Newsletter_8_2015 (1,2 MiB)

Informationen zur Umweltbildung für Februar2
Newsletter 8/15
Hallo Biber! Mittelland – Eine Aktion von Pro Natura Bern und Solothurn
Guten Tag !
Dem Biber ein Treppchen bauen
Das Gewässersystem
Die Dünnern ist ein 37 Kilometer langer Fluss und das grösste Fliessgewässer, welches ganz im Kanton Solothurn liegt. Sie entspringt bei
Gänsbrunnen im Naturpark Thal im Solothurner Jura und mündet mitten in der Stadt Olten in die Aare. Ausser im Oberlauf und auf einem
kurzen revitalisierten Abschnitt nahe Olten ist sie durchgehend in ein
enges Korsett gezwängt. Allerdings weist sie zahlreiche kleine Seitengewässer auf, welche noch oder wieder naturnah sind.
So langsam biegen wir auf die
Zielgerade ein
mit der Pro Natura Aktion Hallo Biber! Mittelland. Ende 2015
liegen nämlich
bereits 7 der geplanten 10 Jahre hinter uns.
Viel ist seither geschehen. Die BiberPopulation in den Kantonen Bern
und Solothurn hat sich in dieser Zeit
mehr als verdoppelt. Mit Freude und
etwas Stolz können wir auch auf
diverse abgeschlossene Projekte im
Rahmen unserer Aktion zurückblicken. Da ist zum Beispiel der Biberbus, eine fahrende Ausstellung, mit
welchem wir monatelang durch die
Schulhäuser tourten. Oder Smaragd
Oberaargau, in dessen Rahmen über
60 Aufwertungsmassnahmen zugunsten des Bibers umgesetzt wurden. Ebenso der Bau der beiden
Biber-Kunstbauten an der Gürbe
oder die Erstellung der InfoBroschüre zum Thema Biber und
Biodiversität - um nur einige wenige
weitere zu nennen. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe des Newsletters liegt denn auch auf der Vorstellung einer Auswahl unserer aktuell
laufenden Projekte.
Wir haben uns auch für die letzten 3
Jahre noch viel vorgenommen. Mit
Elan und Begeisterung wollen wir
die verbleibende Zeit nutzen, um
uns weiterhin für den Biber und die
einheimische Fauna und Flora entlang der Gewässer einzusetzen.
Peter Lakerveld,
Projektleiter Hallo Biber! Mittelland
Im Raum Olten gibt es an der Aare mehrere Biberreviere. Selbst mitten
in der Stadt finden sich immer wieder Nagespuren, die von der Präsenz
der Art zeugen. Der Biber hat es aber bisher nicht geschafft, die Dünnern zu besiedeln. Grund dafür sind Wanderhindernisse. Während die
zahlreichen Schwellen, welche fast auf der gesamten Strecke zu finden
sind, von Biber recht problemlos landseitig umwandert werden könnten
und nur für Fische ein ernsthaftes Problem darstellen, befinden sich
ausgerechnet direkt oberhalb der Mündung in die Aare mehrere hohe
Abstürze im kanalisierten Betongerinne. Weil das Ufer dort mit senkrechten Betonelementen ausgestaltet ist, besteht keine Möglichkeit der
landseitigen Umgehung. Ein Verlassen des Gerinnes ist nicht möglich.
Um bei Olten in die Dünnern zu gelangen, müsste der Biber bereits an
der Aare das Wasser verlassen und durch die gesamte Stadt wandern,
bevor er wieder einen Einstieg in die Dünnern finden würde. Ein solches Unterfangen dürfte auch für eine wanderfreudige Art wie den Biber
nur sehr schwer zu bewältigen sein.
Der Unterlauf der Dünnern ist massiv verbaut und kanalisiert. (Foto: David Gerke)
Zum Gewässersystem der Dünnern gehört auch der Mittelgäubach.
Dieser stellt quasi einen Bypass dar, über welchen der Biber ebenfalls in
die Dünnern gelangen könnte. Allerdings ist er auf einem langen Stück
komplett eingedolt. Bereits mindestens vier Biber schafften in den letzten Jahren dennoch den Sprung in den Mittelgäubach. Von dort her in
die Dünnern zu gelangen, ist zwar wiederum nicht ganz einfach, aber
auch nicht unmöglich. Grundsätzlich
kann also eine Kolonisierung der
Dünnern über den Mittelgäubach
nicht ausgeschlossen werden.
Newsletter
Impressum
Aktuelle Projekte
Hallo Biber! Mittelland
Dezember 2015
Dem Biber ein Treppchen bauen
Monitoring Kanton Bern
Die Dünnern wird zugänglich
Im letzten Winter wurde durch
Hallo Biber! Mittelland in Zusammenarbeit mit der Biberfachstelle
der Berner Biberbestand erfasst.
Unter Mithilfe von Freiwilligen und
von Wildhütern wurden insgesamt
1836 km Gewässer kartiert. Dies war
die erste Biber-Zählung seit dem
eidgenössischen Monitoring von
2008. Damals ging man im Kanton
Bern von 292 Bibern in 99 Revieren
aus. Der Bestand hat sich seither
deutlich erhöht: Im Winter 14/15
lebten im Kanton Bern 765 Biber in
202 Revieren. Der Verbreitungsschwerpunkt der Tiere liegt an den
Flüssen und Seen des Mittellandes.
Insbesondere sind die Aare und die
Gewässer des Seelandes besiedelt.
Mit wenigen Ausnahmen noch biberfrei sind der Jura, das Oberland
und das obere Emmental.
Trotzdem ist eine Biber-Wanderhilfe durch Olten wichtig. Einerseits
wird der Art damit ermöglicht, auf sichere Weise die Dünnern und
deren Seitengewässer zu besiedeln. Das hilft nicht nur dem Biber selbst,
sondern auch den Gewässern. Denn diese werden durch die regen Bautätigkeiten des Nagers ökologisch weiter aufgewertet. Gleichzeitig wird
mit einer Wanderhilfe gewährleistet, dass die künftigen Biberreviere im
Einzugsgebiet der Dünnern, welche sich ohnehin bilden werden, ausreichend mit denen an der Aare vernetzt sind.
Aktuelle Biberverbreitung im Berner Seeland.
(Abbildung: David Gerke und Christof Angst)
Biberaue Ferenbalm
Seit Dezember 2012 ist Pro Natura
Grundeigentümerin der 3 ha grossen
Fläche. Mit gezielten baulichen
Massnahmen soll es dem Biber
ermöglicht werden, das Projektgebiet in ein natur- und artenreiches
Auengebiet umzugestalten. Entlang
der Bibere durch unsere Parzelle
verläuft aktuell noch eine Abwasserleitung. Eine Verlegung dieser an
den Flurweg würde das ökologische
Potential der Fläche noch einmal
markant erhöhen. Die politische
Gemeinde ist nun nach Verhandlungen im Verlauf dieses Jahres bereit,
die Bauherrschaft im notwendigen
Wasserbauverfahren zu übernehmen. Dies wurde in einer Vereinbarung schriftlich festgehalten. Damit
steht einer baulichen Umsetzung des
Projekts nichts mehr im Wege.
Biber sind sehr eng an Gewässerläufe gebunden und breiten sich dementsprechend entlang derselben aus. Es braucht gar nicht viel, um den Tieren zu helfen, Hindernisse zu
überwinden. Im Bild: Durch Hallo Biber! Mittelland diesen Herbst gebaute Biberrampe.
(Foto: David Gerke)
Der Raum für das Fliessgewässer bei Olten ist extrem begrenzt. Die
Dünnern fliesst durch ein vollständig betoniertes Gerinne mit einer
Niederwasserrinne, Gebäude und Infrastrukturanlagen reichen bis ans
Ufer. Die Ermöglichung der freien Fischwanderung gilt aus Platzgründen zumindest kurz- und mittelfristig als nicht möglich. Deshalb wird
Hallo Biber! Mittelland gemeinsam mit dem Kanton Solothurn zumindest Wanderhilfen für den Biber bauen. Im Rahmen der ohnehin anstehenden Sanierung der Betonsohle im Winter 2014/15 durch den Kanton
Solothurn wurden die kleineren Abstürze landseitig mit kleinen Rampen
versehen, über welche Biber auf- und absteigen können. Die beiden
grossen Wanderhindernisse, ein mächtiger künstlicher Absturz und das
Wehr des künftigen Kleinwasserkraftwerkes, wird Hallo Biber! Mittelland mit Bibertreppen versehen. Anfang Oktober 2015 wurde nun beim
grossen Absturz eine solche Rampe angebracht. Beim Wehr, welches
sich im Bau befindet, wird später ebenfalls eine Rampe installiert. Die
Erfolgskontrolle der Massnahme wird mit Fotofallen an den Wanderhilfen geschehen. Andererseits wird natürlich beobachtet, wie der Biber
David Gerke
die Dünnern besiedeln wird.
Newsletter
Medien-Schlagzeilen
Hallo Biber! Mittelland
Dezember 2015
Umgang mit Biberdämmen
Zeitungsente
Ein genialer Baumeister
„Als Zeitungsente wird umgangssprachlich eine Falschmeldung in
den Medien bezeichnet“. So steht es
im Wörterbuch. Auch über den
Biber kann man – nebst vielen guten
Artikeln – immer wieder mal Zeitungsenten lesen. Vor wenigen Tagen berichtete beispielsweise eine
deutsche Radiostation ausführlich
darüber, dass durch den bisher sehr
warmen Winter verstärkt BiberSchäden zu beklagen seien. Dies,
weil die Nager wegen den aussergewöhnlich milden Temperaturen
noch nicht im Winterschlaf seien.
Der Haken an der Sache: Biber machen gar keinen Winterschlaf.
Der Biber gestaltet durch das Bauen von Dämmen die Landschaft. Spezielle Umweltsituationen veranlassen ihn dazu: Insbesondere ein niedriger oder stark schwankender Wasserspiegel löst bei den Nagern das
Bedürfnis zum Einlegen eines Staukörpers ins Gewässer aus. Der Rückgang seiner Nahrung kann ebenso ein Grund sein. Als Baumaterial
gebraucht werden meist Holz, Steine und Erdmaterial. Aber auch Maisstängel werden mitunter verwendet. Für die Tiere sind Dämme ganz
wesentliche und überlebenswichtige Elemente ihres Lebensraumes und
nicht einfach nur nice to have. Sie erfüllen je nach Situation folgende
Funktionen:
• Schutz des Bau-Eingangs vor Feinden und Zugluft
• Ausgleich von ändernden Wasserständen
• Erschliessung neuer Nahrungsquellen
• Erhöhte Sicherheit: Abtauchen bei Gefahr
• Rasche und kraftsparende Fortbewegung
• Erleichterung des Transports von Nahrung und Baumaterial
Weihnachtsessen für den Biber
Seit Anfang Dezember zieht ein
ganz spezieller Weihnachtsbaum in
der Stadt Bern die Blicke der Passanten auf sich, wie die Berner Zeitung
berichtet. Auf einem kleinen Holzfloss mitten auf der Aare flackert
echtes Kerzenlicht an einer kleinen
Tanne. Hinter der Aktion stehen der
Pontonier Hansruedi Petri und einige Vereinskollegen. „Weil sich die
Biber so toll verhalten haben und
uns in der Wettkampf- und Trainingssaison nie in die Quere gekommen sind, habe ich beschlossen,
mich bei ihnen mit einem Tannenbaum zu bedanken“, erzählt der 72Jährige. Und so zündet er Abend für
Abend die Kerzen auf dem Bäumlein
an und legt den Bibern jeweils ein
Gourmetmenu, wie er es nennt,
unter die Tanne. „Heute waren es
frische Karotten, Äpfel und Weidenäste“, erzählt Petri. So müssten sich
die Tiere nicht an den Bäumen zu
schaffen machen.
Weihnachtsbaum mit Gourmet-Häppchen
(Foto: Sybille Hartmann)
In kleinen Bächen wird gestaut! (Foto: Toni Dürrenberger)
Gerade in der Dammbau-Tätigkeit zeigt sich aber auch die herausragende Bedeutung des Bibers als Schlüsselart für die Biodiversität entlang
von Gewässern. Dadurch werden nämlich wertvolle Flachwasserzonen
und viel Totholz geschaffen. Auf der anderen Seite kann dies aber auch
zu Interessenskonflikten mit dem Menschen führen, welche Management-Massnahmen erfordern.
Biberdämme können zu Vernässung oder im Extremfall gar zu Überschwemmung von
Kulturland führen. (Foto: Peter Lakerveld).
Newsletter
Hallo Biber! Mittelland
News
Dezember 2015
Umgang mit Biberdämmen
Management
Es besteht Handlungsbedarf
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU)
ist zurzeit an der Erarbeitung eines
Konzepts Biber Schweiz. Darin wird
das Management der national geschützten Nager geregelt. Der seit
diesem Sommer vorliegende Entwurf
geht wesentlich detaillierter auf den
konkreten Umgang mit den Tieren
ein, als dies im veralteten Konzept
aus dem Jahre 2004 der Fall war.
Die Vernehmlassungsfrist zum Konzeptentwurf ist Anfang September
2015 abgelaufen. Rund 50 Organisationen haben die Gelegenheit genutzt und Inputs eingebracht, so
auch Pro Natura. Die Inkraftsetzung
ist dann auf Anfang 2016 geplant.
Aktuell werden die Bauwerke des Bibers in der Schweiz viel zu oft
bereits bei ersten Anzeichen von Konflikten einfach mal herausgerissen.
Eine solche Praxis erfüllt aber die Anforderungen an einen verantwortungsvollen Umgang mit einer gesetzlich geschützten Tierart nur unzureichend. Beim Management von Biberdämmen herrscht deshalb eindeutig ein Vollzugsnotstand, wie auch eine Umfrage bei verschiedenen
Kantonen gezeigt hat. Dies umso mehr, weil das Zerstören eines Biberdamms in den allermeisten Fällen nur für sehr kurze Zeit wirksam ist,
da die Tiere diesen oft umgehend wieder aufbauen. Gefragt sind Lösungen, welche Konflikte mit Biberdämmen nachhaltig entschärfen.
Biber-Beratungen sind gefragt
Die Anzahl Anfragen an die Geschäftsstelle von Hallo Biber! Mittelland ist seit Beginn der Aktion jedes
Jahr gestiegen. Im 2015 waren es
deutlich über 200 Kontaktaufnahmen aus der Bevölkerung. Das Bedürfnis nach Information und Beratung ist offensichtlich gross.
Eingriffe in Biberdämme führen bei den Tieren zu Stress sowie zu einem zusätzlichen
Energiebedarf. Sie können das Sozialleben einer Biberfamilie massiv beeinflussen.
(Foto: Peter Lakerveld)
Biber, Nutria oder Bisamratte? Zugesandtes
Bild aus der Bevölkerung. (Foto: Beni Gnos)
Impressum
Herausgeber und Kontakt
Hallo Biber! Mittelland
Schwarzenburgstrasse 11, 3007 Bern
Nat: 079 708 04 90
Mail: [email protected]
Website: www.hallobiber.ch
Konto: PC 30-456766-5
Elektronischer Rundbrief
Redaktion: Peter Lakerveld
Erscheinungsweise: 1 bis 2 Mal pro
Jahr. Der Rundbrief ist gratis und
jederzeit kündbar.
Abonnement: Per Mail mit dem
Betreff „Newsletter“ an die Adresse
[email protected].
Erarbeitung einer Praxishilfe
Die gesetzlichen Grundlagen verlangen, dass bei Eingriffen in Biberdämme vorgängig eine umfassende Interessenabwägung durch die zuständigen Behörden vorgenommen wird. Hier setzt das neue Projekt
von Hallo Biber! Mittelland im Zusammenarbeit mit Smaragd Oberaargau an: Es wird eine Entscheidungshilfe Damm-Management erarbeitet.
Diese soll die Wildhüter und andere betroffene Stellen bei einer ausgewogenen und transparenten Lösungsfindung bei Konflikten in Zusammenhang mit Biberdämmen unterstützen. Die Entscheidungshilfe versucht, fundierte Antworten auf die wichtige Frage des zumutbaren
Schadens zu liefern. Ebenso ist aber auch das ökologische Potential,
welches durch einen Biberdamm entsteht, ein wesentlicher Faktor bei
der Beurteilung. Der Nutzen, den der Biber mit seinen Aktivitäten erbringen kann, soll vor einem Entscheid über den Abriss eines Dammes
in der Interessensabwägung berücksichtigt werden. Um zu ausgewogenen Lösungen beim Umgang mit Biberdämmen zu kommen, müssen
also die verschiedenen Interessen gegeneinander abgewogen werden.
Dazu ist es erforderlich, den wirtschaftlichen Schaden und den ökologischen Nutzen zu quantifizieren. In der Entscheidungshilfe wurde dies
mittels eines einfachen Punktesystems angestrebt. Das Projekt ist Anfang 2015 angelaufen und befindet sich jetzt vor der konkreten Umsetzungsphase.
Peter Lakerveld