BERLIN GESELLSCHAFT Einfach Frau sein – egal, was andere denken: Porträtserie „Women“ der Fotografin Goodyn Green AUSSTELLUNG Gay-Geschichte wird gemacht Pünktlich zur Prideweek eröffnet im Deutschen Historischen und im Schwulen Museum die Ausstellung Homosexualität_en: Die Szene zeigt nun ihre Relevanz S ensation in Berlin – Mega-Ausstellung zur Homo-Geschichte“, jubelt „L.Mag“, das „Magazin für Lesben“, auf der Titelseite seiner aktuellen Mai-Juni-Ausgabe 2015. Und bewirbt den entsprechenden PrintBeitrag auf seiner Homepage mit den Worten: „Das Deutsche Historische Museum in Berlin schreibt Geschichte. Erstmals kommt die Geschichte von Homosexuellen in eines der bedeutendsten Museen Deutschlands.“ 12 Und auch die Zeitschrift „Siegessäule“ („We Are Queer Berlin“) kennt in ihrer Begeisterung kaum Grenzen. Sie nennt die Ausstellung – lange vor deren Eröffnung am 26. Juni – auf ihrer Titelseite unbesehen bereits „epochal“. Tatsächlich gibt es gute Gründe, anzunehmen, dass die queere Szene mit „Homosexualität_en“ – so der Name der Schau – keine massive Enttäuschung erleben wird. Die Aus- stellungsmacher werden kaum mit überkommenen Klischees jonglieren, vergangene und aktuelle Diskriminierungen verharmlosen beziehungsweise verschweigen oder insgesamt zu prüde sein: Laut Caroline Ausserer, Pressesprecherin des Schwulen Museums, ging die Initiative zu der Präsentation von der Szene selbst aus – dem Schwulen Museum. Dessen Vorstandsmitglied Dr. Birgit Bosold ist nicht nur eine aus dem dreiköpigen Ku- 13 / 2 015 TIP BERLIN FOTOS GOODYN GREEN 2011-2012 TEXT EVA APRAKU FOTOS SAMMLUNG PETR A GALL, SCHWULES MUSEUM; ARCHIV FFBIZ, 1974; HE ATHER CASSILS AND ROBIN BL ACK / IMAGE COURTESY OF HE ATHER CASSILS AND RONALD FELMAN FINE ARTS / COPYRIGHT HE ATHER CASSILS AND ROBIN BL ACK, 2011 GESELLSCHAFT BERLIN Dokument weiblicher Selbst ermächtigung: Walpurgis in Berlin, 1983. Foto von Petra Gall Neue Verhältnisse: Plakat des Frauenzentrums Berlin von 1974 (links) und „Hommage to Benglis“, Foto von Heather Cassils (oben) ratorenteam von „Homosexualität_en“. Als Finanz expertin hat sie auch maßgebliche Geldgeber, die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder, an Bord geholt. Insgesamt 960 000 Euro ist den För derern die Schau wert. Mit diesem Voranpreschen knüpft „Ho mosexualität_en“ auch an die Entstehungs geschichte des Schwulen Museums an. Es waren die drei schwulen Studenten Andreas Sternweiler, Wolfgang Theis und Manfred Baumgardt, die Anfang der 1980erJahre erst als Museumsaufsichten im Berlin Museum – heute sitzt dort das Jüdische Museum – jobb ten. Und dann den damaligen Direktor im Mai 1984 zu einem mutigen Schritt anregten: Die dort gezeigte Schau „Eldorado – Geschichte, Alltag und Kultur homosexueller Frauen und Männer in Berlin 1850–1950“ galt als „erste Schwulenausstellung in einem staatlichen Museum“ („Die Berliner Literaturkritik“). Sternweiler, Baumgart und Theis – inzwischen haben sie sich als Kunsthistoriker, Politologe sowie Filmwissenschaftler und Ausstellungs macher etabliert – waren maßgeblich an der Schau beteiligt. Und gehörten 1985 zu den Gründern des Schwulen Museums, für das „Eldorado“ den Startschuss lieferte. TIP BERLIN 13 / 2 015 Rund 30 Jahre, einen schwulen Berliner Bür germeister und zahlreiche bekennende Les ben und Schwule in Politik, Wirtschaft und Kultur später, dürfte „Homosexualität_en“ indessen deutlich offensiver werden, als es noch die „Eldorado“Schau war. Denn wäh rend der Ausstellungsgegenstand im Berlin Museum, 100 Jahre homosexuelle Geschich te bis 1950, damals bereits lange abgeschlos sen war und nicht einmal die Emanzipations bewegung der 1960er und 1970erJahre berücksichtigte, thematisiert die Schau im DHM und im Schwulen Museum „Homose xualität … seit dem späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart“. Damit hat es die LGBTI Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexual) geschafft, auch aktuelle Diskus sionen wie die um die HomoEhe oder die Selbstbestimmung von Trans und Inter sexuellen an einem zentralen Ort aufzugrei fen und, so der eigene Anspruch, „in der Mit te der Gesellschaft“ zu platzieren. Was aber auch für einigen Zündstoff sorgen könnte und die Frage aufwirft: Hat sich das – sonst eher konservative – DHM die Ausstellung gar überstülpen lassen? Bis Redaktions schluss jedoch war dem DHM kein Kommen tar zu „Homosexualität_en“ zu entlocken. Die Verantwortlichen hätten alle keine Zeit, hieß es in der Presseabteilung lapidar. So weckt „Homosexualität_en“ auch bei anderen gesellschaftlichen Gruppierungen Begehrlichkeiten. Dominik Peter etwa, Vor standsmitglied beim Berliner Behinderten verband „Für Selbstbestimmung und Würde e. V.“, hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn gehandicapte Menschen mit einer selbst kon zipierten Ausstellung über ihre Geschichte, Emanzipationsbewegung und gegenwärti ge gesellschaftliche Leistungen ebenfalls an einem repräsentativen Ort in der Mitte der Gesellschaft ankommen dürften. Und auch Berlin Postkolonial e. V. – der Verein beschäf tigt sich kritisch mit Geschichte und Auswir kungen des deutschen Kolonialismus – hätte gerne an der im kommenden Jahr im DHM stattindenden Ausstellung „Deutsche Ko lonialgeschichte“ maßgeblich mitgewirkt. ◆ DHM + SCHWULES MUSEUM Unter den Linden 2, Mitte; Lützowstraße 73, Schöneberg, 26.6.–1.12. 13
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