklinikum Wöllershof prominent bearbeitet. Mit Erfolg: in jüngster Zeit konnte eine leichte Verbesserung durch die Schaffung von mehr Therapeutensitzen in der Region erreicht werden. Zusätzlich war es den Oberpfälzer PSAG/RSV immer ein großes Anliegen, Bedarfe und Problematiken im Bereich der psychosozialen Versorgung auch zeitnah an die Entscheidungsträger in der Politik heranzutragen. Der Austausch „Politik und Praxis im Dialog“ mit den Vorsitzenden der Bezirkstagsfraktionen findet inzwischen jährlich mindestens einmal statt und hat sich in der Vergangenheit Themen wie GeronFortsetzung auf Seite 18 18 (v.l.n.r.) medbo-Vorstand Kurt Häupl, Chefarzt Dr. Dr. Helmut Hausner, Gesundheitsministerin Melanie Huml, Bezirkstagspräsident Franz Löffler SYNAPSE Mai Psychiatrie Fortsetzung von Seite 17 topsychiatrische Versorgung oder Arbeitsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen gewidmet. Aktuellstes Thema ist die Frage eines Oberpfalz-weiten Krisendienstes. Die Initiative ist inzwischen in eine Arbeitsgruppe des Planungs- und Koordinierungsausschusses gemündet und wird dort weiterbearbeitet. Im Mittelpunkt: Inklusion Der wichtige Beitrag, den die PSAG/ RSV leisten, wird nur möglich durch das große Engagement vieler Einzelner, die sich in den Gremien der PSAG/RSV engagieren. Neben ihrer beruflichen Arbeit investieren diese Menschen viel Zeit und Kraft, um dem großen gemeinsamen Ziel kontinuierlich ein Stück näher zu kommen: dass Menschen mit psychischen Erkrankungen zu ihrer Krankheit ohne Angst vor Stigmatisierung stehen können, dass sie unterstützt und begleitet werden, dass sie wie selbstverständlich in einem inklusiven Gemeinwesen und einer inklusiven Arbeitswelt teilhaben und ihre Fähigkeiten und Talente PSAG/RSV in der Oberpfalz • Regionaler Steuerungs verbund Amberg-Sulzbach (PSAG) • PSAG Cham • PSAG Neumarkt • PSAG Schwandorf • Regionaler Steuerungs verbund Regensburg (PSAG) • PSAG Nordoberpfalz in den Sozialraum, in dem sie leben, einbringen können. Gerade in jüngster Zeit ist es gelungen, die Betroffenenperspektive viel stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Vor allem Selbsthilfegruppen und Angehörigenvereinen ist dies zu verdanken. Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft der PSAG der Oberpfalz ist dies eine gute und richtige Entwicklung. Gerade im Gebiet der Psychiatrie, die eine lange Geschichte der Fremdbestimmung und Exklusion hinter sich hat, ist es wichtig, den Betroffenen zuzuhören: zu hören, was sie wirklich brauchen und wünschen, um letztlich genesen und mehr Lebensqualität zu gewinnen zu können. Die Ex-In Bewegung, von der ausgehend psychiatrieerfahrene Menschen inzwischen eine Ausbildung als Genesungsbegleiter absolvieren können, mit der es ihnen möglich ist, in sozialpsychiatrischen Einrichtungen und Diensten zu arbeiten und ihre Perspektive und Krankheitserfahrung einbringen zu können, ist hier das jüngste und von den PSAG/RSV unterstützte Beispiel. Dass diese Entwicklung vom Bezirk Oberpfalz unterstützt wird, indem alle Tagesstätten, Sozialpsychiatrischen Dienste und Suchtberatungsstellen in der Oberpfalz Zuschüsse zu Personal-und Sachkosten für die Beschäftigung von Genesungsbegleitern bekommen, ist hocherfreulich. Dies zeigt, dass in der Oberpfalz alle an einem Strang ziehen: der Bezirk Oberpfalz, die Psychi atrieerfahrenen und die PSAG/RSV. Thomas Fehr ist Erster Vorsitzender der PSAG Nordoberpfalz und Sprecher der Oberpfälzer Steuerungsverbünde/PSAG Mit einem Festakt ist am 16. April das Zentrum für Psychiatrie Cham eröffnet worden. Der Neubau auf dem bestehenden Gebäude des Sana-Krankenhauses in Cham umfasst über 2.100 Quadratmeter und wurde auf einer Etage umgesetzt. W ir können die beste Medizin nicht nur in Ballungsräumen vorhalten. Die Erweiterung des medizinisch-therapeutischen Programms durch diese Klinik mit Tagesklinik und Ambulanz hier in Cham ist für die Menschen im ganzen Landkreis Cham und darüber hinaus so wichtig“, betont Bezirkstagspräsident Franz Löffler. Diese dezentrale Strategie verfolgen der Bezirk und die medbo bereits seit 2002, als die psychiatrische Tagesklinik in Cham gegründet wurde. Psychiatrisches Zentrum kooperiert mit somatischer Klinik „Wir möchten dem Patienten Therapiemöglichkeiten bieten, die sich an dessen individuellen Bedürfnissen orientieren und ihn möglichst wenig aus seinem gewohnten Lebensumfeld herausreißen. Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung ist die Einbeziehung der Familie“, führte Löffler aus und weiter: „Ich halte es auch für sehr gelungen, dass das Psychiatrische Zentrum an das somatische Sana-Krankenhaus Cham angebunden ist, weil auf diese Weise die Hemmschwelle für Patienten geringer ist, sich in eine psychiatrische Therapie zu begeben. Eine Kooperation, die bereits seit der Eröffnung der Tagesklinik hervorragend funktioniert.“ Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betonte in ihrem Grußwort: „Durch den Ausbau der Tagesklinik Cham zur psychiatrischen Vollversorgungsklinik ist im Herzen der Oberpfalz ein umfassendes Versorgungsangebot in der Psychiatrie entstanden. Das ermöglicht den Patienten, eine wohnortnahe Therapie anzunehmen, dabei in einem vertrauten Umfeld zu bleiben und möglichst schnell wieder in Gesellschaft und Beruf zurückzukehren. Die Bayerische Staatsregierung unterstützt das zukunftsorientierte Bauvorhaben mit insgesamt 9,4 Millionen Euro. Die hiesige Klinik ist auch Einweihung Zentrum für Psychiatrie Cham Beste Medizin für alle Patienten ein gelungenes Beispiel für die Integration psychiatrischer Kliniken in Krankenhäuser der Akutversorgung.“ Stationärer Versorgungsbetrieb seit November 2014 Im April 2013 begann der Bau auf dem Dach des Sana-Kreiskrankenhauses und bereits im November 2014 konnten die ersten Patienten eine fertiggestellte Station beziehen. Seit Februar 2015 ist auch die zweite Station für Patienten offen. Rund 490 Quadratmeter Therapieflächen stehen dem Team von Chefarzt Dr. Dr. Helmut Hausner und Pflegedienstleiter Christoph Hadyna zur Verfügung. In der neuen Klinik in Cham sind 94 Mitarbeiter beschäftigt. Auf eine weitere und noch intensivere Zusammenarbeit zwischen den somatischen und den psychiatrischen Stationen unter einem baulichen Dach freute sich Oliver Brendel, Geschäftsführer der Sana Kliniken des Landkreises Cham: „Wir haben den Neubau der Psychiatrischen Klinik von Beginn an begrüßt. Dadurch können wir unseren Patienten eine integrierte Versorgung an einem Ort bieten.“ Die Zusammenarbeit würdigte auch medbo-Vorstand Kurt Häupl in seiner Begrüßung und hob die gelungene Kombination zum Wohle der Patienten hervor. „Die enge Zusammenarbeit mit somatischen Kliniken ist ein wichtiges Ziel bei der Planung und dem Ausbau der stationären und teilstationären psychiatrischen Versorgung. Dass dies in Cham mustergültig gelungen ist, ist dem Engage- ment des Landkreises Cham und in besonderem Maß dem Unternehmen Sana zu verdanken“, würdigte Häupl die Kooperation mit Sana. Ziel: Regionale psychiatrische Grundversorgung Im Anschluss gab Dr. Dr. Helmut Hausner, Chefarzt des Zentrums, einen Ausblick über das breite Behandlungsspektrum. Das Zentrum für Psychiatrie Cham hat die Aufgabe, eine regionale allgemeinpsychiatrische und psychosomatische Grundversorgung anzubieten. Behandlungsschwerpunkte sind affektive Störungen – wie beispielsweise Burnout, Depressionen und Angsterkrankungen. Daneben werden aber auch somatoforme Störungen, chronische Schmerzen, Psychosen und Persönlichkeitsstörungen behandelt. Werden Spezialangebote im Bereich der Suchterkrankungen, der Gerontopsychiatrie oder eine beschützte Unterbringung benötigt, vermittelt das Zentrum in Cham diese Patienten zielgenau weiter nach Regensburg. Das allgemeinpsychiatrische Behandlungsangebot in Cham spannt den Bogen von der klassischen psychiatrischen Versorgung mit Psychotherapie und medikamentöser Behandlung bis hin zu zahlreichen nicht medikamentösen komplementären Verfahren: So können die Patienten neben Yoga und Qi Gong auch grundlegende Meditationstechniken erlernen. Große Bedeutung haben in Cham auch die modernen Behandlungsmöglichkeiten mit Biofeedback und Neurofeedback. Beim Neurofeedback wird die Funktion des eigenen Gehirns für die Patienten sichtbar gemacht und es werden Techniken erlernt diese zu verbessern. Bei einem kleinen Rundgang konnten sich die Gäste von der gelungenen Umsetzung der neuen Klinik überzeugen. Dr. Dr. Helmut Hausner und medbo Vorstand Kurt Häupl nahmen den symbolischen Schlüssel von Architekt Georg Kerschberger entgegen. Den kirchlichen Segen spendeten Pfarrerin Charlotte Peschke und Pfarrer Kazimierz Pajor. (LHO) Fakten zum Zentrum für Psychiatrie Cham Die neueste Klinik der medbo (Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz) umfasst zwei Stationen mit jeweils 25 Betten. Neben der Errichtung einer Klinik ist auch die seit 2002 bestehende Tagesklinik um zehn Plätze erweitert worden. Insgesamt stehen den Patienten 30 Plätze in der Tagesklinik zur Verfügung. Die Kosten für den Neubau und die Erweiterung betragen rund 10,5 Millionen Euro, die gemeinsam vom Freistaat mit rund 9,4 Millionen Euro und der medbo mit rund 1,1 Millionen Euro getragen werden. Das Zentrum für Psychiatrie Cham gehört organisatorisch zur Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg.
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