12 Titelthema Die Idee eines Geschlechtswechsels ist alt. Schon die griechische Mythologie kennt die Figur des blinden Sehers Teiresias, der zunächst als Mann, dann als Frau und letztlich wieder als Mann lebte. Doch sollte es bis zum 20. Jahrhundert dauern, bis der körperliche Wechsel des Geschlechts mitsamt der Übernahme der dazu gehörenden sozialen Rolle Realität werden konnte, ganz ohne göttlichen Beistand wie noch bei Teiresias. Von Beginn an war die Medizin in diesem Prozess federführend, von der Definition einer behandlungsbedürftigen Krankheit bis zur Bereitstellung geeigneter hormoneller und chirurgischer Therapien. In Berlin werden Patient*innen 1 mit dem Drang nach einem Geschlechtswechsel von niedergelassenen Hausärzten, Gynäkologen, Urologen und Endokrinologen behandelt. Während die heute so genannte Transidentität langsam im Alltag der Gesellschaft ankommt, wird die Frage nach ihrem Krankheitswert neu gestellt. KV-Blatt 10.2015 Titelthema KV-Blatt 10.2015 Therapie bei Transidentität Geschlecht im Kopf Die Antwort auf die Frage, ob man weiblich oder männlich ist, sich als Frau oder Mann fühlt, ist für die allermeisten Menschen derartig selbstverständlich, dass sie sich die Frage gar nicht stellen – es ist einfach so. Bei ihnen „passen“ das anatomisch-biologische Geschlecht, wie es bei der Geburt per Augenschein festgestellt wird, und das geschlechtliche Zugehörigkeitsempfinden zusammen. Bei anderen Menschen hingegen fallen das sichtbare und das erlebte Geschlecht auseinander, ohne organische Ursachen, ausgedrückt in der populären Formel einer weiblichen Seele in einem männlichen Körper (und vice versa). Sie streben meist danach, den „fremden“ Körper der „vertrauten“ Seele anzugleichen. Sie sind transsexuell. In Deutschland fällt die Behandlung transidenter resp. transsexueller 2 Menschen in den Leistungsbereich der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Katalog der ICD-10 kodiert „Transsexualismus“ unter der Nummer F64.0 als Störung der Geschlechtsidentität und erlaubt dergestalt die Abrechnung medizinischer Leistungen über die GKV. Nach § 116 b SGB V gilt „Transsexualismus“ als eine „seltene Erkrankung“ (i. e. bis zu fünf Patient*innen auf 10.000 Personen), die ambulant spezialfachärztlich versorgt wird. Dr. med. Christoph Schuler ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und behandelt seit 1998 Patient*innen mit transidenter Symptomatik. Im Erstgespräch, das in der Regel eine halbe Stunde dauert, erstellt er eine komplette Anamnese, fragt nach biografischen Daten und Brüchen, insbesondere nach dem erstmaligen Auftreten des Wunsches nach einem Geschlechtswechsel (ob bereits in der Kindheit oder Jugend oder erst im Erwachsenenalter). Mögliche bestehende Partnerschaften und die Jobsituation werden in die Anamnese mit einbezogen, ebenso das Motiv, gerade jetzt den Weg in eine A rztpraxis zu nehmen. Wichtig ist die Frage nach bereits eigenmächtig eingenommenen Hormonen, bei Trans*männern auch die nach der Pille. Schließlich geht es um die Perspektive der Veränderung – wie weit soll sie gehen, was wird gegebenenfalls offen gelassen oder auch ausgeschlossen? Eine Psychotherapie sollte begonnen sein, sie muss nicht exakt ein Jahr laufen, wie Dr. S chuler hervorhebt, lediglich ein Gespräch aber wäre zu wenig. Zentral sei für ihn dabei die Einschätzung der externen Psychologin, dass es sich um eine „innere Stimmigkeit“ beim Wunsch nach einem Geschlechtswechsel handele, bei 13 Titelthema KV-Blatt 10.2015 Fortsetzung von Seite 13 gleichzeitiger Klarheit der Patient*in über die Reichweite und Konsequenzen der angestrebten Transformation. Vor der Hormontherapie erfolgen dann eine körperliche Untersuchung inklusive einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraums, eine Blutuntersuchung inklusive des Hormonstatus sowie eine humangenetische Untersuchung, um eine Intersexualität auszuschließen. Gravierende Wirkungen der Hormone Bei Trans*männern unter Testosteron setzt die Menstruation aus, der Haarwuchs an Beinen, Armen und der Brust sowie im Gesicht wird stimuliert, das Hautbild wird gröber, eine Pubertäts akne kann sich entwickeln, ein Muskelwachstum setzt ein, ein nachgeholter Stimmbruch lässt die Stimmlage absinken, auf Dauer ist möglicherweise mit einer männlichen Glatzenbildung zu rechnen. Bei Trans*frauen unter Östrogen setzen Erektion und Ejakulation aus, die Haut wird weicher, vorhandene Behaarung der Beine und der Brust geht merklich zurück, ein gewisses Busenwachstum kann erwartet werden, die Silhouette wird kurviger, am Po und an den Oberschenkeln setzt sich Körperfett an. Bei beiden Geschlechtern ändert sich der Körpergeruch recht schnell; gerade der Beginn einer Hormontherapie führt zu einer psychischen Beruhigung und Entspannung, Phasen der Euphorie sowie der Depression können sich abwechseln. Je früher (vom Lebensalter) eine Hormontherapie beginnt, desto bessere Ergebnisse im Sinne eines überzeugenden Erscheinungsbildes sind zu erwarten. Der Off-Label-Use der zu verabreichenden Medikamente 3 macht Dr. Schuler keine Schwierigkeiten, da eine im versicherungsrechtlichen Sinne „behandlungsbedürftige Krankheit“ vorliege, es keine Alternativpräparate gebe und er zudem über eine Praxisbesonderheit verfüge; ihm wurde aber von Gynäkologen berichtet, die Trans*männer in der Behandlung ablehnen würden, da sie keine Leistungen für Männer abrechnen dürften. Foto: Bronstering 14 Gedenksäule für Magnus Hirschfeld vor seinem ehemaligen Wohnhaus gegenüber dem Rathaus Charlottenburg Die Langzeitbehandlung transidenter Menschen ist sicher, wie Dr. Schuler hervorhebt; weder werden sie früher alt als die Normalbevölkerung noch sterben sie früher. Östrogen und Testosteron kommen in jedem menschlichen Körper vor (wenn auch in unterschiedlicher Konzentration), beide sind Steroidhormone, die sich in ihrer biochemischen Zusammensetzung nur minimal unterscheiden. Bei Trans*frauen ist das Risiko einer Thrombose erhöht, deshalb sei ein Rauchverzicht geboten und ein ideales bis normales Gewicht anzustreben und zu halten. Ab dem 50. Lebensjahr würden sie überdies von ihrer Krankenkasse (bei erfolgter Personenstandsänderung) alle zwei Jahre zum Mammografie-Screening eingeladen. Bei Trans*männern hingegen könne es zu einer Erhöhung des Risikos kardiovaskulärer Erkrankungen kommen. Bei ihnen könne gerade am Beginn einer Testosteronbehandlung eine Polyglobulie auftreten. Bei einer jahrelangen Gabe von Testosteron sollte im Rahmen einer Krebsvorsorge an den Uterus sowie die Ovarien gedacht werden, sofern diese nicht entfernt worden seien. Um die generelle Belastung der Leber durch die Hormone zu minimieren, gebe es die Darreichungsform als Pflaster und als Gel; die über die Haut (oder über die Mundschleimhaut bei Tabletten) aufgenommenen Hormone gingen direkt ins Blut und würden unter Umgehung des Magen/Darm-Traktes verstoffwechselt. Die Pionierarbeit Magnus Hirschfelds Die medikamentös-operative Therapie der Transidentität begann in ihrer Vorform in den 1910er-Jahren in Wien. Hier experimentierte der Anatom Eugen Steinach mit Ratten, denen er gegengeschlechtliche Keimdrüsen ihrer Artgenossen transplantierte. Die während des I. Weltkriegs aufgekommene plastische Chirurgie zur Rekonstruktion verletzter Genitalien wurde zur Grundlage späterer Operationen an Transidenten. In den 1920er-Jahren gelang es der Bayer AG, menschliches Östrogen und Testosteron zu s ynthetisieren. Am 1919 gegrün- Titelthema KV-Blatt 10.2015 deten, privaten Institut für Sexualwissenschaft in Berlin setzte sich der Arzt Magnus Hirschfeld intensiv mit dem von ihm „Transsexualismus“ genannten Phänomen des Wunsches nach einem Geschlechtswechsel auseinander 4. An dieser weltweit einzigartigen Ambulanz behandelten Hirschfeld und seine Kollegen aus der Gynäkologie, der Psychiatrie, der Chirurgie und der Endokrinologie erste Patient*innen mit einem intensiven Wunsch nach einer Angleichung des somatischen Geschlechtes an das seelische. 1930/31 kam es zur ersten „vollständigen“ Geschlechtsanpassung; eine dänische Patientin mit Namen Lili Elbe wurde von Hirschfeld untersucht und in Dresden an der dortigen Frauenklinik vom Gynäkologen Kurt Warnekros genital operiert. Sie erhielt von der däni- schen Botschaft einen neuen weiblichen Namen und veröffentlichte im Jahr darauf die erste Autobiografie einer Transidenten. 1933 wurde das Institut für Sexualwissenschaft von den Nationalsozialisten verwüstet und geschlossen; Hirschfeld, der bei der Machtübernahme der Nazis im Ausland war, starb 1935 in Nizza. Die Forschungen zum Thema Transidentität kamen über Jahrzehnte zum Erliegen, durch das Wüten der Nazis verlor Deutschland seine führende Rolle auf diesem Gebiet. Auf der Suche nach einer lebbaren Lösung Dr. Renate Försterling ist seit 2009 niedergelassene medizinische Vertragspsychotherapeutin in Berlin, sie 15 praktiziert zusätzlich privat als Internistin, zuvor arbeitete sie in gleicher Funktion in Karlsruhe. Sie begleitet Patient*innen mit transidenter Symptomatik und verfasst Bescheinigungen sowie Gutachten für die Krankenkassen und das Amtsgericht. Ziel ihrer psychotherapeutischen Arbeit ist es, dass es ihren Patient*innen „auf Dauer besser geht“, dass eine nachhaltige, lebbare Lösung gefunden wird; wichtig ist ihr die „informierte Entscheidung“ der Klient*innen. Dazu gehört in ihren Augen auch das Akzeptieren der persönlichen Grenzen einer somatischen Behandlung; nicht jeder könne aussehen wie Balian Buschbaum 5, auch ein international gefeierter Operateur habe schon miese Ergebnisse produziert. Dr. Försterling hat in ihren Anzeige Ihr Herz schlägt für die Gesundheit Ihrer Patienten. Das unserer Spezialisten für die Gesundheit Ihrer Finanzen. Damit Sie sich auf Ihre Patienten konzentrieren können, kümmern sich unsere HVB Heilberufespezialisten mit Leidenschaft um Ihre geschäftlichen und privaten Finanzbelange: Dr. Christine Trapp, Leiterin Heilberufe Berlin, Telefon: 030 34004 650 Titelthema KV-Blatt 10.2015 Foto: Fotolia 16 Fortsetzung von Seite 15 sechs Berliner Jahren mehrere Hundert Patient*innen behandelt und begutachtet; sie wird dabei häufig mit einer aversen, nicht ausgereiften Beziehung zum eigenen Körper konfrontiert. Sie beobachtet zwischenzeitlich eine Veränderung der Klientel, queere 6 Lebensweisen seien auf dem Vormarsch, gleichzeitig werde die Gesellschaft insgesamt toleranter. Bei Kindern und Jugendlichen sei Transidentität geradezu im Kommen; Zwischenlösungen würden erprobt, nicht immer müsse eine solche medikalisierbar sein. Zudem sieht sie eine Verschiebung von der Homosexualität zur Transidentität; Thailand etwa habe die höchste Trans*rate weltweit, möglicherweise aufgrund einer extremen Homophobie, sodass Trans* nolens volens als gangbare Alternative gewählt werde (siehe auch Iran, wo Schwule mit der Todesstrafe bedroht werden, Trans*OPs hingegen akzeptiert sind). In Deutschland stünden die Zeichen eher auf Diversity und Queer. Bei den Krankenkassen allerdings sieht sie Angst am Werk sowie schlicht fehlende Informationen bei deren Mitarbeitern. Sie schätzt, dass überdies etwa 10 % der Aufträge an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung der Voraussetzungen auf Leistungsgewährung dort einfach „verschwinden“. Management eines Geschlechts wechsels Das routinierte Management eines Geschlechtswechsels unter der Regie der Medizin begann in den 1950erJahren 7. 1953 sorgte der Fall Christine Jorgensen für Aufsehen; die Patientin wurde in New York von Harry Benjamin, einem Schüler Magnus Hirschfelds, hormonell behandelt und zur Weiterversorgung nach Kopenhagen überwiesen. Hier wurde ihr im ersten Schritt das Skrotum amputiert, in einem zweiten Schritt eine Neovagina angelegt; diese Transformation vom männlichen zum weiblichen Genitale geschah eher aus Ratlosigkeit der Ärzte heraus, wie ihrer Patientin am besten zu helfen sei, und war weniger geplant und strategisch vollzogen. Ab 1956 operierte der französische Gynäkologe Georges Burou in Casablanca „nebenbei“ Trans*frauen auf privatärztlicher Basis 8. Bis zu Beginn der 1970-er Jahre war die Klinik Burous für tausende Trans*frauen weltweit die einzige Anlaufstelle, das Prinzip seiner Operationstechnik zur Formung einer Neovagina gilt bis heute als Goldstandard 9. Ende der 1960-er Jahre wurde im US-amerikanischen Baltimore ein Programm etabliert, das Trans*frauen und -männer unter strengen Auflagen ins gewünschte Geschlecht führte. 1972 verabschiedete Schweden als erstes Land weltweit ein Gesetz zur Änderung der Vornamen und des Personenstandes nach erfolgter Geschlechtsanpassung. Mari Günther ist systemische Therapeutin bei QUEER LEBEN, einer Berliner Beratungsstelle für Inter*- und Trans*personen, sie ist Mitglied im von der Ärztekammer anerkannten Qualitätszirkel Transidentität. Ihre Kolleg*innen und sie führen etwa 500 Gespräche im Jahr; es kommen Betroffene auf der Suche nach Informationen, Menschen nach einer Operation mit dem Wunsch einer Bilanzierung. W eiter Die medizinischen Prämissen Im Katalog des ICD-10 ist „Transsexualismus“ unter der Nummer F64.0 kodiert und wie folgt definiert: „Der Wunsch, als Angehöriger des a nderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.“ Vor Erbringung medizinischer Leistungen beauftragen die Gesetzlichen Krankenkassen nach § 275 SGB V den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu prüfen, ob nach Art, Schwere, Dauer und Häufigkeit der Erkrankung die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung vorliegen. Es wird geprüft, ob die Diagnose Transsexualität gesichert ist und eine begleitende psychotherapeutische Behandlung nach den Regeln in vorgegebenem Umfang durchgeführt wurde. Darüber hinaus werden komorbide, insbesondere psychische Störungen ausgeschlossen. Im so genannten Alltagstest sollen Patient*innen zudem über mindestens ein Jahr erproben, inwieweit ihre Vorstellungen vom Leben in der ersehnten Rolle realistisch sind. Ein entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer Transsexualität ist ein relevanter krankheitswertiger Leidensdruck. Er kann unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen begründen, warum transidente Patient*innen nicht ausschließlich mit konservativen, sondern mit hormonellen und chirurgischen Mitteln behandelt werden können. red Titelthema KV-Blatt 10.2015 Rollenvorbilder schwer zu bewältigen sei, gerade wenn die Zahl der Betreffenden sehr gering sei 10. Darüber hinaus kritisiert Günther die Zunft der Ärzte und Therapeuten, die – möglicherweise aus einem verborgenen Impuls zur Angstabwehr – durchaus unbewusst Genuss an einer Machtposition empfänden und diese nicht immer achtsam reflektierten. Sowie Trans*menschen sich aus dem geschützten Raum einer Praxis, die an derlei Klientel gewöhnt sei, in ärztliche Behandlung begäben, müssten sie mit Übergriffen seitens des medizinischen Personals rechnen: Ärzte lehnten Trans*patienten schon mal rundweg ab, es käme zu Namensproblemen beim Aufruf im Wartezimmer, abfällige Bemerkungen und verweigerte Behandlungen seien nicht selten. Als Folge schlechter E rfahrungen mit dem medizinischen Versorgungssystem komme es zu v erschleppten, chronifizierten Erkrankungen bei Trans*menschen, die sich nach Diskriminierungen zurückzögen. Nicht zuletzt deswegen bietet QUEER LEBEN Fortbildungen für Ärzte, Psychologen und Therapeuten zum Thema an. Behandlungsbedürftige Krankheit oder besondere Lebensform? Genügsame Anzeigen erscheinen Paare, die zu Beziehungen resp. Trennungen Rat suchen; nicht zuletzt kommen Eltern, Großmütter, Hebammen, Sozial-Pädagogen und Psychotherapeutinnen. Günther moniert, dass es im Psychologie- und Medizinstudium keine Auseinandersetzung mit dem Thema Trans* gebe. In ihrer Beratungspraxis erlebt sie das klassische Coming-out der Erwachsenen, p arallel dazu gebe es eine neue Generation von Trans*-Kindern und Jugendlichen, die nie anders als „so“ gelebt hätten und keinen „Wechsel“ mehr vollziehen müssten. Gerade ihnen hülfen pubertätsverzögernde Medikamente, wie sie etwa am Klinikum Hamburg-Eppendorf verabreicht würden. Gelegentlich meldeten sich auch Ärzte, die vor allem Ratlosigkeit äußerten. Das Dilemma, das Günther sieht, ist das Bild einer Störungsorientierung bei Transidentität. Der seit 150 Jahren gefestigte Anspruch der Medizin der Normierung des einen, richtigen Geschlechtes wirke so weiter. Sie hofft auf die für 2017 angekündigte Neuauflage der ICD, dann in der elften Version, die dem Vernehmen nach ein eigenes Kapitel für Trans* haben und den Begriff der „Geschlechtsinkongruenz“ einführen soll – und damit sprachlich anerkennt, dass Trans*menschen nicht zwingend gestört sind, sondern ein klares Bewusstsein ihrer – abweichenden – Identität haben. SPEZIALISTEN FÜR HEILBERUFE Schumannstraße 18 10117 Berlin Telefon 030 206298-6 Fax 030 206298-89 Anwaltstradition seit 1906 | www.meyer-koering.de RECHT RUND UM DIE MEDIZIN * * Dr. Reiner Schäfer-Gölz Fachanwalt für Medizinrecht * Torsten von der Embse * Dr. Christopher Liebscher, LL.M. * Wolf Constantin Bartha Fachanwalt für Arbeitsrecht Fachanwalt für Medizinrecht Fachanwalt für Medizinrecht Fachanwalt für Medizinrecht * Jörg Robbers Rechtsanwalt Ein Recht auf Behandlung Die Debatte um die Entpathologisierung von Trans*, die in Teilen der Trans*bewegung seit 20 Jahren läuft, sieht sie entspannt. Sie glaubt, dass sich die Gesellschaft eine medizinische Nichtversorgung partout nicht leisten könne, auch nach einem möglichen Streichen von Trans* als Krankheit; zu sehr seien dabei Menschenrechtsfragen sowie ein Recht auf Behandlung und Intimsphäre berührt. Günther sieht eine Parallele zur Schwangerschaft, die keine Krankheit sei, aber ohne jeden Zweifel behandlungswürdig. Das Entwickeln einer Geschlechtsidentität sei ein systemischer Prozess, so Günther, der ohne fü r en s e r t il it ä t p Ex sib en u g a n l P üf u -pr Ihre Spezialisten für alle Rechtsfragen im Gesundheitswesen! Insbesondere Beratung für - Ärzte | Zahnärzte - Apotheken - Krankenhausträger - Berufsverbände - Sonstige Unternehmen im Gesundheitswesen Vom Arbeitsrecht bis zur Zulassung – unsere Kanzlei steht für persönliche, individuelle und zielgerichtete Rechtsberatung und Vertretung. Erfahren Sie mehr über unser umfassendes Leistungsportfolio unter Praxisrecht.de oder vereinbaren Sie einen persönlichen Termin. Ihre Ansprechpartnerin vor Ort Elke Best Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht 17 Kanzlei Berlin Uhlandstraße 28 10719 Berlin fon +49 (0) 30 – 887 10 89 10 e-mail [email protected] 18 Titelthema KV-Blatt 10.2015 Fortsetzung von Seite 17 Anzeige Patienten oder fordernde Konsumenten medizinischer Leistungen? Ärzte als Herren des therapeutischen Verfahrens oder als achtsame Begleiter? In jedem Fall ein weites Feld, das ausreichend Platz bietet für das Hinterfragen liebgewonnener Selbstverständlichkeiten. Dr. Schuler sieht bei manchen Kollegen eine Verunsicherung in der möglichen Therapie transidenter Patient*innen. Das liege zum einen an einer fehlenden verbindlichen S3-Leitlinie für behandelnde Ärzte, die etwa zu Angst vor möglichen Behandlungsfehlern führe; zum anderen an der Komplexität des Themas, das psychologische, sexualmedizinische, internistische, rechtliche und endokrinologische Dimensionen habe. Zusätzlich gehe es oft um Überweisungen an Psychotherapeuten, Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Operateur und um Stellungnahmen vor Gericht. Da müsse jeder Mediziner seine Ressourcen nüchtern einschätzen und sich bewusst auf die Dynamik einer Behandlung transidenter Patient*innen einlassen. Andrea Bronstering Der rechtliche Rahmen Seit 1980 gibt es in Deutschland das „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“ (aka Transsexuellengesetz (TSG)). Die sogenannte kleine Lösung erlaubt das Ändern des Vornamens und damit die Umschreibung zivilrechtlich bedeutsamer Papiere (Führerschein, Mietvertrag, Bankverbindung); die sogenannte große Lösung die Änderung des Personenstandes, inklusive der Neuausstellung der Geburtsurkunde. Die Entscheidung darüber trifft das zuständige Amtsgericht auf Antrag. Es stützt sich bei seiner Entscheidung auf zwei Gutachten einschlägiger Sachverständiger, deren Kosten vom Antragsteller zu tragen sind. Die Sachverständigen müssen zum Ergebnis kommen, dass (a) beim Antragstel- ler „eine transsexuelle Prägung“ vorliegt, also eine Identifizierung mit dem „anderen“ als dem Geburtsgeschlecht, und dass (b) dieses Zugehörigkeitsempfinden seit mindestens drei Jahren besteht und höchstwahrscheinlich persistent ist. Das Verfahren vor dem Amtsgericht kann von der Antragstellung bis zur Rechtskraft des Urteils gut ein Jahr dauern. Das TSG ist in zentralen Punkten durch diverse Urteile des Bundesverfassungsgerichtes als arg reformbedürftig skizziert worden; so hat das oberste deutsche Gericht sowohl das im Gesetz festgeschriebene Kriterium der (durch Hysterektomie resp. Hodenamputation herbeigeführten) Fortpflanzungsunfähigkeit als auch jenes der Ehelosigkeit für eine Personenstandsänderung bereits vor Jahren für unwirksam erklärt. red Honorarmanagement – ein sensibles Thema leicht gemacht Die Abrechnungsexperten Lipke & Lipke ist mehr als eine privatärztliche Verrechnungsstelle 100 % Honorarsicherheit für Sie Keine Rückbuchung bei Ausfall Persönliche Betreuung durch unser erfahrenes Ärzteteam Erstattungsberatung für Ihre Patienten Abrechnungsberatung GOÄ und KV, individuell für alle Fachgruppen MVZ-Beratung und -Organisation Partner von BDC, BVDD, BVOU, Commerzbank, Deutsche Apotheker- und Ärztebank, DIGEST, Gladus, Horbach AG, MEDI, MediaSoft und Medistar Telefon 030 406809-30 | Telefax 030 406809-20 | [email protected] | www.arztabrechnung.com
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