Zeitschrift Gartenbauprofi 02/2016 Phyto-Drip

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Vorführung der
innovativen Applikationstechnologie
für Gemüsejungpflanzen
Foto: Kühlwetter
Phyto-Drip – Neue
Anwendung mit Zukunft
®
Im Salatanbau stellt der Einsatz von insektizid-behandeltem Saatgut oder die Verwendung der
Dummy-Pille seit vielen Jahren das Fundament der Bekämpfungsstrategie gegen Blattläuse dar.
Aufgrund von zu erwartenden Veränderungen in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und
Anwendungsverfahren suchen die Branchen nach neuen Lösungen. Hans Helmut Petersen,
zuständig für Saatgutbehandlungen bei Syngenta Agro, stellt im Interview das PhytoDrip-System, eine Alternative zur Dummy-Pille, vor.
Hans Helmut Petersen stellt das Phyto
Drip System als
to-Drip-System
Alternative zur
Dummy-Pille
vor
Fotos (2):
Syngenta
gartenbauprofi: Herr Petersen, in naher
Zukunft sind in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Veränderungen zu
erwarten. Können Sie kurz erklären, was
sich hier in den kommenden Monaten
ändern wird?
Petersen: Wir erwarten, dass die Verwendung der Dummy-Pille durch die
anstehende neue Bewertung in der EU
nicht mehr möglich sein wird. Derzeit ist
die rechtliche Basis für die Dummy-Pille,
dass diese als nichtkeimfähiges gebeiztes
Saatgut gesehen wird, das aus dem Aus
Ausland mit einer nationalen Zulassung
impo
im
p rtiert werden darf. Mit
importiert
Verabschiedung
Verabschiedung des neuen „Seed Guidance
Documents“ auf europäischer Ebene, wird
das heute gebeizte
Saatgut zukünftig als
ein insektizides Granulat eingestuft, das einer
Zulassung auch im
Importland bedarf, die
es in keinem EU-Land
hat. Somit besteht
dann
für die Dummy-Pille
keine
Zulassung
mehr. Das heißt, der
rechtliche Satus der
Dummy-Pille verschwindet von heute auf morgen.
Sie darf mit der Verabschiedung des
„Seed Guidance Documents“ bzw. dessen Umsetzung in nationales Recht ohne
Aufbrauchfrist nicht mehr eingesetzt werden.
gartenbauprofi: Was raten Sie Betrieben, die heute mit der Dummy-Pille arbeiten?
Petersen: Wir empfehlen, Restmengen
schnellstmöglich aufzubrauchen. Der
Gesetzgeber hat keine Übergangs- bzw.
Aufbrauchfrist vorgesehen. Das heißt, mit
der Umsetzung in nationales Recht hat
die Dummy-Pille ihre Zulassung verloren.
Wir erwarten, dass dies im Laufe des
Jahres 2016 der Fall sein wird, ein
genauer Zeitplan ist nicht bekannt.
gartenbauprofi: Aber auch bei den
Wirkstoffen gibt es in diesem Jahr Veränderungen….
Petersen: Richtig, wir sind in Moment
in einer eher unsicheren Zulassungssituation einiger wichtiger insektizider Wirkstoffe für die Blattbehandlung auf dem
Feld. Gerade in den frühen Kulturstadien
könnten künftig wichtige Produkte zulassungsbedingt wegfallen. Gerade vor diesem Hintergrund erhält der Schutz der
Pflanzen durch Beize bzw. Saatgutbehandlung eine noch größere Bedeutung.
gartenbauprofi: Welche Alternativen
sehen Sie im Zusammenhang mit dem
möglichen Wegfall der Dummy-Pille?
Petersen: Syngenta war maßgeblich an
der Entwicklung eines neuen Saatgutbehandlungsverfahrens beteiligt. Phyto-Drip
ermöglicht Salatanbauern auch künftig,
Jungpflanzen mit einem insektiziden
Schutz einzusetzen.
gartenbauprofi: Gibt es bereits Erfahrungen mit Phyto-Drip?
Petersen: Das Verfahren, bei dem
Jungpflanzen mit dem Präparat Cruiser
(Thiamethoxam) behandelt werden,
kommt seit vielen Jahren in den Niederlanden zum Einsatz. Behandelte Jungpflanzen kommen auch bei uns seit
Jahren mit guten Erfahrungen zur Pflanzung. Dort hat sich Phyto-Drip in der
Gemüsebaupraxis bewährt und jetzt ist
auch die Behandlung bei Jungpflanzenbetrieben in Deutschland zugelassen.
gartenbauprofi: Können Sie kurz erklären, wie Phyto-Drip funktioniert und was
die Behandlung so besonders macht?
Petersen: Zunächst handelt es sich um
ein neuartiges Verfahren bei der Behandlung von Gemüsesaatgut. Fein justierte
Düsen applizieren während der Aussaat
in Jungpflanzenbetrieben einen flüssigen,
insektiziden Schutz direkt an das Saatgut
in die Anzuchterde. Dabei
kann die Anlage in
bestehende Aussaatsysteme
integriert
werden. Der Einsatz in
Erdpresstöpfen oder
Multiplatten stellt dabei
kein Problem dar. Das
System ist computergesteuert und somit äußerst präzise. Die Anwendung des Pflanzenschutzmittels Cruiser
wurde durch die Zulassungsbehörden
und das Julius Kühn-Institut geprüft. Kurz
gesagt: Phyto-Drip ist ein nachhaltiges
Produktionsverfahren, das vor allem eine
schonende und anwenderfreundliche
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Behandlung gewährleistet. Aufgrund der exakten Steuerung werden nur geringe Mengen Wirkstoff am Saatgut benötigt und eine
gute Wirksamkeit gegen Blattläuse erzielt.
gartenbauprofi: Welche weiteren Vorteile bietet das Verfahren?
Petersen: Neben den geringen Wirkstoffmengen ist anzuführen, dass das Saatgut nicht mehr auf Vorrat behandelt wird. Eine
Überlagerung findet, entgegen der klassischen Saatgutbehandlung, also nicht statt. Das heißt, die Behandlung mit Phyto-Drip
findet immer individuell und nach Auftrag statt. Im Blick auf
Jungpflanzenbetriebe sind die zwei wichtigsten Argumente für
das neue Verfahren mehr Flexibilität bei der Planung und eine
bessere Qualität der Pflanzen.
gartenbauprofi: Können Sie diese bessere Qualität noch
genauer erklären?
Petesen: Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Pflanzen bei
der Behandlung mit Phyto-Drip einen gleichmäßigeren Auflauf
und eine verbesserte Jugendentwicklung zeigen. Versuche
bestätigen, dass der Jungpflanzenbetrieb einen höheren Anteil
an vermarktungsfähigen Pflanzen zur Verfügung hat. Auch zeigen Versuche, dass mit Phyto-Drip behandelte Pflanzen eine
bessere Bewurzelung aufweisen. Dies wird in so genannten Rhizotron-Versuchen untersucht, bei denen das Wurzelsystem hinter Glasplatten sichtbar ist und gemessen wird.
gartenbauprofi: Wie schneidet das neue Verfahren im Vergleich zur Dummy-Pille im Hinblick auf Wirksamkeit bzw. Dauer
der Wirkung ab?
Petersen: Langjährige Untersuchungen beider Verfahren zeigen vergleichbare Ergebnisse. In Sachen Wirkung und Dauerwirkung steht Phyto-Drip der Dummy-Pille in nichts nach. Der
Wirkstoff Thiamethoxam wird von den Pflanzen direkt über die
Wurzel aufgenommen und über den Wasserstrom im Xylem in
der gesamten Pflanze verteilt. Dadurch ist sie optimal geschützt.
Aufgrund der mehrwöchigen Dauerwirkung sind die Pflanzen in
der Anzucht im Jungpflanzenbetrieb und auch in den ersten
Tagen der Auspflanzung im Feld geschützt.
gartenbauprofi: Phyto-Drip ist derzeit in Deutschland nur für
ein Produkt, Cruiser, mit dem Wirkstoff Thiamethoxam zugelassen, sowie nur in Salat und Endivien?
Manipulative Läuse
Allmählich erforscht man den molekularen Mechanismus,
der es Läusen ermöglicht, Pflanzensaft zu saugen, ohne
vom Immunsystem der Wirtspflanze abgewehrt zu werden.
Die Läuse nutzen dafür ein Regulierungsmolekül ihres eigenen Immunsystems, indem sie es einfach „umleiten“.
Ein französisches Forscherteam des INRA und des CNRS
(Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung) hat
entdeckt, dass – wie schon bei Wirbeltieren beschrieben –
auch bei Läusen mehrere sogenannte MIF-Moleküle bei der
Modifizierung der Immunantwort eine wichtige Rolle spielen.
Eines dieser Proteine, das MIF1, befindet sich in den Speicheldrüsen der zwei untersuchten Läusearten, der Erbsenlaus (Acyrthosiphon pisum) und der Pfirsichblattlaus (Myzus
persicae). Wird dieses Protein im Pflanzengewebe freigesetzt, schwächt es erheblich die Immunantwort der Pflanze.
So wird zum Beispiel die Verstärkung der Zellwände, das ist
eine der ersten Abwehrreaktionen gegen Parasiten, verhindert. Solche Mechanismen, die das Protein MIF benutzen,
um die Immunantwort ihrer Wirte zu verändern, wurden
bereits bei Wirbeltierparasiten (Nematoden, Zecken und
Protozoon) beobachtet.
Dr. A. Scharnhölz
(Fruits & Légumes No. 356, Dezember 2015)
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Petersen: Das ist richtig. Cruiser bzw. Thiamethoxam gehört zu
einer eigenen Wirkstoffklasse. Diese verfügt über einen anderen
Wirkmechanismus gegen Blattläuse als die derzeit verwendeten
Blattinsektizide. Ausnahmen bilden hier nur Mospilan und Calypso. Die Behandlung mit Cruiser stellt daher auch einen wichtigen
Baustein im Resistenzmanagement dar.
gartenbauprofi: Sind auch andere Pflanzenarten bzw. andere
Wirkstoffe für die Anwendung denkbar?
Petersen: Ja. Die computergesteuerte und äußerst präzise
Anwendung mit Phyto-Drip hat Zukunft. So wurde der Einsatz
von Cruiser per Phyto-Drip-Verfahren in Polen gerade in Kohlarten zugelassen. Auch in Großbritannien wurde das Verfahren
mittlerweile zugelassen und in diesem Frühjahr
breits eingeführt. Um das Einsatzspektrum
zu erweitern, befinden sich derzeit auch
andere systemisch wirkende Pflanzenschutzmittel in der Prüfung. Dadurch
würden sich auch Schädlinge wie die
Kohlfliege sicher und effizient bekämpfen
lassen. Ein weiterer Vorteil liegt in der Ausbringung von flüssigen Nährstoffen oder Pflanzenstärkungsmitteln. Sie sehen also, wir stehen erst am Anfang
und hoffen, durch die sukzessive Erweiterung des Spektrums von
Phyto-Drip künftig die Qualität von Jungpflanzen weiter zu verbessern.
◻
Fein justierte Düsen
applizieren bei dem
neuen Verfahren
Phyto-Drip während
der Aussaat in
Jungpflanzenbetrieben einen flüssigen, insektiziden
Schutz direkt an
das Saatgut in die
Anzuchterde
Nach dem Aus der
Dummy-Pille kann
das neue Verfahren
Phyto-Drip für
insektiden Schutz
in Gemüsekulturen
sorgen
Foto: Agroconzept
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