Kultur under W Wuzzi REINHARD HICKL Der österreichische Begriff für ausendsassa drängt sich geradezu auf, T wenn unter den geschickten Händen des Salzburgers handwerkliche Kleinode entstehen. Sein an ein barockes Raritätenkabinett erinnerndes Geschäft birgt Schönes, Nützliches und Kurioses. Markus Deutsch 48 WILD UND HUND | 24/2014 seine gerade geschlagene Beute, eine Gams, in die Höhe. Darunter buhlt ein balzender Auerhahn um die Gunst der holden Weiblichkeit. Die Szenen von Lust und Leid finden sich traulich vereint auf einer Krachledernen eingestickt. Ihre ähnlich reich verzierten Schwestern in verschiedenen Brauntönen mit Tragespuren harren sauber im Regal aufgereiht eines neuen, Trachten liebenden Besitzers. Direkt daneben stapeln sich, zu Schnecken aufgerollt, breite Ledergürtel mit großen Messingschließen. Auf einigen rekelt sich die Jagdgöttin Diana und erholt sich vom anstrengenden Waidwerk, auf anderen umrahmen Hirsche einen ww w.w ild un d hund .de Wappenschild. In einem knorrigen Wurzelstück prangen prachtvolle Gams- und Dachsbärte. Darunter bergen Glasvitrinen zahlreiche Messer, Fuhrmannsbestecke und Hutnadeln in allen möglichen Ausführungen. Gegenüber präsentiert ein weiterer Schauschrank allerlei Sehenswertes: Auf den ersten Blick sind alte, mit Greifenfängen geschmückte P feifen, Hirschhornschnitzereien und Reservistenkrüge zu sehen. „Da kommt noch ein Raum mit ein paar Schmankerln“, verheißt Reinhard Hickl mehr Staunenswertes, während er sich eine grüne Schürze vorbindet. „Aber das schauen wir uns später an. Erst mal gehen wir rauf in die Werkstatt.“ Der 52-Jährige ist der Herr der Wunderkammer in seinem Heimat- WILD UND HUND | 24/2014 Fotos: Markus Deutsch Mit schweren Schwingenschlägen wuchtet ein Adler 49 Kultur ort Koppl östlich von Salzburg, deren vielfältige Fülle den Betrachter beeindruckt. Auf dem Weg zur Schaffensstätte im Stockwerk über dem Geschäft passieren wir noch Geweihmöbel, Präparate aus Großvaters Zeiten, bunte Schützenscheiben und üppig geschnitzte Trophäenschilde. tigt werden. Auf der Werkbank liegt bereits die gegossene Verzierung des Koppelschlosses in Form eines silbernen, flüchtenden Hirsches. „Die Holzmodel dafür schnitze ich selbst“, verrät Hickl eines seiner vielen Talente. Er arbeitet nach alten Vorlagen, die er auf Flohmärkten oder bei Auktionen ergattert hat. „Ich hab‘ die Schnallen erst nur gesammelt. Die erste hab‘ ich zum Beispiel in Bad Ischl auf einem Trödel entdeckt. Ich hatte halt schon immer ein Faible für Altes“, deutet der Österreicher die Ursprünge seiner heutigen Tätigkeit an, während er auf einer Messingplatte die Umrisse der entstehenden Schließe anreißt. „Als ich ein paar zusammen hatte, habe ich die mal ausgestellt. Dann wollten einige Besucher Fotos: Markus Deutsch Heute soll ein Trachtengürtel gefer- Dieser Kunde ist angereist, um sich für einen in Wien stattfindenden Jägerball eine zünftige Krachlederne zu kaufen. Die Holzmodel für die Verzierungen schnitzt Hickl selbst. Sie formen das Negativ in die rote Gussmasse. 50 WILD UND HUND | 24/2014 Die Messingplatte (l.) bekommt nach dem Aussägen und Entgraten im Schraubstock die nötige Wölbung verpasst. unbedingt welche kaufen. Aber das sind ja alles Unikate, und weil die Nachfrage so groß war, hab ich vor zehn Jahren angefangen, sie nachzufertigen.“ Dass die in seinem Geschäft angebotenen Kopien ihren originalen Vorlagen in nichts nachstehen, kommt nicht von ungefähr: Hickl beherrscht viele Kniffe der Holz-, Metall- und Lederverarbeitung. Einen Gutteil seines Könnens hat er während seiner Ausbildung zum Büchsenmacher und Schäfter im kärntnerischen Ferlach erworben. Weitere Kenntnisse kamen bei seiner späteren Tätigkeit als Antiquitätenrestaurator und -händler dazu: „Damit habe ich mich 1986 selbstständig gemacht. Damals waren Schellackpolierer gesucht. Das konnte ich von meiner Ausbildung her. Und so habe ich Biedermeier- Möbel restauriert und verkauft.“ Das Auge fürs Besondere und die Sammelleidenschaft taten ihr Übriges, sodass sich der Koppler mehr und mehr auf den Handel mit alpenländischer Volkskunst, Trachten und historischen Jagdartikeln spezialisiert hat. Um seinen Kunden Exklusives bieten Nachdem die Metallstege an der Verzierung angelötet sind (l.), wird der Silberhirsch auf der Schließe befestigt. ww w.w ild un d hund .de Neben neu geschnitzten Trophäenbrettern hat der Salzburger auch antike Stücke im Angebot. Auf Wunsch bekommen die Schnallen einen Gürtel aus alten Treibriemen. WILD UND HUND | 24/2014 51 Kultur zu können, scheut der Salzburger auch nicht davor zurück, Neues auszuprobieren. So hat er ein Verfahren entwickelt, Lederhosen künstlich zu altern. „Leder zu antikisieren, ist nicht ganz einfach“, verweist Hickl auf die Herausforderungen des Unterfangens. „Aber alte Stücke sind unter Liebhabern fünf- bis zehntausend Euro wert. Ich hab‘ ein paar solcher Schätze ergattern können, die teilweise 160 Jahre alt sind. Durch die Alterungstechnik sehen die neuen Hosen zünftig aus, sind aber trotzdem erschwinglich.“ So kann der Salzburger nach den alten Vorlagen gefertigte Krachlederne in unterschiedlichen Größen und Ausführungen anbieten, ohne dass diesen das Stigma touristischer Stangenware anhaftet. Mittlerweile ist die rechteckige Messingplatte für die Schließe ausgesägt. Die Kanten sind angeschrägt und entgratet. Mithilfe zweier Holzstücke, zwischen die das Metallstück in einen Schraubstock geklemmt wird, presst Fuhrmannsbestecke – Messer, Gabel und manchmal sogar Löffel – hat Hickl einige im Angebot. Der tönerne Kaiser Franz Joseph im Jagdgewand birgt unter seinem allerhöchsten Hintern einen Tabakstopf. 52 WILD UND HUND | 24/2014 Antike Pfeifen und Messer mit Greifenfängen verziert (u.) finden sich ebenso wie Garderobenmandl mit Krucken (l.). Weinankauf Hickl dem Werkstück die nötige Wölbung auf. Dasselbe Prozedere durchläuft die Hirschverzierung. Mit Kennerblick prüft der Österreicher, ob beide Teile sauber aufeinanderpassen. Nachdem aus einem kleinen Schränkchen die nun benötigten Utensilien zusammengestellt sind, zündet Hickl seinen Gasbrenner an. Die blau-fauchende Flamme fixiert den Haken und die Befestigung für den Lederriemen durch Silberlot auf der gewölbten Platte. Nach seiner Kundschaft befragt, ant- Bordeaux, Burgund, Italien, Spanien, Australien, USA... „Jetzt gehts mit dem Gürtel weiter“, deutet Hickl an die Wand seiner Werkstatt, an der alte Treibriemen hängen. Er wählt einen passenden aus, rückt eine Maschine von der Wand in den Raum und spaltet damit das Leder. Dann wird es passgenau zur Schnalle zugeschnitten, gefettet und eine Lasche mit Löchern zur Weitenverstellung aufgeklebt. „Den Rest mache ich morgen“, unterbricht Hickl seine Arbeit nach einem Blick auf die Uhr. „Gleich kommt der Kunde, und wir wollen uns ja noch mal im Geschäft umschauen.“ Die Fülle der fast schon musealen Stücke lässt den Betrachter staunen: alte Präparate, darunter ein Perückengehörn, Jahrmarktsbilder mit Wildererkitsch neben alten Jagdstichen, Kuckucksuhren, Berg- und Gehstöcke mit Hirschhorngriffen. Über dem Tisch schwebt ein Lüsterweib mit Geweihstangen als Beinen. Dar- Wir garantieren kompetente Beratung und seriöse Abwicklung. KONTAKTIEREN SIE UNS Klaus Hombücher [email protected] Pierre Falk [email protected] Tel: +49 (0)2464 / 9798-355 Fax: +49 (0)2464 / 9798-707 MaisonVin - vins par excellence OHG Siersdorfer Str. 6 (b) D-52457 Aldenhoven www.maisonvin.com Hickl hat, um der Nachfrage Herr zu werden, viele fleißige Zuarbeiter. Die Koppelschlösser fertigt er aber meist selbst. Fotos: Markus Deutsch wortet der 52-Jährige, während er die Konturen der Hirsch-Silberverzierung mit einem Bleistift aufs Messing paust: „Vom hiesigen Landwirt bis in Hochadelskreise ist alles dabei. Die meisten werden durch Mundpropaganda auf mich aufmerksam. Gleich kommt noch ein Kunde. Der soll zum Jägerball nach Wien und will sich dafür noch was Passendes kaufen.“ Am Standbohrer versieht Hickl die Messingschließe mit vier kleinen Löchern. Durch diese soll die Hirschapplikation befestigt werden. Dafür kommt der Brenner noch mal ins Spiel. Dem Silbercerviden lötet der Koppler vier Metallstege auf. Anschließend steckt er sie durch die Löcher im Messing, knipst die überstehenden Enden mit einer Zange ab und vernietet die Verzierung auf der Rückseite der Messing- Erzielen Sie mit uns die besten Preise für Ihre hochwertigen Weine! platte. Noch ein Kontrollblick, dann schmeißt Hickl die Poliermaschine an, säubert die neue Schnalle und legt sie auf die Werkbank. ww w.w ild un d hund .de Kultur Dieses nützliche Utensil aus Bein diente seinem Besitzer als Zahnstocher (Spitze) und Ohrkratzer (Löffel). Verwandlung: Aus der kopflosen PrinzregentLuitpold- Schirmständer-Vorlage (r.) wurde auf Kundenwunsch ein Franz Joseph. Allerdings musste dieser dabei die Leibesfülle seines bayerischen Verwandten übernehmen. unter sitzt ein tönerner Kaiser Franz Joseph in Jagdkluft, unter seinem kaiserlich-königlichen Allerwertesten ein Fach für Tabak bietend. In einer Ecke schmiedet eine Bismarck-Statuette an der deutschen Reichseinheit, symbolisiert durch ein Schwert auf dem Amboss. Unter der Decke streicht ein sogenannter Suppenbrunzer, eine den Heiligen Geist symbolisierende Holztaube, die im Alpenländischen über dem Tisch befestigt war. Aus der darunter platzierten Suppe aufsteigende Dämpfe kondensierten an dem Vogel und leckten wieder zurück in den Topf – daher der etwas despektierliche Name. Der Hinweis Hickls, dass er auch schon Requisiten für Filmproduktionen gestellt hat, verwundert bei der Menge und Vielfalt der Gegenstände nicht. Der Kunde ist da. Im Handumdrehen Kleidung von einigen Leuten als für einen Ball zu wenig festlich empfunden wird, lässt Hickl, der selbst immer Tracht oder Jagdliches trägt, nicht gelten: „Ich halte es da, wie es ein leider schon verstorbener Freund von mir immer gesagt hat: Stehts zu eurem Land, ziagts oh a gscheit‘s Gwand!“ findet der Salzburger die passende Lederhose, einen nicht allzu großen Gürtel und Stutzen für ihn, der nun entsprechend zünftig beim Jägerball in der Hauptstadt übers Parkett schweben kann. Das Argument, dass diese Art der Weitere Bilder sowie Informationen und dass Reinhard Hickl nicht nur handwerkliche, sondern auch musikalische Fertigkeiten besitzt, sehen Sie unter Dossiers auf www.wildundhund.de e Die gusseiserne Pistole lässt sich zu einem Stiefelknecht aufklappen (r.). Fotos: Markus Deutsch Messer (unten Griffe) werden in Koppl in großer Zahl und Form angeboten. 54 WILD UND HUND | 24/2014 ,,Manuela Lewentz` Regionalkrimi Tödliche Treibjagd hebt sich von ähnlichen Büchern wohltuend durch die an Josef Haslingers Opernball geschulte multiperspektive Erzählweise ab, die auch den psychotischen Täter immer wieder in Ich-Form zu Wort kommen lässt.“ MÜNCHNER MERKUR Kuckucks Mord ,,Als ich meine Augen öffne, sehe ich in den Lauf einer Flinte, höre einen Kuckuck, vielleicht ist es nur eine Einbildung. Wo ist Andreas? Ich will nach ihm schreien, dann wird es dunkel.“ Die Geister der Vergangenheit ruhen nicht: Petra, eine junge Journalistin, findet heraus, dass im Kreiskrankenhaus Babys vertauscht wurden. Ihre Recherche wirbelt viel Staub auf. Die Menschen, denen Petra und ihr Vorgesetzter Achim auf die Spur kommen, reagieren eiskalt. Petra wird vergiftet, Achim erschossen unter seinem Hochsitz gefunden. Ein neuer Fall für Jil Augustin. KuckucksMord – Im Buchhandel erhältlich | 238 Seiten | Leinen | EURO 20,- | ISBN 978-3-7844-3364-6
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