Klausur_1220_SV

Assessorkurs Bayern
- Klausur Nr. 1220 / Seite 1 -
Klausur Nr. 1220
- Strafrecht (Bearbeitungszeit: 5 Stunden)
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Amtsgericht Ebersberg
2 Cs 23 Js 12345/15
Strafbefehl
Herrn Alfred Ampler,
geb. am 19. September 1971 in Passau, Kaufmann, Vaterstättener Str.7, 85560 Ebersberg.
Verteidiger: RA Manfred Altmayer, 81737 München, Sebastian-Bauer-Straße 10.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben folgenden Sachverhalt:
1.
Am 04.11.2015 gaben Sie im Ermittlungsverfahren wegen einer Straßenschlägerei, die am
12.10.2015 am Marktplatz in Ebersberg stattfand, gegen den dort beschuldigten Berthold
Block „zur Vorlage bei Gericht“ die objektiv falsche eidesstattliche Versicherung ab, dass
Herr Block zu dem Zeitpunkt, zu welchem es vor dem Lokal zu den Auseinandersetzungen
gekommen sei, in Ihrer Nähe gewesen sei. Sie und Herr Block hätten beide das Lokal weder
verlassen noch sich an den Gewalttätigkeiten beteiligt. Weder Staatsanwaltschaft noch das
Gericht glaubten Ihrer Aussage, so dass es zur Verurteilung des Herrn Block kam.
Allerdings kann Ihnen nicht widerlegt werden, dass Sie möglicherweise der Meinung gewesen sind, der Beschuldigte Block sei tatsächlich im Saal geblieben; hierbei handelt es sich
aber zumindest um einen Irrtum, den Sie bei einigem Nachdenken hätten vermeiden können.
2.
Am 11.11.2015 überließen Sie auf dem TSV-Sportplatzgelände in Ebersberg Ihrem
22jährigen Freund Fritz Frischer auf dessen Drängen Ihr Motorrad Yamaha XS 250 zum
Fahren, obwohl die Vorderradbremse schlecht funktionierte und Sie das Motorrad deswegen
auch in die Werkstatt hatten bringen wollen. Fritz Frischer hatte auch keine Fahrerlaubnis.
Beide Umstände waren Ihnen bekannt.
Herr Frischer, der Fahrpraxis nur mit seinem wesentlich kleineren Motorroller hatte, fuhr
mit dem ihm überlassenen Motorrad von dem Sportplatzgelände auf eine öffentliche Straße,
wo er in einer abfallenden Rechtskurve von der Fahrbahn abkam und mit dem Motorrad gegen eine Hauswand fuhr. Dabei erlitt er nicht unerhebliche Verletzungen. Mitursächlich für
den Unfall war die defekte Vorderradbremse.
Die Staatsanwaltschaft bejaht das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.
Assessorkurs Bayern
- Klausur Nr. 1220 / Seite 2 Sie haben daher
durch Fahrlässigkeit vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen
Behörde eine solche Versicherung falsch abgegeben,
sowie durch eine andere Handlung
durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines anderen verursacht.
Sie sind somit schuldig
der fahrlässigen falschen Versicherung an Eides Statt gemäß §§ 156, 163 StGB sowie der
fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 StGB.
Beweismittel: .....
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, wird daher gegen Sie eine Gesamtstrafe von .......... verhängt.
Diese setzt sich zusammen aus .........................
Ebersberg, den 15.12.2015
Frosch (RiAG)
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Der Strafbefehl wurde mit den erforderlichen Belehrungen zugestellt. Bereits während des Ermittlungsverfahrens hatte sich der Verteidiger des Angeschuldigten gemeldet; seine Vollmacht befindet sich bei den Akten. Die Zustellung an den Verteidiger erfolgte am Montag, dem 21.12.2015.
Auch eine förmliche Zustellung an den Angeklagten wurde veranlasst, die allerdings erst am Dienstag, den 22.12.2015 erfolgte.
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Manfred Altmayer
Rechtsanwalt
81737 München, den 04.01.2016
Sebastian-Bauer-Straße 10
An das
Amtsgericht Ebersberg
85560 Ebersberg
Amtsgericht Ebersberg
Eingang: 05.01.2016
Az.: 2 Cs 23 Js 12345/15
Hiermit lege ich namens und mit Vollmacht meines Mandanten, Herrn Alfred Ampler, dessen
Vollmacht sich bereits bei den Akten befindet,
Einspruch
ein gegen den Strafbefehl vom 15.12.2015.
Assessorkurs Bayern
- Klausur Nr. 1220 / Seite 3 Was die Einspruchsfrist angeht, muss meinem Mandanten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gewährt werden, da die Verspätung auf einer von mir nicht zu verantwortenden Büropanne beruht.
Unser Lehrling, Fräulein Gretchen Maier, die sonst immer zuverlässig arbeitet, hatte den Eintrag im
Fristenkalender vergessen.
Beweis: Eidesstattliche Versicherung von Fräulein Gretchen Maier (beiliegend).
Altmayer
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Am 27.01.2016 wurde auf den Einspruch hin Termin angesetzt zur mündlichen Verhandlung für
den 26.02.2016. Der Angeklagte und sein Verteidiger wurden hierfür ordnungsgemäß geladen. Das
Gericht ordnete persönliches Erscheinen des Angeklagten an.
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Auszug aus dem Protokoll der Hauptverhandlung:
Öffentliche Sitzung des Strafrichters beim Amtsgericht Ebersberg vom 26. Februar 2016.
Gegenwärtig:
Richter am Amtsgericht Frosch,
Staatsanwältin Siebel als Beamtin der Staatsanwaltschaft,
Justizangestellter Brander als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.
.........................
Das Gericht stellt fest, dass bis 10.20 Uhr weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erschienen
ist, obwohl die Hauptverhandlung für 10 Uhr angesetzt war.
Es erlässt daraufhin folgendes
Urteil:
1.
Der Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Ebersberg
vom 08. Januar 2016 wird verworfen.
2.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe:
Der Angeklagte ist ordnungsgemäß geladen worden. Dennoch ist weder er erschienen, noch hat er
sich durch seinen Verteidiger vertreten lassen. Aufgrund der erfolgten Anordnung des persönlichen
Erscheinens hätte die anwaltliche Vertretung allerdings ohnehin nichts an der „Säumnis“ des Angeklagten geändert.
Festgestellt wird hiermit, dass heute morgen um 8.15 Uhr ein Fax des Verteidigers mit der Mitteilung einging, der Angeklagte könne zur Hauptverhandlung nicht erscheinen, da er erkrankt sei. Er
Assessorkurs Bayern
- Klausur Nr. 1220 / Seite 4 leide an Kreislaufbeschwerden und Erbrechen, was darauf zurückzuführen sei, dass gestern die Beerdigung seiner verstorbenen Mutter stattgefunden habe.
Das Fax der Verteidigung nennt keinerlei Beweismittel für diese Behauptungen. Diese erscheinen
ohnehin auch als unsubstantiiert und unglaubhaft. Da das Gericht aufgrund des Verhaltens des Angeklagten ohnehin schon zuvor den Verdacht hatte, der Angeklagte werde versuchen, den Prozess
zu verschleppen, ist eine genügende Entschuldigung nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan.
Eine weitere Aufklärung der Behauptungen war dem Gericht nicht möglich, da das Entschuldigungsschreiben von der Geschäftsstelle erst einige Minuten vor Aufruf der Sache vorgelegt worden
war.
Daher konnte der Einspruch, obwohl er in zulässiger Weise eingelegt worden war, verworfen werden. Eine Sachprüfung war mithin entbehrlich.
Frosch (RiAG)
Brander (Urkundsbeamter)
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Das Urteil wurde dem Verteidiger am 10. März 2016 ordnungsgemäß zugestellt.
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RA Altmayer beauftragt daraufhin den ihm zugewiesenen Stationsreferendar damit herauszufinden,
welcher Rechtsbehelf nun zu ergreifen sei. Das Urteil sei „voll daneben“. Gleichzeitig solle bereits
ein Entwurf des notwendigen Schriftsatzes angefertigt werden. Diesen solle er möglichst gleich
begründen, und zwar auch dann, wenn eine Begründung gesetzlich nicht vorgeschrieben sein sollte.
Allerdings soll in der Begründung natürlich nur auf die Aspekte eingegangen werden, die infolge
dieses Schriftsatzes von dem Gericht, das über diesen zu entscheiden hat, tatsächlich zu prüfen sind.
Bezüglich des Vorwurfs der Verletzung des Fritz Frischer weist RA Altmayer darauf hin, dass diesem nach Aussage des Mandanten der Defekt an der Bremse der Yamaha bekannt war. Er sei eigens
noch gewarnt worden, wollte aber trotzdem unbedingt fahren, weil Herr Ampler es zuvor ja auch
geschafft hatte, die Maschine zu fahren. Außerdem hatte Herr Frischer versprochen, das Sportplatzgelände nicht zu verlassen, und dort gebe es ja zumindest keine Mauer. Diese Aspekte hätten die
Ermittler entweder nicht weiter aufgeklärt oder der Verfasser des Strafbefehls habe ihn - dann aber
ganz gewiss zu Unrecht - für unbeachtlich gehalten. Andererseits habe er das Gefühl, die Staatsanwaltschaft habe hier auch einen Straftatbestand übersehen. Deswegen solle auch geklärt werden, ob
solche, nicht im Strafbefehl genannten Taten nachträglich noch bejaht werden könnten.
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Vermerk für den Bearbeiter:
1.
2.
Der Entwurf des Schriftsatzes des Verteidigers an das Gericht ist zu fertigen.
In einem Gutachten sind alle im Sachverhalt berührten prozessualen und materiellrechtlichen Fragen, auf die es in dem Schriftsatz nicht ankommt, zu diskutieren.
Ladungen, Zustellungen und sonstige Formalien sind in Ordnung, soweit sich nicht aus dem Sachverhalt ein anderes ergibt.