Haushaltsrede 2016 - FDP- Stadtverband Steinfurt

FDP-Haushaltsrede 2016
Es gilt das gesprochene Wort
„Grundstücke in Steinfurt günstiger, Wasser/Abwasser günstiger. Grundsteuer weitaus günstiger.
Infrastruktur formidabel. Grundschulen, Kindergärten, Realschule, Gymnasien…, alles was das
Herz begehrt.“ – Das klingt wie eine Lobeshymne, die wie himmlischer Tau auf uns herab
regnet, in diesem Fall aus Laer (WN vom 24.2.2016). „Immer munter drauf auf die
Ausgabenseite der Bürger“, schickt der Leserbriefschreiber in tiefstem Moll seinen Ortspolitikern
hinterher.
Schön wär’s, wenn wir Steinfurter das hohe Lied der dissonanzfreien Stadtfinanzen bei uns
erklingen lassen könnten. Da kann man mal sehen, was auf 12 Kilometern Entfernung im Äther
verschluckt wird. Mit knapp sieben Millionen Miesen im Haushaltsjahr 2016 müsste Steinfurt
eigentlich den Schwanengesang anstimmen. Unser Eigenkapital schmilzt wie der Schnee unter
der Sonne, Mammutaufgaben zwingen uns, alle Register zu ziehen. Vor drei Jahren hat der
Stadtrat unter Bürgermeister Andreas Hoge beschlossen, in 2016, 2020 und 2023 die
Grundsteuer B jeweils um 100 Punkte zu erhöhen. Den ersten dieser Paukenschläge haben wir
alle mit dem jüngsten Steuerbescheid vernehmen können. Diese langfristig angelegte
Konsolidierung ist also keine Erfindung unserer neuen Verwaltungsspitze unter Bürgermeisterin
Claudia Bögel-Hoyer. Wir mussten uns damals gegenüber der Finanzaufsicht unmissverständlich
verpflichten, bis 2023 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
„Wir wollen gerne Steuern zahlen, doch ihr verlangt zu viel.“ Das haben die Bergeneustädter
Ende Januar bei ihrem Marsch zum Düsseldorfer Landtag gerufen. Wir Steinfurter sind 2016 bei
569 Steuerpunkten, 2023 voraussichtlich bei einem Hebesatz von 769 Punkten. Wo ist die
Schmerzgrenze? Die Bergneustädter haben sie bereits überschritten. Zum Hebesatz von 1.200
Punkten sagen die Betroffenen: „Ihr nennt es Grundsteuer – Wir nennen es Enteignung“. Die
Bergneustädter haben die Schuldigen in der Landesregierung gefunden. Das sind also die
hintergründigen „Ihr“. „Die Hebesätze in vielen Orten haben nichts mehr mit der
Lebenswirklichkeit zu tun“, argumentieren auch andere aufgebrachte Bürgermeister. „Hannelore,
gib uns Kraft, damit es unser Haushalt schafft“, skandierten die Protestler vor dem Landtag.
Haben diese alten, aber immer lauter werdenden Hilferufe im aufflammenden Wahlkampf eine
bessere Chance? Wir Liberalen werden uns dafür stark machen, dass es in Steinfurt bei den
bisher beschlossenen Anhebungen der Steuersätze bleibt.
Tatsache ist, dass jeder Bürger mit der Grundsteuer seinen Beitrag zur Handlungsfähigkeit
unserer Stadt leistet. Ohne ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept wird unserer
Stadt der Taktstock aus der Hand genommen. Dann wird uns ein auswärtiger Dirigent vor die
Nase gesetzt, der uns die Flötentöne beibiegt. Und was wird der als erstes machen? Die Steuern
erhöhen! Gibt es neue Zwischentöne, die unsere Bürgermeisterin mit ihrem Team und der Politik
anklingen lassen? Gemeinsam mit der Mehrheit aller Fraktionen haben wir in den vergangenen
Wochen die Grundlagen geschaffen, das Haushaltssicherungskonzept genehmigungsfähig zu
machen.
Claudia Bögel-Hoyer hat vor ihrer Wahl „frischen Wind für Steinfurt“ versprochen, sie hat nicht
wie Tony Marshall geträllert „Ich fang für euch den Sonnenschein, hollariaho, denn ihr sollt alle
meine Freunde sein.“ Frischer Wind kann durchaus rau und unangenehm sein, das spüren wir an
den strengen Maßstäben der Kämmerei. Aber fest steht, die Luft ist anschließend reiner und der
Blick nach vorne klarer. Ich staune über das neue Klima in der Verwaltungsspitze, ich freue mich
über die neue Offenheit und Sachlichkeit zwischen uns Kommunalpolitikern. Wir nehmen für
uns als Stadt den Slogan „Symphonie des Münsterlandes“ gerne in Anspruch. Jetzt scheinen sich
auch die politischen Register zusammengerauft zu haben.
Sachlich auseinandersetzen! Nur geschlossen und mit fest vereinbarten Zielen lassen sich viele
Aufgaben bewältigen. So ist es gut.
Was brauchen wir denn unbedingt?
•
mehr Gewerbeansiedlungen, auch in den Innenstädten,
•
seriöse Entscheidungsgrundlagen zur Zukunft unserer Bäder,
•
kluge Köpfe zur Attraktivitätssteigerung unserer Stadt,
•
eine verbesserte Struktur in der Schullandschaft,
•
zusätzliche Flächen für den sozialen Wohnungsbau.
Was wir nicht brauchen?
•
neue Flächen für Discounter,
•
Blockhütten in den Veltruper Niederungen,
•
heruntergekommene Übungsräume für musische Gruppen,
•
ein Stadtarchiv mit Tropenklima,
•
stadtgärtnerische Flickenteppiche und denkmalwürdige Betonkübel mit Pflegepflicht,
•
städtische Bedienstete im Baubetriebsamt mit Laufburschencharakter,
Damit wären wir bei den Standards. „Ick hab mir so an Dir jewöhnt.“ Standards mit einem
leichten Goldschimmer - gibt’s die noch? „Mal eben bei det Baubetriebsamt anklingeln, die
machen det schon.“ Da schlagen laut vertraulichem Bericht für die „Veränderung eines
Schreibtisches in unserem Büro“ mal eben 327,47 zu Buche. Oder: Muss für den Transport von
Prospekten von A nach B das Baubetriebsamt ausrücken? Reichen nicht Flatterbänder bei einer
Laufveranstaltung anstelle aufwendig ran- und weggeschleppter Absperrgitter? Solche Beispiele
sind mit dem Laufburschencharakter gemeint.
„Wir haben an vielen Stellen zu hohe Standards. Davon müssen wir uns verabschieden und das
geht auch, ohne zu leiden.“ - Dieser Satz stammt vom Münsteraner Oberbürgermeister Markus
Lewe (WN vom 2. Januar 2016). Lewe weiter: „Bei Verwaltungsstandards kann man durchaus
sparen, möglicherweise auch beim Tiefbau oder bei Spielplätzen.“ Herr Lewe hat sich
vorgenommen, mit seinen Amtsleitern über Sparvorschläge zu sprechen. Ich denke, das hat
unsere Bürgermeisterin längst erledigt.
Noch eine Anmerkung zur Schlagzeile der letzten Woche „Steinfurt wird grauer.“ Wie am
Dienstag dieser Woche bei der Versammlung der Burgsteinfurter Werbegemeinschaft
vorgetragen, bemühen sich die Kaufleute Blumenampeln an den Laternenmasten anzubringen,
für die sie auch die Patenschaften übernehmen könnten. Bisher scheitert dieses Vorhaben an der
Gestaltungssatzung. Dabei gab es bereits in den 50er Jahren derartige Blumenampeln in
Burgsteinfurt. Hässliche und überflüssige Betonkübel weg, das war unsere Forderung. Dass es
besser geht und sogar den Insekten reichlich Nahrung verschafft, hat Baubetriebsamtsleiter
André Homölle in den letzten Jahren bewiesen. Früher aufwendig zu pflegendes
Straßenbegleitgrün wurde ersetzt durch dauerblühende Sommerblumen. Bitte mehr davon! Diese
Blütenpracht muss nicht ständig gegossen werden. Unsere Schlagzeile: Steinfurt wird bunter!
Was einem nicht in den Kopf will: Da sollen in der tiefsten Bauerschaft Flüchtlingsheime gebaut
werden, die eigentlich allen Regeln der bisherigen Planungen und der Infrastrukturvorgaben
zuwider laufen, aber durch Sonderregelungen im Baugesetzbuch durchgewunken werden
können. Da wird aus einem SO2-Gebiet durch eine harmlose (?) Anfrage der CDU ein echtes
SOS-Gebiet.
Stichwort Spielplätze: Die Stadt Steinfurt unterhält aktuell 68 Spielplätze und 14 Bolzplätze mit
einer Gesamtfläche von 95.146 m². Auf den Spielanlagen befinden sich 514 Geräte. Dabei
wissen wir: Steinfurt ist besser als der Durchschnitt, was die Eigenheimquote angeht. Daraus
ergibt sich für die Spielplatzsituation die logische Folge, dass auf den eigenen Grundstücken das
Spielangebot für Kleinstkinder häufig bereits abgedeckt werden kann. Außerdem werden Kinder
heute in Einrichtungen und Schulen bis in die Nachmittagsstunden betreut. Weitere städtische
Angebote wie Sportverein oder Musikschule lassen nur noch wenig Zeit für die Frequentierung
der Spielplätze. In einigen Stadtvierteln knubbeln sich die Spielplätze geradezu. Darum unsere
Forderung: Überflüssige Spielflächen als Wohnbauflächen vermarkten. Wenn wir die
Spielflächen um ein Drittel verringern, könnte durch Vermarktung einiges in die Stadtkasse
fließen. Zusätzliche Einsparungen beim Unterhaltungsaufwand oben drauf.
Erfreulich, dass wir uns mit diesen Forderungen im Einklang mit mehreren Fraktionen befinden.
Erfreulich auch, dass wir uns bei der Standortsuche für drei neue Kindertagestätten so schnell
geeinigt haben. Weniger erfreulich, dass unsere Burgsteinfurter Schulen beim
Schwimmunterricht in den Sommermonaten die kosten- und zeitträchtige Anfahrt zum
Kombibad bevorzugen. Wir können im Freibad die Wassertemperatur auch auf 28 Grad erhöhen
und im so genannten Warmraum das Warmzittern abstellen. Die kostengünstige Energie der
Biogasanlage wird ja sonst nutzlos in die Luft geblasen...
Auch beim Erhalt unseres Krankenhauses haben wir Politiker erfreulicherweise gemeinsam ins
Horn gestoßen. Das politische Signal, das vom neuen Partner UKM gefordert wurde, wird in drei
Fanfarenstößen vernehmbar. 300- , 300- und 400-Tausend gleich 1 Million Euro. Mit dieser
Million für den Bettentrakt-Neubau unterstreicht Steinfurt trotz der klammen Haushaltslage sein
klares Bekenntnis zum Marienhospital. Hier darf ein Lob an unsere Bürgermeisterin nicht fehlen,
die sich beherzt ins Getümmel der vielen Mitbestimmer gestürzt hat und Klarheit erzielt hat, was
machbar ist.
Wenn wir schon mal beim Loben sind, dürfen die über das Normale hinausgehenden
Engagements und Weichenstellungen für die Unterbringung der Flüchtlinge nicht fehlen. Alle
haupt- und ehrenamtlichen Helfer haben es bisher geschafft, durch ihren besonnenen Einsatz bei
Bürgern und Flüchtlingen ein Klima des Verständnisses auch für Notlösungen zu gewährleisten.
Überhaupt ist ohne Ehrenamt unsere Stadt nur halb so viel wert. Gerade haben wir gehört, was
die Sportvereine mit ihrer „Sporthand“ für die Integration der Gestrandeten leisten.
Ehrenamtlicher Einsatz nicht nur für die Feuerwehr oder den Bürgerbus. Bürger reden
miteinander, verabreden sich, erkennen sinnvolle Aufgabenfelder, erfüllen unsere Stadt mit
Leben. Auch die Göckenteichfreunde, die Bürgerinitiativen, die Beiräte – denen sich jetzt auch
die Jugend nicht verschließen will – alle sind Sprachrohre einer riesigen Gemeinschaft und die
heißt Steinfurt. Wie herzlich das im Konzert klingen kann, durften wir beim Straßenfest im
letzten August erleben. Wenn dieser Geist die Grundtöne der Symphonie bestimmt, ist mir um
die Zukunft unserer Stadt nicht bange.
Der Dank meiner Fraktion gilt allen Mitarbeitern im Rathaus, die mit ihrem Sachverstand uns
Freizeitpolitiker unterstützt haben, den Damen und Herren der Medien und den Kolleginnen und
Kollegen in den anderen Fraktionen.
Wir stimmen dem diesjährigen Haushalt zu.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion
Günther Hilgemann, Fraktionsvorsitzender