Ressourcen-Sharing für eine bezahlbare Energiewende

Ressourcen-Sharing
Ressourcen-Sharing für eine
bezahlbare Energiewende
Betrachtung der Produktions- und Errichtungslogistik
der Offshore-Windenergie
Thies Beinke, Michael Freitag, BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität
Bremen und Hans-Peter Zint, Hafenwirtschaftsgemeinschaft Cuxhaven e.V.
Getrieben durch den End-Consumer-Markt erfährt die Sharing Economy, d. h. die
gemeinschaftliche Nutzung von Produkten, in immer mehr Bereichen Anwendung. Die Entwicklung ist auch vermehrt in eher konservativen Branchen wie
der Logistik zu beobachten. Frachtbörsen stellen hier ein gelebtes Beispiel dar.
Die Diskussion der Möglichkeiten und Voraussetzungen der Übertragung dieses Ansatzes in die Logistik der jungen Offshore-Windenergiebranche stellt das
Ziel dieses Beitrags dar. Zu Beginn werden der Status Quo der Offshore-Windenergie beschrieben und die Treiber für die erforderliche Optimierung der Prozesse dargestellt. Daran anschließend werden die theoretischen Hintergründe
zum Ressourcen-Sharing in der Logistik vorgestellt. Darauf aufbauend werden
deren Potenziale in der Offshore-Windenergielogistik beschrieben, mögliche
Gegenstände benannt sowie Grenzen und Voraussetzungen aufgezeigt. Abschließend wird, als Ausgestaltung des Ressourcen-Sharings, der Ansatz einer
projekt- und standortübergreifenden Zusammenarbeit diskutiert.
Die deutsche Energiewende wurde maßgeblich durch die Beschlüsse des deutschen Bundestags bezüglich der Laufzeit der deutschen
Kernkraftwerte aus den Jahren 2010 und 2011
beeinflusst. Darüber hinaus stellten das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahre
2000 und dessen Novellierungen aus den Jahren 2004, 2009, 2012 und 2014 sowie das Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahre
2010 politische Eckpfeiler der Energiewende dar.
Letzteres legte für den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch folgende
Werte fest: 30 % bis 2030, 45 % bis 2040, 60 %
bis 2050 [1]. Die in Bild 1 dargestellte Bruttostromerzeugung nach Energieträgern verdeutlicht,
dass Deutschland mit gegenwärtig 25,8 % der
Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf einem guten Weg ist, dieses ehrgeizige
Ziel zu erreichen [2].
Für die Offshore-Windenergie hat die Deutsche Offshore-Wind-Strategie aus dem Jahre
2002 den politischen Grundstein gelegt. Über
die Novellen des EEG wurden aus den Ausbauzielen der Bundesregierung für die Jahre 2020
und 2030 reduzierte Ausbaudeckel, die Vergütungen der Stromeinspeisung wurden gekürzt
und ab 2020 sollen diese darüber hinaus mittels
Ausschreibungen ermittelt werden. In Zahlen
Resource Sharing for an Affordable Energy
Transition
Having derived from the end consumer market,
the idea of a sharing economy is currently increasing important in more and more economic
branches. Even conservative industries such as logistics are now beginning to see the potential of
resource sharing. This paper discusses the scope
and conditions of transferring this approach to
the field of offshore wind energy logistics. It will
be shown that standardizing objects and processes as well as making supply and demand transparent are considered the basis for transferring resource sharing into offshore wind energy logistics.
Keywords:
offshore wind energy logistics, resource allocation, resource sharing, sharing economy, energy transition
stellen sich die Ausbauziele für
2020 mit 6.500 MW und für 2030
mit 15.000 MW Leistung dar [4].
Die aktuelle Situation der Offshore-Windenergie
verdeutlicht, dass mit gegenwärtig 226 Anlagen
im Betrieb, welche mit 916,3 MW Nennleistung
Strom für 1,05 Millionen Haushalte produzieren,
und weiteren 566 Anlagen im Bau (für weitere
97 Anlagen ist der Baubeginn auf das Jahr 2015
terminiert) die Ausbauziele realisierbar sind [5].
Um die Produktion und Errichtung der Vielzahl
von Anlagen wie geplant umzusetzen, kommt
der Logistik eine entscheidende Rolle zu. Bedingt durch die Wettbewerbssituation der
unterschiedlichen Technologien im Bereich
der Energieerzeugung und den hierdurch ausgelösten Zwang zur Kostendegression ist die
Weiterentwicklung von technischen Anlagen
und Prozessen in der Offshore-WindenergieBranche überlebensnotwendig. Dies führt
folglich zu dem Bedarf der Anpassung an die
neuen Anlagen und Prozesse und damit der
stetigen Weiterentwicklung. Die logistischen
Themenfelder sind dabei vielfältig. Sie umfassen die Baustellenlogistik, die Produktion, den
Transport, die Lagerung, den Umschlag und
weitere Bereiche wie das Engineering oder die
Regelung von Kosten- und Gefahrenübergän-
Dipl.-Wi.-Ing. M. Sc. Thies Beinke arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter
im Forschungsbereich Intelligente
Produktions- und Logistiksysteme des
BIBA – Bremer Instituts für Produktion
und Logistik GmbH an der Universität
Bremen.
Prof. Dr.-Ing. Michael Freitag leitet das
Fachgebiet Planung und Steuerung
produktionstechnischer und logistischer Systeme im Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen und
ist Direktor des BIBA – Bremer Institut für
Produktion und Logistik GmbH.
Dipl. Naut. Hans-Peter Zint ist Vorsitzender der Hafenwirtschaftsgemeinschaft Cuxhaven e.V.
[email protected]
www.biba.uni-bremen.de
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Ressourcen-Sharing
Bild 1: Bruttostromerzeugung nach Energieträgern[3].
gen. Darüber hinaus besteht u. a. der Bedarf
nach einer Entwicklung von Strategien zur
Ressourceneffizienz sowohl aus ökologischer
als auch ökonomischer Sicht. Hieraus wird ersichtlich, dass der Bereich des Transports, der
Lagerung und des Umschlags nur einen kleinen sichtbaren Teil darstellt, welcher auf der
Prozessgestaltung sowie der Material- und
Informationssteuerung aufsetzt [6]. Bedingt
durch die Vielzahl relevanter Bereiche und einem modernen, geschäftsprozess- und unternehmensübergreifenden Logistikverständnis
wird die Rolle der Logistik als Schnittstelle und
Bindeglied deutlich, welches eine Transparenz
über die gesamte Kette schaffen kann [7].
Ausgehend von der Verteilung der Lebenszykluskosten (Bild 2) stellt sich für eine bezahlbare Energiegewinnung auf See sowie einem
Wachstum der Branche die Frage nach Einsparpotenzialen. Deren Größenordnungen entlang
der einzelnen Lebensphasen eines
Windparks von der
Projektent wicklung bis hin zum
Rückbau werden
in der Literatur unterschiedlich bewertet. Das Marktforschungsinstitut
wind:resesarch
beziffert entlang
des gesamten Lebenszykluses ein
erhebliches Kostensenkungspotenzial, wobei dieses für die Bereiche des Betriebs
sowie des Repowerings bislang
nicht beziffert wurden (Bild 3). Im Bereich der
Logistik sehen Briese und Westhäuser mittels
der Reduzierung von teuren Zwischenlösungen und der Entwicklung und Integration von
ausgereiften Konzepten sowie in der Standardisierung der Prozesse und des technischen
Equipments die größten Potenziale [10]. Lau
beziffert die Einsparpotenziale im Bereich der
Logistik- und Projektmanagementkosten gar
auf 20 % und weist diesem Bereich damit eine
wichtige Rolle zu [11]. Die Bedeutung der Logistik sowie der Logistikplanung wird durch
die Tatsache ersichtlich, dass das Wetter als Fertigstellungsrisiko Nummer 1 eines OffshoreWindparkprojekts benannt ist [12]. Die Folgen,
welche sich aus Verzögerungen ergeben, bedingt durch Wettereinflüsse bzw. unangepasster Logistikplanung, sind u. a. in einem Anstieg
der Lagerkosten, zusätzlichen Charter- und
Personalkosten sowie weiteren Aufwendungen für Transporte zu sehen.
Bild 2: Verteilung der Kosten in den Lebensphasen
Entwicklung, Produktion,
Errichtung und Betrieb
eines typischen Offshore-Windparks [8].
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Industrie 4.0 Management 31 (2015) 4