© 2011 SCHOTT GlasMuseum Jena und Autor Herausgeber: Förderverein SCHOTT GlasMuseum e.V., Jena Idee und Konzept: Volkmar Schorcht, Jena Texte, Fotografie und Layout: Volkmar Schorcht, Jena Organisation und Lektorat: Dr. Angelika Steinmetz-Oppelland, Jena Druck: Druckhaus Gera Front rechts: Vase »Phänomen Gre 356« von Johann Lötz Witwe zur Weltausstellung Paris 1900, Entwurf: Franz Hofstötter (Kat.-Nr. 22). Rückseite: Drei Gläser mit Zuschreibung an die Raffinerie und Glasfabrik Fitz Heckert, um 1900 (Kat.-Nrn. 122-124). und Klappe vorn: Montierte Vase mit Libellen, Johann Lötz Witwe, um 1900 (Kat.-Nr. 7). Umsponnen, Vernetzt Front links: Kleiner Pokal mit Silberfuß. Kristallglasfabrik Benedikt von Poschinger, Oberzwieselau, Entwurf: Georg Carl von Reichenbach, 1906-10 (Kat.-Nr. 99). Gekämmt Umschlagabbildungen: Klappe hinten: Zwei Hyazinthenvasen mit plastischen Fadennetzen, Glasfabrik Elisabeth, Wilhelm Habel, um 1900 (Kat.-Nrn. 64 und 66). ISBN 978-3-9813035-7-5 Die Herausgabe des Katalogs wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Heimstätten-Genossenschaft Jena e.G., des Fördervereins SCHOTT GlasMuseum e.V., des Druckhauses Gera und des Autors. Umsponnen Vernetzt und Gekämmt Glasfäden auf Kunstgläsern des Jugendstils aus einer Jenaer Privatsammlung SCHOTT GlasMuseum Die Jenaer Privatsammlung stellt ein breites Spektrum an hüttenfertigen Gläsern des Jugendstils vor, die auf unterschiedlichste Art und Weise mit Glasfäden dekoriert sind. Sie konzentriert sich auf Erzeugnisse des böhmischen, schlesischen und bayerischen Raums, den Zentren der mitteleuropäischen Glasproduktion um die Wende zum 20. Jahrhundert. Der Katalog zur Ausstellung mit 131 Gläsern bietet einen unvergleichlichen Überblick über die Dekortechniken des Umspinnens, Vernetzens und Kämmens vor dem Ofen. Die mit großer Sorgfalt und Liebe gemachten Fotos sämtlicher Gläser der Ausstellung dienen nicht allein der Dokumentation, sie sind von augenscheinlicher Ästhetik. So will der Katalog nicht nur eine Zusammenstellung bieten, sondern zugleich ein Bildband sein, eine Augenweide für Freunde der Glaskunst und des Jugendstils und eine Orientierungshilfe für Sammler, Kunsthändler und Museen. Der Sammler selbst stellt die Gläser aus seinem persönlichen Blickwinkel vor, stellt sie in den kunsthistorischen Kontext und betrachtet auch die Techniken. Herausgekommen ist ein Buch über den Fadenzauber im Lüsterglanz. 38 Argusaugen Der Dekor »Argus« (Gre 2/351) vereint Silberfaden und Silbertupfen. Das Glas ist mit einem hell- bis dunkelbraun verlaufenden Farbton über fangen, darauf sitzt eine deckende Schicht hellgrüner Krösel. Die blaumetallisch schimmernden Fäden und Tupfen beschränken sich auf die obere Partie des Gefäßes. Der dünn umsponnene Silberfaden ist partiell auf- und abwärts gekämmt, teilweise auch zu Spiralen verzogen. Die silbergelben Tupfen – farblos geädert – verteilen sich in Reihen oder versetzt zueinander über dem Fadendekor. Die Komposition von Verlaufsüberfang, Kröselaufschmelzung, Fadenumwicklung und Tupfenapplikation gehört zu den komplizierten und damit teuren Phänomen-Genres. Offensichtlich tat dies dem Erfolg des Dekors keinen Abbruch. Auf einer Vielzahl an Formen zu finden, zählt er heute wieder zu den beliebtesten auf Lötzgläsern. Der Dekorname ist wahrscheinlich von Argus (oder Argos) abgeleitet, dem hundertäugigen Ungeheuer der griechischen Mythologie. Er deutet auch auf die beabsichtigte Wirkung hin. Augen versprühen Vitalität und ziehen den Blick an. In Abwandlungen finden sich die „Augen“ auch auf anderen Phänomen-Dekoren wie dem eng verwandten Genre 3/430 mit gelben und rötlichen Unterfängen. Als Vorstufen des »Argus«-Dekors gelten die viel selteneren Phänomen-Varianten Meisterliche Fäden – Johann Lötz Witwe 1/215 und 1/696.37 Hier fehlen noch Farbverlauf und Kröselschicht und der Dekor aus wirr bzw. regelmäßig eng umsponnenen Fäden und verteilten Silbertupfen ist flächendeckend. Zarte Spiralfäden in Silbergelb winden sich auf zahlreichen Phänomen-Dekoren. Sie sind zu Federn gestreckt, auf- und abwärts gekämmt, zu Spiralen verzogen und manchmal auch zu irregulären Netzwerken versponnen. In den frühen Genres sind sie das bestimmende Gestaltungselement. Dann treten sie mehr in den Hintergrund und verschmelzen mit den silbrig glänzenden Bändern, Fäden und Tupfen des Hauptdekors. 37 Abbildungen in Lötz 2003, S. 122, Nrn. 74 und 75 23 Kleine Vase »Argus« Johann Lötz Witwe, Klostermühle, 1902. Signiert: „Loetz Austria“, graviert in der Bodenkugel. Farbloses Glas, braun verlaufend überfangen. Bedeckt mit hellgrünen Kröseln. Obere Hälfte eng mit dünnem silbergelben Faden umsponnen. Die Fadenreihung unregelmäßig verzogen. Über den Fäden zwei Reihen radial grün gestreifter, silbergelber Tupfen. Lüstriert und irisiert. H 8,5 cm. 24 Kleine Vase »metallrot Phänomen Gre 3/430« Johann Lötz Witwe, Klostermühle, 1903. Rotorange verlaufend unterfangen, grüngelbe Kröselaufschmelzung. Obere zwei Drittel des Gefäßes mit parallel aufgesponnenen Silbergelbfäden, mit dem Haken verzogen. Darüber verteilt angeordnete, silbergelbe, farblos radial geäderte Tupfen. Lüstriert und irisiert. H 10 cm. 23 24 44 »Aeolus« und »Antigon« Plastische Fäden durchziehen weitere Lötz dekore des Jugendstils. Zeitgleich mit »Formosa« gestaltete die Lötzhütte Gläser mit einem Wel lendekor, bezeichnet mit »Aeolus«. Die Wellen formen sich aus einem silbergelben Faden, der eng und gleichmäßig umwickelt ist. Sie sind perfekt aufgereiht und entstanden durch Einblasen des umsponnenen Külbels in eine Vorblasform aus senkrechten Metallstreben. Lötz verwendete hierfür ausschließlich rosa- (»camelienrot«) und orangefarbene Unterfänge. Die flächendecken den Fadenwellen mit ihrem zarten perlmutter nen Glanz scheinen auf der Gefäßoberfläche wie ein Wasserschwall eingefroren zu sein. Die kräftige Lichtbrechung an den silbrigen Fäden unterstreicht den Charakter vom Wind geformter Wellen. Vielleicht rührt daher auch der Name. „Aeolus“ ist die latinisierte Form von „Aiolos“, dem griechischen Gott der Winde. Der Aeolus-Dekor befindet sich überwiegend auf Formen mit fließenden Konturen, zum Teil mit mehrfachen Eindrücken oder Ausbuchtungen. Die Gefäße verströmen eine unterschwellige Harmonie mit den schwingenden Fäden auf ihrer Oberfläche, gerade so, als wären sie selbst aus der Begegnung mit einer stürmigen Naturgewalt hervorgegangen. Wie erfolgreich die Serie war, ist schwer zu beurteilen. Heute kommen diese Meisterliche Fäden – Johann Lötz Witwe Gläser nicht sehr häufig vor. Auf einem Muster schnitt ist eine dem »Aeolus« entsprechende grüne Version (»creta mit creta festoniert«) mit »Antigon« bezeichnet. Die Vase 31 ist das einzige bislang dokumentierte Glas mit diesem Dekor. Vermutlich blieben »Aeolus« und »Antigon« nur kurze Zeit im Fertigungsprogramm. 29 Vase »camelienrot Aeolus« Johann Lötz Witwe, Klostermühle, um 1902, Prod.-Nr. 2/597 (Mündung variiert). Helllachsfarbener Opalunterfang, mit plastischem silbergelben Faden umsponnen, zu Wellen im Rippenmodel verzogen. Lüstriert und irisiert. H 15 cm. 30 Balustervase »orange Aeolus« Johann Lötz Witwe, Klostermühle, um 1902. Orange unterfangen, farblose Deckschicht mit plastischem silbergelben Faden umsponnen, zu Wellen im Rippenmodel verzogen. Lüstriert und irisiert. H 17,5 cm. 31 Vase »Antigon, creta mit creta festoniert« Johann Lötz Witwe, Klostermühle, 1902. Grünes Glas mit plastischem silbergelben Faden umsponnen, zu Wellen im Rippenmodel verzogen. Lüstriert und irisiert. H 12 cm. 45 29 30 31 68 Weitere Dekortechniken mit Fäden Gläser mit „Schuppen“ ist die wohl nahe liegendste Beschreibung für einen unverwechselbaren Dekortypus mit farblosen Fäden. Die im Optikmodel zu Wellen geformten und stark verdrehten Fäden konturieren die Schuppen aus stark lüstrierenden, dicht gepackten Kröseln. Unruhig wie ein Wasserschwall auf einer Fensterscheibe driften die Fäden im schrägen Zickzack über die Oberfläche. Das Glas ist am häufigsten dunkelblau, seltener in Grün- und Gelbtönen gefärbt. Eine beliebte Hüttenveredelung aus dem Hause Kralik hat auf den ersten Blick nichts mit Fadentechniken zu tun. Hier sind die Fäden, genau genommen kleine Fadenstückchen, die dekorative Zutat. Die Glasmacher verwendeten gezogene Glasfäden, die sie nach dem Abkühlen zu Splittern zerstießen. Auf die heiße Glasblase brachten sie zunächst eine deckende Schicht silberhaltiger Krösel auf und lüstrierten die Oberfläche. Erst dann wälzten sie das Werkstück über eine Platte mit den darauf verteilten Fadensplittern und bliesen es anschließend in ein Model, eine Holz- oder Metallform. Zum Schluss setzten sie das Gefäß kurze Zeit den Metalldämpfen in der Irisiertrommel aus. Im Ergebnis kam ein Dekor mit polarlichtartigem Lüster zum Vorschein. Ein Farbenspiel, das dem Auge insbesondere in der Ungeläufige Fäden – Wilhelm Kralik Sohn blauen Version Vergnügen bereitet. Die eingewalzten Fadensplitter brechen im matten Lüster glanz hervor. Sie verlebendigen das Äußere, geben dem Glas den Charakter von Flüchtigkeit und Vergänglichkeit. Der Dekor war vermutlich auch einer der erfolgreichsten aus Eleonorenhain. 51 Vase Wilhelm Kralik Sohn, Eleonorenhain, um 1900–1905. Blaues Glas. Deckende Schicht aus silbergelben Kröseln. Farbloser Faden spiralförmig umsponnen und im Rippenmodel zu Wellen verzogen und verdreht. Lüstriert und irisiert. H 17 cm. 52 Vierpassige Vase Wilhelm Kralik Sohn, Eleonorenhain, um 1900–1905. Olivgrün unterfangenes Glas. Deckende Schicht silbergelber Krösel. Farbloser Faden spiralförmig umsponnen, im Rippenmodel zu Wellen verzogen und stark verdreht. Lüstriert und irisiert. H 9,5 cm. 53 Vierpassige Vase Wilhelm Kralik Sohn, Eleonorenhain, um 1900–1905. Farbloses Glas, dicht mit Silbergelbkröseln bedeckt und mit violetten Fadensplittern dekoriert. Lüstriert und irisiert. H 9,5 cm. 54 Kännchen Wilhelm Kralik Sohn, Eleonorenhain, um 1900–1905. Kobaltblaues Glas, dicht mit silbergelben und roten Kröseln bedeckt und mit farblosen Fadensplittern dekoriert. Nickelmontierung mit Scharnierdeckel und Henkel. Lüstriert und irisiert. H 20,5 cm. 54 51 53 52 78 Starke Fäden – Glasfabrik Elisabeth Die unkonventionell expressiven Formen teilen sich auch die Farbkombinationen aus gelbgrün unterfangenem Glas und rubinrot geäderten Fäden. Gemeinsam mit den dunkel unterfangenen Gläsern dürften diese plastischen Fadendekore zu den beliebtesten der Elisabethproduktion gehört haben. Dank der originellen Gefäßformen und organisch verästelten Fadenabwicklungen gewinnt die handwerklich wenig aufwendige Technik durchaus schöpferische Qualität. Irisierte Glasgefäße mit lachsroter Färbung und dunkelviolettem Fadennetz überzeugen ebenfalls durch ihre Einzigartigkeit.16 Trotz vergleichbarer Fadentechnik unterscheiden sie sich deutlich durch das lachsrot gefärbte, pockennarbige Grundglas. Über einem rosa- oder gelbopal gefärbten Unterfang trägt der kräftige, farblose Mantel eine dünne, lachsrosa oder bräunlichgelb gefärbte Pulverschicht. Die Oberfläche ist mit kleinen Bläschen genarbt, sie wirkt dadurch rau und porös. Farbe und Struktur erinnern an Korallenstöcke. Wiederum bezaubern vornehmlich die Entwürfe mit Naturformen und gewellten Mündungen, mit ausgezogenen Henkeln oder gestreckten Gefäßteilen. 16 Pazaurek oJ, S. 40-42, Abb. 29 und 30 63 Amorphe Vase »Koryntha« Glasfabrik Elisabeth, Wilhelm Habel, Kosten, um 1900–1905. Hellgrün unterfangenes Glas. Mit rubinrot geäderten, plastischen Fäden netzartig und unregelmäßig umsponnen. Lüstriert und irisiert. H 25 cm. 64 Große Hyazinthenvase »Koryntha« Glasfabrik Elisabeth, Wilhelm Habel, Kosten, um 1900–1905. Hellgrün unterfangenes Glas. Mit rubinrot geäderten, plastischen Fäden netzartig und unregelmäßig umsponnen. Lüstriert und irisiert. H 41 cm. 65 Öllämpchen »Koryntha« Glasfabrik Elisabeth, Wilhelm Habel, Kosten, um 1900–1905. Hellgrün unterfangenes Glas. Unregelmäßig horizontal und vertikal aufgelegte, halbplastische Fäden aus rubinrot geädertem Glas. Lüstriert und irisiert. Brenner aus Gelbmetall mit Schraubverschluss. H 12,5 cm. 66 Große Hyazinthenvase Glasfabrik Elisabeth, Wilhelm Habel, Kosten, um 1900–1905. Mit bräunlichem Gelbopal unterfangen und lachsfarbener Deckschicht. Unregelmäßiges Gitternetz aus dunkelvioletten, halbplastischen Fäden. Lüstriert und irisiert. H 41 cm. 67 Amorphe Vase mit schnabelförmiger Öffnung Glasfabrik Elisabeth, Wilhelm Habel, Kosten, um 1900–1905. Mit Rosaopal unterfangen und lachsfarbener Deckschicht. Unregelmäßiges Gitternetz aus dunkelvioletten Fäden. Lüstriert und irisiert. H 41 cm. 63 64 65 66 67 96 Silbergelbe Fäden Von Rindskopf’s Söhne stammt ein sehr selten zu findender Dekor mit Silbergelbbändern auf violettem Grund, stark glänzend lüstriert und irisiert. Die Bänder sind zu symmetrisch hängenden Bögen verzogen. Auch diese Variante der verhaltenen, unverschnörkelten Fadenapplikation und reduzierten Farbigkeit ist ansprechend und verwandelt ein eintöniges Gefäß in einen edlen Ziergegenstand. Die Jugendstilgläser mit Fadendekoren der Firma Rindskopf’s Söhne reichen summarisch betrachtet, und sofern eine Zuschreibung möglich ist, nicht an die Vielfalt und Originalität anderer böhmischer Glashütten heran. Sie sprechen dennoch eine eigene Sprache und haben zumindest exemplarisch das Spektrum der böhmischen Hüttengläser erweitert und bereichert. Die Einbeziehung einer farblosen Glasschicht in den Dekor ist eine bemerkens- und achtenswerte Besonderheit. Die Ziergläser aus opakrot marmoriertem Grundglas und die mit Aventurinfäden dekorier ten Gefäße sind offensichtlich auf ein großes Kundeninteresse gestoßen und haben auch heute noch ihren berechtigten Platz in Museen und Sammlungen. Seltene Fäden – Josef Rindskopf‘s Söhne Auch wenn Umfang und Qualität der Kunstglasproduktion der Glasfabrik Josef Rindskopf‘s Söhne nur in Ansätzen bekannt sind, können wir sie zu den führenden böhmischen Produzenten dekorativen Glases um 1900 rechnen. Ihr Interesse am Jugendstilglas ließ nach 1905 schnell nach. Damit erstreckt sich die Blütezeit der Rindskopfschen Jugendstilgläser auf nicht einmal zehn Jahre. 89 Schalenförmige Vase Josef Rindkopf‘s Söhne, Teplitz-Schönau, um 1900–1905. Violett unterfangenes Glas, durch die Lüstrierung bronzefarben. Auf der Klarglasschicht glatt eingearbeitete silbergelbe Fäden zu herabhängenden symmetrischen Bögen verzogen. Lüstriert und irisiert. H 22,5 cm. 97 89 102 Federn und Bogenmuster Symmetrische Feder- und Bogenmuster gehören zu den vorzüglichsten Fadenkompositionen auf Jugendstilgläsern. Sie schmücken auch die Serienware der Glashüttenwerke Buchenau. Wenn hier die Dekortechnik nicht so anspruchsvoll ist, die Qualität der Ausführung ist stets von Güte. Der mit Pfauenfedern assoziierte Dekor ist in mehreren Farbvarianten auf farblosen und farbig überfangenen Poschingergläsern zu entdecken. Bestechend ist immer wieder die Präzision, mit welcher der Faden umsponnen und das Federmuster gezogen wurde. In dieser Dekorvariante sind die Fäden eingearbeitet und geglättet, nahezu ohne Relief. Eine andere Gläsergruppe Poschingers mit Bogenmustern besticht wiederum durch ihre Präzision. Die glatt mit der Oberfläche abschließenden Fäden sind diagonal zu bogenförmigen Bändern verzogen. Der Dekor ist dem »Phänomen Genre 7624« von Johann Lötz Witwe ähnlich, was häufig zur falschen Zuschreibung führt. Nur verwendete Poschinger statt silbergelben Fäden opalweiße, farblos ummantelte. Feine Fäden – Poschinger Glashüttenwerke Buchenau Kräftige, dunkelrote Fäden auf dunkelviolettem Glas prägen eine ausdrucksvolle Gruppe von Luxusgläsern. Die roten (seltener opalweißen28) Fäden kontrastieren wunderbar zum blauschwarz schimmernden Untergrund. Ihre Strahlkraft erzielen sie durch einen farblosen Mantel um den roten Kern. Sie sind gleichmäßig gesponnen und vertikal nahezu über die gesamte Gefäßhöhe zu Federmustern verzogen. Auf einer sehr seltenen Variation dieser Technik erscheinen die Federmuster regelrecht zerzaust.29 28 Abbildung 29 Abbildung in Fischer 2003, 142. Auktion, Los 608 in Sellner 1992, S. 56, Nr. 36 91 Vase mit Federmuster Glashüttenwerke Buchenau, Ferdinand von Poschinger, um 1900. Farbloses, satiniertes Glas mit vierteiligen Federmustern aus braunen, zu Bändern aufgeschmolzenen Fäden. Matt lüstriert und irisiert. H 14 cm. 92 Kleine Vase Glashüttenwerke Buchenau, Ferdinand von Poschinger, um 1900. Dunkelviolettes Glas. Regelmäßiger, zu diagonalem Bogenmuster verzogener Fadendekor aus opalisierenden, farblos ummantelten Fäden. Irisiert. H 12,5 cm. 93 Kleine Vase Glashüttenwerke Buchenau, Ferdinand von Poschinger, um 1900. Dunkelviolettes Glas mit dreiteiligen Federmustern aus farblos ummantelten, roten Fäden. Lüstriert und irisiert. H 12 cm. 103 91 92 93 140 Andererseits sind im Passauer Glasmuseum – ebenfalls von Frau Zelasko kuratiert – formidentische Stücke, die sogar die gleichen Werkzeugspuren aufweisen, als Erzeugnisse von Fritz Heckert ausgestellt. Mit der Glasfabrik Fritz Heckert und der Josephinenhütte gab es also zwei in Frage kommende Glasproduzenten, die nicht nur in der Lage waren, die großen Serien hüttenfertiger Jugendstilgläser zu produzieren, sondern dies auch mit der entsprechenden Qualität und sogar unter gegenseitiger Abstimmung konnten. Formübereinstimmungen mit kalt dekorierten Gläsern von Heckert und von der Josephinenhütte gibt es, aber nur wenige. Für den Sammler ergibt sich ein Rätsel. Warum tauchen keine dieser zahlreichen Gläser mit einem originalen Etikett oder einer Signatur auf? Warum gibt es in der zeitgenössischen Literatur keine Abbildungen, die auf die Herkunft der so zahlreichen fraglichen Gläser schlussfolgern ließen? Warum lassen sich so wenig Formparallelen mit emaillierten Gläsern finden? Hat man zwar den Markt bedient, sich aber nicht mit den unraffinierten Gläsern identifizieren wollen? Welche Art der Kooperation zwischen der Josephinenhütte und der Hütte von Fritz Heckert gab es im Zusammenhang mit den hüttenfertigen Jugendstilgläsern? Mit der gleichen Gläsergruppe lässt sich ein unverwechselbarer Dekor in Zusammenhang Vielfältige Fäden – Unbekannte Herkunft bringen, bei dem die Kröselschicht über dem Faden aufgebracht ist. Der Faden ist hauchdünn, entweder blau oder rubinrot und halbtransparent mit gelben Kröseln überdeckt. Er verleiht den Vasen und Schalen eine gewisse Rhythmik, eine Art pulsierenden Lebens. Das Gefüge aus Faden und Glassplittern ist zusätzlich verzogen, als seien Spuren einer Verästelung im Glas verewigt. Dieser fein gewebte Dekor atmet den Geist des Art Nouveau und ist ein Zeugnis einer hohen Glasmacherkunst. 122 Vierpassige Vase Raffinerie und Glasfabrik Fritz Heckert, Petersdorf, um 1900 (hypothetisch zugeschrieben). Farbloses Glas, mit sehr feinem blauen Faden eng umsponnen. Darüber lockere Schicht aus silbergelben Kröseln. Faden und Krösel fleckenweise verzogen. Goldgelb lüstriert und irisiert. H 16 cm. Diese Vase besitzt die selbe Form einer mit Transparentemail und Poliergold bemalten Vase mit Heckert-Signatur im Glasmuseum Passau, Prod.Nr. 535/5, Inv.-Nr. Hö 65941 (nicht publiziert). 123 Zierhenkelvase Raffinerie und Glasfabrik Fritz Heckert, Petersdorf, um 1900 (hypothetisch zugeschrieben). Farbloses Glas, mit sehr feinem rubinroten Faden eng umsponnen. Darüber lockere Schicht aus silbergelben Kröseln. Faden und Krösel fleckenweise verzogen. Goldgelb lüstriert und irisiert. H 29 cm. Eine formidentische Vase mit blauen Fäden (Inv.Nr. Hö 59097) ist im Glasmuseum Passau ebenfalls der Glasfabrik Fritz Heckert zugeordnet. 124 Zierhenkelvase Raffinerie und Glasfabrik Fritz Heckert, Petersdorf, um 1900 (hypothetisch zugeschrieben). Violettes Glas mit deckender Schicht silbergelber Krösel und mit farblosen Fäden locker umsponnen. Mehrfach zusammen mit der Kröselschicht unregelmäßig, leicht spiralförmig verzogen. Lüstriert und irisiert. H 29 cm. 123 122 124
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