Rechtswissenschaftliches Institut Jugendstrafrecht / Sanktionenrecht Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch [email protected] 08.12.2015 Seite 1 Rechtswissenschaftliches Institut Folien zur Vorlesung www.rwi.uzh.ch/jositsch/lehrveranstaltung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 2 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Vorlesungsablauf Datum Zeit Inhalt 1. Fr 18.09. 16.15 – 18.00 JStG (Vorlesung 1) Daniel Jositsch 2. Fr 25.09. 16.15 – 18.00 JStG (Vorlesung 2) Daniel Jositsch 3. Fr 02.10. 16.15 – 18.00 JStG (Referat) 4. Fr 09.10. 16.15 – 18.00 AT II (Referat) Marcel RiesenKupper Gregor Tönnissen Mi 14.10. 13:30 – 16:30 JVA Lenzburg Fr 16.10. 16.15 – 18.00 Hinweis: Uhrzeit ohne Hin- und Rückfahrt JStPO (Vorlesung 3) Mi 21.10. 13:30 – 16:30 JVA Lenzburg 6. Fr 23.10. 16.15 – 18.00 Hinweis: Uhrzeit ohne Hin- und Rückfahrt JStPO (Vorlesung 4) 7. Fr 30.10. 16.15 – 18.00 JStPO (Vorlesung 5) 5. 08.12.2015 Gefängnisbesuche Dozierende Martina Conte Daniel Jositsch Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Luca Baici Daniel Jositsch Daniel Jositsch Seite 3 Rechtswissenschaftliches Institut Mi 04.11. 13:15 – 15:40 Hinweis: Uhrzeit ohne Hin- und Rückfahrt AT II (Referat) Anstalten Hindelbank Fr 06.11. 16.15 – 18.00 Mi 11.11. 13:45 – 16:30 Hinweis: Uhrzeit ohne Hin- und Rückfahrt AT II (Vorlesung 6) Massnahmezentrum Uitikon Fr 13.11. 16.00 – 18.00 Mi 18.11. 13:30 – 16:45 JVA Pöschwies 16.15 – 18.00 Hinweis: Uhrzeit ohne Hin- und Rückfahrt AT II (Vorlesung 7) 10. Fr 20.11. 11. Fr 27.11. 16.15 – 18.00 AT II (Vorlesung 8) Daniel Jositsch 12. Fr 04.12. 16.15 – 18.00 AT II (Referat) Martin Vinzens 13. Fr 11.12. 16.15 – 18.00 AT II (Referat) Jérôme Endrass 14. Fr 18.12. 16.15 – 18.00 AT II (Referat) Thomas Noll 8. 9. 08.12.2015 Jana Johanna Drzalic Astrid Rossegger Luca Baici Daniel Jositsch Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Madeleine von Rotz Daniel Jositsch Seite 4 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 1: Jugendstrafrecht Teil 2: Jugendstrafprozessrecht Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 5 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 1: Jugendstrafrecht Literaturhinweise: AEBERSOLD PETER, Schweizerisches Jugendstrafrecht, 2. Aufl., Bern 2011 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 6 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 1: Jugendstrafrecht Überblick Grundsätze Strafen Schutzmassnahmen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 7 Rechtswissenschaftliches Institut Urteile gegen Jugendliche 2014 Urteile insgesamt 11’484 Männliche Täter 78,05% Weibliche Täterin 21,95% Täter unter 15 Jahre 35,83% Täter ab 15 Jahre 64,17% Quelle: Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, Daten, Indikatoren – Kennzahlen,; Stand der Datenbank: 27. April 2015 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 8 Rechtswissenschaftliches Institut Urteile gegen Jugendliche 2014 Schweizerische Täter 68,14% Ausländische Täter 31,86% Erziehungsmassnahmen 4,6% Strafen 91,6% Absehen von Strafe 3,8% Quelle: Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, Daten, Indikatoren – Kennzahlen,; Stand der Datenbank: 27. April 2015 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 9 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze des Jugendstrafrechts Jugendlicher als Täter : keine strafrechtliche Verantwortung der erziehungsberechtigten Person Sonderstrafrecht : für Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren Täterstrafrecht : spezialpräventive Zielsetzung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 10 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze des Jugendstrafrechts Erziehungsgedanke, Art. 2 Abs. 1 JStG : «Wegleitend für die Anwendung dieses Gesetzes sind der Schutz und die Erziehung des Jugendlichen.» Zweispuriges Sanktionensystem, dualistischvikariierend 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 11 Rechtswissenschaftliches Institut Anwendung JStG Jugendliche Straftäter : Tatbegehung zwischen 10. und 18. Altersjahr (Art. 1 Abs. 1 lit. a bzw. Art. 3 Abs. 1 JStG) JStG ergänzt StGB : Grundregeln AT StGB gelten, Delikte des BT gelten. JStG ergänzt insbesondere in den Bereichen Sanktionen, Verfahren und Vollzug 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 12 Rechtswissenschaftliches Institut Falllösung JStG I. Objektiver Tatbestand: StGB II. Subjektiver Tatbestand: StGB III. Rechtsfertigungsgründe: StGB IV. Schuld und Schuldausschliessungsgründe : StGB + Art. 9 Abs. 3 JStG V. Fazit : Strafbarkeit gegeben + «Jugendlicher» gemäss Art. 3 Abs. 1 JStG + Sanktion gemäss JStG 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 13 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Inhalt JStG 08.12.2015 Sanktionen/Vollzug Verfahren Art. 10 - 35 Art. 43 Art. 5 - 9 Art. 36 f. Art. 38 - 42 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 14 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Sanktionen des JStG Sanktionen JStG Schutzmassnahmen 08.12.2015 Strafen Aufsicht Verweis Persönliche Betreuung Persönliche Leistung Ambulante Behandlung Busse Unterbringung Freiheitsentzug Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 15 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Strafen des JStG Sanktionen JStG Strafen Verweis 08.12.2015 Persönliche Leistung Busse Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Freiheitsentzug Seite 16 Rechtswissenschaftliches Institut Einsatzmöglichkeiten der Jugendstrafen Verweis Persönliche Busse Freiheitsentzug Leistung Alter 10 – 15 Ja Ja, bis 10 Tage nein Nein Alter 15 – 16 Ja Ja Ja Ja, bis 1 Jahr Alter 16 - 18 Ja Ja Ja Ja 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 17 Rechtswissenschaftliches Institut Strafbefreiung (Art. 21) − Gefährdung der Schutzmassnahme − geringe Schuld und Tatfolgen − Wiedergutmachung − Unmittelbare Tatbetroffenheit − Alternative Bestrafung erfolgt − lange Zeitdauer 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 18 Rechtswissenschaftliches Institut Verweis (Art. 22) Förmliche Missbilligung der Tat ev. Probezeit ev. Weisungen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 19 Rechtswissenschaftliches Institut Persönliche Leistung (Art. 23) Entschädigungslose soziale Leistung + zu Gunsten des Geschädigten : alternativ Teilnahme an Kursen Dauer : max. 3 Monate : Täter unter 15 Jahren max. 10 Tage 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 20 Rechtswissenschaftliches Institut Busse (Art. 24) Nur für Täter ab 15 Jahren Maximalbetrag: CHF 2000.- 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 21 Rechtswissenschaftliches Institut Freiheitsentzug: Dauer (Art. 25) Strafe Voraussetzung Freiheitsentzug bis zu 1 Jahr 1. mind. 15 Jahre alt 2. Verbrechen oder Vergehen als Tat Freiheitsentzug 1 - 4 Jahre 1. mind. 16 Jahre alt 2. alternativ: 08.12.2015 - Verbrechen mit Mindeststrafe gem. StGB 3 Jahre - Tat nach StGB 122, 140 Ziff. 3 oder 184 + besonders skrupellos Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 22 Rechtswissenschaftliches Institut Freiheitsentzug – c. Vollzug (Art. 27) Änderung von Abs. 1: «Der Freiheitsentzug bis zu einem Jahr kann in Form der Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) vollzogen werden. Der Freiheitsentzug bis zu einem Monat kann auch tageweise vollzogen werden. Dabei wird die Strafe in mehrere Vollzugsabschnitte aufgeteilt, die auf Ruhe- oder Ferientage des Jugendlichen fallen.» 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 23 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte Entlassung aus Freiheitsentzug (Art. 28 ff.) Voraussetzungen − 1/2 der Strafe, mind. aber 2 Wochen − Günstige Prognose Probezeit und Weisungen (Art. 29) Bei Bewährung: endgültige Entlassung (Art. 30) Bei Nichtbewährung: Entscheid über Rückversetzung (Art. 31) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 24 Rechtswissenschaftliches Institut Verbindung von Strafen/Gesamtstrafe (Art. 33 f.) Persönliche Leistung in Form von Kursen etc. oder Freiheitsentzug können kombiniert werden mit Busse Mehrere gleichartige Strafen können zu einer Gesamtstrafe (angemessene Erhöhung Strafe der schwersten Tat) zusammengeführt werden 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 25 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingter Strafvollzug (Art. 35) Strafart : persönliche Leistung, Busse, Freiheitsentzug bis 30 Mt. Voraussetzung : unbedingte Strafe erscheint nicht notwendig, um Täter von weiterer Delinquenz (Verbr./Verg.) abzuhalten Folge : bedingter oder teilbedingter Vollzug Probezeit und Weisungen Bewährung: endgültige Entlassung Nichtbewährung: Entscheid über Rückversetzung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 26 Rechtswissenschaftliches Institut Schutzmassnahmen Sanktionen JStG Schutzmassnahmen Aufsicht 08.12.2015 Persönliche Betreuung Ambulante Behandlung Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Unterbringung Seite 27 Rechtswissenschaftliches Institut Anordnung Schutzmassnahme (Art. 10) = - Jugendlicher hat eine Tat begangen - Abklärung ergibt Bedarf nach besonderer erzieherischer oder therapeutischer Behandlung Folge : Anordnung Schutzmassnahme unabhängig von Schuldfähigkeit bzw. Strafe 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 28 Rechtswissenschaftliches Institut Aufsicht (Art. 12) = Erziehungsberechtigte treffen Vorkehrungen für erzieherische Betreuung oder therapeutische Behandlung Folge : urteilende Behörde bestimmt Person oder Stelle, der Einblick zu gewähren ist 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 29 Rechtswissenschaftliches Institut Persönliche Betreuung (Art. 13) = Aufsicht gemäss Art. 12 genügt nicht Folge : urteilende Behörde bestimmt Person, die Eltern in Erziehungsaufgabe unterstützt und Jugendlichen persönlich betreut 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 30 Rechtswissenschaftliches Institut Unterbringung (Art. 15 f.) = Notwendige erzieherische Betreuung oder therapeutische Behandlung kann nur stationär sichergestellt werden Folge : Unterbringung bei Privatpersonen oder in Erziehungs- oder Behandlungseinrichtungen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 31 Rechtswissenschaftliches Institut Ambulante Behandlung (Art. 14) = Erzieherische Betreuung oder therapeutische Behandlung (psychisch oder wegen Suchtmittelabhängigkeit) kann ambulant erfolgen Ambulante Behandlung kombinierbar mit: − Aufsicht − Persönliche Betreuung − Unterbringung in Erziehungseinrichtung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 32 Rechtswissenschaftliches Institut Vollzug der Schutzmassnahme (Art. 17 ff.) Angemessener Unterricht und Ausbildung sind zu gewährleisten Nach Bedarf ist Schutzmassnahme in andere Schutzmassnahme umwandelbar Ende der Schutzmassnahme, wenn − Zweck erreicht − keine Wirkung mehr zu erwarten − 25. Altersjahr des Täters (Art. 19 Abs. 2 JStG) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 33 Rechtswissenschaftliches Institut Verhältnis Strafen und Massnahmen (Art. 11 und 32) Anordnung einer Schutzmassnahme bei Massnahmebedürftigkeit unabhängig von Schuldfähigkeit Anordnung der Strafe, wenn Täter schuldhaft gehandelt hat, unabhängig von allfälliger Schutzmassnahme 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 34 Rechtswissenschaftliches Institut Verhältnis Strafen und Massnahmen (Art. 11 und 32) Aufsicht Persönliche Unterbringung Betreuung Ambulante Behandlung Verweis Dual. Dual. Dual. Dual. Pers. Leistung Dual. Dual. Dual. Dual. Busse Dual. Dual. Dual. Dual. bedingter Dual. Dual. Dual. Dual. Unbedingter Dual. vik. Dual. vik. Dual. vik. Dual. vik. Freiheitsentzug (fak.) (fak.) Freiheitsentzug 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch (fak.) Seite 35 Rechtswissenschaftliches Institut Verfolgungsverjährung (Art. 36) Freiheitsstrafe gem. StGB über 3 Jahre 5 Jahre Freiheitsstrafe gem. StGB bis zu 3 Jahren 3 Jahre Andere Strafe als Freiheitsstrafe gem. StGB 1 Jahr Gewalt- oder Sexualdelikt gem. Katalog gegenüber Kind unter 16 Jahren Verjährung dauert mind. bis 25. Altersjahr des Opfers 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 36 Rechtswissenschaftliches Institut Vollstreckungsverjährung (Art. 37) Urteil Freiheitsentzug von über 6 Mt. 4 Jahre Jede andere Strafe 2 Jahre 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 37 Rechtswissenschaftliches Institut Übergangsbestimmung vom 19. Juni 2015 zur Änderung beachten Beachte Art. 48a JStG als Übergangsbestimmung : «Auf Jugendliche, gegenüber denen vor Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2015 eine Massnahme angeordnet wurde, findet Artikel 19 Abs. 2 in der Fassung vom 19. Juni 2015 Anwendung.» Art. 19 Abs. 2 JStG – Fassung vom 19. Juni 2015: «Alle Massnahmen enden mit Vollendung des 25. Altersjahres.» 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 38 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 2: Jugendstrafprozessrecht Teil 2.1: Einleitung Eigenheiten und Grundsätze Teil 2.2: Einzelne Bestimmungen der JStPO 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 39 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 2: Jugendstrafprozessrecht Literaturhinweise: JOSITSCH DANIEL/RIESEN-KUPPER MARCEL/BRUNNER CLAUDIA V./MURER-MIKOLASÉK ANGELIKA, Schweizerische Jugendstrafprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2010 JOSITSCH DANIEL/MURER MIKOLÁSEK ANGELIKA, Die Schweizerische Jugendstrafprozessordnung: Ein Balanceakt zwischen Rechtsstaat und Erziehungsgrundsatz, ZStrR 127 (3/2009), S. 290 – 320, www.zstrr.recht.ch 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 40 Rechtswissenschaftliches Institut Überblick Teil 2.1. Einleitung Eigenheiten und Grundsätze des Jugendstrafprozesses Teil 2.2. Einzelne Bestimmungen der JStPO 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 41 Rechtswissenschaftliches Institut Einleitung Gesetzliche Grundlagen Schweizerische Jugendstrafprozessordnung (JStPO) vom 20. März 2009, BBl 2009, 1993 ff. Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) vom 5. Oktober 2007, BBl 2007, 6977 ff. www.ejpd.admin.ch → Sicherheit → Gesetzgebung → Strafprozess UN-Kinderrechtskonvention (KRK), SR 0.107 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), SR 0.101 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 42 Rechtswissenschaftliches Institut Einleitung Entstehung der JStPO Bis 2011 kantonale Regelung Vereinheitlichung mit Annahme der Justizreform (Art. 123 BV) Ausarbeitung zusammen mit StPO Weiterentwicklung der kantonalen Regelungen unter Berücksichtigung der Mindestnormen des internationalen Rechts 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 43 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Lex specialis Besonderer Charakter des Jugendstrafrechts erfordert Regelung in eigenem Gesetz JStPO = lex specialis zur StPO (Art. 3 JStPO) StPO-Normen sinngemäss auf Jugendliche anwendbar 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 44 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Erziehungsmodell Jugendstrafrecht Rechtsstaatliches Modell Jugendstrafrecht Straffälliges Kind als Opfer seines Umfelds straffälliges Kind als schuldfähiger Täter Sanktion richtet sich nach dem Täter Sanktion entspricht Tat/Verschulden Schutzmassnahmen Strafen Kompensation von Erziehungsdefiziten Vergeltung, Gerechtigkeit Jugendstrafverfahren Jugendstrafverfahren Verfahren Teil des Erziehungsprozesses Gerechtigkeit durch faires Verfahren Informelles Verfahren reguläres Strafverfahren Grosser Ermessenspielraum Verfahren klar geregelt Verfahrensgarantien irrelevant Verfahrensrechte elementar 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 45 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Ausgleich zwischen den beiden Modellen im Jugendstrafverfahren gemäss JStPO Erziehungsmodell – Dienende Funktion des formellen Rechts: Erziehungsziel ist auch für das Verfahren massgebend (JStPO 4 I). – Die Ausgestaltung des Strafverfahrens darf dem Erziehungsziel nicht schaden. Rechtsstaatliches Modell – Jugendstrafrecht ist eine strafrechtliche Ordnung (keine fürsorgliche) – verfahrensrechtliche Minimalstandards müssen immer gewährt werden – Beschränkungen der Verfahrensrechte soweit aufgrund des Erziehungsziels nötig – Bei schweren Fällen keine Beschränkungen der Verfahrensrechte 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 46 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Auswirkungen des Erziehungsziels auf das Verfahren Täterprinzip statt Tatprinzip – Abklärung der Persönlichkeit (JStG 9 / JStPO 31) – Befragung des Jugendlichen / Äusserungsrecht (JStPO 4 II) – Abklärungen im Umfeld / Einbezug der Eltern (JStPO 4 I und 12) Spezifisches Opportunitätsprinzip Spezialisierte Jugendstrafbehörden Prinzip der Einheitlichkeit Beschleunigungsgebot 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 47 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Auswirkungen des Erziehungsziels auf das Verfahren Täterprinzip statt Tatprinzip – Abklärung der Persönlichkeit (JStG 9 / JStPO 31) – Befragung des Jugendlichen / Äusserungsrecht (JStPO 4 II) – Abklärungen im Umfeld / Einbezug der Eltern (JStPO 4 I und 12) Spezifisches Opportunitätsprinzip Spezialisierte Jugendstrafbehörden Prinzip der Einheitlichkeit Beschleunigungsgebot 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 48 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Auswirkungen des Erziehungsziels auf das Verfahren Täterprinzip statt Tatprinzip – Abklärung der Persönlichkeit (JStG 9 / JStPO 31) – Befragung des Jugendlichen / Äusserungsrecht (JStPO 4 II) – Abklärungen im Umfeld / Einbezug der Eltern (JStPO 4 I und 12) Spezifisches Opportunitätsprinzip Spezialisierte Jugendstrafbehörden Prinzip der Einheitlichkeit Beschleunigungsgebot 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 49 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Auswirkungen des Erziehungsziels auf das Verfahren Täterprinzip statt Tatprinzip – Abklärung der Persönlichkeit (JStG 9 / JStPO 31) – Befragung des Jugendlichen / Äusserungsrecht (JStPO 4 II) – Abklärungen im Umfeld / Einbezug der Eltern (JStPO 4 I und 12) Spezifisches Opportunitätsprinzip Spezialisierte Jugendstrafbehörden Prinzip der Einheitlichkeit Beschleunigungsgebot 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 50 Rechtswissenschaftliches Institut Prinzip der Einheitlichkeit Prinzip der Einheitlichkeit = eine Magistratsperson ist an allen Verfahrensabschnitten beteiligt (Untersuchung, Urteil, Vollzug) besser abgestimmte Sanktionen erzieherische Wirkung durch Vertrauensverhältnis 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 51 Rechtswissenschaftliches Institut Das Prinzip der Einheitlichkeit Bisherige kantonale Regelungen Prinzip der Einheitlichkeit : Modell Jugendanwalt – Normale Fälle: durch Jugendanwalt erledigt – Schwere Fälle: Jugendgericht zuständig Jugendanwalt als Ankläger vor Gericht : Modell Jugendrichter – Normale Fälle durch Jugendrichter erledigt – Schwere Fälle: Jugendgericht zuständig Jugendrichter als Mitglied des Jugendgerichts Unterscheidung nur bei den schweren Fällen (knapp 10 %) relevant 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 52 Rechtswissenschaftliches Institut Prinzip der Einheitlichkeit Regelung in der JStPO Wahlmöglichkeit für die Kantone: Jugendanwalt oder Jugendrichtermodell zugelassen (vgl. JStPO 6) Prinzip der Einheitlichkeit weiterhin vorgesehen Problem: Widerspruch zum Anspruch auf unabhängigen und unparteiischen Richter, daher: Ablehnungsrecht gem. Art. 9 JStPO siehe dazu Stefan Trechsel, Jugendstrafverfahren im Rechtsstaat, Jusletter vom 7. Januar 2002 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 53 Rechtswissenschaftliches Institut Eigenheiten und Grundsätze Auswirkungen des Erziehungsziels auf das Verfahren Täterprinzip statt Tatprinzip – Abklärung der Persönlichkeit (JStG 9 / JStPO 31) – Befragung des Jugendlichen / Äusserungsrecht (JStPO 4 II) – Abklärungen im Umfeld / Einbezug der Eltern (JStPO 4 I und 12) Spezifisches Opportunitätsprinzip Spezialisierte Jugendstrafbehörden Prinzip der Einheitlichkeit Beschleunigungsgebot 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 54 Rechtswissenschaftliches Institut Beschleunigungsgebot Zusammenhang zur Tat Schutz- und Erziehungsmassnahmen rasch einsetzen Kernanliegen zur Bekämpfung von Jugendgewalt Bisher zu lange Verfahrensdauer: – 90 % < 1 Jahr – durchschnittlich ca. 5 Monate Keine explizite Verankerung in JStPO StPO 5 I anwendbar Konkrete Regelungen zur Beschleunigung: – Strafbefehlsverfahren (Art. 32 JStPO) – Mitwirkungspflicht der Behörden (Art. 31 JStPO) – Prinzip der Einheitlichkeit 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 55 Rechtswissenschaftliches Institut Repetitionsfragen 1. Der 13-jährige Marco lebt mit seiner alkoholkranken, allein erziehenden Mutter. Nun wird er verdächtigt, an einem Raubüberfall beteiligt gewesen zu sein. Die Tat kann ihm aber nicht nachgewiesen werden. Kann die Untersuchungsbehörde die Platzierung in einer Pflegefamilie anordnen? 2. Gemäss Art. 4 Abs. 2 JStPO ist der Jugendliche persönlich anzuhören. Welches Modell (Erziehungs- oder rechtsstaatliches Modell) kommt hiermit zum Ausdruck? 3. Welche Rolle nimmt der Jugendanwalt in den ca. 10% schweren Fällen ein? Was wäre im gleichen Fall die Aufgabe des Jugendrichters? 4. Wäre ein öffentliches Strafverfahren bei Jugendlichen gemäss der Ausrichtung des schweizerischen Jugendstrafrechts sinnvoll? 5. Was besagt das Prinzip der Einheitlichkeit? Was ist dabei das Problem und wie versucht die JStPO, dieses zu entschärfen? 6. Jan, 13 Jahre alt, begeht einen Ladendiebstahl (Deliktswert CHF 30.-). Müssen die Jugendstrafbehörden dieses Delikt zwingend verfolgen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 56 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 2.2: Übersicht Bestimmungen der JStPO Jugendstrafbehörden Verfahren Verfahrensregeln Parteien und Verteidigung Zwangsmassnahmen, Schutzmassnahmen, Beobachtungen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 57 Rechtswissenschaftliches Institut Jugendstrafbehörden Strafverfolgungsbehörden (JStPO 6) Gerichte (JStPO 7) Gerichtsorganisation (JStPO 8) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 58 Rechtswissenschaftliches Institut Jugendstrafbehörden Strafverfolgungsbehörden (JStPO 6) Polizei, Untersuchungsbehörde, Jugendstaatsanwaltschaft Wahl zw. Jugendrichter- und Jugendanwaltmodell Jugendstaatsanwaltschaft nur bei Jugendrichtermodell Keine Kompetenz der Übertretungsstrafbehörden 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 59 Rechtswissenschaftliches Institut Jugendstrafbehörden Gerichte (JStPO 7) Jugendgericht, Beschwerde- und Berufungsinstanz Zwangsmassnahmengericht Keine gerichtlichen Befugnisse für Untersuchungsbehörde, Ausnahme: Strafbefehl 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 60 Rechtswissenschaftliches Institut Jugendstrafbehörden Gerichtsorganisation (JStPO 8) Sache der Kantone Bezeichnung der Behörden vorgeschrieben Interkantonale Jugendstrafbehörden und Ober-/General-jugendanwaltschaft möglich 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 61 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Teil 2 Bestimmungen der JStPO Jugendstrafbehörden Verfahren Verfahrensregeln Parteien und Verteidigung Zwangsmassnahmen, Schutzmassnahmen, Beobachtungen Rechtsmittel, Vollzug und Kosten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 62 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren Untersuchung (JStPO 30 und 31) Strafbefehlsverfahren (JStPO 32) Anklageerhebung (JStPO 33) Hauptverhandlung (JStPO 34 ff.) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 63 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren Untersuchung (JStPO 30 und 31) Jugendrichter oder Jugendanwalt Befugnisse wie Staatsanwaltschaft gem. StPO Speziell: Abklärung der persönlichen Verhältnisse Auskunftspflicht gem. JStPO 31 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 64 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren Strafbefehlsverfahren (JStPO 32) Nicht Kompetenz des Jugendgerichts Einspracheberechtigt: Jugendlicher & gesetzliche Vertretung Auch bzgl. Zivilansprüche möglich Probleme: Verletzung des Anspruchs auf richterliche Beurteilung EMRK 6 Ziff. 1 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 65 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren Anklageerhebung (JStPO 33) Kein Strafbefehl Persönliche Verhältnisse und Sachverhalt abgeklärt Hinreichender Tatverdacht (in der JStPO nicht erwähnt) zuständig im Jugendrichtermodell: die Jugendstaatsanwaltschaft zuständig im Jugendanwaltmodell: der Jugendanwalt 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 66 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahren Hauptverhandlung (JStPO 34 ff.) Zuständigkeit (JStPO 34) Persönliches Erscheinen, Ausschluss (JStPO 35) Abwesenheitsverfahren (JStPO 36) Urteilseröffnung und Begründung (JStPO 37) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 67 Rechtswissenschaftliches Institut Hauptverhandlung Zuständigkeit (JStPO 34): Jugendgericht: – Unterbringung // Busse > 1000 CHF // Freiheitsentzug > 3 Monate – Einsprachen Strafbefehl – Teilweise Zivilforderungen Untersuchungsbehörde Strafbefehl für alle leichteren Delikte 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 68 Rechtswissenschaftliches Institut Hauptverhandlung Persönliches Erscheinen, Ausschluss (JStPO 35) Grundsätzliche Mitwirkungspflicht Dispensation, wenn Teilnahme unnötig Abwesenheitsverfahren (JStPO 36) Grundsätzlich unzulässig (Täterstrafrecht) Ausnahme: – Nichterscheinen trotz zweimaliger Vorladung – Einvernahme durch Untersuchungsbehörde – Beweislage lässt Abwesenheitsurteil zu – Als Sanktion kommt einzig eine Strafe in Betracht 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 69 Rechtswissenschaftliches Institut Hauptverhandlung Urteilseröffnung und Begründung (JStPO 37) Wenn möglich mündliche Eröffnung Schriftliche Urteilsbegründung Verzicht auf schriftliche Begründung möglich, wenn Urteil mündlich begründet wurde und weder Freiheitsentzug noch Massnahme verhängt wurde 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 70 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Teil 2 Bestimmungen der JStPO Jugendstrafbehörden Verfahren Verfahrensregeln Parteien und Verteidigung Zwangsmassnahmen, Schutzmassnahmen, Beobachtungen Rechtsmittel, Vollzug und Kosten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 71 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Ablehnungsrecht (JStPO 9) Gerichtsstand (JStPO 10) Trennung der Verfahren (JStPO 11) Mitwirkung der gesetzlichen Vertretung (JStPO 12) Vertrauensperson (JStPO 13) Ausschluss der Öffentlichkeit (JStPO 14) Akteneinsicht (JStPO 15) Vergleich und Wiedergutmachung (JStPO 16) Mediation (JStPO 17) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 72 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Ablehnungsrecht (JStPO 9) Ablehnung ohne Angabe von Gründen Inner 10 Tagen seit Zugang Strafbefehl/ Anklageschrift 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 73 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Gerichtsstand (JStPO 10) Wohnortprinzip Ausnahme Übertretungen: Behörde am Tatort 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 74 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Trennung der Verfahren (JStPO 11) Gemeinsame Straftat von Jugendlichen und Erwachsenen Verzicht auf Trennung im Untersuchungsverfahren möglich (nicht bei Beurteilung) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 75 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Mitwirkung der gesetzlichen Vertretung (JStPO 12) Mitwirkungspflicht Verwarnung oder Ordnungsbusse bis CHF 1000 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 76 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Vertrauensperson (JStPO 13) Persönliche Unterstützung für den Jugendlichen Positiven Einfluss auf den Jugendlichen Nur sofern Interessen des Verfahrens nicht gefährdet 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 77 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Ausschluss der Öffentlichkeit (JStPO 14) Schutz des Jugendlichen (Spezialprävention) Ausnahme bei überwiegendem öffentlichem Interesse 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 78 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Akteneinsicht (JStPO 15) Beschränkung möglich bezüglich persönliche Verhältnisse, wenn im Interesse des Jugendlichen Einsicht wird dem Verteidiger gewährt 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 79 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Vergleich und Wiedergutmachung (JStPO 16) Vergleich – Nur bei Antragsdelikten – Nur wenn Strafbefreiung gemäss JStG 21 I lit. c möglich Wiedergutmachung bei allen Delikten möglich 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 80 Rechtswissenschaftliches Institut Verfahrensregeln Mediation (JStPO 17) Aussergerichtlich: Sistierung Gerichtsverfahren Bei Erfolg: Einstellung des Verfahrens Voraussetzungen gemäss JStPO: – Keine Schutzmassnahme nötig oder bereits angeordnet – Keine Strafbefreiung gemäss JStG 21 I Zusätzliche Voraussetzungen: – Sachverhalt ausreichend abgeklärt – Täter geständig – Alle Parteien inkl. gesetzliche Vertretung einverstanden 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 81 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Teil 2 Bestimmungen der JStPO Jugendstrafbehörden Verfahren Verfahrensregeln Parteien und Verteidigung Zwangsmassnahmen, Schutzmassnahmen, Beobachtungen Rechtsmittel, Vollzug und Kosten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 82 Rechtswissenschaftliches Institut Parteien und Verteidigung Parteien (JStPO 18-22) Gesetzliche Vertretung Angeschuldigter Jugendlicher Privatklägerschaft Jugendanwalt und Jugendstaatsanwalt 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 83 Rechtswissenschaftliches Institut Parteien und Verteidigung Verteidigung (JStPO 23-25) Wahlverteidigung erlaubt Notwendige Verteidigung (alternativ) – Ab 1 Monat Freiheitsstrafe – Mangelnde Vertretung der Interessen des Jugendlichen – Untersuchungs-/ Sicherheitshaft > 24 h – Vorsorgliche Unterbringung in einer Einrichtung – Teilnahme des Jugendanwalts an Hauptverhandlung Amtliche Verteidigung (alternativ) – Bei notwendiger Verteidigung keinen Verteidiger bestimmt – Amt niedergelegt bzw. Mandat entzogen – erforderliche Mittel fehlen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 84 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Teil 2 Bestimmungen der JStPO Jugendstrafbehörden Verfahren Verfahrensregeln Parteien und Verteidigung Zwangsmassnahmen, Schutzmassnahmen, Beobachtungen Rechtsmittel, Vollzug und Kosten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 85 Rechtswissenschaftliches Institut Zwangsmassnahmen etc. Zuständigkeit (JStPO 26) Untersuchungsbehörde: wie Staatsanwalt, zusätzlich Untersuchungshaft, vorsorgliche Schutzmassnahmen und Beobachtungen Gericht: Sicherheitshaft Zwangsmassnahmegericht: alle übrigen Zwangsmassnahmen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 86 Rechtswissenschaftliches Institut Zwangsmassnahmen etc. Untersuchungs- und Sicherheitshaft (JStPO 27 / 28) Ultima ratio, Ersatzmassnahmen gehen vor. Anordnung durch Untersuchungsbehörde für max. 7 Tage Verlängerung durch Zwangsmassnahmengericht für max. 1 Monat Vollzug von den Erwachsenen getrennt 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 87 Rechtswissenschaftliches Institut Zwangsmassnahmen etc. Vorsorgliche Schutzmassnahme/Beobachtung (JStPO 29) Anordnung durch Untersuchungsbehörde schriftlich und begründet Angemessene Anrechnung auf Strafe 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 88 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht Teil 2 Bestimmungen der JStPO Jugendstrafbehörden Verfahren Verfahrensregeln Parteien und Verteidigung Zwangsmassnahmen, Schutzmassnahmen, Beobachtungen Rechtsmittel, Vollzug und Kosten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 89 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtsmittel (JStPO 38-41) Grundsätzlich 3 Rechtsmittel: – Beschwerde (JStPO 39) – Berufung (JStPO 40) – Revision (JStPO 41) Modalitäten: gemäss StPO Legitimation: Jugendlicher, gesetzliche Vertretung, Behörden des Zivilrechts, Ankläger 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 90 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtsmittel (JStPO 38-41) Beschwerde (JStPO 39) Beschwerdegründe gemäss StPO (Abs. 1) Zusätzliche Beschwerdegründe in Abs. 2 Zuständig: Beschwerdeinstanz 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 91 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtsmittel (JStPO 38-41) Berufung (JStPO 40) Erstinstanzliche Urteile des Jugendgerichts Zuständig: Berufungsinstanz 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 92 Rechtswissenschaftliches Institut Rechtsmittel (JStPO 38-41) Revision (JStPO 41) Gemäss StPO Zuständig: Jugendgericht 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 93 Rechtswissenschaftliches Institut Kosten und Vollzug Vollzug (JStPO 42 und 43) Untersuchungsbehörde zuständig Beizug öffentlicher und privater Institutionen möglich Beschwerde möglich 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 94 Rechtswissenschaftliches Institut Repetitionsfragen 1. Müssen alle Kantone eine Jugendstaatsanwaltschaft einführen? 2. Was ist die Hauptaufgabe des Untersuchungsverfahrens im Jugendstrafprozess? 3. Was ist der Vorteil und was der Nachteil des Strafbefehlsverfahrens? 4. Gegen Max, 15 Jährig, läuft eine Untersuchung wegen einer Schlägerei (Körperverletzung). Dabei kommt zum Vorschein, dass Max aus einer zerrütteten Familie stammt und dringend in stabilere Verhältnisse gebracht werden muss. Zur Diskussion steht die Unterbringung in einer Familie. Wäre auch ein Mediationsverfahren möglich? 5. Lukas, 14-jährig, wird wegen Verdachts auf einen Raubüberfall in Untersuchungshaft gebracht. Der Vollzug findet in einer regulären Haftanstalt statt, wo 1 Zelle für Jugendliche reserviert ist. Ist dies zulässig? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 95 Rechtswissenschaftliches Institut Literatur zum Sanktionenrecht CHRISTIAN SCHWARZENEGGER/MARKUS HUG/DANIEL JOSITSCH, Strafrecht II, Strafen und Massnahmen, 8. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2007 GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil II, 2. Aufl., Bern 2006 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 96 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Überblick Strafen: Arten Massnahmen: Arten Massnahmen: bedingte Entlassung Strafen: Normalvollzug, spezielle Vollzugsformen und bedingte Entlassung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 97 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Überblick 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 98 Rechtswissenschaftliches Institut Absolute Strafzwecke Ursachen-, Vergangenheitsorientierung Relative Strafzwecke Ziel-, Zukunftsorientierung Spezialprävention Generalprävention Vergeltung Sühne Ausgleichende Gerechtigkeit NEGATIVE POSITIVE NEGATIVE POSITIVE (Denkzettel, Unschädlichmachung) (Resozia(Ablisierung) schreckung) (Normbekräftigung) Wirkung auf Täter Wirkung auf Gesellschaft Restaurative Strafrechtspflege Vereinigungstheorien 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 99 Rechtswissenschaftliches Institut Absolute und relative Strafzwecke Absolute Strafzwecke: „Strafen, weil gefehlt wurde.“ Relative Strafzwecke: „Strafen, damit nicht gefehlt werde.“ Absolute Strafzwecke orientieren sich am vergangenen Geschehen Relative Strafzwecke orientieren sich am zukünftigen Geschehen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 100 Rechtswissenschaftliches Institut ABSOLUTE STRAFZWECKE: Vergeltung, Sühne, ausgleichende Gerechtigkeit „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand usw.“ Aktuelles Beispiel: SHARIAH In-sich-Gehen, Selbstbesinnung, Wandlung, Versöhnung mit der Gesellschaft Strafe soll das schuldhaft begangene Unrecht ausgleichen (vgl. Art. 47 StGB) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 101 Rechtswissenschaftliches Institut ABSOLUTE und RELATIVE Strafzwecke Absolute Strafzwecke: „Strafen, weil gefehlt wurde.“ Relative Strafzwecke: „Strafen, damit nicht gefehlt werde.“ Absolute Strafzwecke orientieren sich am vergangenen Geschehen Relative Strafzwecke orientieren sich am zukünftigen Geschehen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 102 Rechtswissenschaftliches Institut RELATIVE STRAFZWECKE: Spezialprävention Täter soll erzogen, gebessert (positiv) werden Täter soll zumindest von der Begehung weiterer Straftaten abgeschreckt werden (negativ) Täter soll bei Sozialgefährlichkeit unschädlich gemacht werden (negativ) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 103 Rechtswissenschaftliches Institut Einstellungen zu den Strafzwecken Normbekräftigung ausgleichende Gerechtigkeit Abschreckung Unschädlichmachung Resozialisierung unwichtig 1 2 3 4 5 6 unbedingte Freiheitsstrafe bedingte Freiheitsstrafe Busse Schadenswiedergutmachung wichtig Arbeitsleistung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 104 Rechtswissenschaftliches Institut Beispiel: „FCZ-Prügler finden milde Richter“ ZÜRICH – Zwei militante FCZ-Fans verprügelten während der Euro drei Anhänger des Stadtrivalen GC. Wenn sie nochmals zuschlagen, wirds teuer! Eigentlich sollten ja während einer Europameisterschaft alle Schweizer Fussballfans durch weiss-rote Brillen schauen und den Klub-Zoff hinter sich lassen. Doch für manche Halbstarke scheint das nicht so einfach zu sein. Als zwei FCZ-Fans am 13. Juni 2008 nach dem Spiel Holland-Frankreich übers Limmatquai spazierten, erblickten sie ein rotes Tuch: einen Pulli mit dem Logo des verhassten Stadtrivalen GC. Die FCZ-Pöbler deckten das Grasshoppers-Trio zuerst mit Schimpftiraden ein. Dann begannen die Brutalos, mit Fäusten und Füssen auf ihre Opfer im Alter zwischen 17 und 19 Jahren einzuschlagen. Die drei GC-ler erlitten dabei erhebliche Kopfverletzungen. Die Polizei konnte die Angreifer festnehmen und für 25 Tage in U-Haft stecken. Heute mussten sich die beiden teilgeständigen FCZ-Fans nun vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Ihnen drohten wegen versuchten Raubs und Sachbeschädigung bedingte Freiheitsstrafen von zwölf und elf Monaten. Gegen den 21-jährigen Hauptangeklagten, der mit einem Rayonverbot für Fussballspiele belegt ist, läuft im Kanton Aargau bereits ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung, Fan-Entführung sowie Raub. Ein wenig harmloser kommt der zweite Angeklagte daher. Er ist ein 18-jähriger Gymnasiast und stammt aus guten Verhältnissen. Als Tatmotiv für die Keilerei gaben die beiden die Rivalität zwischen GC und FCZ an. Den eingeklagten Raubversuch wiesen sie jedoch von sich. Das Gericht sprach sie denn auch von diesem Vorwurf frei. Denn es sei den Angeklagten keine Bereicherungsabsicht nachzuweisen. Allerdings sei es darum gegangen, die GC-Fans zu erniedrigen und zu demütigen. Zudem sei eine sehr schnelle und unheimliche Gewaltbereitschaft zu erkennen gewesen, bemerkte das Gericht. Der ältere Täter kassierte eine bedingte Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 40 Franken (insgesamt 9600 Franken) sowie 500 Franken Busse. Der jüngere kriegte eine bedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 40 Franken (6000 Franken) und 800 Franken Busse. Die Opfer bekamen Schmerzensgeld in der Höhe von zweimal 500 und einmal 200 Franken zugesprochen. Einen FCZ-Schal werden sie sich damit kaum kaufen. (hhs/SDA) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 105 Rechtswissenschaftliches Institut Sanktionen Strafen Schuldausgleichender Eingriff in Rechtsgüter des Täters 08.12.2015 Massnahmen Rechtsfolgen eines Delikts, die an gefährlichem Zustand anknüpfen. Keine schuldausgleichende Funktion Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 106 Rechtswissenschaftliches Institut Monismus und Dualismus Monismus : nur Massnahme wird angeordnet Dualismus : beide Sanktionen werden angeordnet 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 107 Rechtswissenschaftliches Institut Verhältnis zwischen Strafen und Massnahmen Normalfall ist die Strafe, d.h. die Freiheits- oder Geldstrafe Falls eine (sichernde) Massnahme notwendig ist, wird sie neben der Strafe ausgesprochen,* ihr Vollzug aber vorgezogen (Ausnahme: Verwahrung) = dualistisch-vikariierendes System • Ausnahme: Massnahmen nach Art. 59, 60, 64 Abs. 1 lit. b StGB können auch gegen Unzurechnungsfähige verhängt werden (dann ergeht keine Strafe) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 108 Rechtswissenschaftliches Institut Konkretes Beispiel in einem Urteil 1. Der Angeklagte hat sich der mehrfachen sexuellen Nötigung i.S.v. Art. 189 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. 2. Der Angeklagte wird mit 4 Jahren Freiheitsstrafe bestraft. [Strafe] 3. Der Vollzug der Strafe wird zugunsten einer stationären Massnahme i.S.v. Art. 59 StGB aufgeschoben. [Massnahme] geht vor 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 109 Rechtswissenschaftliches Institut Konkretes Beispiel einer Verwahrung in einem Urteil 1. Der Angeklagte hat sich der mehrfachen sexuellen Nötigung i.S.v. Art. 189 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. 2. Der Angeklagte wird mit 4 Jahren Freiheitsstrafe bestraft. [Strafe] 1. Das Gericht ordnet eine Verwahrung i.S.v. Art. 64 an. [Massnahme] 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch geht vor Seite 110 Rechtswissenschaftliches Institut Sanktionen Massnahmen Strafen Sichernde Massnahmen Freiheitsstrafe Geldstrafe Behandlung von psychischen Störungen (stationär) 08.12.2015 Busse Suchtbehandlung (stationär) Therapeutische Massnahmen Massnahmen für junge Erwachsene (stationär) Isolierende Massnahmen Ambulante Behandlung von psychischen Störungen oder Sucht bzw. Abhängigkeit Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Andere Massnahmen Persönliche Verwahrung Sachliche Nächste Folie Seite 111 Rechtswissenschaftliches Institut Massnahmen Andere Massnahmen Sichernde Persönliche Massnahmen Friedensbürgschaft Berufsverbot Landesverweisung 08.12.2015 Sachliche Massnahmen Fahrverbot Einziehung Verwendung zu Gunsten des Geschädigten Veröffentlichung des Urteils Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 112 Rechtswissenschaftliches Institut Strafarten Geldstrafe 08.12.2015 Freiheitsstrafe Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Busse Seite 113 Rechtswissenschaftliches Institut Typologie der Vollzugsformen Normalvollzug Besondere Vollzugsformen Electronic Monitoring Gemeinnützige Arbeit Halbgefangenschaft 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 114 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Strafen: Arten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 115 Rechtswissenschaftliches Institut Geldstrafe (Art. 34 ff. StGB) Monetäre Sanktion bei Verbrechen und Vergehen Geldstrafe = Anzahl Tagessätze x Höhe des Tagessatzes Tagessatz: schuldabhängig max. 180 Höhe Tagessatz: Abhängig von persönlichen Verhältnissen max.: CHF 3000.min.: CHF 30.- / 10.-, wobei CHF 10.- als gerichtliche Ausnahme aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse möglich 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 116 Rechtswissenschaftliches Institut Anordnung Geldstrafe Abschaffung der teilbedingten Geldstrafe und Beschränkung auf 180 TG, also generelle Verschärfung der Strafen, denn wenn Voraussetzungen für bedingte Strafe nicht erfüllt sind und das Verschulden eine Strafe von weniger als 180 Tagessätzen Geldstrafe nicht zulässt, kann Gericht nur eine unbedingte Freiheitsstrafe aussprechen. Unbedingte Geldstrafe (als Hauptstrafe oder als Zweitstrafe neben teil-/bedingter Freiheitsstrafe) Verbindungsstrafe nunmehr nur i.Z.m. einer Busse (Art. 42 Abs. 4 StGB des Schlussabstimmungstextes) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 117 Rechtswissenschaftliches Institut Freiheitsstrafe (Art. 40 StGB) Höchstdauer: 20 Jahre oder lebenslänglich Mindestdauer: 3 Tage, vorbehalten bleibt kürzere FS an stelle nicht bezahlter Geldstrafe (Art. 36) oder Busse (Art. 106) Vollzug: bedingt (bis 2 Jahre), teilbedingt (bis 3 Jahre) oder unbedingt 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 118 Rechtswissenschaftliches Institut Freiheitsstrafe (Art. 41 StGB) Also Wiedereinführung der kurzen Freiheitsstrafe Ziel: abschreckende Wirkung auf Straftäter • Halten besser vor weiterer Delinquenz ab als Geldstrafen • Falls i.V.m. Massnahmen, wird deren erfolgreiche Abwicklung unterstützt • Unterbrechen negative Entwicklung und fördern Neuorientierung • Geldstrafen belasten Familienbudget, insb. bei häuslicher Gewalt trägt Opfer die Strafe mit – bei Freiheitsstrafen wird Verurteilter belastet Aber gem. Art. 41 StGB (FS anstelle von GS) besteht im Falle einer Strafe von unter 6 Monaten bzw. unter 180 Tagessätze (also ab 3 Tage bis zu 6 Monaten) weiterhin ein begrenzter Vorrang der GS ggü. der FS [vgl. Art. 41 Abs. 1 lit. b StGB des Schlussabstimmungstextes] : Verhältnismässigkeit; Praktikabilitätsgründe 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 119 Rechtswissenschaftliches Institut Busse (Art. 106 StGB) Ausschliessliche Strafart bei Übertretungen (Art. 106) Zweitstrafe bei bedingten Strafen nach Art. 42 Abs. 4 Höchstbetrag: CHF 10’000.- (höher in speziellen Fällen, z.B. Art. 102 Abs. 1) Bemessung: Geldsummenstrafe Vollzug: unbedingt (auch als Zweitstrafe bei bedingten Strafen gem. Art. 42 Abs. 4) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 120 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Strafen: Strafzumessung Strafrahmen Fallbeispiele bedingte und teilbedingte Strafen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 121 Rechtswissenschaftliches Institut Strafzumessung Gesetzgeber gibt Rahmen vor (Höchst- und Mindestdauer) Richter misst Strafe innerhalb des Rahmens zu 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 122 Rechtswissenschaftliches Institut Strafbefreiung In Ausnahmefällen kann trotz tatbestandsmässigem und rechtswidrigem Verhalten auf jede Sanktion verzichtet werden (Strafbefreiung): − Fehlendes Strafbedürfnis, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind (Art. 52 StGB) − Wiedergutmachung (Art. 53 StGB) − Betroffenheit des Täters (Art. 54 StGB) − Ehegatte/Lebenspartner als Opfer (Art. 55a StGB) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 123 Rechtswissenschaftliches Institut Übersicht: Strafrahmen und konkrete Strafzumessung A. Bestimmung Strafrahmen • Ordentlicher Strafrahmen • Strafmilderungsgründe • Echte Konkurrenz Strafschärfung • Sonderfall der Konkurrenz: Retrospektive Konkurrenz • Zusammentreffen Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe B. Konkrete Strafzumessung • Innerhalb Strafrahmens ist Strafe nach Verschulden zuzumessen • Von Täter losgelöste Bewertung Unrechtsgehalts, Schweregrade Tat: Einsatzstrafe • Bewertung des den Täter treffenden Schuldvorwurfes 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 124 Rechtswissenschaftliches Institut Bestimmung des Strafrahmens 1 Angedrohte Strafe (Straffolge) VERBRECHEN VERGEHEN ÜBERTRETUNG + Legaldefinitionen der STRAFARTEN … Art. 34: GELDSTRAFE = 3 bis 180 Tagessätze Art. 40: FREIHEITSSTRAFE = 3 Tage bis 20 Jahre, ev. lebenslang Art. 41: FS ANSTELLE VON GS = für Strafen von 3 bis 180 Tagessätze bzw. 3 Tage bis 6 Monate FS Wahl der Strafart Art. 106: BUSSE = i.d.R. bis zu CHF 10‘000.-, ev. höher + Spezialbestimmungen … = ORDENTLICHER STRAFRAHMEN 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 125 Rechtswissenschaftliches Institut 2 In einem zweiten Schritt muss geprüft werden, ob … STRAFMILDERUNGSGRÜNDE … vorliegen. Im einzelnen sind dies gem. Art. 48: HANDELN AUS ACHTENSWERTEN BEWEGGRÜNDEN HANDELN IN SCHWERER BEDRÄNGNIS HANDELN UNTER DEM DRUCK EINER SCHWEREN DROHUNG HANDELN AUF VERANLASSUNG EINER PERSON, WELCHER DER TÄTER GEHORSAM SCHULDIG ODER VON DER ER ABHÄNGIG IST PROVOKATION DURCH DEN VERLETZTEN HANDELN IM AFFEKT BETÄTIGUNG AUFRICHTIGER REUE ZEITABLAUF UND WOHLVERHALTEN 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 126 Rechtswissenschaftliches Institut 2 ACHTUNG: Weitere Strafmilderungsgründe des AT: entschuldb. Notwehr (Art. 16 Abs. 1) resp. Notstand (Art. 18 Abs. 1), vermind. Schuldfähigkeit (Art. 19 Abs. 2), vermeidb. Rechtsirrtum (Art. 21 Satz 2), Versuch (Art. 22 Abs. 1), Rücktritt/tätige Reue (Art. 23), Gehilfenschaft (Art. 25), Teilnehmer am Sonderdelikt (Art. 26), Strafbefreiuung (Art. 52 ff., umstr.) Einzelne Bestimmungen des Besonderen Teils sehen besondere STRAFMILDERUNGSGRÜNDE vor (Art. 123 Ziff. 1 leichter Fall einfache Körperverletzung, Art. 173 Ziff. 4 üble Nachrede etc.) Ist ein solcher Grund gegeben, so erfolgt eine … HERABSETZUNG DES ORDENTLICHEN STRAFRAHMENS GEM. ART. 48A: - WEGFALL MINDESTSTRAFE DER ANGEDROHTEN STRAFART - JEDE ANDERE STRAFART UNTER BEACHTUNG MINDESTGRENZE 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 127 Rechtswissenschaftliches Institut 3 ECHTE KONKURRENZ führt zu STRAFSCHÄRFUNG. ZUSAMMENTREFFEN VON MEHREREN MIT FREIHEITSSTRAFE BEDROHTEN HANDLUNGEN ODER STRAFBESTIMMUNGEN (ART. 49) Die strafschärfende Wirkung (Art. 49 Abs. 1) hängt davon ab, ob die relevanten Strafnormen unterschiedliche Rechtsgüter schützen (echte Konkurrenz) oder nicht (unechte Konkurrenz): ERHÖHUNG DES ORDENTLICHEN STRAFRAHMENS DER SCHWERSTEN TAT UM MAX. DIE HÄLFTE IHRER HÖCHSTSTRAFE BEI BEACHTUNG DES GESETZLICHEN HÖCHSTMASSES DER ENTSPRECHENDEN STRAFART (ART. 49 ABS. 1) ➪ 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 128 Rechtswissenschaftliches Institut Echte und unechte Konkurrenz ECHTE KONKURRENZEN UNECHTE KONKURRENZEN (auch Gesetzeskonkurrenz) echte Idealkonkurrenz gleichartig unechte Idealkonkurrenz Der Unrechtsgehalt der zu beurteilenden Handlung wird beBsp.: Tötung von Bsp.: Faustschlag reits von einer der zusammen5 Personen durch ins Gesicht mit treffenden Bestimmungen Sprengung eines Zertrümmerung völlig abgegolten Hauses (= mehr- der Brille (= Tätfacher Mord, Art. 112) verschiedenartig lichkeit, Art. 126, und Sachbeschä- In Betracht fallen Spezialität — digung, Art. 144) Konsumtion — Subsidiarität — Alternativität echte Realkonkurrenz gleichartig Bsp.: Ladendiebstähle im Januar, Juni und Oktober (= mehrfacher Diebstahl, Art. 139 i.V.m. 172ter Abs. 1) STRAFSCHÄRFUNG (ART. 49) 08.12.2015 unechte Realkonkurrenz verschiedenartig mitbestrafte Vor- oder Nachtat Bsp.: Diebstahl (Art. 139), Drogenhandel (BetMG Art. 19 Ziff. 1) und Raub (Art. 140) MEHRZAHL VON STRAFBESTIMMUNGEN — EINE HANDLUNG MEHRZAHL VON HANDLUNGEN — Vortat — Bsp.: Nötigung zu sexuellen Handlungen gefolgt von Vergewaltigung (Art. 190, keine AnwenEINE ODER dung von Art. 189) MEHRERE Nachtat — Bsp.: der Dieb zerstört die STRAFBESache nach der Tat (Art. 139, keine Anwendung von Art. 144) STIMMUNGEN KEINE STRAFSCHÄRFUNG Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 129 Rechtswissenschaftliches Institut Kumulationsprinzip = Addition aller verwirkten Strafen (im Verwaltungsstrafrecht anzutreffen) Absorptionsprinzip = nur die nach dem schwersten Tatbestand angedrohte Strafe wird verhängt (anzuwenden bei lebenslänglicher Strafe) Asperationsprinzip = die Strafe wird dem schwersten Tatbestand entnommen und angemessen verschärft (Normalfall, s. Art. 49 Abs. 1) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 130 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel 1 Kurt wird wegen versuchter Hehlerei und Ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt. Welches ist der Strafrahmen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 131 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel 2 Max wird wegen Betrugs und Ungehorsam im Betreibungs- und Konkursverfahren verurteilt. Welches ist der Strafrahmen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 132 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel 3 Hans wird wegen schwerer Körperverletzung und Raufhandel verurteilt. Welches ist der Strafrahmen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 133 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel 4 Beat wird wegen fünffachem Mord verurteilt. Welches ist der Strafrahmen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 134 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel 5 Albert wird wegen versuchtem Mord und schwerer Körperverletzung verurteilt. Welches ist der Strafrahmen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 135 Rechtswissenschaftliches Institut Ein Sonderfall der KONKURRENZ ist die … RETROSPEKTIVE KONKURRENZ (ART. 49 ABS. 2) Sie ist unter folgenden Voraussetzungen gegeben: EIN TÄTER WIRD WEGEN EINER ODER MEHREREN STRAFTATEN ZU EINER FREIHEITSSTRAFE VERURTEILT IN EINEM SPÄTEREN STRAFVERFAHREN ERKENNT IHN DER RICHTER EINES ODER MEHRERER MIT FREIHEITSSTRAFE BEDROHTER DELIKTE, DIE ER VOR DEM FRÜHEREN URTEIL BEGANGEN HAT (massgebender Zeitpunkt = Fällung des erstinstanzlichen Urteils), FÜR SCHULDIG In einem solchen Fall hat der Richter den Strafrahmen nach den gleichen Grundsätzen wie beim Zusammentreffen von strafbaren Handlungen oder Strafbestimmungen zu setzen (also nach Art. 49 Abs. 1). Eine Gesamtwürdigung ergibt dann ein bestimmtes Strafmass. Die Differenz zwischen diesem und dem ersten Urteil wird als … 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 136 Rechtswissenschaftliches Institut ZUSATZSTRAFE … in das zweite Urteil aufgenommen. ACHTUNG: Ist die Differenz zwischen der Gesamtwürdigung und dem erstem Urteil gleich Null, kann der Richter folglich auf die ZUSATZSTRAFE verzichten! ACHTUNG: Wenn die NEU ZU BEURTEILENDEN STRAFTATEN VOR UND NACH DEM ERSTEN URTEIL begangen wurden: Ausgangspunkt ist auch in diesem Fall die schwerste Tat. Geschah sie vor dem ersten Urteil, wird für sie eine Zusatzstrafe ermittelt, die dann um die Strafmasse der nach dem Ersturteil liegenden Straftaten erhöht wird. Liegt die schwerste Tat nach dem Ersturteil, wird das Verfahren umgekehrt. ACHTUNG: Übersteigt die ZUSATZSTRAFE zusammen mit der GRUNDSTRAFE 24 Monate, darf für erstere KEIN BEDINGTER STRAFVOLLZUG mehr gewährt werden, der bedingte Strafvollzug für letztere bleibt jedoch bestehen (Rechtskraft des Urteils!). 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 137 Rechtswissenschaftliches Institut Fallbeispiel 6 Claudia wird am 1. September 2009 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten bedingt verurteilt. Nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils stellt sich heraus, dass Claudia im Februar 2009 an einem Bankraub beteiligt gewesen ist. Wie ist vorzugehen? 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 138 Rechtswissenschaftliches Institut 1 B. Konkrete Strafzumessung Mit den unter A dargestellten Regeln lässt sich für jeden konkreten Fall ein ORDENTLICHER STRAFRAHMEN, eventuell ein nach oben und/oder unten ERWEITERTER STRAFRAHMEN, festlegen. ➪ INNERHALB DIESES STRAFRAHMENS IST DIE STRAFE NACH DEM VERSCHULDEN DES TÄTERS ZUZUMESSEN (ART. 47) Dem Richter steht dabei ein weiter ➪ ERMESSENSSPIELRAUM zur Verfügung. Es besteht insbesondere keine Pflicht zur Quantifizierung der einzelnen Zumessungsschritte. Die Zumessung muss jedoch nachvollziehbar und diesbezüglich ausreichend begründet sein (Art. 50). 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 139 Rechtswissenschaftliches Institut 2 Ausgangspunkt der konkreten Strafzumessung nach Art. 47 ist eine vom Täter losgelöste Bewertung des ➪ UNRECHTSGEHALTS oder SCHWEREGRADES der konkreten Tat bzw. der schwersten Tat (bei mehreren Taten). Stichwörter: Intensität des Eingriffs in die geschützten Rechtsgüter, Anzahl Opfer, Körperschädigung, Schmerz, Vermögensschaden, Risikopotential, Mitteleinsatz, Vorgehensweise, Menge illegaler Gegenstände u.a. Diese ➪ TATBEZOGENEN VERSCHULDENSELEMENTE ermöglichen eine Differenzierung unter den verschiedenen Erscheinungsformen der gleichen Deliktsart. Der Richter bestimmt darauf gestützt innerhalb des ordentlichen Strafrahmens eine sog. … ➪ 08.12.2015 EINSATZSTRAFE Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 140 Rechtswissenschaftliches Institut 3 Es folgt eine Bewertung des den Täter treffenden SCHULDVORWURFES. Art. 47 nennt als TÄTERBEZOGENE VERSCHULDENSELEMENTE insb. die WIRKUNG DER STRAFE AUF DEN TÄTER, SEIN VORLEBEN, falls es die Vorwerfbarkeit der konkreten Tat betrifft, und SEINE PERSÖNLICHEN VERHÄLTNISSE zur Zeit der Tat. 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 141 Rechtswissenschaftliches Institut Der Richter wird jedes konkret vorliegende Verschuldenselement gewichten und entsprechend innerhalb des ordentlichen Strafrahmens das … STRAFMASS DER EINSATZSTRAFE ERHÖHEN ODER VERMINDERN SPRACHGEBRAUCH: STRAFERHÖHUNG BZW. -MINDERUNG bedeutet Veränderung des Strafmasses innerhalb des ordentlichen Strafrahmens. STRAFSCHÄRFUNG BZW. -MILDERUNG bedeutet Überschreitung des ordentlichen Strafrahmens nach unten bzw. nach oben. 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 142 Rechtswissenschaftliches Institut Strafmilderungs-/-schärfungsgründe führen zur … OBLIGATORISCHEN ERHÖHUNG ODER MINDERUNG DER STRAFE INNERHALB DES ORDENTLICHEN STRAFRAHMENS …, demzufolge müssen die Mindeststrafen jeweils überschritten bzw. die Höchststrafen jeweils unterschritten werden. Der Richter kann aber auch eine … FAKULTATIVE SCHÄRFUNG ODER MILDERUNG DER STRAFE INNERHALB DES ERWEITERTEN STRAFRAHMENS … vornehmen, falls es das Verschulden des Täters erfordert. 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 143 Rechtswissenschaftliches Institut Zumessung der Geldstrafe Verschulden (gem. Art. 47 StGB): Anzahl Tagessätze (Art. 34 Abs. 1 StGB) Persönliche Verhältnisse: Höhe der Tagessätze (Art. 34 Abs. 2 StGB) Strafe: Anzahl Tagessätze x Höhe der Tagessätze 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 144 Rechtswissenschaftliches Institut Zumessung der Busse Höchstbetrag: CHF 10'000 .- (Art. 106 Abs. 1), sofern vom Gesetzgeber im Einzelfall nicht höhere Busse vorgesehen (vgl. z.B. Art. 102 Abs. 1) Zumessung: gem. Verschulden analog Geldstrafe, aber in einem Zumessungsschritt (Art. 106 Abs. 3) Ersatzfreiheitsstrafe: muss bereits im Rahmen Zumessung festgelegt werden (Art. 106 Abs. 2) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 145 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte und teilbedingte Strafen: Art und Höhe der Strafen (Art. 42 f. StGB) Freiheitsstrafe: (Art. 42 Abs. 1) - bedingt: höchstens 2 Jahre; wenn innert letzten 5 J. zu einer unbedingten/bedingten FS von mehr als 6 Mt. verurteilt, dann Aufschub nur bei besonders günstigen Umständen (vgl. Abs. 2) - teilbedingt: 1 Jahr bis 3 Jahre Geldstrafe: (Art. 42 Abs. 1) - bedingt: höchstens 2 Jahre; wenn innert letzten 5 J. zu einer unbedingten/bedingten FS von mehr als 6 Mt. verurteilt, dann Aufschub nur bei besonders günstigen Umständen (vgl. Abs. 2) Busse: nur unbedingt (Art. 105 Abs. 1) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 146 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte und teilbedingte Strafen: weitere Voraussetzungen (Art. 42 f. StGB) Subjektive Voraussetzung: günstige Prognose - Normalfall: günstige Prognose wird i.d.R. vermutet - Verurteilung Täter innerhalb von 5 Jahren vor der Tat zu un-/bedingten Freiheitsstrafe von mind. 6 Monaten - Aufschub nur bei «besonders günstigen Umständen» Wiedergutmachung des Schadens (Art. 42 Abs. 3): Vorausgesetzt, sofern Täter zumutbare Schadensbehebung unterlassen hat 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 147 Rechtswissenschaftliches Institut Unterscheidungskriterium un-/bedingte Strafe Bedingte Strafe: Strafe wird aufgeschoben Teilbedingte Strafe: Strafe wird teilweise aufgeschoben (aufgeschobener und zu vollziehender Teil mind. 6 Monate, Art. 43 Abs. 3), wenn unbedingte Strafe nicht erforderlich ist, aber vollständig bedingte Strafe dem Verschulden des Täters nicht gerecht würde (Vgl. GREINER, in: BÄNZIGER/HUBSCHMID/SOLLBERGER, Zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafrechts und zum neuen materiellen Jugendstrafrecht, 2. Aufl., Bern 2006, 115) Verbindungsstrafe gem. Art. 42 Abs. 4: bedingte/teilbedingte Freiheitsstrafe i.V.m. unbedingter Busse 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 148 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Massnahmen: Arten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 149 Rechtswissenschaftliches Institut Massnahmen Therapeutische MA und Verwahrung Andere Massnahmen Behandlung von psychischen Störungen, stat./amb. (Art. 59 und 63) Suchtbehandlung stat./amb. (Art. 60 und 63) Massnahmen für junge Erwachsene stat. (Art. 61) Verwahrung (Art. 64) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 150 Rechtswissenschaftliches Institut Grundsätze therapeutische MA und Verwahrung Dauer: Unbestimmt bzw. bis abnormer Zustand weggefallen oder Erfolglosigkeit der Massnahme festgestellt wird (Art. 56 Abs. 6). Achtung: bei sichernden Massnahmen gibt es verschiedene zeitliche Obergrenzen! Grundlage des Massnahmenentscheids: Sachverständige Begutachtung (Art. 56 Abs. 3 und 4) Konkurrenz von Massnahmen: - Gleich geeignet, aber nur 1 notwendig: MA, die Täter am geringsten beschwert (Art. 56a Abs. 1) - Mehrere notwendig: mehrere werden angeordnet (Art. 56a Abs. 2) - Strafe und Massnahme: MA Art. 59 – 61 geht vor (Art. 57); aber Strafe geht Verwahrung vor (Art. 64 Abs. 2) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 151 Rechtswissenschaftliches Institut Voraussetzungen therapeutische MA und Verwahrung 1. Anlasstat : tatbestandsmässig und rechtswidrig 2. Abnormer Zustand mit Rückfallgefahr 3. Straftat ist Ausdruck des abnormen Zustands 4. Massnahme ist geeignet und notwendig, um Rückfallgefahr zu beseitigen/herabzusetzen 5. Angemessenes Verhältnis zwischen Anlasstat, befürchteter Rückfalltat und Massnahme 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 152 Rechtswissenschaftliches Institut Verwahrung: Grundsätze Isolierende Massnahme Zeitlich unbegrenzt ultima-ratio-Charakter 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 153 Rechtswissenschaftliches Institut Verwahrung: Voraussetzungen (Art. 64 Abs. 1) Anlasstat: Verbrechen mit angedrohter Höchststrafe von mind. 5 Jahren + (beabsichtigte) schwere Beeinträchtigung physische, psychische oder sexuelle Integrität Rückfallgefahr: Wenn ernsthaft damit zu rechnen ist, dass Täter erneut delinquiert 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 154 Rechtswissenschaftliches Institut Nachträgliche Verwahrung (Art. 65 Abs. 2 StGB) Neue Tatsachen oder Beweismittel, die zeigen: - Voraussetzungen Verwahrung bestehen - Voraussetzungen Verwahrung hätten bereits zur Zeit des ersten Urteils bestanden, ohne dass Gericht davon Kenntnis haben konnte Folge: nachträgliche Verwahrung im Rahmen Revisionsprozess trotz Verurteilung zu endlicher Strafe im ersten Urteil 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 155 Rechtswissenschaftliches Institut Lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis ) Anlasstat: Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung, sex. Nötigung, Freiheitsberaubung/Entführung, Geiselnahme, Menschenhandel, Völkermord, Verletzung Völkerrecht gem. Art. 108 – 113 MStG + (beabsichtigte) besonders schwere Beeinträchtigung physische, psychische oder sexuelle Integrität Rückfallgefahr: Wenn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass Täter erneut delinquiert Täter: dauerhaft nicht therapierbar 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 156 Rechtswissenschaftliches Institut Massnahmen Sichernde Massnahmen Andere Massnahmen Persönliche Massnahmen: Friedensbürgschaft (Art. 66); Berufsverbot (Art. 67 - 67a); Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b) Fahrverbot (Art. 67e); Landesverweisung (Art. 67f); Urteilspublikation (Art. 68) Sachliche Massnahmen: Sicherungseinziehung, Einziehung von Vermögenswerten, Verwendung zugunsten des Geschädigten (Art. 69–73) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 157 Rechtswissenschaftliches Institut Berufsverbot (Art. 67 StGB) – Voraussetzungen Tat in Ausübung beruflicher oder organisierter ausserberuflichen Tätigkeit Gefahr weiteren Missbrauchs der beruflichen Stellung Anlassdelikt: Verbrechen und Vergehen, sofern Verurteilung zu Freiheitsstrafe über 6 Mt. (Übertretung nur gem. Art. 105 Abs. 3) = Verbot 08.12.2015 für mind. 6 Mt. bis zu max. 5 J. ganz oder teilweise (vgl. Art. 67 Abs. 1 StGB Schlussabstimmungstext) Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 158 Rechtswissenschaftliches Institut Berufsverbot (Art. 67a StGB) – Inhalt Gilt für ausgeübte Tätigkeit und eventuell für vergleichbare Tätigkeiten Totalverbot oder Teilbereiche möglich Selbständige Tätigkeit; unselbständige Tätigkeit in Ausnahmefällen (Art. 67 Abs. 2) Bedingter Vollzug nicht vorgesehen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 159 Rechtswissenschaftliches Institut Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b StGB) – Voraussetzungen Verbrechen oder Vergehen gegenüber Personen oder eine bestimmte Gruppe Gefahr, dass bei Kontakt erneute Begehung von Delikten max. Dauer: 5 Jahre 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 160 Rechtswissenschaftliches Institut Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b StGB) – Inhalt Verbot der Kontaktaufnahme auf indirektem Wege Annäherungsverbot (Art. 67b Abs. 2 lit. b) Aufenthaltsverbot (Art. 67b Abs. 2 lit. c) Gemeinsame Bestimmungen: Art. 67c Änderung oder nachträgliche Anordnung: Art. 67d 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 161 Rechtswissenschaftliches Institut Landesverweisung: Aufhebung 2002 Aufhebung durch Revision 2002 aufgrund: − Im AuG [früher ANAG] administrative Landesverweisung bereits existierend, die mit gerichtlicher im Widerspruch gestanden hätte − Unterschiedliche Zielsetzung von ausländerrechtlicher Ausweisung und Landesverweisung gem. StGB − Ausländerrechtliche Ausweisung genügend, Landesverweisung nicht notwendig 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 162 Rechtswissenschaftliches Institut Landesverweisung: Wiedereinführung 2015 Wiedereinführung durch Revision 2015 aufgrund: − Sicherstellung einheitlicher Praxis − Wegfall des bedingten Aufschubs ermöglicht Landesverweisung am Tag der Entlassung − Bessere generalpräventive Wirkung als fremdpolizeiliche Massnahmen − Bessere Vollzugsgestaltung, da keine Planung von Massnahmen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft notwendig erscheint − Dadurch werden Probleme bzgl. Reststrafe im Rahmen der Überstellung verhindert, weil die gerichtliche Festlegung im Zeitpunkt der Entlassung rechtskräftig ist 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 163 Rechtswissenschaftliches Institut Landesverweisung (Art. 67f StGB) – Voraussetzungen Besteht neben den ausländerrechtlichen Massnahmen, weil sie nicht alle Sachverhalte abdeckt, die gem. AuG zu Bewilligungswiderruf oder Einreiseverbot führen Voraussetzung: ALTERNATIV - Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr, oder - Verstoss gegen eine Massnahme gem. Art. 59 – 61 oder 64 StGB Modalität: Wird im Strafurteil sicher gestellt, gilt also ab Rechtskraft des Urteils 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 164 Rechtswissenschaftliches Institut Landesverweisung (Art. 67f StGB) – Inhalt Auswirkung auf Vollzug: Der aufenthaltsrechtliche Status ist bei der Entlassung vom Vollzug bereits entschieden, d.h. bei Strafe oder Massnahme Geltung, sobald Verurteilte entlassen wird Dauer: - min. 3 Jahre, max. 15 Jahre - beachte aber auch Abs. 3 = Landesverweisung kann auf Lebenszeit ausgesprochen werden, wenn: a) der Verurteilte eine neue Tat begeht, für die das Gericht eine Sanktion i.S.v. Abs. 1 anordnet, und b) er die neue Tat begeht, solange die für die frühere Tat ausgesprochene Landesverweisung noch wirksam ist 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 165 Rechtswissenschaftliches Institut Einziehung (Art. 69 – 72 StGB) Sicherungseinziehung Einziehung von Vermögenswerten Besondere Einziehungsnormen (Art. 135 Abs. 2, 197 Ziff. 3 Abs. 2 usw.) Einziehungen haben durch ein richterliches Urteil zu erfolgen. Vorher: Beschlagnahme 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 166 Rechtswissenschaftliches Institut Einziehung (Art. 69 – 72 StGB) = zwingende sachliche Massnahme d.h. der zuständige Richter muss sie, wenn die Voraussetzungen vorliegen, von Amtes wegen anordnen • auch gegen Unzurechnungsfähige • auch gegen nicht bekannte Täter • auch bei verjährten Delikten • auch nach dem Tod des Verdächtigten 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 167 Rechtswissenschaftliches Institut Sicherungseinziehung (Art. 69 StGB) Voraussetzungen: − Tatwerkzeug [instrumentum sceleris] (gefährliches Tier, Schusswaffe, Falschgeldmaschine usw.) oder − Tatprodukt [productum sceleris] (gefälschte Ware, Falschgeld, falsche Urkunde usw.) Gefahr, dass diese Gegenstände erneut zu deliktischem Handeln verwendet werden 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 168 Rechtswissenschaftliches Institut Vermögenseinziehung (Art. 70 – 72 StGB) (Direkte) Vermögenseinziehung, Art. 70 Ersatzforderung, Art. 71 Sonderfall: Einziehung von Vermögenswerten in der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation, Art. 72 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 169 Rechtswissenschaftliches Institut Verwendung zu Gunsten des Geschädigten (Art. 73 StGB) Durch Delikt erlittener Schaden, der weder durch Versicherung noch durch Leistung des Täters gedeckt wird Verwendung zu Gunsten des Geschädigten bis Höhe Schaden/Genugtuung: - Geldstrafe/Busse - Eingezogene Gegenstände/Vermögenswerte bzw. Verwertungserlös - Ersatzforderungen gem. Art. 71 - Friedensbürgschaft gem. Art. 66 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 170 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Massnahmen: Vollzug bedingte Entlassung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 171 Rechtswissenschaftliches Institut Vollzug therapeutischer Massnahmen Behandlung von psychischen Störungen (Art. 59 Abs. 2 und 3 StGB): - Vollzug in geeigneter psychiatrischer Einrichtung od. Massnahmenvollzugseinrichtung - Fluchtgefahr oder Gefahr Rückfall: geschlossener Vollzug Suchtbehandlung (Art. 60 Abs. 3 StGB): - Vollzug in spezialisierter Einrichtung oder in psychiatrischer Klinik Massnahmen für junge Erwachsene (Art. 61 Abs. 2 und 3 StGB): - Vollzug in getrennter Einrichtung - Insbesondere Förderung berufliche Aus- und Weiterbildung Siehe auch spezielle Bestimmungen gem. Art. 90 StGB, u.a. mit Verweis auf Art. 75a StGB 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 172 Rechtswissenschaftliches Institut Vollzug der Verwahrung Massnahmevollzugsanstalt, sofern zweckmässig und möglich; ansonsten geschlossener Vollzug in Strafanstalt. Vollzug Freiheitsstrafe geht voraus 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 173 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte Entlassung aus stationärer therapeutischer Massnahme (Art. 62 StGB) Voraussetzung (Art. 62 Abs. 1): Günstige Prognose Begleitende Anordnungen (Art. 62 Abs. 2 – 6): Probezeit, ev. ambulante Behandlung, ev. Bewährungshilfe, ev. Weisungen Neue Straftat (Art. 62a Abs. 1): - Rückversetzung - Neue Massnahme - Vollzug Freiheitsstrafe - Verwarnung und Anpassung begleitende Massnahme 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 174 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte Entlassung aus stationärer therapeutischer Massnahme (Art. 62 StGB) Ernsthafte qualifizierte Rückfallgefahr (Art. 62a Abs. 3): - Rückversetzung - Verwarnung und Anpassung begleitende Massnahme Nichteinhalten begleitende Anordnungen (Art. 62a Abs. 6 i.V.m. Art. 95 Abs. 3-5): - Anpassung begleitende Anordnungen - Rückversetzung bei Gefahr Rückfall Bewährung (Art. 62b): - Endgültige Entlassung und Verzicht auf Vollzug Reststrafe - Bewährung während Probezeit - Höchstdauer der Massnahme gem. Art. 60 oder 61 erreicht und Voraussetzungen bedingte Entlassung gegeben 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 175 Rechtswissenschaftliches Institut Aufhebung und Abänderung stationärer therapeutischer Massnahmen (Art. 62c StGB) Voraussetzungen: - Durch- oder Fortführung erscheint aussichtslos - Höchstdauer Massnahme gem. Art. 60 oder 61 erreicht und Voraussetzung bedingte Entlassung nicht gegeben - Geeignete Einrichtung besteht nicht (mehr) - Andere stationäre therapeutische Massnahme erscheint geeigneter Folge: - Vollzug Reststrafe - Anordnung andere Massnahme (inkl. Verwahrung) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 176 Rechtswissenschaftliches Institut Aufhebung ambulanter Massnahmen (Art. 63a StGB) Erfolgreicher Abschluss: - kein Vollzug allenfalls aufgeschobener Freiheitsstrafe Fortsetzung erscheint aussichtslos: - Vollzug allfällig aufgeschobener Freiheitsstrafe - Massnahme Art. 59 – 61 StGB Gesetzliche Höchstdauer der Therapie ist erreicht: - Vollzug allfällig aufgeschobener Freiheitsstrafe - Massnahme Art. 59 – 61 StGB 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 177 Rechtswissenschaftliches Institut Aufhebung ambulanter Massnahmen (Art. 63a StGB) Rückfall, der zeigt, dass Gefahr eines Rückfalls mit ambulanter Therapie nicht abgewendet werden kann: - Vollzug allfällig aufgeschobener Freiheitsstrafe - Massnahme Art. 59 – 61 Nichteinhalten begleitende Anordnungen (Art. 63a Abs. 4 i.V.m. Art. 95 Abs. 3-5): - Anpassung begleitende Anordnungen - Rückversetzung bei Gefahr Rückfall 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 178 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte Entlassung aus der Verwahrung (Art. 64a StGB) Voraussetzung: Erwartung, dass Täter sich bewährt Zeitpunkt: - Jährliche Überprüfung, erstmals nach 2 Jahren (Art. 64b Abs. 1 lit. a) sowie vor Antritt der Verwahrung (Art. 64 Abs. 3) - Prüfung Möglichkeit Versetzung in stationäre therapeutische Massnahme mind. alle 2 Jahre und vor Antritt Verwahrung Begleitende Anordnungen: Probezeit 2 bis 5 J., allenfalls Bewährungshilfe und Weisungen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 179 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte Entlassung aus der Verwahrung (Art. 64a StGB) Rückversetzung: − Nichtbewährung : Rückversetzung ist nicht von tatsächlicher Delinquenz abhängig : ernsthafte Befürchtung eines Rückfalls bzgl. Taten gem. Art. 64 Abs. 1 genügt (Art. 64a Abs. 3) − Nichteinhalten begleitender Anordnungen : allenfalls Verzicht auf Rückversetzung und Anpassung begleitender Anordnungen möglich (Art. 64a Abs. 4) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 180 Rechtswissenschaftliches Institut Entlassung aus der Verwahrung Ordentliche Entlassung: - Vorliegen neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Feststellung Behandlungsfähigkeit - Behandlung bis Senkung Gefährlichkeit - Versetzung in Massnahme gem. Art. 59 – 61 Ausserordentliche Entlassung (bedingt): Täter stellt keine Gefahr mehr dar aufgrund - hohes Alter - schwere Krankheit - anderer Grund 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 181 Rechtswissenschaftliches Institut Teil 3: Sanktionenrecht im Erwachsenenstrafrecht Strafen: Normalvollzug spezielle Vollzugsformen bedingte Entlassung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 182 Rechtswissenschaftliches Institut Vollzug Geldstrafe/Busse (Art. 35 und 106 Abs. 5 StGB) Zahlungsfrist (1 – 6 Monate), Fristverlängerung und Ratenzahlung gem. Anordnung Vollzugsbehörde Gefahr, Verurteilter entzieht sich Vollzug: Anordnung sofortige Bezahlung oder Sicherheitsleistung Bei Nichtbezahlung: Betreibung 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 183 Rechtswissenschaftliches Institut Ersatzfreiheitsstrafe (Art. 36 StGB) Ausbleiben Bezahlung Geldstrafe/Busse: Betreibung, sofern davon Ergebnis erwartet wird (Art. 35 Abs. 3) Ausbleiben Bezahlung und allenfalls fruchtlose Betreibung: (unbedingte) Freiheitsstrafe tritt an die Stelle der Geldstrafe • Umwandlung: 1 Tagessatz Geldstrafe = 1 Tag Freiheitsstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe für Busse gem. Art. 106 Abs. 2 • Wurde die Geldstrafe durch eine Verwaltungsbehörde verhängt, entscheidet das Gericht über die Ersatzfreiheitsstrafe 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 184 Rechtswissenschaftliches Institut Typologie der Vollzugsformen Normalvollzug Besondere Vollzugsformen Electronic Monitoring Gemeinnützige Arbeit Halbgefangenschaft 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 185 Rechtswissenschaftliches Institut Vollzug von Freiheitsstrafen Normalvollzug (Art. 77): Arbeits-, Ruhe- und Freizeit i.d.R. in der Anstalt im geschlossenen oder offenen Vollzug Stufen des Normalvollzugs: - Eintrittsphase: ev. Einzelhaft (Art. 78 lit. a) - Vollzugslockerungen (Urlaub gem. Art. 84 Abs. 6) - Offener Vollzug - Arbeits-, Wohnexternat (Art. 77a) - Bedingte Entlassung (Art. 86) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 186 Rechtswissenschaftliches Institut Modalitäten des Normalvollzugs Arbeitspflicht (Art. 81 Abs. 1 Satz 1) Aus- und Weiterbildung (Art. 82) Beziehungen zur Aussenwelt (Art. 84) Urlaub (Sach- und Beziehungsurlaub) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 187 Rechtswissenschaftliches Institut Spezielle Vollzugsformen Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) Gemeinnützige Arbeit (Art. 79a StGB) Electronic Monitoring (Art. 79b) : elektronische Überwachung : Versuch 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 188 Rechtswissenschaftliches Institut Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) Strafdauer : nicht mehr als 12 Monate oder Reststrafe bis zu 6 Monate Voraussetzungen = KUMULATIV 1. keine Fluchtgefahr oder Gefahr weiterer Delinquenz 2. im Rahmen des Vollzug externe Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mind. 20 Stunden pro Woche Ruhe- und Freizeit in der Anstalt Vollzug in besonderer Abteilung eines Untersuchungsgefängnisses möglich Bei Nichterfüllung trotz Mahnung oder Wegfall der Bewilligungsvoraussetzungen Vollzug der Freiheitsstrafe im Normalvollzug 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 189 Rechtswissenschaftliches Institut Gemeinnützige Arbeit (Art. 79a StGB) Neu als Vollzugsform ausgestaltet Voraussetzungen: − bleiben jedoch gleich wie während Ausgestaltung als Strafart − Nur auf Antrag der verurteilten Person Vollzugsform für: − Freiheitsstrafe von weniger als 6 Monaten, auch Reststrafe von weniger als 6 Monaten − Geldstrafe oder Busse Nicht für Ersatzfreiheitsstrafen wegen nicht bezahlter Geldstrafe/Busse Höchstdauer: Leistung innert 2 Jahre; bei Vollzug einer Busse: 1 Jahr Inhalt: unentgeltliche Arbeit zugunsten von sozialen Einrichtungen, Werken im öffentlichen Interesse oder hilfedürftigen Personen 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 190 Rechtswissenschaftliches Institut Electronic Monitoring (Art. 79b StGB) Als Vollzugsform ausgestaltet: − zur elektronischen Überwachung des Vollzuges ausserhalb der Strafanstalt Voraussetzungen (Art. 79b Abs. 2): − Keine Fluchtgefahr oder Gefahr weiterer Deliktverübung − dauerhafte Unterkunft − Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mind. 20 Stunden − Zustimmung der mit dem Verurteilten zusammenlebenden − Vollzugsplan, welchem der Verurteilte zugestimmt hat 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 191 Rechtswissenschaftliches Institut Electronic Monitoring (Art. 79b StGB) Vollzugsform für: − ausschliesslich für kurze Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen (sog. Frontdoor-Variante) • Dauer: min. 20 Tage, max. 12 Monate − für lange Freiheitsstrafen als alternative/ folgende Vollzugsstufe bzw. -lockerung zum Arbeitsexternat oder Arbeit- und Wohnexternat (sog. Backdoor-Variante) • Dauer: min. 3 Monate, max. 12 Monate Nicht als Vollzugsform von Ersatzfreiheitsstrafen wegen nicht bezahlter Geldstrafe Beachte: kostengünstigste Vollzugsform 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 192 Rechtswissenschaftliches Institut Electronic Monitoring (Art. 79b StGB) Die elektronische Fussfessel hat Strafcharakter: − Fussfessel erinnert Person an Strafsituation rund um die Uhr − Ständiger Druck durch Einhaltung des Wochen- und Tagesplans − Mittelfeld der Rückfallquoten i.Z.m. andere Vollzugsformen Elektronik: − Anwesenheitsüberwachung mittels Sender am Bein und Signalen − Über die Telefonleitung an einen Überwachungscomputer Vollzugsplan: − An- und Abwesenheitszeiten − Abwesenheit: Arbeit, Ausbildung, Beschäftigungsprogramm − Freizeit progressiv zur Vollzugsdauer 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 193 Rechtswissenschaftliches Institut Bedingte Entlassung aus Freiheitsstrafe (Art. 86 ff. StGB) Regelfall gem. Art. 86 Abs. 1 und 5 - Mindestdauer der Strafverbüssung = 2/3 der Strafe • mind. 3 Monate • bei lebenslänglich mind. 15 Jahre - Materielle Voraussetzungen = positive Prognose über das zukünftige Legalverhalten (Abs. 1) Ausnahmsweise frühzeitige bedingte Entlassung: - Mindestdauer der Strafverbüssung = 1/2 der Strafe • mind. 3 Monate • bei lebenslänglich mind. 10 Jahre (Abs. 4 und 5) - Materielle Voraussetzungen = positive Prognose über das zukünftige Legalverhalten (Abs. 1) + ausserordentliche, in der Person des Täters liegende Umstände 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 194 Rechtswissenschaftliches Institut Begleitende Anordnungen bei der bedingten Entlassung (Art. 87 StGB) Probezeit : Dauer = Strafrest; mind. 1 Jahr, max. 5 Jahre Bewährungshilfe (Regelfall) Weisungen (fakultativ) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 195 Rechtswissenschaftliches Institut Bewährung/Nichtbewährung (Art. 88 f. StGB) Bewährung: Endgültige Entlassung Nichtbewährung/Nichteinhalten begleitende Anordnungen: - Verübung Verbrechen oder Vergehen während Probezeit: - Rückversetzung - Verzicht auf Rückversetzung bei günstiger Prognose (allenfalls Verwarnung und Anpassung der begleitenden Massnahmen) 08.12.2015 Jugendstrafrecht/Sanktionenrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 196
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