Stellungnahme der Bundesingenieurkammer GWB 2015

Stellungnahme der Bundesingenieurkammer
zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts
(Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – VergModG)
Die Bundesingenieurkammer ist das Vertretungsorgan der 16 Ingenieurkammern der Länder
– Körperschaften des öffentlichen Rechts – mit rund 43.000 überwiegend im Baubereich tätigen Mitgliedern, welche vielfach durch die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren
Dienstleistungsaufträge generieren. Die Bundesingenieurkammer hat bereits zum Grünbuch
über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (KOM(2011)15/4) sowie zum Entwurf der Richtlinien Stellung genommen und dabei die
Absicht der EU-Kommission, die Regelungen über das öffentliche Auftragswesen zu vereinfachen begrüßt. Entsprechend wird auch das in der einleitenden Begründung zum vorliegenden Entwurf des VergModG formulierte Ziel, Vergabeverfahren effizienter, einfacher und flexibler zu gestalten und dabei gleichzeitig die Teilnahme von kleineren und mittleren Unternehmen an Vergabeverfahren zu erleichtern ausdrücklich unterstützt.
Gesetzgebungsverfahren
Für eine abschließende und umfängliche Beurteilung der Umsetzung dieser Ziele wäre jedoch die zeitgleiche Vorlage des Entwurfs einer neuen Vergabeverordnung (VgV) erforderlich gewesen. Die zeitliche Aufspaltung der Umsetzung der EU-Richtlinien ist weder transparent noch lässt sie im anschließenden Verordnungsprozess die gegebenenfalls notwendige
Anpassung von Regelungen des GWB zu.
Hinzu kommt, dass durch die Vorfestlegung bestimmter Strukturen des Vergaberechts im
Rahmen des Eckpunktepapiers der Bundesregierung vom 07.01.2015 die in § 47 GGO angestrebte Möglichkeit, auf Belange von Verbänden und Fachkreisen im Rahmen einer Anhörung eingehen zu können, bereits eingeschränkt wurde.
Dennoch wird zur Novellierung des Vergaberechts hinsichtlich der für Ingenieure wesentlichen Regelungen wie folgt Stellung genommen:
1 § 97 Abs. 4 GWB-E
Die in § 97 Abs. 4 GWB-E normierte Berücksichtigung mittelständischer Interessen trägt der
überwiegenden Struktur der Ingenieurbüros Rechnung und entspricht dem im Ingenieurbereich geltenden Grundsatz der Trennung von Planung und Ausführung. Dieser wird auch
durch den Grundsatz der Trennung der Leistungen nach Teil- und Fachlosen weiter konkretisiert. Dieser Grundsatz könnte noch weiter verstärkt werden, indem – wie bereits in einigen
Vorüberlegungen angeklungen – eine besondere Begründungspflicht bei einer unterbliebenen losweisen Aufteilung und der Begründung des Vorliegens von zwingenden wirtschaftlichen oder technischen Gründen verankert würde.
§ 119 GWB-E
In § 119 GWB-E werden die Vergabearten nicht eins-zu-eins entsprechend der Richtlinie
beschrieben. Erwägungsgrund 42 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben sollen, das Verhandlungsverfahren oder den wettbewerblichen Dialog in verschiedenen Situationen vorzusehen, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass offene oder
nichtoffene Verfahren ohne Verhandlungen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen.
Demgegenüber ist in § 119 Abs. 2 GWB-E der grundsätzliche Vorrang des offenen und des
nichtoffenen Verfahrens bestimmt, welcher nur subsidiär bei Vorliegen entsprechend geregelter Sondertatbestände durch weitere Verfahrensarten, wie insbesondere dem Verhandlungsverfahren und dem wettbewerblichen Dialog erweitert werden kann. Die Formulierung,
dass andere Verfahrensarten „nur“ zur Verfügung stehen, wenn das Gesetz bzw. die auf
Grundlage dieses Gesetzes im Rahmen § 113 GWB-E erlassene Vergabeverordnung dies
vorsehen ist insoweit zumindest missverständlich. Die Formulierung widerspricht auch dem
sogenannten „toolbox-Ansatz“, nach dem alle Verfahren in geeigneten Fällen gewählt werden können. Insbesondere im Hinblick auf die freiberuflichen Dienstleistungen von Ingenieuren, welche regelmäßig nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können
und für die daher regelmäßig die weiteren Verfahrensarten angewendet werden können, wird
diese Vorrangstellung des offenen und nichtoffenen Verfahrens der Intention des Richtliniengebers nicht gerecht.
Es wird daher vorgeschlagen, in Abs. 2 Satz 2 das Wort „nur“ zu streichen.
§ 122 GWB-E
Begrüßt wird der Ansatz, die Regelungen für die Eignung und deren Nachweise klarer zur
regeln und die Anforderungen hieran in ein angemessenes Verhältnis zum Auftragsgegenstand zu setzen und die Kriterien für die Beurteilung von Fachkunde und Leistungsfähigkeit
abschließend zu beschreiben. Dadurch wird insbesondere kleinen und mittleren Büros die
Teilnahme am Wettbewerb ermöglicht. Es wird jedoch erforderlich sein, das angemessene
Verhältnis, in dem die Eignungskriterien zum Auftragsgegenstand stehen müssen, für freiberufliche Dienstleistungen in der anschließenden Vergabeverordnung spezifisch zu definieren
und nicht lediglich allgemein für alle Leistungen festzulegen.
2 § 127 GWB-E
Zuschlagskriterium des bisherigen Vergaberechts war das „wirtschaftlich günstigste Angebot“. Durch die Bezugnahme in § 127 Abs. 1. Satz 2 GWB-E auf das beste PreisLeistungsverhältnis wird nun der Preis als Zuschlagskriterium ausdrücklich festgeschrieben.
Gerade bei den von freiberuflich tätigen Ingenieuren erbrachten geistig-schöpferischen Leistungen, welche neue, innovative und technisch hochwertige Lösungsansätze zur Bewältigung einer Planungsaufgabe einbringen können, sollten diese Aspekte als vorrangige Zuschlagskriterien zu ermöglicht werden. Die zwingende Einbeziehung des Preises wird an der
bisherigen Vergabepraxis vieler öffentlicher Auftraggeber, aus Furcht vor den Rechnungshöfen ausschließlich nach dem billigsten Preis zu vergeben, wenig ändern.
Elektronische Vergabe
Gerade im Hinblick auf die für kleine und mittelständische Büros anfallenden Umstellungsprozesse für die Teilnahme an der elektronischen Vergabe ist eine weitest mögliche Ausschöpfung der in der Richtlinie eingeräumten Übergangsfristen im Zuge des weiteren Umsetzungsprozesses aus unbedingt geboten. Insbesondere sollte für die Teilnahme den technischen und personellen Randbedingungen dieser Büros Rechnung getragen werden.
Bundesingenieurkammer
Berlin, Mai 2015
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