Shortbread und Madeira

Kulinarik
Überraschend kombiniert
Shortbread
und Madeira
Jeder kennt Geheimtipps bei der Kombination von Wein
und Speisen. Die originellsten Mariagen stellen wir Ihnen
in dieser Serie vor. Zu vielschichtigem Madeira geniesst
Ursula Geiger Shortbread nach schottischem Rezept.
Text: Ursula Geiger, Foto: Martin Hemmi
E
s gibt Liaisons, die beschäftigen
nicht nur Riechrezeptoren aufs Angenehmste und bedienen unser
limbisches System mit starken Emotionen. Nein, sie regen auch die Fantasie an
und bieten Kopfkino vom Feinsten. Eine
solche Liaison ist die Kombination von
Madeira und Shortbread. Schon deshalb,
weil die Orte, wo Wein und Speise herkommen, unterschiedlicher nicht sein könnten: Madeira, die Vulkaninsel, liegt mitten
im Atlantik, wird gerühmt für ihre üppige
Vegetation und trumpft mit Temperaturen auf, die selbst im Winter nie unter 15
Grad sinken. Schottland hingegen ist rau
und karg. Man hüllt sich in karierte Wolle, wärmt die sich an einem prasselnden
Kaminfeuer, schlürft starke, wärmende
Getränke – wie einen Malvasia Extra Reserve –, knabbert Shortbread dazu und
träumt sich auf die ferne Insel mit dem
milden Klima. Die mit Brandy verstärkten
und durch die lange Lagerung im Holzfass
stark oxidierten Weine sind so vielschichtig, wie die Vegetation der Insel bunt und
üppig ist. Sie duften nach getrockneten
oder kandierten Früchten, nach Orangenschalen, nach gerösteten und frischen
Nüssen, nach Toffee, nach Zimt und Vanille oder gar nach medizinischen Kräutern.
Am Gaumen gefällt die leichte Schärfe des
Alkohols zusammen mit der karamellartigen Süsse und einer feinen, perfekt justierten Säure. Die Düfte und der Geschmack
überrollen einen wie eine warme Welle.
Für diese Empfindungen muss man teils
tief in die Tasche greifen. Denn die besten Madeira-Qualitäten werden nicht mit
der Estufagem-Methode während drei
Monaten auf eine Temperatur von bis zu
50 Grad erhitzt und nach einer ebenso langen Ruhephase auf die Flasche gezogen.
Nein, diese Weine reifen jahrelang in Holzfässern auf den Dachböden der Kellereien
bis zur Vollendung heran. Zu einem solch
komplexen Wein passt etwas Gehaltvolles,
das in der Aromatik dennoch geradlinig ist.
Zwar gelten Edelschokolade und Madeira
als ideales Paar, doch ist mir diese Kombination vom Mundgefühl her zu geschmeidig und weich. Bei einer Verkostung lernte
ich Spannenderes kennen: Ein Confiseur
backte mürbe Kekse, die mit Orangen, Salbei oder Ingwer sehr diskret aromatisiert
und leicht salzig waren. Das passte perfekt.
Die beste Alternative zu diesem HighendGebäck ist schottisches Shortbread. Man
kann es in Tartanmuster verpackt im Laden kaufen oder selbst backen – bitte nur
mit gesalzener Butter. Dann sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Eine Bekannte verarbeitet im Teig Lavendelblüten aus
dem eigenen Garten. Angereichert werden
kann das Gebäck mit fein gehacktem Karamell, mit kandiertem Ingwer oder mit
der abgeriebenen Schale von Zitronen
und Pomeranzen. Das Shortbread hält, in
Blechdosen gepackt, drei Wochen, die offene Flasche Madeira genauso lang, falls
sie nicht vorher leer getrunken wird.
Versuchen Sie’s!
Die Speise
Der Legende nach soll die schottische
On-Off-Königin Mary Stuart die heutige
Rezeptur des Shortbreads erfunden
haben. «Short» bedeutet übrigens
mürbe oder brüchig. Im Mittelalter wurde
Shortbread aus Brotteigresten gebacken.
Nix mit Butter und Zucker. Hier kommt
im 16. Jahrhundert die Königin ins Spiel:
Da Mary am französischen Hof erzogen
wurde, hatte sich auch ihr Gaumen an
feine Kost gewöhnt. Zurück in Schottland
beschäftigte sie darum französische
Köche, welche die Speisen der Highlands
verfeinerten. Heute gibt es geschätzte
zwei Millionen Rezepte für das traditionelle Gebäck. Knusprig wird es mit einem
Anteil Reismehl im Teig.
Der Wein
Fünf Rebsorten, zwei verschiedene Arten
der Weinbereitung, sieben Qualitätsstufen, definiert über die Lagerdauer im Fass
und fünf verschiedene Süssegrade: Das
sind die Parameter der Madeira-Vielfalt.
Geschmacksprägend ist das Zusammenspiel von Alkohol, Restsüsse und Säure.
Der süsseste Madeira ist der Malmsey
oder Malvasia aus der gleichnamigen
Traubensorte. Er reift nach der CanteiroMethode über Jahre in Holzfässern in
der Wärme. Der trockenste Madeira mit
einem Restzuckergehalt zwischen 18 und
65 Gramm pro Liter wird aus der Sorte
Sercial gekeltert. Diese Weine werden oft
mit der Estufagem-Methode erhitzt, um
den Zucker zu karamellisieren. Die Säurestruktur ist hervorragend, und die leichte
Adstringenz gibt sich mit der Reife.
Die Mariage
Madeira nicht zu warm trinken, sonst
dominiert der Alkohol. 13 bis 14 Grad sind
optimal. Zu Shortbread passen sowohl
der süsse Malvasia als auch der trockenere Sercial. Die Mariage beider Typen mit
Shortbread gelingt nur, wenn das Gebäck
nicht zu süss ist und eine feine salzige
Note hat. Dann harmonieren der feine
buttrige Geschmack sowie der mürbe
und gleichzeitig knusprige Biss zu der
üppigen Madeira-Aromenvielfalt mit ihren
Noten von getrockneten und kandierten
Früchten, Nüssen sowie Karamell und der
feinen Kräuterwürze.
VINUM
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