Sozialbetreuung- Identität und Werte finden im Beruf

Sozialbetreuung- Identität und
Werte finden im Beruf
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Zitat 2009 newsletter social:
„Verwirrend, aber nötig- Sozialbetreuerinnen auf der
Suche nach ihrer Berufsidentität“
Sozialbetreuer/innen sind auf der Suche nach den richtigen Worten um ihren Beruf zu beschreiben,
um zu erklären, was sie eigentlich tun und umgekehrt was sie nicht tun. "Wir arbeiten daran die
Berufsidentität der Sozialbetreuer näher zu definieren", sagt Luigi Loddi, Direktor der
Fachschule für Sozialberufe "Hannah Arendt". Dabei geht es um eine sprachliche Definition, um
Begriffe wie Pflege und Betreuung. Und es geht um eine Abgrenzung zu den klar im
Gesundheitsbereich angesiedelten Berufen, wie etwa den Krankenpfleger/innen, deren
Berufsbild über Jahrzehnte gewachsen und definiert worden ist. Genau diesen Prozess müssen
die Sozialbetreuer jetzt durchmachen. Dabei klagen auch Krankenpfleger oft darüber, dass die
Öffentlichkeit nicht genau Bescheid weiß, was sie genau tun. Vieles wird verwechselt:
Krankenpflege, Hauspflege, Altenbetreuung, all dies wird gemeinhin in einen Topf geworfen und
nur die wenigsten kapieren, worin die Unterschiede liegen. Gut, am Ende geht es vor allem
darum, dass Betroffene Unterstützung, Begleitung und Anleitung im Lebensalltag bekommen.
Die Diskussion ist wichtig für die Berufsgruppen. Sie muss dann aber auch den
Normalverbrauchern vermittelt werden. - al
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Der Care- Gedanke – Segen und Fluch
Segen: gesellschaftlicher Wert des
Füreinander da sein, Antithese zum Wert
des Nützlichen, des Profites, dem Wert des
Menschen nur als Produktionsfaktor, Helfen
als befriedigende Aufgabe.
Fluch: das Sorgen füreinander war immer
Familienaufgabe, jetzt zunehmend „verberuflicht“. Beruf = Ökonomisierung,
Messen und Zählen der Leistungen.
Berufliche Reputation umso höher, je mehr
bezahlt wird dafür.
Soziale Berufe allgemein gering bezahlt,
weniger Bezahlung, wo viele Frauen sind,
und wo keine Akademisierung stattfindet.
Folge: Geringe Berufsidentität, geringes
berufliches Selbstbewusstsein.
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Sozialbetreuung- Identität und
Werte finden im Beruf
3 Erfahrungen:
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Altenheim, Patient aus Bett gefallen, während MA im Bad
mit dem anderen war, Hirnblutung, im KH verstorben.
Verantwortung? Ist die Einrichtung Freund oder Feind?
Hauspflegedienst, MA wird laut mit Angehörigen, offener
Streit, diese beschweren sich bei Vorgesetzter. Berufliches
und Privates? Wie abgrenzen?
Altenheim, MA wird nachts von Insassen verbal und
körperlich attackiert. Extremsituationen und die
psychischen Langzeitfolgen durch den Beruf
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Rahmenbedingungen: Alternde
Gesellschaften
Wenngleich in geringerem Ausmaß als auf dem restlichen Staatsgebiet macht sich auch in Südtirol eine unaufhaltsame Alterung der
Bevölkerung bemerkbar: Innerhalb von drei Jahrzehnten hat sich der Altersstrukturkoeffizient verdoppelt. Dies ist einerseits auf
die geringere Anzahl junger Menschen infolge der niedrigeren Fruchtbarkeitsraten zurückzuführen, zum anderen jedoch durch
die beträchtliche Zunahme der Anzahl betagter Menschen bedingt, welche wiederum mit der höheren Lebenserwartung, vor
allem der Frauen, einhergeht
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Alterspyramide Südtirol 2014
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Alterspyramide 2030
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Prognose der Pflegebedürftigen bis
2030 Deutschland, in Millionen
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Langlebigkeit und die Folgen
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Langlebigkeit: die Menschen werden alt wie nie zuvor: Ende des 19. Jahrhundert
Männer 36 Jahre, Frauen 38 Jahre. 2010: Männer 76,8, Frauen 82,6 Jahre. Vor allem
seit 1950er Jahren, mit Beherrschung der Infektionskrankheiten, Anzahl der 100Jährigen hat sich jedes Jahrzehnt verdoppelt.
Sie sind länger gesund und autonom
Todesursachen sind keine akuten Infektionen, sondern chronische Krankheiten, vor
allem Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs.
Erkrankungen im Alter sind chronische: 75% der sanitären Gelder gehen in Gruppe
der alten Menschen.
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D.h. mit längerer Pflegebedürftigkeit verbunden
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D.H. steigende Sozialausgaben einer Volkswirtschaft
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Wir können die menschlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen der
Langlebigkeit noch nicht überblicken!
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Überalterung der Bevölkerung
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Fehlen von jungen Fach- ArbeiterInnen
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Folge: langes Berufsleben, „Arbeiten bis zum Umfallen“
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Nachfolgegeneration steht für familiäre Pflegeaufgaben nicht zur Verfügung
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Frauen als „Reservoir des Arbeitsmarktes“
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Drohendes Ende des Generationenvertrages/ Rentenzahlungen
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2:1 versus 1:2
Ende der Generationensolidarität: „die ältere Generation lebt auf Kosten der
jungen“: prekäre Arbeitsverhältnisse, niedrige Löhne, keine Lebensplanung
Auslagerung der Betreuung von Kleinkindern, Bedürftigen und alten
Menschen auf Institutionen
Unbezahlbare Pflegesituationen,Druck auf Sozialsysteme, Altersarmut
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Demenz
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Demenz in Südtirol
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Keine Zahlen für Südtirol vorliegend
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Schätzungen: 7000 - 8300 Fälle
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Jährlich 1000 Fälle dazu
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Erkrankungsdauer : 8-10 Jahre
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Wo leben diese? Die meisten zuhause
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„Badanti“ ca 2500 legal in Südtirol
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Südtirol
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Pflegegeld seit 2007, unabhängig vom Einkommen, Kosten für
die Steuerzahler: jährlich 190 Millionen Euro
14.400 Personen beziehen Pflegegeld
10.600 werden zuhause betreut, davon 57% Pflegestufe 1 und
2, nur 6% Pflegestufe 4
3.800 in Senioreneinrichtungen, 57% der 3. und 4. Pflegestufe,
nur 18% der 1. Pflegestufe
(Quelle:ASTAT)
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Bereits jetzt Überlegungen, wie der steigende Bedarf gesichert
werden kann: Pflegegeld einkommensabhängig, private
Zusatzversicherung, Heranziehen der Einkommen der Kinder
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Brüchige Familienbeziehungen
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Die Ehe als Lebensmodell ist in der Krise
Eheschließungen nehmen seit den 70er Jahren kontinuierlich
ab bis auf 4 pro 1000 Einwohnern
Rate der Ehescheidungen seit 1970 kontinuierlich gestiegen
Südtirol: seit den 90er Jahren hat sich die Anzahl verdoppelt, 1
von 4 Ehen scheitert, zur Hälfte sind minderjährige Kinder
betroffen, die Ehen halten ca. 16 Jahre.
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¼ davon sind Menschen über 50. Folge: drastische Verarmung
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Geringe Kinderzahl, viele Paare kinderlos ca. 19 %
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Wer betreut im Alter?
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Rahmenbedingungen der
Sozialbetreuung
Gesellschaftliche Bedingungen:
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Überalterung der Bevölkerung: die gesellschaftlichen Folgen
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Brüche in den Familienstrukturen und in den Lebensverläufen
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Migrationsströme ?
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Institutionelle Bedingungen:
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„Die neuen Alten“ und der Wandel in der Auffassung von
Betreuung und Pflege
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Die zukünftigen Betreuten
Die Babyboomer von 1960: Erfolg und Autonomie, stabile
Berufsleben, materielle Sicherheit, Individualismus.
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Im Alter: Langlebigkeit, drohende Altersarmut,
Abhängigkeit , Demenz
„die wütenden Alten“
Menschen mit Behinderung: widersprechen dem
Leistungs- und Schönheitsideal, den Erwartungen der
Eltern an ein „perfektes Kind“ die „wütenden Eltern“
Brüche in den Lebensläufen: Scheidungen, geringe
Eheschließungen, wenige Kinder, Familie nicht mehr das
„Pflegereservoir“
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Der Wandel des Pflegeverständnisses
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Idealvorstellung: der Mensch als passiver Empfänger von Pflege und Betreuung :
Vision vom zufriedenen Ruheständler, der nach harter körperlicher lebenslanger
Arbeit, wie im Hotel seinen Lebensabend verbringt, von Animateurinnen umringt, von
einem Essen auf das andere wartend, gewaschen und gepflegt, letztlich ein „Warten
auf den Tod“.
Folge : Versinken in Passivität, Depression, Verlernen von Kompetenzen, Fehlen von
familiärem Austausch (Familie als Besuch), Fremde als Beziehungsstifter, emotionale
Deprivation, körperliche Deprivation. Künstliche Auffüllung der Bedürfnisse des alten
Menschen: „dog und baby-therapy“
Realität: Andererseits in den Einrichtungen zunehmend komplexe Situationen,
Menschen mit Mehrfachdiagnosen, geistig behinderte alte Menschen, alte psychisch
kranke Menschen oder nach chronischem Alkoholabusus, verhaltensauffällige
Menschen. Demenz!
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Der Wandel des PflegeverständnissesFolgen
Folge für die Einrichtungen:
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Verteuerung der Einrichtungen, deshalb Spardruck,
Pflegeleistungen als mess- und zählbare Größe,
Mitarbeiterinnen als Produktionsfaktoren, Ökonomisierung
des Pflege- und Sozialbereichs.
Folge für die MitarbeiterInnen:
Innere Emigration, innere Kündigung, burn-out,
Demotivation
Wo bleibt der care-Gedanken?
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Die Folgen für Ihren Beruf
Ihr Beruf gewinnt an Wichtigkeit!
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Fehlende Familienangehörige für die Betreuung
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Zunehmende Auslagerung von Pflege und Betreuung an Fachdienste
Deshalb: berufspolitische Stärkung, gewerkschaftliche Orientierung, Verbesserung im
Lohngefüge
Ihr Beruf wird komplexer in den Anforderungen!
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In den Einrichtungen zunehmend komplexe Fälle mit Mehrfachdiagnosen, ungünstigen
psychosozialen Lebensumständen als Folge der brüchigen Familienbeziehungen, Demenz!
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Deshalb: ExpertInnentum stärken, Ausbildungen
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Ihr Beruf wird flexibler und wird sich in Berufsfelder aufgliedern!
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Die neuen Alten sind lange selbständig, „kaufen“ sich flexible Pflegebausteine nach
individuellem Bedarf
Deshalb: neben festen Anstellungen freie Formen der Tätigkeit, Sozialgenossenschaften
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Formen der Sozialbetreuung
Häusliche Betreuung Wohngemeinschaften Einrichtungen
betreutes Wohnen
assistiertes Wohnen
Tagespflege
Wochenpflege
Entlastungspflege
Flexible Formen
Hochspezialisierte Formen
Familienergänzende Formen der
der Sozialbetreuung
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Identität und Werte
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Familienergänzende Betreuung: von außen Hineingehen
in ein bestehendes Familiensystem: Sie erleben Grenzen,
Unzulänglichkeiten, Kompetenzen des Systems und
dessen Mitgliedern. Sie kommen von außen und werden
doch Teil des Systems.
Herausforderungen: Respekt wahren, nicht urteilen,
Projektionen vermeiden, bescheiden bleiben, Ressourcen
sehen. Gratwandern!
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Identität und Werte II
Hochspezialisierte Betreuung in Einrichtungen:
Sie erleben verschiedene Pathologien,
Mehrfacherkrankungen, Verhaltensstörungen zusätzlich
zum Altersfaktor. Demenz! Sie sind Teil eines
multiprofessionellen Teams.
Herausforderungen: sich professionell rüsten, Berufliches
und Privates trennen, Selbstfürsorge betreiben,
Traumatisierungen vermeiden, Motivation erhalten durch
Solidarität und Wertschätzung im Team. Den CareGedanken verteidigen!
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Identität und Werte III
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Flexible Betreuung in verschiedenen Wohn- und
Lebensformen: relativ autonome, selbstbewusste Alte, die
Entscheidungen treffen wollen und können. Sie kommen
und gehen, keine Rundumversorgung, keine intensive
emotionale Bindungen zwischen Betreuer und Betreuten.
Herausforderungen: sich schnell wandelnden
Bedürfnissen anzupassen, mit einer Anspruchskultur
konfrontiert zu sein, Autonomie zu respektieren,
Aggressionen abfangen, sich als Dienstleister verstehen.
Einsamkeit! Selbständigkeit als Arbeitsform.
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Zusammenfassung
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Sie sind wichtig für die Gesellschaft und werden immer wichtiger in einer
alternden Gesellschaft! Ihr Beruf wird sich differenzieren, je nach
Einsatzgebiet.
Sich professionalisieren durch Expertentum und Ausbildung für die
Mehrfachmorbiditäten.
Expertinnentum für Demenz!
Sich professionalisieren in den persönlichen Kompetenzen: Projektionen
erkennen, Übertragungen vermeiden, Beruf und Privates unterscheiden.
Selbstfürsorge!
Sich professionalisieren in der Kommunikation im Team, Solidarität und
Wertschätzung üben, Systeme überblicken
Den Care-Gedanken verteidigen: Sie sind keine Produktionsfaktoren
Sich gut bezahlen lassen, sich organisieren in Zusammenschlüssen. Sie
sind Expertinnen und keine Hilfskräfte!
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin
Danke für die Aufmerksamkeit!
Dr. in Clara Astner - Psychologin/Psychotherapeutin